Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.05.2008, Az.: 2 A 45/07

Rechtmäßigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts der Gemeinde zum Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans; Voraussetzungen für eine rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrechts; Unterschied zwischen der Ausübung eines Vorkaufsrechts und einer Enteignung; Lage des Grundstücks in einem Landschaftsschutzgebiet als Hindernis für eine spätere Bebauung; Nichtigkeit der Auflassung wegen Nichtigkeit des Kaufvertrages; Wirksamkeit unentgeltlicher Verfügungen des Vorerben im Falle des Eintritts der Nacherbfolge; Teilnichtigkeit wegen eines Formmangels einer für wesentlich gehaltenen Nebenabrede; Nichtigkeit eines Kaufvertrages wegen wirksamer Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.05.2008
Aktenzeichen
2 A 45/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 27125
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2008:0522.2A45.07.0A

Verfahrensgegenstand

Ausübung eines Vorkaufsrecht

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2008
durch
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts E.,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. F.,
die Richterin G. sowie
die ehrenamtlichen Richter H. und I.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kostenforderung der Beklagten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Beklagte.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flur x Flurstück xx der Gemarkung J. in einer Größe von 4.272 qm. Ihr am xx.xx.xxxx verstorbener Ehemann K. B. war Miteigentümer zur ideellen Hälfte; ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts D. vom 22.11.1999 (Geschäftsnummer 9 VI 932/99) hat die Klägerin ihn allein beerbt, es ist jedoch Nacherbfolge angeordnet, die im Fall der Wiederverheiratung der Vorerbin eintritt. Nacherbe ist der Sohn der Klägerin, L. B.; die Vorerbin ist von den gesetzlichen Beschränkungen befreit. Bei dem Grundstück handelt es sich um einen Teil eines Grünstreifens, der zwischen dem Altdorf von J. und der Neubausiedlung "M. " liegt eine Breite von ca. 80 - 100 m hat und an den sich im Westen Wohnhausbebauung und im Osten die freie Fläche anschließt. Dieser Grünstreifen ist Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes N. und im Flächennutzungsplan der Beklagten von 1975 als Wohnbaufläche (WB) dargestellt. Ein Bebauungsplan existiert nicht.

3

Am 31.08.2006 schlossen die Klägerin als Verkäuferin und O. P. (Kläger des Verfahrens 2 A 61/07) als Käufer einen Grundstückskaufvertrag mit Auflassung (Urkundenrolle Nr. 471 des Notars Q. R., D.) betreffend den Verkauf einer noch zu vermessenden Teilfläche des besagten Grundstücks in einer Größe von ca. 3.050 qm zum Kaufpreis von 12.000,- EUR. Der Notar übersandte der Beklagten Kopie des Vertrages mit dem Antrag auf Abgabe der Erklärung, ob ein gesetzliches Vorkaufsrecht besteht und ausgeübt oder ob darauf verzichtet wird; das Schreiben ging bei der Beklagten am 07.09.2006 ein. Mit Bescheid vom 02.11.2006 (der Klägerin am 04.11.2006 zugestellt) übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus mit dem Bemerken, das Grundstück solle als Bodenreserve für eine spätere Bebauung dienen. Der Bescheid enthält im wesentlichen folgende Begründung: Rechtsgrundlage für die Ausübung des Vorkaufsrechts sei § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB; im Bereich des Ortsteils J. habe die Beklagte das Baulandprogramm "Kleinräumige Baugebiete in den Ortsteilen" bisher nicht umsetzen können; mit dem Erwerb des fraglichen Grundstücks könne sie jetzt in die Lage versetzt werden, den Generationenwechsel positiv zu begleiten und ein Flächenpotential - zumindest teilweise - bereitzustellen.

