Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.07.2003, Az.: 7 B 141/03

Konkurrentenklage über die Besetzung des Dienstpostens als Leiter des Dezernats Zentrale Dienste im Niedersächsischen Forstplanungsamt; Ermessensausübung des Dienstherrn bei der Entscheidung über die Übertragung eines Dienstpostens bei der Beförderungsauswahl; Verbindlichkeit des in einer Stellenausschreibung festgelegten Anforderungsprofils für den Dienstherrn bei der Auswahl der Bewerber; Sogenannter Bewährungsvorsprung bei der späteren Beförderungskonkurrenz bei im wesentlich gleicher Eignung der Konkurrenten; Einführung des sogenannten KLR-Verfahrens für die Niedersächsischen Forstämter sowie für das Haushaltsvollzugssystem des Landes Niedersachsen; Grundlage des Leistungsvergleichs bei der Auswahlentscheidung der Bewerber um einen Dienstposten; Leistungsvorsprung des Bewerbers hinsichtlich der Voraussetzung im Bewerberprofil durch fundierte Verwaltungskenntnisse und Erfahrungen in der Führung und Zusammenarbeit von und mit Mitarbeitern ; Fähigkeiten des Konkurrenten bei der Besetzung des Dienstpostens hinsichtlich der Anwendung des EDV-Systems

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
25.07.2003
Aktenzeichen
7 B 141/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 34306
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2003:0725.7B141.03.0A

Fundstelle

  • ZBR 2004, 288 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Stellenbesetzung -
hier: Antrag nach § 123 VwGO -

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer -
am 25. Juli 2003
beschlossen:

Tenor:

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Dienstposten "Leiter des Dezernats Zentrale Dienste (Verwaltung, Haushalt, Personal)" im Niedersächsischen Forstplanungsamt nicht vor Rechtskraft einer Entscheidung über die Klage des Antragstellers gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 12.11.2002 in der Fassung seines Widerspruchsbescheides vom 03.02.2003 dem Beigeladenen zu übertragen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.198,06 EURO festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller und der Beigeladenen konkurrieren um einen Dienstposten im Niedersächsischen Forstplanungsamt (NFP), der nach BesGr A 13 g.D. BBesO bzw. nach Verg.Gr III BAT bewertet ist.

2

Der im Jahre 1950 geborene Antragsteller absolvierte vom 01.04.1969 an eine Ausbildung als Forstlehrling, bevor er am 01.10.1972 zum Revierförster-Anwärter und am 01.10.1975 zum Forstinspektor z.A. ernannt wurde. Er wurde am 01.10.1978 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Forstinspektor, am 22.11.1979 zum Forstoberinspektor, am 28.11.1980 zum Forstamtmann und am 21.08.1992 zum Forstamtsrat ernannt. In der Zeit vom 01.07.1976 bis zum 31.08.1985 war der Antragsteller bei der Bezirksregierung Braunschweig als Sachbearbeiter für Personal, Aus- und Fortbildung sowie Organisation, in der Zeit vom 01.09.1985 bis zum 31.05.1992 bei dem Staatlichen Forstamt Braunschweig als Leiter der Revierförsterei E. sowie anschließend vom 01.06.1992 bis zum 24.02.1995 erneut bei der Bezirksregierung Braunschweig als Sachbearbeiter im Dezernat 601 "Personal, Aus- und Fortbildung, Organisation" tätig. Unmittelbar danach nahm der Antragsteller bis zum 30.09.1997 bei der Bezirksregierung Braunschweig, Dezernatsgruppe Forsten, die Funktion des Dezernenten "Personal, Aus- und Fortbildung, Organisation" wahr, bevor er in der Zeit vom 01.10.1997 bis zum 31.08.2000 im Dezernat 510 der Bezirksregierung Braunschweig als Sachbearbeiter für Liegenschaften, öffentliche Planungen und Haushalt tätig war. Seit dem 01.09.2000 hat der Antragsteller die Büroleitung im Niedersächsischen Forstamt (NFA) F. inne.

