Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.01.2010, Az.: 6 U 92/09
Rechtsfolgen des Erlöschens der Vollmacht zwischen Abgabe und Zugang der Willenserklärung des Vertreters
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.01.2010
- Aktenzeichen
- 6 U 92/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 10049
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0107.6U92.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 08.06.2009 - AZ: 10 O 66/08
Rechtsgrundlagen
- § 130 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 130 Abs. 2 BGB
- § 152 S. 1 BGB
Amtlicher Leitsatz
1. Eine Willenserklärung, die ein Vertreter abgibt, wird nicht wirksam, wenn seine Vollmacht zwischen Abgabe und Zugang der Willenserklärung erlischt.
2. Ist für eine Willenserklärung, die ein Vertreter abgibt, Schriftform vereinbart, ist die Form nur gewahrt, wenn dessen Vollmacht bei Zugang der Erklärung in schriftlicher Form noch besteht.
In dem Rechtsstreit
T. H. GmbH (vormals: S. H. GmbH), vertreten durch den Geschäftsführer P. T., ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. B.,
Geschäftszeichen: ...,
gegen
S. B. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer N. T., ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro W.,
Geschäftszeichen: ...,
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piekenbrock, den Richter am Oberlandesgericht Volkmer und die Richterin am Landgericht Natho für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Juni 2009 verkündete Urteil des Vorsitzenden der 10. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.440,31 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat aus eigenem Recht keine Werklohnansprüche gegen die Beklagte für die Arbeiten an den nachgenannten Bauvorhaben. Die Werkverträge über diese Arbeiten sind zwischen der Beklagten und der E. S. GmbH zustande gekommen, bezüglich T. am 28. Oktober 2003, bezüglich M. am 3. Juni 2004 und bezüglich Sch. am 1. März 2005. Dieses ergibt sich aus den Eintrittserklärungen der S. H. GmbH, wie die Klägerin früher hieß, vom 2. und 7. März sowie 11. November 2005 (Anlagen zur Klagerwiderung - Bl. 48, 50 und 75 d. A.).
II.
Auch aus übergegangenem Recht der E. S. GmbH hat die Klägerin keine Werklohnansprüche gegen die Beklagte hinsichtlich der vorbezeichneten Bauvorhaben. Zwischen der Klägerin, der Beklagten und der E. S. GmbH ist keine Übernahme der Verträge M., Sch. und T. durch die Klägerin anstelle der E. S. GmbH zustande gekommen.
1. Falls P. B. bei der telefonischen Vereinbarung mit dem Mitarbeiter Me. der Beklagten nur im Namen der S. H. GmbH (jetzt: Klägerin) und nicht auch im Namen der E. S. GmbH gehandelt hat, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 22. Dezember 2009 meint, scheitert die Übernahme der Verträge M., Sch. und T. durch die S. H. GmbH (jetzt: Klägerin) an der notwendigen Mitwirkung der E. S. GmbH an diesen Verträgen. Die E. S. GmbH ist dann bei Vertragsschluss nicht vertreten gewesen.
2. Falls P. B. auch im Namen der E. S. GmbH gehandelt hat, was sich aus den Umständen der Vereinbarung (angestrebte Vertragsübernahme als dreiseitiger Vertrag) ergibt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB), gilt das Nachstehende.
a) Die Vertragsübernahme hing davon ab, dass die Klägerin und die E. S. GmbH ihre Willenserklärungen schriftlich abgaben, und, als sie dieses im Falle M. am 7. April 2005 und im Falle T. am 11. November 2005 taten, hatte die Angestellte B., welche sie dabei vertrat, keine Vollmacht der E. S. GmbH mehr.
aa) Die telefonische Vereinbarung zwischen P. B. als Bevollmächtigter E. S.´, der wiederum als Geschäftsführer die E. S. GmbH und die Klägerin vertrat, und D. Me. als Bevollmächtigtem des Geschäftsführers der Beklagten hat die Vertragsübernahmen noch nicht zustande gebracht.
(1) Nach der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB waren die Verträge nicht geschlossen, bis die Klägerin und die E. S. GmbH ihre Willenserklärungen schriftlich abgaben. Wie von der Klägerin selbst vorgetragen und von Me. als Zeugen bestätigt, bestand Me. auf der Übermittlung schriftlicher Erklärungen, dass die Klägerin in alle Rechte und Pflichten aus den Verträgen der Beklagten mit der E. S. GmbH eintrat, ohne dass diese schriftlichen Erklärungen nur Beweiszwecken dienen sollten. Denn die Beklagte machte Zahlungen an die Klägerin statt an die E. S. GmbH vom Vorliegen dieser Erklärungen abhängig und wollte sichergehen, mit Gewährleistungsansprüchen gegen die E. S. GmbH auch gegenüber Werklohnansprüchen der Klägerin aus ihr erteilten Aufträgen aufrechnen zu können.
(2) Die Vertragspartner haben die Schriftformabrede nicht stillschweigend dadurch aufgehoben, dass die Beklagte Rechnungen der Klägerin geprüft und Zahlungen an sie geleistet hat.
(a) Die Prüfung der Rechnungen, welche die S. H. GmbH am 25. April 2003 für das Bauvorhaben Bu. (Anlage K 12 - Bl. 135 d. A.) und am 6. August 2005 für das Bauvorhaben M. (Anlage K 2 - Bl. 12 d. A.) erteilt hat, auf welche die Klägerin sich auf Seite 4 der Berufungsbegründung (Bl. 273 d. A.) bezieht, hat nicht diesen Erklärungswert. Als die Beklagte diese beiden Rechnungen am 21. Mai 2003 und am 1. September 2005 prüfte, lagen ihr die schriftlichen Eintrittserklärungen der S. H. GmbH für ihre - der Beklagten - Verträge mit der E. S. GmbH bereits vor. Die Eintrittserklärung für das Bauvorhaben Bu. ist ausweislich Eingangsstempels auf dieser (Anlage 6 zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom 10. November 2008 - Bl. 151 d. A.) am 5. Mai 2003, diejenige für das Bauvorhaben M. ausweislich Eingangsstempels auf dieser (Anlage 10 zur Klagerwiderung - Bl. 48 d. A.) am 13. April 2005 bei ihr eingegangen.
(b) Zahlungen hat die Beklagte nur für Bauvorhaben geleistet, hinsichtlich derer ihr die schriftlichen Eintrittserklärungen seitens der Klägerin und der E. S. GmbH vorlagen. Die Zahlung für das Bauvorhaben W. datiert vom 11. Oktober 2002 (Anlage K 11 zum Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 - Bl. 134 d. A.), während die schriftlichen Eintrittserklärungen für dieses Bauvorhaben vom 12. September 2002 der Beklagten bereits am 16. September 2002 vorlagen (Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom 10. November 2008 - Bl. 145 d. A.). - Die Zahlung für das Bauvorhaben Bu. stammt vom 27. Mai 2003 (Anlage K 13 wie vor - Bl. 136 d. A.), während die schriftlichen Eintrittserklärungen für dieses Bauvorhaben vom 29. April 2003 bereits am 5. Mai 2003 bei der Beklagten eingegangen waren.
bb) Die Untervollmacht, welche E. S. als organschaftlicher Vertreter der E. S. GmbH P. B. erteilt hatte, war bereits am 4. März 2005 erloschen. P. B. musste die Erteilung der Vollmacht an sie bei verständiger objektiver Würdigung aus ihrer Sicht (§ 133 BGB) so verstehen, dass sie erlöschen sollte, wenn E. S. als alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH aus dieser ausschied und jemand anderer in diesen Funktionen an seine Stelle trat, was aufgrund notariellen Vertrages vom 4. März 2005 geschah. Sie konnte nicht erwarten, dass E. S. die Vertretung der GmbH durch sie weiter wünschte, wenn ein anderer als er an der vertretenen GmbH berechtigt und verpflichtet war. Die weitere Vertretung hätte, wenn sie den Interessen des neuen Geschäftsführers und Gesellschafters zuwiderlief, Schadensersatzansprüche auf dessen Seite gegen E. S. auslösen können.