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Die Klägerin legte am 30.11.2006 Widerspruch ein und erklärte ebenfalls unter dem 30.11.2006 gegenüber der Beklagten und gegenüber dem Käufer die Anfechtung ihrer auf die Veräußerung des Grundstücks gerichteten Willenserklärung. Sie machte im Laufe des Widerspruchsverfahrens geltend: Vor Abschluss des Kaufvertrages sei ihr von dem damaligen Ortsbürgermeister S. mitgeteilt worden, dass sich die Fläche im Landschaftsschutzgebiet befinde und dass sich daran auch in den nächsten 20 Jahren nichts ändern werde; der Kaufpreis von 4,- EUR pro qm sei in J. der übliche Preis für Ackerland; die Willenserklärung werde angefochten, weil ihr die Ausweisung des besagten Grundstücks im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche und die Baupläne der Beklagten nicht bekannt gewesen seien; der Kaufvertrag sei ferner aus folgenden Gründen nichtig: Es habe zwischen ihr und dem Käufer eine vertragliche Nebenabrede gegeben, wonach sich der Käufer verpflichtet habe, die Liegenschaft zu keinem Zeitpunkt zu bebauen; diese Nebenabrede sei jedoch nicht beurkundet worden, obwohl dies erforderlich gewesen wäre; schließlich würden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vorliegen, denn die Ausübung des Vorkaufsrechts solle hier ausschließlich zur Aufstockung des allgemeinen Grundstücksvorrats der Beklagten dienen und damit nicht dem Allgemeinwohl.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In dem Widerspruchsbescheid wird im wesentlichen ausgeführt: Ein Irrtum der Klägerin über die Ausweisung der Fläche im Flächennutzungsplan erscheine zweifelhaft; ein Telefonat mit der Stadtverwaltung hätte insoweit Klarheit gebracht; im übrigen sei die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB nicht eingehalten; hätte die Klägerin auf die Nichtbebaubarkeit des Grundstücks vertraut, wäre die von ihr behauptete Nebenabrede sinnlos und inhaltsleer gewesen; die (unterstellte) Teilnichtigkeit des Vertrages führe nicht zur Gesamtnichtigkeit desselben; jedenfalls verstoße ihre Geltendmachung gegen Treu und Glauben, weil sie erst nach Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte erfolgt sei; das Konzept der Beklagten sei mit sehr konkreten Zielvorstellungen und Planungen hinterlegt, es sei bereits im Bau- und Planungsausschuss am 27.05.2004 und im Ortsrat J. am 24.06.2004 vorgestellt worden; entsprechende Baugebiete für die Ansiedlung junger Familien seien in den Ortsteilen T. und U. V. bereits entwickelt worden, in W. stehe ein Satzungsbeschluss bevor.

6

Die Klägerin hat am 05.03.2007 Klage erhoben. Sie ergänzt ihren bisherigen Vortrag wie folgt: Es habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Nebenabrede (dauerndes Verbot der Bebauung des Grundstücks) zwingend zum Inhalt des notariellen Kaufvertrages gemacht werden sollte; eine Beurkundung sei jedoch nicht erfolgt, der Notar habe auch nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch Nebenabreden beurkundet werden müssten, obwohl in dem Termin bei dem Notar über dieses Thema gesprochen worden sei; der damalige Ortsbürgermeister S. habe ihr seinerzeit gesagt, das nächste Baugebiet in J. würde am X. ausgewiesen werden und sie könne das streitbefangene Grundstück nur als Ackerland verkaufen; der Erwerb des Grundstücks durch die Beklagte liege ferner nicht im Allgemeinwohl, weil die Beschaffung von Grundstücken für Gemeindeangehörige oder der Erwerb aus strukturpolitischen Gründen dafür nicht ausreichen würden; die Beklagte beabsichtige auch nicht in absehbarer Zeit die Aufstellung eines Bebauungsplanes; inzwischen (Schriftsatz vom 29.06.2007) sei ein Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen; es entspreche nicht dem Wohl der Allgemeinheit, dass die Beklagte ein mit einem solchen Vermerk belastetes Grundstück erwirbt; da die Beklagte den Nachbarn der Klägerin mittlerweile einen Kaufpreis von 25,- EUR pro qm anbiete, müsse man wohl von einer teilweisen unentgeltlichen Veräußerung ausgehen, was im Hinblick auf die verfügte Nacherbschaft einen weiteren Nichtigkeitsgrund für den Kaufvertrag einschließlich Auflassung darstelle; schließlich sei die Herausnahme des Grundstücks aus dem Landschaftsschutzgebiet politisch nicht durchsetzbar.

