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Abschnitt 202 VV-BauGB - 202. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen

Bibliographie

Titel
Verwaltungsvorschriften zum Baugesetzbuch (VV-BauGB)
Amtliche Abkürzung
VV-BauGB
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21074000000002

202.1
Allgemeines

Der Begriff der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme ist in § 136 Abs. 2 gesetzlich bestimmt. Weitere Wesensmerkmale sind § 136 Abs. 1 und 4, §§ 142 und 149 Abs. 3 und den übrigen Vorschriften des Sanierungsrechts zu entnehmen.

202.2
Städtebauliche Gesamtmaßnahme, Einzelmaßnahmen

202.2.1
Merkmale der Gesamtmaßnahme

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Gesamtmaßnahmen (vgl. § 149 Abs. 2 und 3) und als solche darauf angelegt, für ein bestimmtes Gebiet ein Geflecht mehrerer städtebaulicher Einzelmaßnahmen über einen längeren Zeitraum koordiniert und aufeinander abgestimmt vorzubereiten und zügig durchzuführen.

Als städtebauliche Gesamtmaßnahme ist die Sanierung durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Bezug auf ein bestimmtes Gebiet (Nrn. 202.10 und 202.11),
  • Behebung städtebaulicher Mißstände als allgemeines Ziel (hierzu Nr. 202.5),
  • Ausrichtung auf eine einheitliche Konzeption und Planung (hierzu Nr. 202.8),
  • langfristige Dauer (Nr. 202.9),
  • Bündelung und zielgerichtete Ausrichtung einer Vielzahl zum Teil verschiedenartiger Einzelmaßnahmen,
  • gesteigerte Verantwortung der Gemeinde (Nr. 204.1.3).

202.2.2
Einzelmaßnahmen

Einzelmaßnahmen sind einzelne konkrete Vorhaben oder Projekte (z.B. die Aufstellung eines Bebauungsplans, der Erwerb eines bestimmten Grundstücks, die Verlagerung eines bestimmten Betriebs, die Modernisierung eines bestimmten Gebäudes, die Herstellung einer bestimmten Erschließungsanlage).

Einzelmaßnahmen sind sanierungsrechtlich nur von Bedeutung, wenn sie Bestandteil der Gesamtmaßnahme sind und dieser deshalb zugerechnet werden können. Sie können für sich nicht Gegenstand einer städtebaulichen Sanierung sein. In besonderen Fällen kann die städtebauliche Gesamtmaßnahme jedoch in einer Einzelmaßnahme ihren Schwerpunkt haben, wenn die Einzelmaßnahme städtebaulich für das Gebiet oder für die Umgebung besonders bedeutsam ist.

202.2.3
Gruppen von Einzelmaßnahmen

Das BauGB faßt die Einzelmaßnahmen einer Sanierung in

  • Hauptgruppen,
  • Gruppen und
  • Untergruppen

zusammen. Hieraus ergeben sich unterschiedliche rechtliche Anknüpfungen und Folgerungen.

Hauptgruppen sind die Vorbereitung (§ 140) und die Durchführung der Sanierung (§ 146). Die Vorbereitung ist in § 140, die Durchführung in § 146 in Gruppen gegliedert. Die Ordnungsmaßnahmen und Baumaßnahmen als Gruppen der Durchführung sind in § 147 Abs. 1 bzw. in § 148 Abs. 2 ihrerseits in Untergruppen aufgeteilt.

202.3
Städtebauliche Mißstände

202.3.1
Allgemeines

Voraussetzung für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen ist das Vorliegen städtebaulicher Mißstände in dem betreffenden Gebiet (§ 136 Abs. 2 Satz 1). Es reicht jedoch aus, wenn die Mißstände erst latent vorhanden sind; in diesem Falle kommen Sanierungsmaßnahmen in Betracht, um eine Verschlechterung zu verhindern.

Der Begriff des städtebaulichen Mißstandes wird in § 136 Abs. 2 Satz 2 gesetzlich bestimmt. Dabei werden zwei Arten von Mißständen unterschieden, die sich jedoch in einem Gebiet überlagern können:

  • Substanzschwächen (Nr. 202.3.2) und
  • Funktionsschwächen (Nr. 202.3.3).