3

Der Antragsteller wurde zuletzt am 22.08.2002 mit der Gesamtnote "sehr gut" nach Maßgabe des (§ 16 Abs. 5 Niedersächsische Laufbahnverordnung, NLVO) und der Eignungsprognose "sehr gut für die Leitung des Dezernates I (Verwaltung) im Niedersächsischen Forstplanungsamt in Wolfenbüttel geeignet" beurteilt. Die zuvor unter dem 01.03.1999 erstellte und unter dem 27.06.2000 bestätigte Beurteilung des Antragstellers schloss ebenso mit der Gesamtnote "sehr gut" wie die unter dem 20.01.1998 angefertigte Beurteilung. Während diese mit dem Verwendungsvorschlag "Spitzenpositionen im gehobenen Forstdienst" schließt, enthält die Beurteilung vom 01.03.1999/27.06.2000 als Vorschlag für die weitere dienstliche Verwendung des Antragstellers dessen "Einsatz als Forstamtsdezernent mit seinem großen Verantwortungsbereich (als) außerordentlich geeignete Stelle".

4

Der im Jahre 1949 geborene Beigeladene absolvierte zunächst - jeweils erfolgreich - Ausbildungen zum Kfz-Mechaniker sowie zum staatlich anerkannten Maschinenbautechniker, bevor er am 01.08.1976 als Verwaltungsangestellter in den niedersächsischen Forstdienst (Forstamt G.) eintrat. Er bestand am 27.11.1981 die Angestelltenprüfung I mit dem Gesamtergebnis "befriedigend (3,28)", am 21.01.1986 die Angestelltenprüfung II mit dem Gesamtergebnis "befriedigend (3,43)". Der Beigeladene wurde bisher lediglich in zwei Dienststellen verwendet: Von seiner Einstellung im August 1976 bis Ende Februar 1986 war er im Forstamt G. Sachbearbeiter für Holzangelegenheiten, danach für Lohnangelegenheiten. Von März 1986 bis heute war der Beigeladene im Niedersächsischen Forstplanungsamt zunächst Sachbearbeiter für Mobile Datenerfassung für die Holzernte, Planausführungsnachweise für die Holzernte und sonstige Betriebsmaßnahmen, Kostenträgerrechnung für sonstige Betriebsmaßnahmen, sodann Sachbearbeiter für Holzverkaufsverfahren und Bruttolohnverfahren, anschließend Sachbearbeiter für Nettolohnverfahren und Jagdbuchführungsverfahren mit integrierter Haushaltsbuchführung, danach Sachbearbeiter für Haushaltseinnahme-/Haushaltsausgabeverfahren, Kostenleistungsrechnung mit Entwicklung, Einführung und Beratung des KLR-Verfahrens für die Niedersächsischen Forstämter sowie für das Haushaltsvollzugssystem des Landes Niedersachsen. In diesem Zusammenhang vertritt der Antragsgegner die Auffassung, dass die Wahrnehmung der jeweils unterschiedlichen Aufgabenbereiche einem Wechsel der Dienstposten gleichzusetzen sei. Die einzige für den Beigeladenen erstellte Beurteilung, datierend vom 14.08.2002, welche keinen Beurteilungszeitraum erkennen lässt, nennt als in Bezug genommenen Dienstposten den eines Sachbearbeiters im Dezernat Forst-EDV, Sachgebiet Betriebsabrechnung, des NFP. Diese Beurteilung schließt mit dem Gesamturteil "sehr gut" (§ 16 Abs. 5 NLVO) sowie dem Vorschlag zur dienstlichen Verwendung "weiterhin Sachbearbeiter im Dezernat Forst-EDV des NFP".

