Abschnitt 203 VV-BauGB - 203. Verfahrensarten der Sanierung
Bibliographie
- Titel
- Verwaltungsvorschriften zum Baugesetzbuch (VV-BauGB)
- Amtliche Abkürzung
- VV-BauGB
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 21074000000002
203.1
Allgemeines
Im Hinblick darauf, ob die besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften der §§ 152 bis 156 Anwendung finden, sind
- das umfassende Sanierungsverfahren (Nr. 203.2) und
- das vereinfachte Verfahren (Nr. 203.3)
zu unterscheiden (§ 142 Abs. 4 Halbsatz 1 und § 152).
Im vereinfachten Verfahren können wiederum im Hinblick auf den Ausschluß von Vorschriften des § 144 folgende Verfahrensarten unterschieden werden:
- Sanierung im vereinfachten Verfahren mit Anwendung von § 144 insgesamt,
- Sanierung im vereinfachten Verfahren mit Anwendung von § 144 Abs. 1, aber ohne § 144 Abs. 2,
- Sanierung im vereinfachten Verfahren mit Anwendung von § 144 Abs. 2, aber ohne § 144 Abs. 1,
- Sanierung im vereinfachten Verfahren ohne Anwendung von § 144.
Die Sanierung ist nur in den genannten gesetzlich zugelassenen typisierten Verfahrensarten möglich. Die Bildung hiervon abweichender Verfahrensarten durch Ausschluß sonstiger Vorschriften ist nicht zulässig. Die Gemeinde kann auch nicht im vereinfachten Verfahren einzelne Vorschriften des besonderen Sanierungsrechts der §§ 152 bis 156 für anwendbar erklären.
203.2
Sanierung im umfassenden Verfahren
Die Sanierung im umfassenden Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß bei ihr alle Vorschriften des Sanierungsrechts Anwendung finden, insbesondere
- die Vorschriften der §§ 144 und 145 über die Genehmigung von Vorhaben, Teilungen und Rechtsvorgängen und
- die Vorschriften des besonderen Sanierungsrechts (§§ 152 bis 156).
Im Hinblick auf die Anwendung dieser Vorschriften sind die in Nrn. 201.2.2 und 201.2.3 genannten Vorschriften und Verfahren des allgemeinen Städtebaurechts ausgeschlossen.
In den Grundbüchern der im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke ist gemäß § 143 Abs. 4 Satz 2 ein Sanierungsvermerk einzutragen.
203.3
Sanierung im vereinfachten Verfahren
Bei der Sanierung im vereinfachten Verfahren sind die besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften der §§ 152 bis 156 ausgeschlossen (§ 142 Abs. 4 Halbsatz 1) und die in Nr. 201.2.3 genannten Vorschriften und Verfahren des allgemeinen Sanierungsrechts anzuwenden.
Wird die Anwendung von § 144 Abs. 1 oder von § 144 insgesamt ausgeschlossen, so sind die unter Nr. 201.2.2 Abs. 1 genannten Vorschriften und Verfahren des allgemeinen Städtebaurechts wieder anwendbar.
Schließt die Gemeinde die Anwendung von § 144 Abs. 2 aus, so entfällt nach § 143 Abs. 4 Satz 4 die Eintragung eines Sanierungsvermerks im Grundbuch. Neben der in diesem Falle anwendbaren Vorschrift des § 144 Abs. 1 ist auch § 51 anzuwenden.
203.4
Bestimmung der Verfahrensart
Die Gemeinde bestimmt in der Sanierungssatzung (Nr. 211), welche Verfahrensart zur Anwendung kommen soll (§ 142 Abs. 4).
Trifft die Gemeinde im Hinblick auf die Anwendung der besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften der §§ 152 bis 156 keine Bestimmung, so sind diese kraft Gesetzes anzuwenden. Es gilt das umfassende Verfahren.
Schließt die Gemeinde die Anwendung der §§ 152 bis 156 aus, so ist § 144 insgesamt anzuwenden, falls in der Sanierungssatzung nichts anderes ausdrücklich bestimmt ist.
