Landgericht Hannover
v. 17.11.2015, Az.: 18 O 36/15

Auskunftsanspruch betreffend Gewinne für die Vereinnahmung pauschaler "Bearbeitungsgebühren" von Verbrauchern für Rücklastschriften

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
17.11.2015
Aktenzeichen
18 O 36/15
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 2015, 44753
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2015:1117.18O36.15.00

In dem Rechtsstreit
XXX
Kläger,
Prozessbevollmächtigte: XXX,
Geschäftszeichen: XXX
gegen
XXX
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: XXX
Gerichtsfach Nr. XXX
Geschäftszeichen: XXX
hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2015 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX,
die Richterin am Landgericht XXX und
den Richter am Landgericht XXX
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Gewinne die Beklagte seit dem 20.04.2012 dadurch erzielt hat, dass sie von Verbrauchern für Rücklastschriften pauschale "Bearbeitungsgebühren" in Höhe von 10,00 € zzgl. etwaiger externer Kosten (insbesondere Bankkosten) vereinnahmt hat, ohne dass sie mit dem jeweiligen Verbraucher eine Individualvereinbarung über die pauschale Abgeltung ihres Rücklastschriftschadens in mindestens der Höhe der vereinnahmten Pauschale getroffen hat.

Dazu hat die Beklagte dem Kläger kaufmännisch darüber Rechnung zu legen, in welchen Fällen sie die Rücklastschriftpauschalen vereinnahmt hat, welche Kosten ihr die in Rechnungstellung und Vereinnahmung verursacht hat und wie hoch die ihr in diesen Fällen jeweils tatsächlich entstandenen Rücklastschriftkosten waren.

Die Beklagte kann die Auflistung der konkreten Rücklastschriftfälle einschließlich der Namen der betroffenen Kunden gegenüber einem vom Kläger zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer vornehmen, sofern sie die Kosten seiner Einschaltung trägt und ihn gleichzeitig ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf Antrag mitzuteilen, ob in der Rechnungslegung ein oder mehrere bestimmte Rücklastschriftfälle enthalten sind.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 €.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der in die Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 4 UKlaG aufgenommen ist. Die Beklagte ist eine XXX. Im Jahr 2013 verwaltete sie ca. 3,7 Mio. XXX-Verträge. Die Beklagte hielt im Jahr 2012 eine interne Gebührentabelle vor, nach der ihren Kunden bei Rücklastschriften 10,00 € eigene Bearbeitungsgebühren zzgl. fremde Bankkosten, die in der Regel 3,00 € betrugen, in Rechnung gestellt wurden. Der Betrag wurde automatisch durch die Buchhaltungssoftware in Rechnung gestellt durch Belastung des Kundenkontos mit dem Buchungsposten "Gebühr für Rücklastschrift". Die AGB der Beklagten enthielten keine konkrete Regelung von Rücklastschriftgebühren. Mit Schreiben vom 05.04.2012 (Anlage K 4) mahnte der Kläger die Beklagte ab. Diese wies mit Schreiben vom 19.04.2012 (Anlage K 5) die Ansprüche des Klägers zurück.

Der Kläger meint, es liege damit eine unzulässige geschäftliche Handlung vor, sodass ihm ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung nach § 10 Abs. 1 UWG zustehe. Es liege ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306 a BGB vor, da eine inhaltsgleiche AGB-Klausel gem. § 309 Nr. 5 a, 5 b BGB unwirksam sei. Darüber hinaus stelle das Verhalten der Beklagten auch eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 2 UWG dar, da dieses Verhalten nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entspreche. Im Wege der Stufenklage begehrt er Auskunft über die von der Beklagten hierdurch erzielten Gewinne.

Der Kläger beantragt im Wege der Stufenklage,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Gewinne die Beklagte seit dem 20.04.2012 dadurch erzielt hat, dass sie von Verbrauchern für Rücklastschriften pauschale "Bearbeitungsgebühren" in Höhe von 10,00 € zzgl. etwaiger externer Kosten (insbesondere Bankkosten) vereinnahmt hat, ohne dass sie mit dem jeweiligen Verbraucher eine Individualvereinbarung über die pauschale Abgeltung ihres Rücklastschriftschadens in mindestens der Höhe der vereinnahmten Pauschale getroffen hat.

Dazu hat die Beklagte dem Kläger kaufmännisch darüber Rechnung zu legen, in welchen Fällen sie die Rücklastschriftpauschalen vereinnahmt hat, welche Kosten ihr die in Rechnungstellung und Vereinnahmung verursacht hat und wie hoch die ihr in diesen Fällen jeweils tatsächlich entstandenen Rücklastschriftkosten waren.