5

Der Antragsgegner schrieb den hier verfahrensgegenständlichen Dienstposten des Leiters/der Leiterin des Dezernats "Zentrale Dienste" (Verwaltung, Haushalt, Personal) mit der Maßgabe aus, dass sich alle Mitarbeiter der Niedersächsischen Landesforstverwaltung mit der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Forstdienst oder mit der Angestelltenprüfung II bewerben könnten. Ausweislich dieser Stellenausschreibung werden eine langjährige Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen der Landesforstverwaltung, fundierte Verwaltungskenntnisse und Erfahrungen in der Führung und Zusammenarbeit von und mit Mitarbeitern, besondere Kenntnisse und Erfahrungen im Haushalts- und Personalrecht sowie gute EDV-Grundkenntnisse sowie Erfahrungen im Haushaltsvollzugssystem vorausgesetzt. Als wünschenswert werden ferner eingehende forstbetriebliche Kenntnisse sowie gegebenenfalls Kenntnisse aus Verwendungen in anderen Verwaltungsbereichen bezeichnet. Hierzu hat der Antragsgegner dem Antragsteller unter dem 30.10.2002 schriftlich bestätigt, dass diese als wünschenswert bezeichneten Anforderungen an den künftigen Dienstposteninhaber als Hilfskriterien im Rahmen der Bestenauslese gemäß § 8 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) anzusehen seien. Hinsichtlich des nach der Stellenausschreibung insbesondere zu betreuenden Aufgabengebietes wird auf jene (Bl. 1 der BA A) verwiesen. Auf diesen Dienstposten bewarben sich neben dem Antragsteller und dem Beigeladenen ursprünglich weitere fünf Personen, von denen sich allerdings mit dem Antragsteller und dem Beigeladenen nur insgesamt vier Bewerber einem Auswahlgespräch mit einem sechsköpfigen Entscheidungsgremium unterzogen. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf den darüber gefertigten Vermerk vom 01.11.2002 nebst synoptischer Darstellung vom 24.09.2002 (jeweils in BA A) Bezug genommen. Ausweislich der im Vermerk vom 01.11.2002 enthaltenen tabellarischen Zusammenstellung erzielte der Antragsteller im Auswahlgespräch 174,5 Punkte, während dem Beigeladenen 185 Punkte zuerkannt wurden.

6

Mit Verfügung vom 12.11.2002 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller - wie auch den anderen abgelehnten Bewerbern, welche die Auswahlentscheidung allerdings akzeptierten - mit, seine Bewerbung sei erfolglos geblieben, weil beabsichtigt sei, dem Beigeladenen den Dienstposten zu übertragen. Den dagegen am 27.11.2002 erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2003 (Zustellung: 06.02.2003) als unbegründet zurück. Daraufhin hat der Antragsteller am 06.03.2003 vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

7

Der Antragsteller vertritt im Wesentlichen die Auffassung, er erfülle die Voraussetzungen des in der Ausschreibung dargestellten Anforderungsprofils eindeutig, jedenfalls deutlich besser als der Beigeladene, der mehrere notwendige Voraussetzungen des Anforderungsprofils ebenso wenig erfülle wie die in der Ausschreibung als wünschenswert bezeichneten Hilfskriterien. Während er selbst eine umfassende Verwendungsbreite und -tiefe vorweisen könne, sei der Beigeladene mit den relevanten Themenbereichen primär bis ausschließlich in seiner Eigenschaft als EDV-Anwender und -Sachbearbeiter in Berührung gekommen. Zudem sei die erkennbar vorgenommene Berücksichtigung der Tätigkeit des Beigeladenen im Personalausschuss der Landwirtschaftskammer Hannover ebenso rechtsfehlerhaft wie die Berücksichtigung seiner Tätigkeit als Personalratsmitglied bzw. -vorsitzender.

8

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Dienstposten "Leiter des Dezernats Zentrale Dienste (Verwaltung, Haushalt, Personal)" im Niedersächsischen Forstplanungsamt nicht vor Rechtskraft einer Entscheidung über die Klage des Antragstellers gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 12.11.2002 in der Fassung seines Widerspruchsbescheides vom 03.02.2003 dem Beigeladenen zu übertragen.