202.3.2
Substanzschwächen

Substanzschwächen liegen nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 vor, wenn das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht. In § 136 Abs. 3 Nr. 1 werden Kriterien aufgezählt, die bei der Beurteilung, ob in einem Gebiet städtebauliche Mißstände vorliegen, zu berücksichtigen sind.

Die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse werden in § 136 nicht näher bestimmt. Sie müssen im Einzelfall ermittelt werden. Eine untere Grenze bildet die Schwelle zur polizeilichen Gefahr; ist die Sicherheit der im Gebiet wohnenden und arbeitenden Menschen gefährdet, so sind die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt. Eine obere Grenze stellen die heutigen Anforderungen des städtebaulichen Planungsrechts (z.B. in § 1 Abs. 5 oder in der BauNVO), des Bauordnungsrechts, des Arbeitsstättenrechts, des Immissionsschutzrechts und sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften dar; allerdings sind nicht in jedem Falle schon ungesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gegeben, wenn diese Anforderungen nicht eingehalten werden.

Maßgebend ist im betreffenden Gebiet die vorhandene Bebauung oder die sonstige, nicht durch Bebauung geprägte Beschaffenheit (z.B. Nutzungen ohne Bebauung, Verkehrsanlagen, Grünanlagen, Altlasten). Auch von nicht bebauten Grundstücken können städtebaulich relevante Störungen ausgehen, die einen städtebaulichen Mißstand begründen.

Zu den Anforderungen des städtebaulichen Planungsrechts gehören insbesondere die Sicherung und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, der sparsame und schonende Umgang mit Grund und Boden sowie die sozialen und kulturellen Bedürfnisse einzelner Bevölkerungsgruppen. Beispielsweise können ein hoher Grad an Bodenversiegelung oder spezielle Anforderungen an behindertengerechte Grundrisse als Substanzschwäche gewertet werden.

202.3.3
Funktionsschwächen

Funktionsschwächen liegen nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 vor, wenn das Gebiet in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen. In § 136 Abs. 3 Nr. 2 werden Aufgaben (Funktionen) beispielhaft aufgezählt, deren Erfüllung beeinträchtigt sein kann. Die Aufgaben, die einem Gebiet auf Grund seines Lage zukommen, können auch Aufgaben zum Schutz und zur Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen sein (Arten und Lebensgemeinschaften, Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft, Boden, Wasser, Klima und Luft).

Ob ein Gebiet in der Lage ist, die ihm obliegenden Aufgaben zu erfüllen, ergibt sich aus einem Vergleich des bestehenden Zustandes mit der für das Gebiet maßgebenden Aufgabenzuweisung, dem gegenwärtigen Zustand von Natur und Landschaft sowie der Lage im Stadtgefüge. Entscheidend ist, ob eine erhebliche Abweichung des gegenwärtigen Zustandes vom "Soll"-Zustand vorliegt. Die Abweichung kann sowohl im Hinblick auf die gegenwärtigen Aufgaben als auch auf künftige Funktionen bestehen. Auch der unbebaute Zustand eines Gebiets kann eine Funktionsschwäche darstellen, wenn eine Bebauung oder eine andere Nutzung zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Für die Funktionsschwächensanierung kommt es nicht darauf an, ob die bauliche oder sonstige Beschaffenheit des Gebiets Mängel aufweist.

Die Aufgaben für ein Gebiet können sich ergeben aus

  • der überörtlichen Planung (Programme und Pläne der Raumordnung),
  • einer festgesetzten Fachplanung,
  • einem gutachtlichen Fachplan des Naturschutzes (Landschaftsrahmenplan, Landschaftsplan, Grünordnungsplan),
  • dem Flächennutzungsplan,
  • einem Bebauungsplan oder einem Bebauungsplanentwurf, der das Stadium der Planreife i.S. von § 33 Abs. 1 erlangt hat,
  • einer örtlichen Bauvorschrift über die Gestaltung nach § 56 NBauO,
  • seiner Lage im Stadtgefüge.

Eine Funktionsschwächensanierung kommt unter den genannten Voraussetzungen insbesondere in Betracht zur

  • Umnutzung von Flächen aus Gründen der städtebaulichen Umstrukturierung,
  • Aufbereitung und Umnutzung von Flächen mit aufgegebener Nutzung (Brachflächen),
  • baulichen Verdichtung bisher aufgelockerter Bebauung,
  • Ergänzung bebauter Gebiete um einen weiteren Ortsteil,
  • Entwicklung von bebauten Bereichen im Außenbereich zu im Zusammenhang bebauten Ortsteilen,
  • Zentrenbildung in ländlichen Gemeinden,
  • Gestaltung des Ortsbildes, z.B. durch Rekonstruktion historischer Bauten oder Anpassung von Bauten an das vorhandene oder geplante Ortsbild,
  • verträglichen Gestaltung unterschiedlicher Nutzungen in Gemengelagen,
  • städtebaulichen Lärmsanierung,
  • Sicherung und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen,
  • Realisierung ökologischer städtebaulicher Planungen.

202.4
Ziele der Raumordnung und Landesplanung

Das BauGB fordert nicht ausdrücklich die Beachtung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung bei der Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen. Sanierungsmaßnahmen haben nicht in jedem Falle raumordnerische Bedeutung. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Sanierung vornehmlich der Beseitigung ungesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder der Erhaltung von Bausubstanz dient.

Hat die Sanierung die Behebung von Funktionsschwächen zum Ziel (Nr. 202.3.3), können die Ziele der Raumordnung und Landesplanung in zweifacher Hinsicht von Bedeutung sein:

  • Aus ihnen kann sich in besonderen Fällen die Aufgabe und Zielsetzung des Gebiets und damit die Begründung für die Sanierungsbedürftigkeit ergeben.
  • Die Funktionsverbesserung oder Funktionsänderung des Gebiets kann sich auf die Verwirklichung der festgelegten Ziele der Raumordnung und Landesplanung auswirken, z.B. bei der Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben.

Unmittelbare Bindungswirkung haben die Ziele der Raumordnung und Landesplanung über § 1 Abs. 4 im Falle der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bauleitplänen für das Sanierungsgebiet.

202.5
Behebung von städtebaulichen Mißständen

202.5.1
Wesentliche Verbesserung des Gebiets

Ein Gebiet wird wesentlich verbessert, wenn unter Aufrechterhaltung der Gebietsstruktur bauliche und sonstige Anlagen errichtet, modernisiert, instandgesetzt oder erhalten werden.

202.5.2
Wesentliche Umgestaltung des Gebiets

Die Behebung städtebaulicher Mißstände kann gemäß § 136 Abs. 2 auch durch wesentliche Umgestaltung des Gebiets erfolgen. Ein Gebiet wird wesentlich umgestaltet, wenn insbesondere

  • die Art der baulichen oder sonstigen Nutzung bebauter oder unbebauter Flächen,
  • das Maß der baulichen Nutzung,
  • die Bauweise,
  • die überbaubaren Grundstücksflächen oder
  • die Erschließung

verändert werden.

202.5.3
Behebung, Minderung

Zur "Behebung" ist nicht erforderlich, daß alle städtebaulichen Mißstände beseitigt werden. Es reicht aus, wenn die vorhandenen Mißstände wesentlich gemindert oder durch die Maßnahmen der Gemeinde private Investitionen so angeregt werden, daß sich der notwendige Umstrukturierungs- und Erneuerungsprozeß aus eigener Kraft weiter vollziehen kann.

202.5.4
Maßnahmen zur Behebung

Zur Behebung städtebaulicher Mißstände kommen insbesondere in Betracht:

  • die Beseitigung baulicher Anlagen und die Neubebauung (Flächensanierung),
  • die nutzungsgerechte Aufbereitung von Flächen, z.B. durch Beseitigung von Altlasten,
  • die Herstellung, Erweiterung oder Verbesserung von Erschließungsanlagen,
  • die Modernisierung und Instandsetzung von Gebäuden,
  • die Bebauung noch unbebauter Flächen,
  • die Beseitigung baulicher und sonstiger Anlagen ohne anschließende Neubebauung, jedoch für eine andere festgelegte Nutzung, erforderlichenfalls für Zwischennutzung,
  • Verlagerung störender Betriebe,
  • die Schaffung ökologischer Ausgleichsflächen sowie Renaturierung.

