Landgericht Hannover
Urt. v. 03.09.2015, Az.: 3 O 118/15
Feststellung des Fortbestands eines Bausparvertrages trotz Kündigung; Vollständiger Empfang des Darlehens aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrags mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 03.09.2015
- Aktenzeichen
- 3 O 118/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 45403
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2015:0903.3O118.15.00
Rechtsgrundlage
- § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
In dem Rechtsstreit
des xxx
Kläger
Prozessbevollmächtigte: xxx
gegen
xxx
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: xxx
wegen Feststellung des Fortbestandes eines Bausparvertrages trotz Kündigung
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 13.08.2015 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx,
die Richterin am Landgericht xxx und
die Richterin xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestehens eines Bausparvertrages trotz Kündigung seitens der Beklagten.
Der Kläger schloss bei der Beklagten den Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 70.000,00 DM ab, mit Vertragsbeginn zum 26.2.1993. Die Verzinsung des Bausparguthabens vereinbarten die Parteien mit 4 %. In § 9 der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) ist die Kündigung des Bausparvertrages durch den Bausparer geregelt. Nach § 14 ABB wird der Vertrag fortgesetzt, wenn der Bausparer die Zuteilung nicht annimmt. Mit Schreiben vom 20.7.2001 teilte die Beklagte dem Kläger die Zuteilung der Bausparsumme zum 1.10.2001 mit. Diese Zuteilung nahm der Kläger nicht an und leistete seit Ende 2001 keine Einzahlungen auf den Bausparvertrag mehr.
Mit Schreiben vom 18.12.2014 kündigte die Beklagte gestützt auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei einem Guthabenbestand von 28.232,77 € den Bausparvertrag.
Der Kläger hält diese Kündigung für nicht gerechtfertigt und meint, eine Kündigungsmöglichkeit bestehe für die Beklagte nicht. Die Möglichkeit, ein Bauspardarlehen über den Differenzbetrag zur Bausparsumme in Höhe von 7.557,66 € in Anspruch zu nehmen, dürfe dem Kläger nicht genommen werden.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Bausparvertrag mit der Vertragsnummer xxx weiterhin fortbesteht und durch eine Kündigung der Beklagten vom 18.12.2014 nicht zum 1.7.2015 beendet wird, und
die Beklagte zu verurteilen, vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.358,86 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 12 Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit dem 26.2.2015 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Kündigung vom 18.12.2014 sei wirksam aufgrund des der Beklagten zustehenden ordentlichen Kündigungsrechts gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Ein mögliches Bauspardarlehen würde sich auch nur auf 1.688,18 € belaufen und sei zu den damals vereinbarten Zinsen hinsichtlich des jetzigen Zinsniveaus wirtschaftlich sinnlos.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger kann Feststellung des Fortbestands des Bausparvertrages nicht verlangen, weil der Bausparvertrag durch die Kündigung der Beklagten vom 18.12.2014 beendet ist.
Bei dem Bausparvertrag handelt es sich rechtlich gesehen um einen gegenseitigen, auf längerfristige Bindung der Vertragsbeteiligten angelegten Darlehensvertrag, welcher die Besonderheit aufweist, dass Bausparkasse und Bausparer ihre jeweilige Rolle als Darlehensgeber bzw. Darlehensnehmer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens tauschen. In der Ansparphase liegt die Darlehensgeberrolle beim Bausparer und die des Darlehensnehmers bei der Bausparkasse. Mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens (Darlehensphase) wird die Bausparkasse zur Darlehensgeberin, der Bausparer nunmehr zum Darlehensnehmer. Anspar- und Darlehensphase sind nach den Vorgaben des Gesetzes (§ 1 Abs. 2, § 5 Abs. 3 Bausparkassengesetz) Teile eines einheitlichen Vertragsverhältnisses.