9

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

10

Er verweist auf die Begründung seines Widerspruchsbescheides und hebt ergänzend hervor, dass das Auswahlgremium alle in der Ausschreibung genannten notwenigen und wünschenswerten Voraussetzungen in dem Auswahlgespräch angesprochen und bei seiner Bewertung berücksichtigt habe. Danach bestehe ein deutlicher Leistungsvorsprung des Beigeladenen vor dem Antragsteller.

11

Der Beigeladene hat weder einen Antrag gestellt noch inhaltlich Stellung genommen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.

13

II.

Der zulässige Antrag ist auch begründet.

14

Der Antragsteller hat gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO einen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.

15

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag in Bezug auf den Streitgegenstand eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes - hier durch die Übertragung des Dienstpostens an den Beigeladenen - die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers auf eine fehlerfreie Auswahlentscheidung vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind der Grund für die begehrte Eilmaßnahme (Anordnungsgrund) und das Recht, dessen Verwirklichung der Antragsteller gefährdet sieht (Anordnungsanspruch), vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

16

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund schon deshalb glaubhaft gemacht, weil nach einer eventuellen Dienstpostenübertragung - mit entsprechender Planstellenunterlegung - an den Beigeladenen diesem die Wahrnehmung der dort anfallenden Aufgaben ermöglicht und ihm dadurch ein sogenannter Bewährungsvorsprung verschafft werden würde, den der Dienstherr im Falle der späteren Beförderungskonkurrenz bei im wesentlich gleicher Eignung auswahlentscheidend berücksichtigen dürfte. Zudem wäre im Falle einer Übertragung des ausgeschriebenen Dienstpostens an den Beigeladenen die betreffende Planstelle vergeben, so dass der Teilhabeanspruch des Antragstellers an einer korrekten Bewerberauswahl faktisch nicht mehr erfüllt werden könnte.

17

Ferner hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht. Denn die von dem Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung ist bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtsfehlerhaft.

18

Eine Auswahlentscheidung unterliegt als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder Richtlinien verstoßen hat (vgl. Beschl. des NdsOVG v. 22.02.2000, Az.: 2 M 3526/99 m.w.N.). Die Ermessensausübung des Dienstherrn bei der Entscheidung über die Übertragung eines Dienstpostens bei der Beförderungsauswahl hat sich an dem aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 BRRG und § 8 Abs. 1 NBG ergebenden Leistungsgrundsatz als dem entscheidenden Auswahlkriterium zu orientieren. Grundlage des Leistungsvergleichs bei der Auswahlentscheidung sind in erster Linie die letzten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber. Unterscheiden sich die Ergebnisse der dienstlichen Beurteilungen verschiedener Bewerber nicht wesentlich voneinander, so bleibt es zwar prinzipiell der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, zwischen mehreren möglichen und den Leistungsgrundsatz wahrenden Auswahlkriterien zu wählen. Der Leistungsgrundsatz und der Grundsatz der Chancengleichheit gebieten es jedoch, der Auswahlentscheidung zeitnahe Beurteilungen der Bewerber zu Grunde zu legen. Unter welchen Voraussetzungen zurückliegende Regelbeurteilung noch eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung darstellen, lässt sich nicht generalisieren, sondern nur unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantworten (vgl. o.a. Beschl. des NdsOVG vom 02.02.2000 sowie den Beschl. desselben Senats v. 24.02.2000, Az.: 2 M 172/00 und den Beschl. dieser Kammer vom 18.04.2000, Az.: 7 B 19/00). Hat der Dienstherr für die Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle notwendige und/oder hilfsweise zu berücksichtigende Auswahlkriterien im Sinne eines Anforderungsprofils aufgestellt, muss sich der Dienstherr in dem Sinne an seiner Ausschreibung festhalten lassen, dass von dem Gericht auch zu prüfen ist, welcher Bewerber jenes Anforderungsprofil (besser) erfüllt. Das in einer Stellenausschreibung festgelegte Anforderungsprofil bleibt für den Dienstherrn bei der Auswahl der Bewerber verbindlich (BVerwG, Urt. v. 16.08.2001, in: NVwZ-RR 2002, 47). Dies gilt auch für die im Rahmen der Bestenauslese aufgestellten Hilfskriterien.