Die verschiedenen Arten von Maßnahmen zur Mißstandsbehebung können sich in einem Gebiet überschneiden.

202.6
Erforderlichkeit von Sanierungsmaßnahmen

Die Vorbereitung und Durchführung der Sanierung in Form einer städtebaulichen Gesamtmaßnahme unter Anwendung des Sanierungsrechts müssen das geeignete und notwendige Mittel zur Behebung der städtebaulichen Mißstände sein. Das Merkmal der Erforderlichkeit begrenzt die Anwendung des Sanierungsrechts insgesamt. Es muß schon im Hinblick auf die mit der Sanierung verbundenen Rechtsbeschränkungen gegeben sein.

Die Anwendung des Sanierungsrechts ist gegenüber anderen Maßnahmen subsidiär. Das Sanierungsrecht kommt daher nicht zur Anwendung, wenn die Behebung der städtebaulichen Mißstände allein auf andere Weise ohne die Rechtsbeschränkungen der §§ 136 bis 164 möglich ist.

202.7
Öffentliches Interesse

Das öffentliche Interesse i.S. von § 136 Abs. 1 Satz 1 ist nicht bereits mit dem Nachweis der städtebaulichen Mißstände gegeben, sondern muß als weiteres Merkmal hinzutreten, damit das Sanierungsrecht angewendet werden kann.

Ob ein öffentliches Interesse besteht, ist an Hand der Gesamtsituation des Einzelfalles festzustellen. Das öffentliche Interesse ist zu verneinen, wenn die Sanierung lediglich den Interessen von privaten Eigentümern oder Betrieben dient.

202.8
Einheitliche Vorbereitung

Wesensmerkmal der städtebaulichen Gesamtmaßnahme ist die einheitliche Vorbereitung (§ 136 Abs. 1). Durch sie werden die zum Teil verschiedenartigen Einzelmaßnahmen innerhalb des Sanierungsgebiets auf ein einheitliches Ziel ausgerichtet, aufeinander abgestimmt und miteinander verflochten.

Der Begriff der einheitlichen Vorbereitung schließt nicht aus, daß sich die Zielvorstellungen im Verlauf einer Sanierungsmaßnahme wandeln können.

202.9
Dauer der Sanierung, Gebot der zügigen Durchführung

202.9.1
Beginn und Ende der Sanierung

Die städtebauliche Sanierungsmaßnahme beginnt formal mit dem Beschluß über den Beginn der vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 141 Abs. 3 Satz 1 (Nr. 210.5.1). Sie endet mit der Abwicklung der Sanierung (Nr. 237).

202.9.2
Zulässige Dauer der Sanierung

Das BauGB trifft keine Bestimmung darüber, wie lange eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme dauern darf. Es verlangt in § 143 Abs. 1 Satz 3 lediglich die Durchführung innerhalb eines absehbaren Zeitraums.

Eine genaue Festlegung der Sanierungsdauer ist in der Regel auch nicht möglich, da aus vielfältigen Gründen (z.B. Änderung der Sanierungsplanung, Änderung von Vorstellungen der öffentlichen Aufgabenträger, Streckung von Förderungsmitteln, Rechtsmittel der Betroffenen) die Durchführung verzögert werden kann.

Dennoch sollen im Zeitpunkt der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets im Regelfall nicht mehr als zehn Jahre für die Durchführung der Sanierung veranschlagt werden. Dies hat Auswirkungen auf die Größe des Sanierungsgebiets (Nr. 202.10).

202.9.3
Gebot der zügigen Durchführung

Gemäß § 136 Abs. 1 sind städtebauliche Sanierungsmaßnahmen zügig durchzuführen (Gebot der zügigen Durchführung).