Bereits in der Ansparphase, die der Kläger hier allein in Anspruch nimmt, sind für die Frage einer Vertragsbeendigung die für den Darlehensvertrag geltenden Vorschriften maßgeblich und somit neben § 488 Abs. 3 BGB (Beschluss des OLG Celle vom 17.10.2013, 3 U 154/13) auch § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Zwar ist zweifelhaft, ob der Gesetzgeber die vorliegend gegebene Situation berücksichtigt hat, bei der der Verbraucher Darlehensgeber und die Bank Darlehensnehmer ist, dient doch § 489 BGB dem Interessenausgleich und Schutz des Darlehensnehmers, sollen durch die Kündigungsmöglichkeit marktgerechte Zinsen ermöglicht und eine Umschuldung erleichtert werden (Palandt-Weidenkaff, 74. Aufl., BGB § 489 Rn. 1) und wurde § 489 BGB mit Wirkung 11.06.2010 aufgrund der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie insgesamt neu gefasst (Schwintowski in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 489 BGB, Rn.1). Da aber § 489 BGB neben §§ 488, 490 BGB zu den allgemeinen Vorschriften betreffend den Darlehensvertrag gehört und die verbraucherschützenden Vorschriften ab § 491 BGB folgen, gilt § 489 BGB auch für die vorliegende Situation, in der die Bank Darlehensnehmerin ist. Nach der Drucksache 16/11643 vom 21.01.2009 zum Gesetzentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (dort S. 111) finden sich die Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensnehmers, der Verbraucher ist, in § 500 BGB und ergänzen die Kündigungsmöglichkeiten nach §§ 489, 490 BGB. § 489 BGB gilt demnach nach der Absicht des Gesetzgebers nicht nur für Verbraucher.
Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann ein Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens gekündigt werden.
Eine derartige Kündigung seitens der Beklagten als Darlehensnehmerin ist auch nicht in den ABB ausgeschlossen. Dass in § 9 der ABB die Kündigungsmöglichkeiten für den Bausparer geregelt werden, bedeutet nicht, dass für die Bausparkasse eine gesetzliche Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist.
Die Kündigungsvoraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen vor.
Die Parteien habe einen gebundenen Sollzins im Sinne von § 489 Abs. 1 BGB vereinbart. Hierfür reicht aus, dass es sich um einen Gelddarlehensvertrag handelt, bei dem für einen bestimmten Zeitraum, der sich nicht mit der Laufzeit des Vertrages decken muss (Abs. 5 S. 3), ein gebundener (fester) Sollzinssatz im Sinne von Abs. 5 S. 2 vereinbart wurde. Mit der Formulierung der Anwendungsvoraussetzungen in Abs. 1 und Abs. 5 S. 2 soll klargestellt werden, dass nicht nur Darlehen mit zeitlich begrenzter Zinsbindung, sondern auch solche, bei denen ein zunächst für eine bestimmte Zeit fest vereinbarter Zinssatz nach Ablauf dieser Zeit verändert werden kann (Abs. 1 Nr. 1), nicht unter Abs. 2, sondern unter Abs. 1 fallen (K. P. Berger in Münchener Kommentar zum BGB 6. Auflage 2012, § 489 Rn. 6). Dieses ist vorliegend der Fall. Die Verzinsung des Bausparguthabens war mit 4 % vereinbart.
Die Beklagte hat das Darlehen auch im Sinne von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vollständig empfangen. Dieser vollständiger Empfang ist aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrags mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife anzunehmen (Staudinger/Peter O. Mülbert (2010) BGB § 489 Rn. 51; BeckOK BGB/Rohe BGB § 489 Rn. 10). Ein "vollständiger Empfang" iSv § 489 Abs 1 Nr 2 BGB, der die dort normierte Zehnjahresfrist auslöst, liegt sogar schon beim erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife vor. Bereits hiermit - und nicht erst mit der Zuteilung - wird das für den Bausparvertrag charakteristische, in § 1 Abs 2 BSpkG sogar begriffsprägend herausgestellte gemeinsame Ziel der Vertragsparteien erreicht, dass der Bausparer einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens erwirbt bzw. genauer, durch einseitiges Tun erwerben kann. Denn mit Eintritt der Zuteilungsreife liegt es allein beim Bausparer, seinen Anspruch auf Erhalt der Bausparsumme zu begründen, indem er in Form der "Annahme" oder, je nach Zuteilungsverfahren, der Beantragung der Zuteilung das der Bausparkasse gewährte Darlehen kündigt und zugleich die Potestativbedingung setzt, unter der sein Anspruch auf Valutierung des Bauspardarlehens steht. Die Zuteilung bzw deren Bekanntgabe an den Bausparer ist als bloße Wissenserklärung hierfür nicht erforderlich. Durchschlagende Bedenken hiergegen im Hinblick auf die Besonderheiten des Bausparvertrages bestehen nicht. Der Bausparer wird insbesondere nicht durch den Beginn der Zehnjahresfrist für seine Nichtannahme der Zuteilung sanktioniert, da diese lediglich dem Schutz der Bausparkasse vor einer überlangen Bindung dient und es darüber hinaus dem Bausparer freisteht, die Zuteilung während des Laufs der Frist anzunehmen oder zu beanspruchen (Mülbert/Schmitz, in: FS Horn [2006] 777, 787; Staudinger/Robert Freitag/Peter O. Mülbert (2010) BGB § 488 Rn. 550; LG Aachen vom 19.05.2015, 10 O 404/14). Der "vollständige Empfang" des Darlehens mit Zuteilungsreife wird auch nicht dadurch über den Zeitpunkt der Zuteilungsreife hinausgeschoben, dass der Bausparer weitere Einzahlungen auf den Bausparvertrag leistet und/oder nur Zinsen dem Bausparguthaben gutgeschrieben werden. Denn diese weiteren Zahlungen stellen nicht (mehr) das Darlehen des Bausparers dar, welches erforderlich ist, damit die Bausparkasse auf Wunsch des Bausparers hin verpflichtet ist, das Bauspardarlehen auszuzahlen und damit den Zweck des Bausparvertrages zu erfüllen. Es würde in Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 489 Abs.1 Nr. 2 BGB stehen, wäre es dem Bausparer überlassen, nach seinem Belieben den 10-Jahreszeitraum zu verlängern (Edelmann/Suchowerskyi, BB 2015, 1800 ff).
Eine zeitliche Begrenzung für die Rückzahlung des Darlehens in der Ansparphase, in der der Kläger Darlehensgeber und die Beklagte Darlehensnehmerin ist, bestand zum Zeitpunkt der Kündigung der Beklagten am 18.12.2014 nicht.
In Betracht kommt insoweit, dass infolge der Kündigung eine vereinbarte Bonusverzinsung bei Verzicht auf das Bauspardarlehen vom Bausparer nicht mehr erreicht werden und/oder dass dem Bausparer die Möglichkeit genommen wird, entsprechend § 1 ABB ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen.
Für das Bestehen der erstgenannten Einschränkung ist nichts ersichtlich. In der Regel kann eine Bonusverzinsung -wenn vereinbart- nach einer Laufzeit von 7 Jahren in Anspruch genommen werden.
Soweit der Kläger mit der Vertragsbeendigung aufgrund der Kündigung nicht mehr die Möglichkeit hat, ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, schließt dieses die Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht aus. Zum einen steht es dem Bausparer frei, die Zuteilung während des Laufs der Frist von 10 Jahren anzunehmen und ein Bauspardarlehen zu beanspruchen (s.o.). Zum anderen ist die Kündigungsmöglichkeit nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwingend (§ 489 Abs. 4 BGB).
Die Parteien haben auch keine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung des Darlehens getroffen, die dem Ablauf der Frist von 10 Jahren des § 489 Abs.1 Nr.2 BGB entgegenstehen könnte. Eine derartige Vereinbarung liegt nicht darin, dass der Kläger die Zuteilung des Bausparvertrages nicht angenommen hat und nach § 14 ABB der Vertrag fortgesetzt wird, wenn der Bausparer die Zuteilung nicht annimmt (Staudinger/Robert Freitag/Peter O. Mülbert (2010) BGB § 488 Rn. 551). Zudem würde, würde eine derartige neue Vereinbarung angenommen, diese auf den Zeitpunkt der angekündigten Zueilung zum 01.10.2001 zu datieren sein, so dass bis zur Kündigung am 18.12.2014 die Frist von 10 Jahren verstrichen wäre.
Da der mit der Klage verfolgte Hauptanspruch nicht besteht, kann der Kläger keine Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.