19

Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe stellt sich die Auswahlentscheidung durch den Antragsgegner als aller Voraussicht nach rechtswidrig dar: Einleitend lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob sich bei einer isolierten Betrachtung der zugrunde liegenden Beurteilungen ein Leistungsvorsprung des Beigeladenen ergäbe, wenngleich die Kammer daran erhebliche Zweifel hätte. Denn weder kann der für den Beigeladenen erstellten Beurteilung der relevante Beurteilungszeitraum entnommen werden noch ist für die Kammer ersichtlich, dass die für den Beigeladenen und den Antragsteller jeweils zuletzt gefertigten Beurteilungen sich auf Leistungen bezögen, die die Konkurrenten auf im Wesentlichen vergleichbaren und somit gleichwertigen Dienstposten erbracht hätten. Des weiteren hätte gegen einen aus den Beurteilungen abzuleitenden Leistungsvorsprung des Beigeladenen möglicherweise auch gesprochen, dass dieser bisher erstmalig mit der Gesamtnote "sehr gut" bewertet und mit einem Verwendungsvorschlag "weiterhin Sachbearbeiter im Dezernat Forst-EDV des NFP" bedacht worden ist, während der Antragsteller bereits in mehreren Beurteilungen die Gesamtnote "sehr gut" erhalten hat und jeweils auch für die bereits oben aufgeführten Führungsverwendungen vorgeschlagen worden ist. Letztlich bedürfen diese soeben skizzierten Zweifel des Gerichts allerdings deshalb keiner genaueren Betrachtung, weil die angegriffene Auswahlentscheidung des Antragsgegners sich schon aus den folgenden Gründen als rechtswidrig darstellt.

20

Der Antragsgegner ist ohne sachlichen Grund von den in seiner Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen des gesuchten Dienstposteninhabers abgewichen. Das dort festgelegte Anforderungsprofil wird nicht von dem Beigeladenen, sondern allein von dem Antragsteller erfüllt, woraus sich letztlich ein klarer Leistungsvorsprung des Antragstellers gegenüber dem Beigeladenen ergibt: Im Unterschied zu dem Beigeladenen weist der Antragsteller eine "langjährige Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen der Landesforstverwaltung" auf. Er hat als ausgebildeter Diplomforstwirt in über 26 Dienstjahren die bereits erwähnten Dienstposten des gehobenen Dienstes innegehabt und verfügt daher über eine erheblich größere Verwendungsbreite als der Beigeladene. Dieser war in den Jahren 1976 bis 1986 als Holz- und Personalsachbearbeiter im Forstamt G. mit rein buchhalterischen Tätigkeiten betraut, die kaum als Grundlage für den Erwerb fundierter forstbetrieblicher Kenntnisse qualifiziert werden können. Seit 1987 ist der Beigeladene durchgängig im Dezernat "Forst/EDV/Betriebswirtschaft" des NFA tätig, wobei er aufgrund seiner EDV-Spezialausbildung allein mit der Gestaltung und der praktischen Umsetzung der speziellen Forst-EDV-Verfahren nebst den dazugehörenden Schulungen anderer Mitarbeiter in der praktischen EDV-Anwendung betraut ist. Diese dem Beigeladenen durchaus zuzusprechende fundierte Qualifikation führt allerdings nicht daran vorbei, dass der Beigeladene die in der Ausschreibung und insbesondere im Widerspruchsbescheid benannten Fachthemen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt "EDV-Umsetzung" kennen gelernt und bearbeitet hat. Eine darüber hinausgehende inhaltliche Befassung mit diesen Fachthemen ist weder seitens des Antragsgegners noch des Beigeladenen behauptet worden noch den Verwaltungsvorgängen zu entnehmen. Demgegenüber verfügt der Antragsteller über ein deutlich umfangreicheres berufliches Spektrum und damit über eine insoweit erheblich größere Verwendungsbreite als der Beigeladene.

