Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 02.02.2011, Az.: 13 A 3196/10
Beihilfe; Fürsorgepflicht; Höchstbetrag; Hörgerät
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 02.02.2011
- Aktenzeichen
- 13 A 3196/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45090
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs 1 BhV
- § 6 BhV
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine höhere Beihilfe für seine beiden Hörgeräte.
Bei dem Kläger handelt es sich um einen pensionierten Postbeamten. Er ist blind und sein Hörvermögen ist auf beiden Ohren eingeschränkt.
Aufgrund einer ärztlichen Verordnung erwarb der Kläger für jedes Ohr ein Hörgerät. Nach der Rechnung des Hörgeräteakustikers musste er dafür insgesamt 5.220,00 € bezahlen.
Der Kläger beantragte bei der Postbeamtenkrankenkasse (PBeamtKK) hierfür eine Beihilfe. Mit Beihilfebescheid vom 29.06.2009 erkannte sie die Hörgeräte bis zu einem Preis von 2050,00 € (= 1.025,00 € je Ohr) als beihilfefähig an und gewährte namens und im Auftrag der Beklagten entsprechend 1.435,00 € als Beihilfe.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Nach einem Urteil des VG Koblenz sei die Höchstgrenze nach den Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) unwirksam. Diesen Widerspruch wies die PBeamtKK mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2010, zugestellt am 09.07.2010, zurück.
Der Kläger hat am 21.07.2010 zunächst gegen die PBeamtKK Klage erhoben. Am 06.09.2010 änderte er seine Klage und richtete sie gegen die Beklagte.
Er trägt vor, nach dem Urteil des VG Koblenz sei die Höchstgrenze unwirksam. Da er auch noch blind sei, könne er zum Preis der Höchstgrenze keine ausreichende Hörgeräteversorgung erhalten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 29.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Beihilfefähigkeit der Hörgeräte unabhängig von den Höchstbetragsgrenzen in Höhe von 5.220,00 € anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie tritt der Klage entgegen.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist nur zum Teil zulässig.
Zwar ist die Klage trotz des erst nach Ablauf der Klagefrist vorgenommenen Parteiwechsels auf Seiten der Beklagten nicht als verfristet zu werten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. § 74 Rdnr. 7, VG München, Urteil vom 06.08.1997 - M 6 K 97.102, zit. n. juris). Der anwaltlich vertretene Kläger beantragt jedoch ausdrücklich, den Bescheid vom 29.06.2009 im vollen Umfang aufzuheben. Soweit der Bescheid jedoch bereits Beihilfe bewilligt, ist der Kläger dadurch nicht beschwert.
Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Beihilfe zu seinen Hörgeräten.
Der Kläger beruft sich auf eine Entscheidung des VG Koblenz vom 04.03.2008, wonach die in den einschlägigen Hinweisen des BMI zu den BhV des Bundes enthaltene Höchstgrenze für Hörgeräte nicht greifen soll. Auch die 2. Kammer des erkennenden Verwaltungsgerichts hat in ihrem Urteil vom 17.09.2009 die Auffassung vertreten, die einschlägigen Hinweise des BMI stellten keine Einschränkung der Notwendigkeit der ohrenärztlichen Versorgung dar. Diesen Entscheidungen ist jedoch nicht zu folgen.
Die BhV des Bundes sind mit den dazu ergangenen Hinweisen des BMI auf den Fall des Klägers nicht mehr anzuwenden. Im Februar 2009 ist die neue Bundesbeihilfeverordnung in Kraft getreten. Hörgeräte sind nunmehr aber nach § 25 Abs. 1 dieser Verordnung iVm. der Anlage 5 nur bis zum einem Höchstbetrag von 1.025,00 € je Ohr beihilfefähig.
Im Übrigen wäre auch die alte Höchstbetragsregelung nach den früheren BhV nicht zu beanstanden gewesen.
Die zur Entscheidung berufene Kammer hat bereits im Urteil vom 11.08.2009 - 13 A 6152/08 - in Übereinstimmung mit dem VG Ansbach (Urteil vom 11.06.2008 - AN 15 K 07.02658, zit. n. juris) und des BayVGH (Beschl. v. 17.11.2009 - 14 ZB 09.1917 -, zit. n. juris) grundsätzlich keine Bedenken gegen die Höchstbetragsregelung in den früheren BhV des Bundes gehabt. Der Höchstbetrag soll die Beihilfestelle von einer aufwendigen Überprüfung im Einzelfall zur medizinischen Notwendigkeit einer besonders teuren Ausführung bzw. der digitalen Technik entlasten. Mehr als der Höchstbetrag ist nach den Beihilfevorschriften für Hörgeräte nicht beihilfefähig, auch wenn die Kosten für Hörgeräte regelmäßig höher sind (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen § 6 BhV Anm.10 (12)
Der Kläger kann weiterhin keinen entsprechenden Anspruch direkt aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht ableiten.