Soll die Anwendung von § 144 Abs. 1 oder von § 144 Abs. 2 oder von § 144 insgesamt ausgeschlossen werden, so bedarf dies einer ausdrücklichen Regelung in der Sanierungssatzung.
203.5
Beurteilungsmaßstab für die Wahl des umfassenden oder des vereinfachten Verfahrens
Die Wahl zwischen dem umfassenden und dem vereinfachten Verfahren der Sanierung steht nicht im freien Ermessen der Gemeinde. Die Gemeinde ist auf Grund von § 142 Abs. 4 Halbsatz 1 verpflichtet, die Anwendung des besonderen Sanierungsrechts auszuschließen, wenn
- es für die Durchführung der Sanierung nicht erforderlich ist und
- die Durchführung hierdurch voraussichtlich nicht erschwert wird.
Bei der Entscheidung der Gemeinde sind insbesondere zu berücksichtigen:
- die konkrete städtebauliche Situation im Sanierungsgebiet und die künftige Entwicklung,
- die anzustrebenden allgemeinen Ziele der Sanierung,
- die Durchführbarkeit der Sanierung im allgemeinen und
- die Entwicklung der Bodenpreise infolge der Sanierung.
Sind sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen im Sanierungsgebiet oder in Teilen davon zu erwarten, so ist die Anwendung der §§ 152 bis 156 in der Regel erforderlich,
- um Ausgleichsbeträge zur Finanzierung der Sanierung zu erzielen,
- um Grundstücke für Ziele und Zwecke der Sanierung zum sanierungsunbeeinflußten Grundstückswert zu erwerben und
- um die Erschwerung privater Investitionen durch unkontrollierte Bodenwertsteigerungen zu verhindern.
Inwieweit sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen zu erwarten sind, kann nur an Hand der konkreten städtebaulichen Situation im Sanierungsgebiet und auf Grund der von der Gemeinde selbst festgelegten allgemeinen Ziele und Zwecke der Sanierung beurteilt werden. Hat die Sanierung im wesentlichen die Erhaltung, Modernisierung und Instandsetzung vorhandener baulicher Anlagen zum Ziel, sind in der Regel erhebliche Bodenwertsteigerungen nicht zu erwarten. Ist dagegen die Umstrukturierung eines Gebiets beabsichtigt, kann von erheblichen sanierungsbedingten Bodenwertsteigerungen ausgegangen werden (Nr. 223.3).
Beruhen die erheblichen Bodenwertsteigerungen im wesentlichen auf der Herstellung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung von Erschließungsanlagen i.S. von § 127 Abs. 2, so ist die Anwendung des umfassenden Verfahrens nicht zwingend geboten, da die Gemeinde im vereinfachten Verfahren Einnahmen zur Finanzierung durch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach dem BauGB oder nach dem NKAG erzielen kann.
Für die Entscheidung der Gemeinde ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Sanierungssatzung maßgebend.
203.6
Maßstab für den Ausschluß von § 144 Abs. 1, § 144 Abs. 2 oder von § 144 insgesamt
Das BauGB nennt keine Voraussetzungen, unter denen § 144 insgesamt oder teilweise ausgeschlossen werden kann. Insbesondere ist eine Erforderlichkeitsprüfung nicht vorgesehen.
Ist die Anwendung von § 144 Abs. 1 ausgeschlossen, so können zur Sicherung der Bauleitplanung die Vorschriften über die Veränderungssperre nach §§ 14 bis 18 und über die Teilungsgenehmigung nach §§ 19, 20, 21 und 23 angewendet werden (Nr. 201.2.2).
203.7
Wechsel vom umfassenden zum vereinfachten Verfahren
Ein Wechsel vom umfassenden zum vereinfachten Verfahren ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Er kommt in Betracht, wenn die Anwendung des besonderen Sanierungsrechts nicht oder nicht mehr erforderlich ist, aber die Voraussetzungen für die Weiterführung der Sanierung im übrigen noch gegeben sind.
