Landgericht Hannover
Beschl. v. 30.04.2015, Az.: 8 T 16/15

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
30.04.2015
Aktenzeichen
8 T 16/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 44843
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 06.02.2015 - AZ: 44 10/15 (B)

Tenor:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie seine insoweit entstandenen Auslagen zu tragen.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von x, y, wird zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: € 5.000,00

Gründe

I.

Der Betroffene ist y Staatsangehöriger. Er reiste 1993 erstmals in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag blieb erfolglos. Er wurde mehrfach nach y ab- bzw. zurückgeschoben, Die letzte Zurückschiebung vor seiner Ingewahrsamnahme am 5. Februar 2015 erfolgte am 07.10.2010. Zwischen der Abschiebung und der jetzigen Ingewahrsamnahme war er im Mai 2011 im Bundesgebiet festgenommen und Ende März 2012 aus der Strafhaft entlassen worden. Eine Ausreise aus dem Bundesgebiet nach jener Haftentlassung ist nicht dokumentiert.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit Beschluss vom 6. Februar 2015, auf dessen Inhalt die Kammer wegen der Einzelheiten zur Person des Betroffenen und zu den Geschehnissen nach seiner ersten Einreise Bezug nimmt, Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 28.02.2015 angeordnet. Es hat dabei die Auffassung vertreten, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Haftgründen nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG bei unter Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin-III-Verordnung“) fallenden Rücküberstellungen fänden vorliegend keine Anwendung. Maßgeblich sei die Richtlinie 2008/115/EG, die wiederum keine abschließende Aufzählung von Haftgründen enthalte.

Hiergegen wendet sich der anwaltlich vertretene Betroffene mit der beim Amtsgericht am 11.02.2015 eingegangenen Beschwerde. Der Betroffene ist am 17.02.2015 aus der Haft entlassen und abgeschoben worden.

Das Amtsgericht Hannover hat der – als Feststellungsantrag umgedeuteten – Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer vorgelegt. Der Betroffene hat die Beschwerde mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16.04.2015, auf den für die Einzelheiten verwiesen wird, als Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung durch den angefochtenen Beschluss umformuliert und seine Beschwerde damit begründet, das Amtsgericht habe die Haft auf die Haftgründe des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG gestützt und dabei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur sog. Dublin-Haft verkannt.

II.

Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist, da form- und fristgerecht eingelegt, zulässig. Der Betroffene darf seine Beschwerde gegen die Haftanordnung nach § 58 ff. FamFG mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG verbinden.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Haftanordnung des Amtsgerichts hat den Betroffenen nicht in seinen Rechten verletzt. Die Kammer macht sich insoweit die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts zu Eigen.

Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Art. 28 Abs. 2 der sog. Dublin-III-Verordnung einer Haftanordnung nicht entgegengestanden hat.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sowohl § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als auch § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht den Anforderungen von Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung, wonach die objektiven Kriterien, die Fluchtgefahr begründen, gesetzlich festgelegt sein müssen. Nach der derzeitigen Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland kann die Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung daher weder auf eine unerlaubte Einreise des Betroffenen (vgl. BGH, 22.10.2014 – V ZB 124/14) noch auf Fluchtgefahr bzw. eine Entziehungsabsicht des Betroffenen (vgl. BGH, 26.06.2014 – V ZB 31/14) gestützt werden.

Die Dublin-III-Verordnung erfasst jedoch nicht den vorliegenden Fall. Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung regelt die Voraussetzung für die Haft zur Sicherung der Überstellung eines Ausländers, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Der Betroffene sollte vorliegend jedoch nicht in einen anderen Mitgliedsstaat überstellt werden, in dem er internationalen Schutz (Asyl) ersucht hatte, sondern in sein Heimatland y.

Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass in dem vorliegenden Fall die Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger maßgeblich ist, die von dem deutschen Gesetzgeber umzusetzen war (so auch LG Stuttgart, Beschluss v. 16.02.2015, Az. 19 T 43/15, juris Rdnr. 31 f., LGNürnberg-Fürth, Beschluss v. 18.02.2015, Az. 18 T 522/15). Die Inhaftnahme von Ausländern aus Drittstaaten ist in Art. 15 ff. geregelt.

Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie lautet:

Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn

a) Fluchtgefahr besteht oder

b) die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern.

Durch das Wort „insbesondere“ weicht die Richtlinie maßgeblich von Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung ab. Die in Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie und Art. 2 lit. n der Verordnung näher definierte „Fluchtgefahr“ ist nur in der Dublin-III-Verordnung zwingende Haftvoraussetzung, während die Richtlinie 2008/115/EG lediglich klarstellt, dass die Rückführungsabsicht für sich allein kein ausreichender Haftgrund ist, während insbesondere eine Fluchtgefahr regelmäßig ausreicht, um die Erforderlichkeit der Inhaftierung des Ausländers für die Rückkehrvorbereitung und Abschiebung bejahen zu können.

Unter diesen Umständen schadet es nicht, dass die Generalklausel in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG keine gesetzlich festgelegten Kriterien dafür aufführt, wann der Verdacht, der Ausländer wolle sich der Abschiebung entziehen, bejaht werden darf. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, die Inhaftierung als notwendig für die Vorbereitung und Durchführung der Rückführung anzusehen. Das hat das Amtsgericht vorliegend zu Recht angenommen. Der Betroffene ist mehrfach (April 2007, April 2008, Juli 2009, Oktober 2010) nach Albanien ab- bzw. zurückgeschoben worden und gleichwohl unerlaubt in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Wiederholt (im März 2007, März 2008, April 2009, August 2010) hat er durch Vorlage falscher Personalpapiere versucht, seine wahre Identität zu verschleiern. Eine den deutschen Behörden angezeigte freiwillige Ausreise nach der Haftentlassung Ende März 2012 behauptet der Betroffene selbst nicht. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Abschiebung des Betroffenen ausschließlich durch Sicherungshaft gewährleistet werden konnte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

IV.

Der Antrag auf  Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist schon deshalb abzulehnen, weil der Betroffene entgegen seiner Ankündigung keine Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat.