Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.01.2010, Az.: 7 U 201/09
Ersatzfähigkeit der Umsatzsteuer im Rahmen vertraglicher Schadensersatzansprüche im Werkvertragsrecht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.01.2010
- Aktenzeichen
- 7 U 201/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 10634
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0118.7U201.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - AZ: 4 O 443/05
Rechtsgrundlagen
- § 249 Abs. 2 S. 2 BGB
- § 280 BGB
- § 634 Nr. 4 BGB
- § 636 BGB
Fundstellen
- BauR 2010, 665
- BauR 2010, 921-922
- IBR 2010, 450
- NJW 2010, 8
- NJW 2010, 1151
- NJW-Spezial 2010, 141
- NZBau 2010, 503-504
- ZAP 2010, 1154-1155
- ZAP EN-Nr. 717/2010
- ZfIR 2010, 334
Redaktioneller Leitsatz
»§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, der die Geltendmachung von Umsatzsteuer nur zulässt, sofern sie tatsächlich angefallen, in der Regel also die Reparatur tatsächlich durchgeführt worden ist, gilt entsprechend dem Wortlaut nur für Fälle der Sachbeschädigung, nicht aber für vertragliche Ansprüche im Werkvertragsrecht. Verlangt der Bauherr daher nach § 634 Nr. 4 BGB die durch Kostenvoranschlag oder Sachverständigengutachten ermittelten Sanierungskosten als Schadensersatz, kann er, sofern er nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, den Bruttobetrag einschließlich Umsatzsteuer beanspruchen.«
In dem Rechtsstreit
K. GmbH gegen R. u.a.
Tenor:
1. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.067,23 € festgesetzt.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Ihr wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zur eventuellen Rücknahme der Berufung aus Kostengründen binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.
Gründe
Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein.
Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus den auch dem Berufungsvorbringen gegenüber zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils auch keine Aussicht auf Erfolg:
Die Beklagte wendet sich nicht gegen die Mängelbeseitigungskosten von 31.932,77 € netto, sondern allein gegen die Zuerkennung auch der Umsatzsteuer in Höhe von 6.067,23 €. Sie beruft sich insoweit auf eine im Mietrecht ergangene Entscheidung des Kammergerichts sowie eine Entscheidung des 13. Zivilsenats des OLG München, wonach Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung ohne tatsächliche Durchführung der Mangelbeseitigung nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB n. F. nicht beansprucht werden könne.
Es besteht jedoch weder Anlass, die angefochtene Entscheidung des Landgerichts abzuändern, noch durch Urteil zu entscheiden und die Revision zuzulassen.
Die im Mietrecht ergangene Entscheidung des Kammergerichts (KG Berlin WuM 2006, 436 [KG Berlin 06.04.2006 - 8 U 99/05]), selbst wenn ihr zu folgen wäre, hat jedenfalls im Werkvertragsrecht keine Bedeutung. Soweit im Werkvertragsrecht nämlich der Ersatz der Kosten für die vom Werkunternehmer unterlassene Mangelbeseitigung geltend gemacht wird, geht es der Sache nach um die Herstellung der vertraglich geschuldeten Leistung. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB n. F., der die Geltendmachung der Umsatzsteuer ausschließt, wenn die Reparatur noch nicht durchgeführt ist, also abstrakt nach Kostenvoranschlag oder Schadensgutachten abgerechnet wird, bezieht sich nach seinem eindeutigen Wortlaut dagegen nur auf Sachbeschädigungen. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung ist die Umsatzsteuer daher bei der Ermittlung der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht, sofern der Bauherr nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, auch nach Inkrafttreten des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB mit einzubeziehen. Diese Senatsrechtssprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, die, soweit ersichtlich, in Urteilsanmerkungen und in der Kommentarliteratur, durchweg Zustimmung erfahren hat (vgl. OLG Brandenburg IBR 2006, 136 mit Anm. von Knoche. OLG Düsseldorf BauR 2010, 102 mit Anm. Kirschner in IBR Werkstattbeitrag vom 27.07.2009 sowie Anm. Heiliger in IBR 2010,21. Urt. d. OLG München vom 28.10.2008 - 28 U 3754/08 - sowie Anm. Bräuer in IBR 2009, 267. Urt. d. OLG München vom 29.09.2009 - 28 U 3123/09 - veröffentl. in Juris. vgl. ferner Weyer in IBR 2009, 268 sowie Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 249, Rn. 29).
Soweit das OLG Frankfurt nach seinem Leitsatz Nr. 1 im Urteil vom 27.10.2008 (OLGR Frankfurt 2009, 472) die gegenteilige Auffassung zu vertreten scheint, kam es in dem dortigen Fall allerdings nicht darauf an, sodass es auch an einer Begründung fehlt (vgl. Weyer aaO.). Soweit der 13. Zivilsenat des OLG München, worauf die Beklagte sich beruft, ebenfalls die gegenteilige Auffassung vertreten hatte (OLG München BauR 2008, 1909), ist die unter Bezug genommene Kommentarliteratur und damit auch die vom 13. Zivilsenat gegebene Begründung überholt (vgl. dazu Urt. d. 28. Zivilsenats d. OLG München vom 29.09.2009 28 U 3123/09 -, Rn. 22 ff.. zit. n. Juris). Nach alledem sieht der Senat keinen Anlass, durch eine Entscheidung durch Berufungsurteil die Revision zu ermöglichen.
Hierzu besteht im Übrigen schon deshalb kein Anlass, weil es um Ansprüche aus einem Bauvertrag aus dem Jahre 2000 bzw. um Mängel an einem im April 2001 fertig gestellten Bauvorhaben geht, mithin das ´alte Recht´ vor dem Inkrafttreten des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB n. F. anzuwenden ist. Nach altem Recht ist die Mehrwertsteuer aber ohnehin geschuldet (vgl. OLG Frankfurt, aaO.).