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Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 2.11.2006 und ihren Widerspruchsbescheid vom 02.02.2007 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie ergänzt die Gründe des Widerspruchsbescheides wie folgt: Durch eine begrenzte und zeitlich gestaffelte Ausweisung von Bauflächen sei es Ziel der Beklagten, gerade jungen Familien bauliche Entwicklungsmöglichkeiten im angestammten Umfeld zu günstigen Konditionen zu eröffnen, um der ungünstigen demographischen Entwicklung und den entsprechenden negativen Auswirkungen auf die örtliche Infrastruktur (wie Schule, Kindergarten, Ortsteilladen) entgegen zu wirken; nach der Novellierung des BauGB (§§ 1 a Abs. 2, 13 a) müsse die Beklagte, wolle sie Bauland am Siedlungsrand schaffen, dies sogar in besonderer Weise rechtfertigen und begründen, solange ihr noch Flächen der Innenentwicklung zur Verfügung stünden; die Nutzbarmachung des "Außenbereichs im Innenbereich" gelte als Maßnahme der Innenentwicklung im oben genannten Sinne; in seiner Sitzung am 17.12.2007 habe der Verwaltungsausschuss der Beklagten das Gesamtkonzept Siedlungsentwicklung J. nach vorheriger Zustimmung des Ortsrats J. einstimmig beschlossen; als zuständige Behörde könnte die Beklagte auch ohne weiteres das fragliche Gebiet aus dem Landschaftsschutzgebiet entlassen; erstaunlich sei die Höhe des Kaufpreises, da Grünflächen in J. im Jahre 2006 nur einen Wert von 1,05 EUR pro qm gehabt hätten; als befreite Vorerbin habe die Klägerin das Grundstück ohne weiteres veräußern dürfen, der Nacherbenvermerk müsse anschließend gelöscht werden; falls von einer teilweise unentgeltlichen Veräußerung auszugehen sei, sei der Kaufvertrag deshalb nicht nichtig, der Nacherbe habe allenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Anfechtungsklage gegen die Ausübung des Vorkaufrechtes durch die Beklagte ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.

12

Nach § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zu beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist. Das Vorkaufsrecht darf nach § 24 Abs. 3 BauGB nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt; bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben. Nach § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB i.V.m. § 446 Abs. 2 BGB kommt mit der Ausübung des Vorkaufsrechts der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bedingungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Schließlich kann nach § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB das Vorkaufsrecht nur binnen 2 Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrages durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden.

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Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB liegen vor. Das streitbefangene Grundstück ist eine unbebaute Fläche im Außenbereich, für die in dem Flächennutzungsplan der Beklagten seit 1975 Wohnbaufläche dargestellt wird. Bereits anhand der vorgelegten Pläne und eines Luftbildes ist zweifellos erkennbar (und wird von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt), dass der ca. 80 - 100 m breite Grünstreifen zwischen dem Altdorf von J. und dem Neubaugebiet M. nicht zu der im Zusammenhang bebauten Ortslage von J. gehört, sondern Teil des Außenbereichs ist, der sich östlich davon fortsetzt; dafür spricht auch der Umstand, dass er sich (quasi als Keil zwischen den genannten Baugebieten) im Landschaftsschutzgebiet N. befindet.

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Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt die Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 24 Abs. 3 S. 1 BauGB). Im Gegensatz zu einer Enteignung (§ 87 Abs. 1 BauGB spricht davon, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordern muss) genügt es für die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden; es ist ausreichend, wenn das Grundstück zu einem späteren Zeitpunkt benötigt wird, lediglich der Erwerb zu Vorratszwecken ist nicht erlaubt (vgl. Stock in Ernst/Zinkhan-Bielenberg, BauGB, § 24, RN 64). Es genügt auch, wenn alsbald ein Bebauungsplan aufgestellt werden soll, im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts muss ein Aufstellungsbeschluss noch nicht vorliegen (Stock, a.a.O., RN 77).

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Aus dem Verwaltungsvorgang ergibt sich, dass gerade in dem Zeitraum, in dem die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts getroffen werden musste, eine Bebauung des Gebietes zwischen Altdorf J. und Siedlung M. (wieder) in den Blick der Bauverwaltung rückte, nachdem das "Gesamtkonzept" für die Siedlungsentwicklung in den Ortsteilen J., W., T. und U. V. bereits in einer öffentlichen Sitzung des Bau- und Planungsausschusses im Mai 2004 diskutiert wurde und sich - vorrangig erwogene - Baupläne im Bereich X. nicht verwirklichen ließen. So hielt der Stadtplaner Y. am 24.10.2006 in einem Vermerk folgendes fest: "Die Darstellung der Wohnbaufläche ist nach wie vor aktuell und entspricht den Entwicklungszielen der Stadt. Mit dem Instrument der Ausübung des Vorkaufsrechts kann die Stadt in die Lage versetzt werden, den Generationenwechsel im Ortsteil J. positiv zu begleiten und die dafür erforderlichen Flächenpotentiale, zumindest teilweise, bereit zu stellen. Andere Flächen in J. (z.B. im Bereich X.) sind derzeit nicht verfügbar. Aufgrund der zentralen Lage zwischen den Siedlungsbereichen Altdorf und M. ist die Fläche als Wohnbauland besonders geeignet. Die Vorteile für die Allgemeinheit infolge der Verwirklichung dieses Konzepts liegen auf der Hand. Die Stadt hat die Möglichkeit, (recht preiswerten) Grund und Boden für den Bau von Einfamilienhäusern zur Verfügung zu stellen, um die Ansiedlung junger Familien im Ortsteil J. zu fördern." Die konsequente Fortschreibung dieser Überlegungen, auf die die Beklagte unter Beifügung des Gesamtkonzeptes "Siedlungsentwicklung", Ortsteil J., vom 15.08.2007 hingewiesen hat, macht deutlich, dass die Planungen alsbald - durch Aufstellung eines Bebauungsplanes - verwirklicht werden sollen; das Konzept sieht derzeit vor, auf dem streitbefangenen Grundstück vier Parzellen und insgesamt in dem Gebiet 24 Baugrundstücke zu schaffen. Ob dieses Konzept letztlich insgesamt scheitert, weil andere Grundstückseigentümer nicht verkaufswillig sind (was der in der mündlichen Verhandlung anwesende Käufer behauptet, von der Beklagten jedoch bestritten wird), ist für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unerheblich; denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Erlass des Widerspruchsbescheides.

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Dass das Grundstück noch im Landschaftsschutzgebiet liegt, stellt kein Hindernis für eine spätere Bebauung dar, weil die Beklagte es als zuständige Behörde in der Hand hat, das Grundstück vor oder mit der Aufstellung des Bebauungsplanes aus dem Landschaftsschutzgebiet zu entlassen. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Rat der Stadt dem Wunsch des Ortsrats J. und des Verwaltungsausschusses nicht anschließt, bestehen nicht. Unter dem Gesichtspunkt "Wohl der Allgemeinheit" ist das von der Klägerin neuerdings ins Spiel gebrachte Argument der Nacherbfolge bedeutungslos, denn als befreite Vorerbin konnte die Klägerin das Grundstück ohne weiteres veräußern (§§ 2113 Abs. 1, 2136 BGB); mit der Umtragung im Grundbuch wird der Nacherbenvermerk gelöscht. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Beklagte den Verwendungszweck des Grundstücks angegeben. Weitergehende Ermessenserwägungen als die von der Beklagten angestellten waren nicht angezeigt. Die Zweimonatsfrist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB ist ebenfalls eingehalten.

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Das Objekt des Vorkaufsrechts ist schließlich nicht infolge Nichtigkeit des Kaufvertrages weggefallen (vgl. zu dieser Frage allgemein Stock, a.a.O., RN 25).

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Die Auflassung ist zunächst nicht (mit der sich aus § 139 BGB möglicherweise ergebenden Folge der Nichtigkeit des gesamten Vertrages) nichtig, weil die Klägerin das Grundstück unter Wert veräußert hat. § 2113 Abs. 2 BGB (von dessen Anwendung die Vorerbin nach § 2136 BGB nicht befreit werden kann) bestimmt, dass die unentgeltliche Verfügung des Vorerben über einem Erbschaftsgegenstand im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam ist, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Abgesehen davon, dass der Eintritt der Nacherbfolge - der nur geschieht, wenn die Klägerin wieder heiratet - derzeit nicht absehbar ist, kann auch nicht von einer (teilweisen) Unentgeltlichkeit der Verfügung über das streitbefangene Grundstück ausgegangen werden. Das ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte nur der Fall, wenn dem von dem Vorerben aufgegebenen Vermögenswert objektiv keine oder keine gleichwertige, in den Nachlass zu erbringende Gegenleistung gegenübersteht und der Vorerbe subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder nach dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen (vgl. Palandt- Edenhofer, BGB, 67. Auflage, § 2113, RN 10, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Hier kann im Zeitpunkt des Vertragsschlusses schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Kaufpreis geringer war als der Verkehrswert des verkauften Grundstücksteils, weil es - wie ausgeführt - damals noch keine konkreten Planungsabsichten der Beklagten gab, die eine messbare Wertsteigerung des Grundstücks, für das bereits der Flächennutzungsplan von 1975 Wohnbaufläche darstellte, bewirkt hätten. Der von der Klägerin erzielte Kaufpreis von 12.000,00 EUR liegt eher über dem damaligen Verkehrswert des Grundstücks, den die Beklagte - unter Berücksichtigung des in J. für Grünfläche gezahlten Kaufpreises von 1,05 EUR pro qm - nur mit rund 3.000,00 EUR beziffert. Jedenfalls kann der Klägerin kein Schuldvorwurf gemacht werden, denn sie hat den damaligen Ortsbürgermeister, dem sie die erforderliche Sachkenntnis zutrauen durfte, zu Rate gezogen, der ihr ausdrücklich erklärt hat, sie könne das Grundstück nur als Ackerland verkaufen.

