Verwaltungsgericht Hannover
v. 08.02.2011, Az.: 13 A 3494/10
Übernahme der Kosten für die infolge einer Erkrankung erforderliche Lagerung von Samenzellen eines Polizisten im Wege der Inanspruchnahme des Landes auf Heilfürsorge
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 08.02.2011
- Aktenzeichen
- 13 A 3494/10
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2011, 11496
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2011:0208.13A3494.10.0A
Rechtsgrundlagen
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, ein Polizeibeamter des Landes, begehrt die Übernahme der Kosten für die Lagerung von Samenzellen aus Mitteln der Heilfürsorge.
Anfang März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten u.a. die Übernahme der Kosten für die Lagerung von Samenzellen, weil er an Prostatakrebs erkrankt und nach der erforderlichen Operation auf normalem Wege nicht mehr zeugungsfähig sei. Das Einfrieren der Samenzellen diene zwar nicht der Heilung, wohl aber der Milderung von Krankheitsfolgen.
Der Kläger hat Samenzellen konservieren lassen und diese eingelagert. Derzeit berechnet das Unternehmen, das die Lagerung durchführt, dafür dem Kläger Kosten von jährlich 367,62 EUR.
Mit Bescheid vom 25.03.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Kosten der Lagerung seien nicht aus Mitteln der Heilfürsorge erstattungsfähig.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2010 übernahm zwar die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Kosten für die Kryokonservierung der Samenzellen und für die erstmalige Einlagerung, wies jedoch hinsichtlich der Kosten der ständigen Lagerung den Widerspruch des Klägers zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 12.07.2010 zugestellt.
Der Kläger hat am 10.08.2010 Klage erhoben.
Er trägt vor: Die Beklagte habe die Kosten der Spermiengewinnung, der Spermienaufbereitung und der erstmaligen Einlagerung übernommen. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die Kosten der weiteren Lagerung nicht übernommen würden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe am 07.11.2006 zum Az. 2 C 11.06 entschieden, dass die Kosten für Spermiengewinnung, Spermienaufbereitung und Kryokonservierung beihilfefähig seien. Zwar habe sich das BVerwG nicht mit den Kosten der dauerhaften Lagerung befasst, dies aber nur deshalb nicht, weil es seinerzeit nicht Gegenstand des Klagebegehrens gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.03.2010 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 05.07.2010 aufzuheben, soweit diese die weiteren Kosten der Lagerung der Samenzellen des Klägers aufgrund der erfolgten Kryokonservierung betreffen, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die weiteren Kosten der Lagerung der Samenzellen aufgrund der erfolgten Kryokonservierung, die über die einmalige Einlagerung hinausgehen, zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Nach den Heilfürsorgebestimmungen für den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen sei eine Kostenübernahme nicht möglich. Im Übrigen würden auch die Sozialgerichte bei Kassenpatienten in vergleichbaren Fällen eine Kostenpflicht der Krankenkassen verneinen.
Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 24.01.2011 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Zu der Entscheidungsform Gerichtsbescheid wurden die Beteiligten gehört.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.
Die Voraussetzungen zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid liegen vor, § 84 VwGO. Das Gericht sieht den Sachverhalt als geklärt an und die Sache weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art auf.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme.
Der Kläger hat gem. § 114 NBG zwar Anspruch auf Heilfürsorge nach den Heilfürsorgebestimmungen für den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen - HFB - (RdErl. des MI vom 15.11.1995, Nds. MBl. 1996, 30; zuletzt geändert durch Erlass vom 28.08.1997 (Nds. MBl. S. 1540). Die langfristige Einlagerung von Samenzellen gehört jedoch nicht zum Leistungsumfang der Heilfürsorge nach § 2 Abs. 2 HFB. Insbesondere werden Aufwendungen für die Lagerung nicht von den "sonstigen Hilfen" erfasst.
Zwar zählen zu den sonstigen Hilfen nach § 20 Abs. 3 HFB auch Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung. Die bloße Einlagerung von Samenzellen ist jedoch keine künstliche Befruchtung, sondern hält lediglich eine Voraussetzungen dafür, dass in noch nicht absehbarer Zukunft eine künstliche Befruchtung mit Samen des Klägers durchgeführt werden kann, offen.