21

Ebenso deutlich ergibt sich ein Leistungsvorsprung des Antragstellers hinsichtlich der Voraussetzung "fundierte Verwaltungskenntnisse und Erfahrungen in der Führung und Zusammenarbeit von und mit Mitarbeitern": Der Antragsteller hat über mehrere Jahre hinweg als Sachbearbeiter und Dezernent bei der Bezirksregierung Braunschweig sowie als Revierleiter in E. sowie als Büroleiter im Forstamt Braunschweig umfänglich und durchgängig Vorgesetztenfunktionen ausgeübt. Demgegenüber hat der Beigeladene während seiner gesamten Tätigkeit in der Niedersächsischen Landesforstverwaltung keinerlei Führungsaufgaben wahrgenommen. Soweit er in seinem Bewerbungsschreiben auf die Vertretung des Sachgebietsleiters "Betriebsabrechnung" hinweist, ist nicht ansatzweise substantiiert worden, ob und inwieweit diese Vertretungstätigkeit jemals praktisch geworden sein könnte. Zudem ist eine kurzfristige Tätigkeit als Vertreter des Sachgebietsleiters nicht mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung eines übertragenen Dienstpostens gleichzusetzen. Vertretung ist auf kurze Zeitabschnitte begrenzt und ganz regelmäßig in vergleichsweise enger Abstimmung mit dem zu vertretenden Vorgesetzten auszuüben. Auch ist der genannte Sachgebietsleiter dem betreffenden Dezernenten nachgeordnet, so dass sich die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Führungsverantwortung in Anbe-tracht der durchaus übersichtlichen personellen Organisation im NFA in engen Grenzen hält. Die Mitgliedschaft des Beigeladenen im Personalausschuss der Landwirtschaftskammer Hannover wie auch seine zwölfjährige Arbeit im Personalrat des NFP sind und erfordern keine Führungstätigkeit, jedenfalls keine "Führung und Zusammenarbeit von Mitarbeitern" im Sinne der Stellenausschreibung. Selbst ein Personalratsvorsitzender übt- jedenfalls auf der Grundlage des geltenden Rechts - keine etwa der Behördenleitung vergleichbare Führungstätigkeit aus. Ferner folgt aus der ständigen Praxis des Antragsgegners wie auch aus der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass die Ausübung einer Personalratstätigkeit in einer Dienststelle weder Gegenstand einer dienstlichen Beurteilung zu sein hat noch als Qualifikationsvorteil oder - nachteil des im Personalrat tätigen Beschäftigten herangezogen werden darf. Genau dies hat der Antragsgegner ausweislich der als Anlage zum Schriftsatz vom 13.06.2003 übersandten synoptischen Darstellung (Bl. 96 der GA), die ihrerseits die synoptische Punkteskala vom 01.11.2002 konkretisiert, getan. Danach hat das Auswahlgremium jeweils rechtswidrigerweise die zwölfjährige Personalratstätigkeit des Beigeladenen, davon 10 Jahre als Personalratsvorsitzender, sowie seine Mitgliedschaft im Personalausschuss der Landwirtschaftskammer Hannover, die inhaltlich auf eine der Personalratstätigkeit vergleichbare Funktion hinausläuft, hinsichtlich der Anforderungsmerkmale "Führung und Zusammenarbeit" und "Personalrecht" wie hinsichtlich des Hilfskriteriums "andere Verwaltungsbereiche" zugunsten des Beigeladenen berücksichtigt, so dass davon auszugehen ist, dass gerade aufgrund dieser Betrachtungsweise der Beigeladene in den soeben genannten Themenbereichen die jeweils ausgewiesenen höheren Punktezahlen zugesprochen bekommen und insoweit rechtswidrig einen Vorteil gegenüber dem Antragsteller erlangt hat. Der Antragsgegner hat dabei auch völlig unzureichend bewertet, dass der Antragsteller durch Dienstpostenübertragungen sowohl als Revierleiter als auch als Dezernent bei der Bezirksregierung und als Büroleiter umfangreiche Führungserfahrung in voller Verantwortung - und nicht nur in Vertretung eines Vorgesetzten - erworben und gezeigt hat.