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Der Kaufvertrag ist auch nicht (wiederum mit der sich aus § 139 BGB möglicherweise ergebenden Folge der Gesamtnichtigkeit) wegen eines Formmangels teilnichtig (§§ 311 b Abs. 1, 125 BGB), weil die von beiden Vertragspartnern für wesentlich gehaltene Nebenabrede, das zu verkaufende Grundstück dürfe auf alle Zeiten nicht bebaut werden, nicht beurkundet worden ist. Zwar erstreckt sich das Beurkundungserfordernis von Grundstückskaufverträgen auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (vgl. Palandt- Grüneberg, § 311 b, RN 25), und zwar unabhängig davon, ob es sich objektiv gesehen um eine wesentliche oder eine unwesentliche Abrede handelt. Ist der Vertrag unvollständig beurkundet, sind die nicht beurkundeten Abreden nichtig (Palandt-Grüneberg, a.a.O., RN 38). Die Gültigkeit des übrigen Vertrages richtet sich nach § 139 BGB; danach ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig und nicht anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Hierfür ist entscheidend, welche Einschätzung die Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte getroffen hätten; hatten die Parteien allerdings von vorneherein von der Teilnichtigkeit Kenntnis, liegt hinsichtlich dieses Teils regelmäßig kein Rechtsfolgewillen und daher kein Rechtsgeschäft vor (Palandt-Heinrichts, § 139, RN 14).

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Die Klägerin und der Käufer waren sich (nach ihrem als richtig unterstellten Vortrag) darüber einig, dass der Käufer vertraglich verpflichtet sein sollte, das Grundstück auf alle Zeiten nicht zu bebauen. Da sie zum einen infolge der entsprechenden Aussage des damaligen Ortsbürgermeisters von einer rechtlichen Unbebaubarkeit nur für die kommenden 20 Jahre ausgingen und da zum anderen der Käufer schon bald das Grundstück weiter veräußern oder auf andere Weise das Eigentum daran verlieren konnte, musste die Abrede der Nichtbebauung - sollte sie in Zukunft wirksam durchgesetzt werden können - durch Eintragung eines Rechtes in das Grundbuch gesichert werden. Dadurch, dass die Vertragsparteien nicht nur auf die Eintragung eines solchen Sicherungsmittels, sondern auf die Beurkundung der Abrede überhaupt verzichtet haben, wird dokumentiert, dass ihnen der unbedingte Rechtsfolgewillen fehlte, dass vielmehr nur allgemein über dieses Thema gesprochen wurde. Dafür spricht auch, dass der Notar ausweislich von § 7 Nr. 3 der Vertragsurkunde darauf hingewiesen hat, dass die Urkunde alle Vereinbarungen der Erschienenden richtig enthalten muss.

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Der Kaufvertrag ist schließlich nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig, weil er wegen eines Irrtums der Klägerin über eine verkehrswesentliche Eigenschaft nach § 119 Abs. 2 BGB wirksam angefochten worden ist. Zwar dürfte die spätere Bebaubarkeit eines Grundstücks als preisbestimmendes Element eine verkehrswesentliche Eigenschaft desselben darstellen, jedoch bestanden konkrete Planungsabsichten der Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrages - wie ausgeführt - noch nicht. Jedenfalls ist eine Irrtumsanfechtung durch die Klägerin ausgeschlossen, weil der Käufer - wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat - ebenfalls davon ausging, dass das Grundstück derzeit nicht bebaubar ist. Bei beiderseitigem Irrtum entfällt aber eine Irrtumsanfechtung; vielmehr sind die Vorschriften über das Fehlen der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2 BGB) anzuwenden, woraus unter Umständen ein Anpassungsverlangen resultiert (vgl. Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 119, RN 30). Schließlich wäre - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - die Anfechtung nicht fristgerecht erfolgt. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt, dass die Anfechtung in den Fällen der §§ 119 und 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgt, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die Anfechtung muss nicht sofort erfolgen, vielmehr hat der Anfechtungsberechtigte eine nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessende Prüf- und Überlegungsfrist und darf auch den Rat eines Rechtskundigen einholen; allerdings gilt in der Regel eine Obergrenze von 2 Wochen (Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 121, RN 3, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Eine Verlängerung dieser Frist etwa im Hinblick auf die einmonatige Widerspruchsfrist scheidet hier aus. Beides hat nichts miteinander zu tun, denn die Anfechtung wäre gegenüber dem Vertragspartner zu erklären, der alsbald Gewissheit über den Bestand des Vertrages haben musste, während Widerspruch bei der Behörde eingelegt werden musste.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

23

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.