Von der weiteren Anwendung der §§ 152 bis 156 ist abzusehen, wenn
- die Gemeinde die Erforderlichkeit dieser Vorschriften bei Erlaß der Sanierungssatzung falsch prognostiziert hat,
- die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sich so verändert haben, daß die Anwendung der §§ 152 bis 156 nicht mehr erforderlich ist, oder
- die Gemeinde die Ziele und Zwecke der Sanierung so verändert hat, daß die Anwendung der §§ 152 bis 156 nicht mehr erforderlich ist.
Der Wechsel vom umfassenden zum vereinfachten Verfahren darf nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der betroffenen Grundstückseigentümer führen. Eine Ungleichbehandlung kann Sich insbesondere bei der Erhebung von Ausgleichsbeträgen einerseits und von Erschließungsbeiträgen andererseits ergeben. Der Verfahrenswechsel darf daher in der Regel nicht durch Änderung der vorliegenden Sanierungssatzung erfolgen. Er ist vielmehr in der Weise vorzunehmen, daß die bisherige Satzung gemäß § 162 aufgehoben und eine neue Satzung erlassen wird, in der die Anwendung der §§ 152 bis 156 ausgeschlossen ist. Auf Grund der Aufhebung der bisherigen Sanierungssatzung sind Ausgleichsbeträge gemäß § 154 Abs. 3 zu erheben.
203.8
Wechsel vom vereinfachten zum umfassenden Verfahren
Ein Wechsel vom vereinfachten zum umfassenden Verfahren kommt in Betracht, wenn die Anwendung der §§ 152 bis 156 zur weiteren Durchführung der Sanierung erforderlich ist.
Der Wechsel ist im Regelfall in der Weise vorzunehmen, daß die bisherige Satzung aufgehoben und eine neue erlassen wird, in der die Anwendung der §§ 152 bis 156 nicht ausgeschlossen ist. Für die neue Satzung müssen die formellen und materiellen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Beschlußfassung vorliegen.
Bei der im umfassenden Verfahren erforderlichen Bodenbewertung ist die zuvor durchgeführte Sanierung im vereinfachten Verfahren als Sanierung i.S. von § 153 Abs. 1 und § 154 Abs. 2 zu berücksichtigen.
203.9
Wechsel von Verfahrensarten innerhalb des vereinfachten Verfahrens
Hat die Gemeinde bei Sanierungen im vereinfachten Verfahren die Anwendung von § 144 insgesamt oder von § 144 Abs. 1 oder § 144 Abs. 2 nicht ausgeschlossen, kann sie im weiteren Verlauf der Sanierung die Anwendung der genannten Vorschriften ausschließen. Sie kann auch bisher ausgeschlossene Vorschriften des § 144 später für anwendbar erklären.
Der Wechsel von Verfahrensarten innerhalb des vereinfachten Verfahrens ist durch Änderung der Sanierungssatzung möglich. Dies ergibt sich aus § 245 Abs. 2.
War die Anwendung von § 144 Abs. 2 bisher ausgeschlossen, soll diese Vorschrift aber künftig angewendet werden, so teilt die Gemeinde diese Änderung der Sanierungssatzung dem Grundbuchamt mit; sie hat hierbei die von der Satzungsänderung betroffenen Grundstücke einzeln aufzuführen.
Wird die Anwendung des § 144 Abs. 2 durch die Änderung der Sanierungssatzung ausgeschlossen, so ersucht die Gemeinde das Grundbuchamt, die Sanierungsvermerke zu löschen.
203.10
Überleitung für bereits laufende vereinfachte Sanierungsverfahren
Hat die Gemeinde vor dem 1.7.1987 eine Sanierung im vereinfachten Verfahren beschlossen, kann sie durch Änderung der Sanierungssatzung § 144 insgesamt oder § 144 Abs. 1 oder § 144 Abs. 2 für anwendbar erklären (§ 245 Abs. 2). Die Gemeinde teilt dies dem Grundbuchamt mit; sie hat hierbei die von der Sanierung betroffenen Grundstücke einzeln aufzuführen.