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Ferner verfügt der Antragsteller über weitaus umfassendere "besondere Kenntnisse und Erfahrungen im Haushalts- und Personalrecht". Der Begriff Personalrecht umfasst u.a. das gesamte Arbeits- und Beamtenrecht nebst Disziplinarrecht etc. Der Beigeladene hat in seinem Bewerbungsschreiben nicht einmal selbst geltend gemacht, über umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet des Personalrechts in dem eben skizzierten Sinne zu verfügen. Soweit er für den Zeitraum ab 1986 auf seine Tätigkeit als Sachbearbeiter im Bereich "automatisierte Entlohnung der Waldarbeiter" hinweist, beschränkt sich dies auf Kenntnisse im Tarif- und Sozialversicherungsrecht. Die Erkenntnisse des Beigeladenen beschränken und konzentrieren sich insoweit auf diejenigen Teilbereiche, die Abrechnungs- und Vergütungsfragen betreffen. Umfassende oder gar bessere, noch dazu "besondere", Kenntnisse im Personalrecht als sie der Antragsteller aufweisen kann, vermag die Kammer jedenfalls nicht zu erkennen. Der Antragsteller war bisher u.a. für Personalauswahlverfahren bei Einstellungen im gehobenen Forstdienst, für die Besetzung von Dienstposten nebst verwaltungsinternen Ausschreibungen von Dienstposten des gehobenen und höheren Forstdienstes, für die dazugehörige Bewerberauswahl, für die forstfachliche Vorbereitung der Bewertungen der Dienstposten in den Forstämtern des Regierungsbezirks Braunschweig, für die Personalbetreuung, für Verhandlungen mit der Personalvertretung, für Grundsatzfragen der Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter, für die Organisation der Forstämter und Geschäftsverteilung sowie für die Landeshaushaltsordnung einschließlich Nebenbestimmungen, für das NBG und die NLVO, den BAT, das Disziplinarrecht, das NPersVG, sowie u.a. für die Bereiche Haushaltsführung, Stellenplanung, Reisekosten- und Umzugskostenrecht sowie Dienstwohnungsrecht tätig. Es ist für das Gericht offensichtlich, dass der Beigeladene kein derartig detailliertes Wissen in den genannten Fachbereichen erlangen, praktizieren und gestalterisch einsetzen konnte und/oder musste. Auch in diesem Zusammenhang sei nochmals hervorgehoben, dass die Tätigkeit des Beigeladenen in der Personalvertretung rechtlich nicht geeignet ist, diesem berufsbedingt erworbene Kenntnisse des Personalrechts zuzusprechen.