b) Die Eintrittserklärungen betreffend Sch. sind ebenfalls nicht wirksam geworden, auch wenn die Vollmacht P. B., als sie diese Erklärungen am 2. März 2005 abgab, noch bestand.
aa) Als diese Erklärungen der Beklagten mit der Rechnung vom 22. August 2005 zugingen, wie diese auf Seite 3 der Klagerwiderung (Bl. 29 d. A.) unwidersprochen vorgetragen hat, konnten sie nicht mehr gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam werden. Wie ein Umkehrschluss aus § 130 Abs. 2 BGB zeigt, hinderte das Wirksamwerden der Erklärungen, dass das Vertretungsverhältnis zwischen der E. S. GmbH, für und gegen welche die Erklärungen wirken sollten, und der Erklärenden P. B. nicht mehr bestand (vgl. für den gleichgelagerten Fall der Verfügungsbefugnis: BGH Urt. v. 30. Mai 1958, V ZR 295/56, zit. nach juris: Rn. 30).
bb) Der Zugang der Erklärungen war nicht aus dem Grunde verzichtbar, dass die Vertragspartner die Vertragsübernahmen bereits mündlich vereinbart hatten. Die Abgabe der Erklärung in der vorgeschriebenen Form, ohne dass die Erklärung zuzugehen braucht, genügt, wie § 152 Satz 1 BGB ausweist, nur, wenn es sich um die notariell beurkundete Annahme eines notariell beurkundeten Angebots handelt, nicht jedoch im hier gegebenen Falle vereinbarter Schriftform (s. auch: Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 152 Rn. 1).
III.
Ferner kann die Klägerin ihre Ansprüche nicht auf auftragslose Geschäftsführung für die Beklagte stützen, selbst wenn ihre Behauptung zutrifft, sie habe mit ihren Mitarbeitern alle Arbeiten an den eingangs bezeichneten Bauvorhaben ausgeführt. Bei den Arbeiten handelte es sich nicht um ein Geschäft der Beklagten, sondern um ein solches der E. S. GmbH. Diese war der Beklagten gegenüber verpflichtet, die Arbeiten auszuführen.
IV.
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte keine Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB). Die Beklagte hat die Arbeiten an den vorerwähnten Bauvorhaben aus ihrer maßgeblichen Sicht nicht durch Leistung der Klägerin, sondern durch solche der E. S. GmbH erlangt, selbst wenn sie gewusst hätte, dass die Klägerin mit eigenen Kräften die Arbeiten erbringt, ohne selbst der E. S. GmbH gegenüber hierzu vertraglich verpflichtet zu sein. Entscheidend ist, dass der Beklagten gegenüber niemand anderer als die E. S. GmbH vertraglich verpflichtet war, die Arbeiten zu erbringen. Unerheblich ist, ob die S. H. GmbH, wie die Klägerin auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 22. Dezember 2009 vorträgt, ausschließlich im eigenen Namen für die Beklagte tätig sein wollte und dieses daraus hervorging, dass sie und nicht die E. S. GmbH die Rechnungen für die erbrachten Leistungen stellte. Entscheidend ist, dass die S. H. GmbH aus Rechtsgründen nicht im eigenen Namen für die Beklagte tätig sein konnte. Sie selbst hatte keine Verträge hinsichtlich der hier betroffenen Bauvorhaben mit der Beklagten geschlossen, und die Übernahme der Verträge, welche die E. S. GmbH hinsichtlich der hier betroffenen Bauvorhaben mit der Beklagten geschlossen hatte, durch sie - die S. H. GmbH - war, wie vorstehend zu Ziffer II ausgeführt, gescheitert.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10 und § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Volkmer
Natho