Landgericht Hannover
Urt. v. 31.08.2015, Az.: 14 O 94/15

Feststellung des Fortbestands eines Bausparvertrages; Vertragliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
31.08.2015
Aktenzeichen
14 O 94/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45402
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2015:0831.14O94.15.00

In dem Rechtsstreit
der
Klägerin
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagte
Prozessbevollmächtigte:
wegen Bausparvertrags
hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 23.07.2015 durch die
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Fortbestands eines Bausparvertrages mit der Beklagten

Die Parteien schlossen am 15.4.1998 den Bausparvertrag mit der Nr. über eine Bausparsumme von 60.000,-- DM (= 30.679,51 €). Bestandteil des Vertrages waren u. a. § 5 Abs. 3 und § 14 der Allgemeinen Bausparbedingungen der Beklagten. Vorgesehen hatten die Parteien eine Verzinsung des Bausparguthabens mit 2 % mit der Möglichkeit einer Bonusverzinsung in Höhe von insgesamt 5 % unter der Voraussetzung eines Bausparguthabens von mindestens 7.000,-- DM und eines Verzichts der Klägerin auf das Bauspardarlehen. Der Bausparvertrag wurde am 2.7.2001 zuteilungsreif. Unter dem 18.12.2014 erklärte die Beklagte der Klägerin gegenüber die Kündigung des Bausparvertrags zum 30.6.2015. Die Klägerin hat dieser Kündigung widersprochen und hält sie für unwirksam. Sie begehrt die Fortsetzung des Bausparvertrages.

Die Klägerin beantragt daher,

festzustellen, dass der bei der Beklagten geführte Bausparvertrag mit der Vertragsnummer ungekündigt fortbesteht und nicht durch die mit Schreiben vom 18.12.2014 gegenüber der Klägerin erklärte Kündigung beendet wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stützt sich auf die Kündigungsmöglichkeit nach § 489 Abs. 1 Ziffer 2 BGB und hält diese Vorschrift vorliegend für anwendbar.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet, weil die Beklagte mit ihrer Kündigung vom 18.12.2014 das Vertragsverhältnis zum 30.6.2015 wirksam beendet hat:

1. § 5 Abs. 3 der ABB der Beklagten schließt ein Kündigungsrecht der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gerade nicht aus. Dieses Kündigungsrecht hat der Gesetzgeber erst nach Vertragsschluss - auch für Altverträge (Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB) - eingeführt und nicht zur Disposition der Parteien gestellt, wie sich auch der enumerativen Aufzählung in § 489 Abs. 4 S. 2, S. 1 BGB entnehmen lässt.

2. Zudem gilt § 489 BGB aufgrund der Rollenverteilung während der Ansparphase eines Bausparvertrages für die Beklagte, weil sie in Bezug auf das Guthaben der Klägerin selbst Darlehensnehmerin ist und ihr dafür einen vorab festgelegten Zins von 2 %, ggf. zzgl. Bonusverzinsung von weiteren 3 %, schuldet (§ 489 Abs. 5 S. 1, S. 2 BGB).

3. Fraglich ist damit allein, ob und wann in einem Bausparvertrag in der Ansparphase eine Bausparkasse wie die Beklagte das Darlehen vollständig empfangen hat. Auf der Hand liegt dies - spätestens - bei der Vollbesparung eines Bausparvertrages, d. h. wenn das Guthaben der Bausparsumme entspricht.

Zu berücksichtigen sind aber auch der Sinn und Zweck des Bausparmodells mit seiner Anspar- und Darlehensphase und des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die einen früheren Zeitpunkt rechtfertigen:

a) Zweck des Bausparvertrages ist gerade nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern der spätere Erhalt eines - zinsgünstigen - Bauspardarlehens unter Inkaufnahme niedrigerer als marktüblicher Guthabenzinsen. Es handelt sich dabei um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen, bei dem der Bausparer - die Klägerin - zunächst bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben anspart und den vereinbarten Guthabenzins erhält (Darlehensvertrag mit der Klägerin als Darlehensgeberin und der Beklagten als Darlehensnehmerin). Nach der Zuteilung kann er bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesparten Guthaben in Anspruch nehmen (Darlehensvertrag mit der Klägerin als Darlehensnehmerin und der Beklagten als Darlehensgeberin), er ist jedoch nicht dazu verpflichtet. Der für den Bausparvertrag charakteristische Zweck - die Möglichkeit des Bausparers, ein zinsgünstiges Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen - ist jedoch mit der Zuteilungsreife erreicht, und zwar unabhängig davon, ob der Bausparer diese Möglichkeit sofort oder später in Anspruch nimmt oder nicht.

Dieser besonderen Vertragsgestaltung hat der Gesetzgeber in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht ausdrücklich Rechnung getragen, diese Vorschrift bedarf daher einer sinn- und zweckentsprechenden Anwendung:

b) Das Kündigungsrecht dient dem Darlehensnehmer (hier der Beklagten) zum Schutz vor einer überlangen Bindung an - möglicherweise inzwischen nicht mehr marktgerechte - Zinssätze. Bei Bausparkassen gilt dies in besonderem Maße, weil ihre Guthabenzinssätze noch unter den marktgerechten Zinssätzen liegen (müssen), um das Ziel zinsgünstiger Bauspardarlehen erreichen zu können. Der Gesetzgeber hat indessen dieses Recht sogar allen Darlehensnehmern, unabhängig von der (unglücklichen) Ausgestaltung etwaiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Altverträgen, ohne Differenzierung eingeräumt. Wenn Weber in ZIP 2015, 961 ff. dennoch die Auffassung vertritt, die Vorstellung, einer Bausparkasse durch ein zwingendes Kündigungsrecht zu "Waffengleichheit" im Verhältnis zum Bausparer verhelfen zu wollen, erscheine wenig sachgerecht, so bleibt außer Betracht, dass die Bausparkasse ein Kollektiv von Bausparern darstellt und sich hier letzten Endes Bausparer und Bausparer gegenüber stehen. Ab Zuteilungsreife hat es dabei sogar der einzelne Bausparer in der Hand, ob er der Bausparkasse durch weitere Sparbeiträge eher früher oder später das Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 BGB eröffnet.

Sachgerechter Anknüpfungspunkt für den "vollständigen Empfang" bleibt daher (nur) der Zeitpunkt des Eintritts der Zuteilungsreife (vgl. zB Staudinger/Peter O. Mülbert (2010) BGB § 489 Rz. 51; Landgericht Aachen, 10 O 404/14, zitiert nach Juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.