Aus dem Gebot der zügigen Durchführung folgt, daß der Ablauf der einzelnen Verfahrensschritte sowie die Vorbereitung und Durchführung der Einzelmaßnahmen zeitlich aufeinander abgestimmt sein müssen.

Das Gebot der zügigen Durchführung begründet eine gesteigerte Verantwortung der Gemeinde. Die Gemeinde ist verpflichtet, die ihr nach dem BauGB und nach anderen Vorschriften zustehenden Befugnisse (Nr. 204) auszuüben, sobald und soweit es zur Erreichung des Sanierungszwecks erforderlich ist. Aber auch im übrigen muß sich die Gemeinde um schnelle Beseitigung der Hemmnisse bemühen.

202.10
Sanierungsgebiet

202.10.1
Gebietsbezug von Sanierungsmaßnahmen

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind als Gesamtmaßnahmen gebietsbezogen (§ 136 Abs. 2). Gerade hierin äußert sich ihr städtebaulicher Charakter.

Der Bezug auf ein bestimmtes Gebiet gilt sowohl für den Nachweis der städtebaulichen Mißstände als auch für die in Aussicht genommenen Maßnahmen zur Mißstandsbehebung.

202.10.2
Abgrenzung des Sanierungsgebiets

Gemäß § 142 Abs. 1 Satz 2 ist das Sanierungsgebiet so zu begrenzen, daß sich die städtebauliche Sanierungsmaßnahme als Gesamtmaßnahme zweckmäßig durchführen läßt.

Die Abgrenzung des Sanierungsgebiets hängt weitgehend von Zweckmäßigkeitserwägungen der Gemeinde ab. Maßgebend sind die von der Gemeinde selbst festgelegten Ziele und Zwecke der Sanierung, gegebenenfalls eine städtebauliche Planung.

In das Sanierungsgebiet können auch Grundstücke einbezogen werden, auf denen keine städtebaulichen Mißstände vorliegen. Andererseits brauchen nicht alle Grundstücke, auf denen Mißstände oder mißstandsverursachende Zustände festgestellt worden sind, in das Sanierungsgebiet aufgenommen zu werden.

Einzelne Grundstücke, die von der Sanierung nicht betroffen werden, können gemäß § 142 Abs. 1 Satz 3 aus dem Sanierungsgebiet ganz oder teilweise ausgenommen werden. Dies ist jedoch nicht möglich bei:

  • Grundstücken, auf denen Ordnungs- oder Baumaßnahmen durchgeführt werden müssen,
  • Grundstücken, auf denen während der Durchführung der Sanierung bauliche oder sonstige Veränderungen verhindert werden sollen,
  • Grundstücken, für die eine Verbesserung der Erschließung in Betracht kommt,
  • Grundstücken, bei denen mit einer sanierungsbedingten Steigerung des Bodenwerts zu rechnen ist.

202.10.3
Größe des Sanierungsgebiets

Der Gesichtspunkt der zweckmäßigen Durchführung (§ 142 Abs. 1 Satz 2) ermächtigt die Gemeinde einerseits, das Sanierungsgebiet in räumlicher Hinsicht weit genug zu erstrecken. Er setzt der räumlichen Ausdehnung des Sanierungsgebiets aber auch Grenzen. Im Zeitpunkt der förmlichen Festlegung muß die Aussicht bestehen, die Gesamtmaßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraums (Nr. 202.9) durchzuführen.

Im übrigen hängt es von den Verhältnissen und Zielsetzungen im Einzelfall ab, ob das Sanierungsgebiet einen kleinen oder größeren Umfang haben soll. Kleine Gebiete empfehlen sich, wenn eine totale Umstrukturierung das Ziel der Sanierung ist. Bei erhaltenden Sanierungsmaßnahmen sind größere Sanierungsgebiete in Betracht zu ziehen, gegebenenfalls auch im Hinblick auf steuerrechtliche Vergünstigungen (Nr. 233).

Maßgebend für die Größe des Sanierungsgebiets ist auch, welche Verfahrensart die Gemeinde in Betracht zieht (Nr. 203).