Die Lagerung ist auch keine ärztliche Behandlung nach § 3 HFB, keine Maßnahme der Krankenhausbehandlung (§ 5 HFB) oder der Krankenpflege (§ 6 HFB).
Die Maßnahme, für die Kostenersatz begehrt wird, besteht ausschließlich in der Lagerung. Es geht darum, den Samen über lange Zeit funktionsfähig zu bewahren. Ärztliche Handlungen, die eine Behandlung i.S.d. § 3 HFB oder gar eine Krankenhausbehandlung i.S.d.. § 5 HFB darstellen können, kommen nicht vor. Ebenso kann von Pflegemaßnahmen keine Rede sein. Für die Lagerung ist keinerlei ärztliche Begleitung und Überwachung vorgesehen und notwendig. Es fehlt an jeder besonderen Ausgestaltung der Maßnahme zum Zweck der Krankheitsbekämpfung. Bei einer Maßnahme, die durch ihre Dauer geprägt wird, fällt dies besonders ins Gewicht (so auch BSG, Urt. v. 26.06.1990 - 3 RK 19/89 - hinsichtlich der Lagerung von Spermien eines gesetzlich Versicherten, zit. n. [...]). Es handelt sich lediglich um eine Vorsorgemaßnahme zum Zweck einer eventuell späteren Familienplanung.
Die Lagerung ist kein Heilmittel i.S.d.. § 8 HFB. Unter Heilmitteln sind nämlich nur solche Mittel zu verstehen, die von außen auf den Körper einwirken. Die hier streitigen Maßnahmen wirken aber auf den Körper des Klägers überhaupt nicht ein. Die befürchtete Zeugungsunfähigkeit des Klägers wird durch die Maßnahme nicht geheilt.
Ein Hilfsmittel i.S.d.. § 9 HFB stellt die Lagerung ebenfalls nicht dar. Die Lagerung ist eine Dienstleistung. Es fehlt an der Sächlichkeit des Mittels. Die Sächlichkeit ist das begriffsprägende Merkmal für ein Hilfsmittel. Es ist für die Hilfsmitteleigenschaft wesentlich (BSG,a.a.O.).
Die Beklagte hat unter Rückgriff auf die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht die Kosten der Kryokonservierung der Samenzellen und der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen übernommen, weil beihilfeberechtigten Beamten diese Kosten auch erstattet worden wären. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der Kosten für eine dauerhafte Lagerung von Spermien. Die Beihilfevorschriften des Bundes, die nach § 120 NBG n.F., § 87c NBG a.F. in Niedersachsen weiterhin anwendbar sind, enthalten keine entsprechenden Regelungen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zwar zu den rheinland-pfälzischen Beihilfevorschriften entschieden, dass die Aufwendungen für die Gewinnung, Aufbereitung und Tiefkühlung von Spermien zwei Tage vor einer Operation eines Hodenkarzinoms beihilfefähig seien, weil diese Maßnahmen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Krankheitsfall stünden und dem Ausgleich einer körperlichen Beeinträchtigung dienten (Urteil vom 07.11.2006 - 2 C 11/06 -, zit. n. [...]). Das Gericht hat aber ausdrücklich keine Entscheidung zu der Frage der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine dauerhafte Lagerung der Spermien getroffen.
Eine solche langfristige Lagerung steht in keinem direkten Zusammenhang mehr mit der erfolgten Heilbehandlung. Lediglich die Möglichkeit der Familienplanung in noch nicht absehbarer Zukunft soll offen gehalten werden.
Der Kläger hat auch aus anderen Gründen keinen weitergehenden Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Die Vorschriften zur Heilfürsorge sind eine zulässige typisierende und pauschalierende Konkretisierung der Fürsorgepflicht. Eine hundertprozentige Abdeckung aller Gesundheitskosten ist danach weder vorgesehen noch zwingend aus der Fürsorgepflicht geboten. Den Beamten wird vielmehr zugemutet, einen angemessen Teil der Gesundheitskosten entweder durch private Versicherungen abzusichern oder eben selbst zu tragen. Dies gilt auch für den Kläger. Ein Betrag von 367,62 EUR im Jahr, was 30,64 EUR pro Monat entspricht, ist zudem nicht so erheblich, als dass er dem Kläger nicht zugemutet werden könnte.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.