Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 10.07.2003, Az.: 2 E 245/03

rechtliches Interesse; Sachverständigengutachten; selbstständiges Beweisverfahren

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
10.07.2003
Aktenzeichen
2 E 245/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48361
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Verfahrenskosten.

Gründe

1

Ein selbständiges Beweisverfahren gemäß § 485 ZPO kann gemäß § 98 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchgeführt werden. Im vorliegenden Fall ist der auf § 485 Abs. 2 ZPO gestützte Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens allerdings unzulässig. Der Antragsteller hat kein rechtliches Interesse dafür glaubhaft gemacht, die in seinem Antrag zu den Ziffern 1. bis 3. dargelegten Fragen betreffend die Zuführung von Wasser auf das ihm gehörende Flurstück E. (Flur F., Gemarkung G.) über das Grabenflurstück H. im Wege einer schriftlichen Begutachtung durch einen Sachverständigen vor einem Rechtsstreit klären zu lassen. Nach § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann eine Partei, sofern ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass erstens: der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, zweitens: die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels, drittens: der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels festgestellt wird. Nach Satz 2 des § 485 Abs. 2 ZPO ist ein rechtliches Interesse anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Mit der Erwähnung eines zu vermeidenden Rechtsstreits wird das rechtliche Interesse nicht abschließend legal definiert (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Komm. , Loseblattsamml ., Stand: Januar 2003, § 96, Rn. 271). Aus folgenden Gründen ist hier ausgeschlossen, dass die Einholung des Sachverständigengutachtens zu den im Antrag genannten Fragen der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann:

2

Die zu Ziffer 1. a) - e) angeführten „Behauptungen“ werden von dem Antragsgegner nicht bestritten. In der Antragserwiderung vom 30.06.2003 wird ausführlich dargelegt, dass die Verhältnisse so sind, wie sie der Antragsteller darstellt. Das ergibt sich im Übrigen für das Gericht auch aus den von dem Antragsteller vorgelegten Fotos, seinen Erläuterungen hierzu und dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin. Es ist also nicht erforderlich, gutachterlich die tatsächlichen Verhältnisse einschließlich der schadhaften Verrohrung und der Folgen stärkerer Niederschläge u. Ä. als Zustand einer Sache i.S. des § 485 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und Ursache eines Sachschadens i.S. des § 485 Abs. 2 Nr. 2 ZPO feststellen zu lassen. Abgesehen davon ist fraglich, ob die Sachverhaltsermittlung nicht gem. § 24 VwVfG auch hier nur den Behörden - im Widerspruchsverfahren - und nicht den Gerichten zu überlassen ist (vg. OVG Schl.-Holstein, B. v. 22.01.1996 - 2 M 36/97 - zit. nach Juris; VG Gießen, B.v. 31.10.1997 - 1 J 1071/97 - zit. nach Juris).

3

Sofern der Antragsteller in den Anträgen zu 2. und 3. auf eine Mängelbeseitigung Bezug nimmt, will er offenbar den Aufwand für die Beseitigung eines Sachschadens i.S. des § 485 Abs. 2 Nr. 3 ZPO feststellen lassen. Insofern ist sein Antrag schon nicht hinreichend substantiiert. Er verweist nämlich nur allgemein auf Überschwemmungs- bzw. Abschwemmungsschäden bzw. die Folgen einer Erosion. Hierzu legt er Fotos vor. Hingewiesen wird aber nur auf Vorgänge in der Vergangenheit. Einen derzeit bestehenden Schaden trägt er nicht vor. Ein Gutachter könnte deshalb gar keinen Schaden untersuchen und infolge dessen auch keine Maßnahmen zu zu dessen Beseitigung einschließlich der Kostenschätzung der Mängelbeseitigung schriftlich darlegen.

4

Des Weiteren kann insoweit ein Rechtsstreit auch deshalb nicht vermieden werden, weil der Antragsgegner gar nicht bestreitet, dass Schäden an der Verrohrung zu einem Wasserabfluss („wie in früheren Zeiten“) auf dem Grundstück des Antragstellers führen. Er ist sich über den Umfang der „Mängel“ und in etwa auch über die für eine Erneuerung der Verrohrung bzw. für eine veränderte Wasserführung (einen neuen Graben) entstehenden Kosten im Klaren (etwa durch das Schreiben der Feldmarkinteressentschaft I. v. 07.04.2003). Durch eine genaue Kenntnis einzelner Schadstellen an der Verrohrung und der genauen Kosten einer Behebung dieser Schäden wird eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten nicht gefördert. Umstritten ist nämlich, wer für die Verrohrung heute wasserrechtlich unterhaltungspflichtig ist. Während der Antragsteller meint, die J. müsse auch das auf seinem Grundstück verlaufende Teilstück instand halten, vertritt der Antragsgegner den Standpunkt, als Eigentümer sei der Antragsteller selbst verantwortlich. Diese Frage kann im Hinblick auf ein Einschreiten des Antragsgegners als Untere Wasserbehörde nur in einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit geklärt werden. Ein Sachverständigengutachten zu den im Antrag enthaltenen Fragen 1. bis 3. kann der Vermeidung eines solchen Rechtsstreits unter keinem denkbaren Gesichtspunkt dienen.

5

Ein rechtliches Interesse an der Beweiserhebung besteht auch nicht aus anderen Gründen. Im Rahmen des dem Gericht nach § 98 VwGO i.V.m. § 485 Abs. 2 ZPO eingeräumten Ermessen war der Antrag deshalb abzulehnen.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Wegen der Ablehnung der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens war eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. VG Köln, Beschl. v. 25.10.2000 - 11 (2) I 1/00 -, NwBl . 2001, 108).