Die Beklagte kann die Auflistung der konkreten Rücklastschriftfälle einschließlich der Namen der betroffenen Kunden gegenüber einem vom Kläger zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer vornehmen, sofern sie die Kosten seiner Einschaltung trägt und ihn gleichzeitig ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf Antrag mitzuteilen, ob in der Rechnungslegung ein oder mehrere bestimmte Rücklastschriftfälle enthalten sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, es könne nicht für jede Vereinnahmung von pauschalen Bearbeitungsgebühren für Rücklastschriften ein Auskunftsanspruch bestehen, sondern allenfalls für solche, bei denen auch tatsächlich ein Gewinn entstanden sei. Zudem ist sie der Auffassung, § 306 a BGB, der das Umgehungsverbot regele, stelle keine Marktverhaltensregelung i. S. des § 4 Nr. 11 UWG dar. Schließlich behauptet sie, es fehle an einem entsprechenden Vorsatz. Sie könne im Fall der von ihren Kunden verschuldeten Rücklastschriften Schadensersatz vom jeweiligen Kunden verlangen. Es habe für die Beklagte Gründe gegeben, auf eingeholte Rechtsauskünfte, wonach kein Verstoß gegen das Umgehungsverbot vorliege, zu vertrauen. Sie habe auch nicht davon ausgehen müssen, dass die Abmahnung des Klägers tatsächlich eine Rechtsverletzung durch das darin bezeichnete Verhalten indiziere.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach § 254 ZPO zulässige Stufenklage ist auf der Auskunftsstufe begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die begehrte Auskunft und Rechnungslegung gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 3, 10 Abs. 1 UWG i. V. m. § 242 BGB.

Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt, da es sich bei ihm um einen Verbraucherschutzverein, der in die Liste qualifizierter Einrichtung gem. § 4 UKlaG aufgenommen ist, handelt.

Die Beklagte hat eine nach § 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG unzulässige Handlung vorgenommen, indem sie ihren Kunden ohne konkrete Vereinbarung Rücklastschriftgebühren gemäß einer internen Gebührentabelle automatisch und systematisch durch ihre Buchhaltungssoftware in Rechnung gestellt hat und dabei pauschal 10,00 € eigene Bearbeitungsgebühren zzgl. fremder Kosten berechnet hat.

Dieses Verhalten stellt einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot aus § 306 a BGB dar. Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn eine als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksame Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung erreicht werden soll, die nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen (Palandt/Grüneberg, BGB 72. Aufl. § 306 RN 2). Hierdurch erreicht die Beklagte im Ergebnis dasselbe wie durch eine Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs gem. § 309 Nr. 5 BGB. Eine einzelfallbezogene Schadensberechnung liegt damit gerade nicht vor, da bis auf die variablen fremden Kosten stets der gleiche Pauschalbetrag von 10,00 € eingefordert worden ist. Die interne Anweisung der Beklagten ist auch ebenso effizient wie die Pauschalierung von Schadensersatz in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und hat ferner deren typischen Rationalisierungseffekt. Die interne verbindliche Anweisung an alle Mitarbeiter führt zum gleichen Erfolg wie eine Schadenspauschale in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieses Verhalten konnte nur dem Zweck dienen, die Vorgaben des § 309 Nr. 5 BGB durch eine ausdrückliche klare Regelung zu umgehen.

Aufgrund des Verstoßes gegen das Umgehungsverbot des § 306 a BGB ist die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 bis 309 BGB eröffnet. Die interne Gebührentabelle und die darauf beruhende Geschäftspraxis der Beklagten halten der Inhaltskontrolle nicht stand. Eine inhaltsgleiche Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die sich der Verwender pauschalen Schadensersatz bei einer Rückgabe einer Lastschrift versprechen lässt, verstößt gegen § 309 Nr. 5 b BGB, wonach die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist, wenn dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Die pauschale Berechnung aufgrund der internen Gebührentabelle von eigenen Bearbeitungsgebühren in Höhe von 10,00 € erfüllt diese Anforderungen nicht.

Bei der gem. § 306 a BGB anwendbaren Vorschrift des § 309 Nr. 5 BGB handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG). Obwohl die §§ 307 ff. BGB keine eigentlichen Pflichten des Unternehmers begründen, sind sie doch Marktverhaltensregeln im Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmern (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 UWG RN 11.156 e). Dies gilt auch dann, wenn diese Vorschrift aufgrund des Verstoßes gegen das Umgehungsverbot gem. § 306 a BGB anwendbar ist. Auch in diesem Fall bleibt es eine Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung. Die Vorschrift verliert diesen Charakter nicht dadurch, dass sie erst aufgrund eines Verstoßes der Beklagten gegen das Umgehungsverbot des § 306 a BGB anwendbar wird. Es ist gerade das Ziel dieser Vorschrift, nicht nur die Verwendung unwirksamer Klauseln, sondern auch deren unzulässige Umgehung zu sanktionieren.

Die Beklagte hat durch ihr Verhalten zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn in Höhe der vereinnahmten Gebühren erzielt. Dabei kommt es hier nicht auf die konkrete Höhe an, denn die Bemessung des Gewinns zu ermöglichen ist gerade der Sinn der begehrten Auskunft.