Grundsätzlich sind die Dienst- und Versorgungsbezüge dazu bestimmt, den Lebensbedarf des Beamten oder Versorgungsempfängers und seiner Familie zu sichern. Auch die Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen werden mit einem Durchschnittssatz abgedeckt. Nur soweit die Aufwendungen den mit der generell geregelten Besoldung abgegoltenen Durchschnittssatz übersteigen, hat dies der Dienstherr durch die Gewährung von Beihilfen auszugleichen. Die Beihilfe ist daher eine Hilfeleistung, die neben der zumutbaren Eigenbelastung des Beamten ergänzend und in angemessenen Umfang einzugreifen hat, um in einem durch die Fürsorgepflicht gebotenen Maß die wirtschaftliche Lage des Beamten durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Wegen des nur ergänzenden und in starkem Maße Angemessenheitserwägungen unterliegenden ergänzenden Charakters der Beihilfe muss der Beamte und Versorgungsempfänger auch gewisse Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz nur orientierten pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung darstellen (vgl. zu allem BVerwG Urteil vom 16.12.1976 ZBR 1977, 194, 195). Entscheidet sich der Dienstherr für ein Mischsystem aus Eigenleistungen des Beamten und Beihilfen, muss nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts jedoch gewährleistet sein, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag (vgl. BVerfG vom 13.11.1990 a.a.O.; vom 7.11.2002 NVwZ 2003, 720 und vom 2.10.2007 DVBl 2007, 1493; BVerwG Urteile vom 3.7.2003 NJW 2004, 308 und vom 26.8.2009 NVwZ-RR 2010, 366). Eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen verlangt die Fürsorgepflicht jedoch nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7.11.2002, 13.11.1990, 2.10.2007 jeweils a.a.O und BVerwG vom 3.7.2003 und 26.8.2009 jeweils a.a.O.). Grundsätzlich lässt sich ein Beihilfeanspruch nicht unmittelbar auf die Fürsorgepflicht stützen, wenn die die Fürsorgepflicht bereits konkretisierenden Beihilfevorschriften eine Beschränkung, wie im vorliegenden Fall für Hörhilfen, vorsehen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre (BVerwG Urteil vom 10.6.1999 NVwZ-RR 2000, 99 [BVerwG 10.06.1999 - BVerwG 2 C 29/98] und vom 24.8.1995 ZBR 1996, 46, 48).
Eine Verletzung des Wesenskernes der Fürsorgepflicht beim Kläger ist nicht ersichtlich. Er hat zum Einen die medizinische Notwendigkeit gerade der angeschafften Hörgeräte nicht darlegt. Zwar ist es nachvollziehbar, dass ein Blinder eine Hörbehinderung schlechter ausgleichen kann (ihm ist es z.B. nicht möglich, von den Lippen eines Gesprächspartners abzulesen) und er ist gerade wegen der Sehbehinderung auch verstärkt auf seinen Gehörsinn angewiesen. Die schlichte Behauptung des Klägers jedoch, dass er eine Versorgung mit Hörgeräten benötige, die auch nicht annähernd für die festgesetzten Höchstbeträge zu erhalten sind, reicht nicht aus, um Ansatzpunkte für die medizinische Notwendigkeit gerade der angeschafften Hörgeräte zu liefern. Hier hätte der anwaltlich vertretene Kläger schon konkretere Einzelheiten darlegen müssen, ggf. unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Stellungnahme. Von Amtswegen war dazu kein beweis einzuholen. Dies wäre angesichts des bisherigen Vortrages auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen. Hinzu kommt. dass zum Anderen der Kläger auch nicht - obwohl anwaltlich vertreten und vom Gericht dazu aufgefordert - seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse dargelegt und belegt hat, so dass schon von daher eine Beeinträchtigung des amtsangemessenen Unterhalts nicht ersichtlich ist und auch deshalb ein aus der Fürsorgepflicht abzuleitender Anspruch zu verneinen ist.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.