202.10.4
Erschließungsanlagen

Sollen zur Durchführung der Sanierung Erschließungsanlagen hergestellt, erweitert oder verändert werden, so sind die betreffenden Flächen in das Sanierungsgebiet einzubeziehen, wenn die Sanierung im umfassenden Verfahren (Nr. 203.2) durchgeführt wird. Straßenflächen und Plätze sind in ihrer vollen Breite zu berücksichtigen. In das Sanierungsgebiet sind auch alle Grundstücke oder Teilflächen von Grundstücken einzubeziehen, die unmittelbar durch die betreffende Anlage erschlossen werden, insbesondere angrenzende Grundstücke. Die Einbeziehung dieser Grundstücke oder Grundstücksteile ist erforderlich, um ein einheitliches Verfahren bei der Abschöpfung von Ausgleichsbeträgen zu erreichen. Es ist zu vermeiden, daß wegen der Herstellung, Erweiterung oder Änderung einer Erschließungsanlage teils Ausgleichsbeträge, teils Erschließungsbeiträge erhoben werden müssen.

Bei Sanierungsmaßnahmen im vereinfachten Verfahren kann abweichend hiervon verfahren werden, da hier nur die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in Betracht kommt.

202.11
Ersatz- und Ergänzungsgebiete

202.11.1
Zweck

Nach § 142 Abs. 2 können für jede städtebauliche Sanierungsmaßnahme Ersatz- und Ergänzungsgebiete festgelegt werden.

Ersatzgebiete sind Gebiete für Ersatzbauten oder Ersatzanlagen zur räumlich zusammenhängenden Unterbringung von Bewohnern oder Betrieben aus dem Sanierungsgebiet.

Ergänzungsgebiete sind Gebiete für die durch die Sanierung bedingten Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen (Nr. 217.4), soweit diese nicht im Sanierungsgebiet selbst untergebracht werden.

202.11.2
Voraussetzungen

Die Festlegung eines Ersatz- und Ergänzungsgebiets setzt die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebiets voraus.

Weitere Voraussetzung ist, daß die betreffenden Bauten, Anlagen oder Einrichtungen im Sanierungsgebiet selbst nicht untergebracht werden können. Dies muß sich aus den festgelegten Zielen und Zwecken der Sanierung ergeben.

Nicht erforderlich ist, daß in dem beabsichtigten Ersatz- und Ergänzungsgebiet städtebauliche Mißstände vorliegen. Ist dies der Fall, kommt die Festlegung als Sanierungsgebiet oder die Einbeziehung in ein Sanierungsgebiet in Betracht.

202.11.3
Größe

Vorschriften über die zulässige Größe von Ersatz- und Ergänzungsgebieten bestehen nicht. Es muß sich jedoch um ein "Gebiet" handeln. Einzelne Grundstücke mit geringer Größe kommen als Ersatz- und Ergänzungsgebiet nicht in Betracht.

202.11.4
Förmliche Festlegung

Nach § 142 Abs. 2 Satz 2 sind für die förmliche Festlegung von Ersatz- und Ergänzungsgebieten die Vorschriften für die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten maßgebend. Die Festlegung kann in der Sanierungssatzung (Nr. 210) oder in einer späteren Ergänzung der Sanierungssatzung vorgenommen werden.

202.11.5
Rechtswirkungen

Im förmlich festgelegten Ersatz- und Ergänzungsgebiet finden alle für das betreffende Sanierungsgebiet geltenden Vorschriften des Sanierungsrechts über die Rechtsfolgen der förmlichen Festlegung Anwendung (§ 142 Abs. 2 Satz 2).

Ist für das Sanierungsgebiet die Anwendung von §§ 152 bis 156 oder von § 144 ganz oder teilweise ausgeschlossen (Nr. 203), so gilt der Ausschluß auch für das Ersatz- und Ergänzungsgebiet. Die Gemeinde kann für das Ersatz- und Ergänzungsgebiet keine vom Sanierungsverfahren abweichende Verfahrensart bestimmen.