23

Des weiteren vermag die Kammer keinen Leistungsvorsprung des Beigeladenen hinsichtlich des Merkmals "gute EDV-Kenntnisse sowie Erfahrungen im Haushaltsvollzugssystem" zu erkennen. Ausweislich der mit Schriftsatz vom 13.06.2003 überreichten synoptischen Gegenüberstellung basiert der von dem Auswahlgremium entwickelte Vorteil des Beigeladenen allein auf seinen "tieferen Kenntnissen bei der Entwicklung des Verfahrens gegenüber reiner Anwendung bei H." (dem Antragsteller). Hier kann die Kammer mit dem Antragsteller nicht nachvollziehen, ob, inwieweit und aus welchem Grund Kenntnisse bei der Entwicklung des Verfahrens einen Vorsprung des Beigeladenen begründen sollten. Für die Wahrnehmung des ausgeschriebenen Dienstpostens kommt es auf praktische Fähigkeiten bei der Handhabung und Anwendung eines Systems, nicht auf die Entwicklung eines neuen Systems an. Hierfür spricht auch die Formulierung "gute EDV-Grundkenntnisse". Dass der Antragsteller geringere oder nur oberflächliche Fähigkeiten bei der Anwendung dieses EDV-Systems haben könnte, ist weder seitens des Antragsgegners noch des Beigeladenen behauptet oder gar dargelegt worden. Zugunsten des Beigeladenen kann insoweit allenfalls von einem Gleichstand der Konkurrenten, nicht jedoch in Anlehnung an die Punktevergabe durch das Auswahlgremium von einem Vorsprung des Beigeladenen ausgegangen werden.

24

Anhaltspunkte dafür, dass der Beigeladene das Hilfskriterium "eingehende forstbetriebliche Kenntnisse" erfüllen könnte, sind ebenso wenig ersichtlich. Der Antragsgegner beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, dass der Beigeladene forstbetriebliche Verfahrensabläufe EDV-mäßig umgesetzt habe bzw. umsetzen könne. Demgegenüber hat der Antragsteller nicht nur während seines Studiums, sondern auch während seiner beruflichen Tätigkeit auf sämtlichen Dienstposten umfassende forstbetriebliche Kenntnisse erworben, deren Qualität weder von dem Antragsgegner noch von dem Beigeladenen in Zweifel gezogen worden sind. Vielmehr sah sich selbst das Auswahlgremium veranlasst, dem Antragsteller insoweit - als einzigem Bewerber - die Höchstpunktzahl (4) zuzusprechen.

25

Schließlich vermag auch das Hilfskriterium "Kenntnisse aus Verwendung in anderen Verwaltungsbereichen" keinen Leistungsvorsprung des Beigeladenen zu begründen. Zum einen hat der Antragsgegner in seiner synoptischen Gegenüberstellung vom 13.06.2003 erneut rechtswidrigerweise die Personalausschusstätigkeit des Beigeladenen bei der Landwirtschaftskammer Hannover "nicht berücksichtigt, aber zugunsten von I. (Beigeladener) angeführt". Zum anderen hat der Antragsgegner in diesem Zusammenhang höchstwahrscheinlich nicht angemessen berücksichtigt, dass der Antragsteller zwar ebenfalls keine Verwendungen außerhalb der Landesforstverwaltung aufweisen kann, innerhalb derselben allerdings deutlich mehr Dienstposten wahrgenommen hat als der Beigeladene.

26

Bei einer Gesamtbetrachtung spricht aus den vorgenannten Gründen nicht nur Einiges gegen einen Leistungsgleichstand zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen, sondern Überwiegendes dafür, dass dem Antragsteller ein deutlicher Leistungsvorsprung zuzusprechen sein wird. Die insoweit nicht substantiierte Vergabe der Punktzahlen zum "Gesamteindruck Vorstellung" vermag daran in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nichts zu ändern.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wobei die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für nicht erstattungsfähig zu erklären waren, weil dieser mangels eines eigenen Antrages kein Kostenrisiko eingegangen ist (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

28

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 4 Satz 1, lit. a), Satz 2 GKG, wobei sich unter Zugrundelegung eines Endgrundgehaltes (BesGr A 13) in Höhe von 3.753,25 EURO (x 13 x 1/2 x 1/2) der im Tenor genannte Endbetrag ergibt.

Dr. Allner
Brüggeshemke
Dr. Nagler