Die Beklagte handelte auch vorsätzlich i. S. des § 10 Abs. 1 UWG. Zur Anwendung des § 10 Abs. 1 UWG genügt bedingter Vorsatz, der auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit umfassen muss. Dabei kommt es auf nicht eine genaue Rechtskenntnis an, es genügt vielmehr eine Parallelwertung in der Laiensphäre, wenn sich also dem Handelnden aufgrund der Kenntnis der Tatsachen die Rechtswidrigkeit (Unlauterkeit) seines Tuns geradezu aufdrängt oder er sich aufgrund der ihm bekannten Tatsachen nicht dieser Einsicht entziehen kann (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 10 RN 6 mwN). In der Regel ist eine vorsätzliche Begehung anzunehmen, wenn der Täter sein Handeln nach einer Abmahnung fortsetzt (Köhler/Bornkamm a. a. O.; OLG Schleswig, Urteil vom 19.03.2015 - 2 U 6/14 - juris RN 84 ff.).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beklagte hat hier zumindest mit Eventualvorsatz und nicht lediglich (grob) fahrlässig gehandelt.

Der Vorsatz der Beklagten wird dadurch indiziert, dass sie angesichts des regelbedürftigen Zustands keine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hierfür vorsah, sondern stattdessen lediglich eine interne Gebührentabelle vorhielt und die Berechnung der Rücklastschriftgebühren automatisiert vornahm. Eine solche Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte hier nahegelegen (vgl. dazu auch BGHZ 162, 294 juris RN 25).

Hinzukommt, dass die Beklagte jedenfalls mit der Abmahnung des Klägers vom 05.04.2012 (Anlage K 4, Bl. 43 d. A.) unmissverständlich auf die Rechtslage hingewiesen worden ist, insbesondere unter Ziffer 2 b letzter Absatz auf die Umgehung der Regelung des § 305 Nr. 9 b BGB. Damit musste sich der Beklagten in Kenntnis ihrer eigenen Geschäftsvorgänge die Unlauterkeit ihres Tuns geradezu aufdrängen.

Ein nachvollziehbares Vertrauen der Beklagten in die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens ist auszuschließen. Die Beklagte selbst trägt schon nicht konkret vor, dass sie sich aufgrund der Regelung in § 17 Abs. 3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Bl. 3 d. A.), für berechtigt gehalten hätte, auf dieser Grundlage die Rücklastschriftgebühren zu berechnen. Vielmehr bestreitet sie sogar, dass diese Klausel in sämtlichen in der von ihr in verschiedenen Vertragskonstellationen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet worden wäre (Bl. 2 der Klagerwiderungsschrift, Bl. 72 d. A.).

Die von der Beklagten im Übrigen vertretene Auffassung, sie könne im Fall der von ihren Kunden verschuldeten Rücklastschriften Schadensersatz vom jeweiligen Kunden verlangen, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, sie habe hier nicht lediglich fahrlässig gehandelt. Denn es lag für die Beklagte, die eine eigene Rechtsabteilung unterhält, auf der Hand, dass allein das Bestehen eines solchen Anspruchs nicht die vertragslose Vereinnahmung einer solchen Gebühr durch automatisierte Belastung des Kundenkontos rechtfertigt. Insoweit bleibt auch der Vortrag, sie habe Gründe gehabt, auf eingeholte Rechtsauskünfte zu vertrauen, wonach kein Verstoß gegen das Umgehungsverbot vorliege, substanzlos und ist auch nicht ansatzweise nachvollziehbar. Für ein entsprechendes vorsätzliches Verhalten der Beklagten spricht schließlich auch ihr Antwortschreiben vom 19.04.2012 (Anlage K 5, Bl. 49 d. A.). Obwohl der Beklagten zu diesem Zeitpunkt ihre eigene Handlungsweise bekannt war, hat sie nicht etwa konkret zu ihrer rechtlichen Auffassung Stellung genommen, sondern lediglich ausgeführt, sie halte die Geltendmachung entsprechender Beträge "nicht für grundsätzlich unzulässig" und benötige noch Informationen zur Klärung "des Einzelfalls", um den es ersichtlich nicht ging.

Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass sie davon ausgegangen sei, dass jedenfalls Gebühren in Höhe von 10,00 € unbedenklich seien. Die konkrete Höhe der Rücklastschrift war in Anbetracht des Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 b BGB von untergeordneter Bedeutung. Im Übrigen ist die Höhe des Betrages in Anbetracht der automatisierten Erhebungsmöglichkeiten nicht nachvollziehbar.

Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch des Klägers ist auch in dem geltend gemachten Umfang begründet. Der Kläger muss in die Lage versetzt werden, anhand der Mitteilungen der Beklagten über die Einnahmen einerseits und die mit der Zuwiderhandlung verbundenen Ausgaben andererseits selbst den Anspruch zu ermitteln, der letztlich in der Zahlungsstufe geltend gemachte wird (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 19.03.2015 - 2 U 6/14 - juris RN 97).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.