Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 19.03.2004, Az.: 6 A 66/03
Abschiebung; Abschiebungshindernis; Abschiebungsschutz; Ashkali; Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Attest; Behandlungsmöglichkeit; Erkrankung; Gefahr; Gesundheitszustand; Hindernis; konkrete Gefahr; Kosovo; Krankheit; politische Verfolgung; Posttraumatische Belastungsstörung; PTBS; Roma; Serbien-Montenegro; Sinti; staatliche Verfolgung; ärztliche Bescheinigung; ärztliches Attest
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 19.03.2004
- Aktenzeichen
- 6 A 66/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 51086
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 4 AuslG 1990
- § 53 Abs 6 AuslG 1990
- § 51 Abs 1 VwVfG
- § 51 Abs 2 VwVfG
- § 51 Abs 3 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zu den Anforderungen an fachärztliche Bescheinigungen zur Feststellung posttraumatischer Belastungsstörungen.
Tatbestand:
Die Kläger sind nach eigenen Angaben serbisch-montenegrinische Staatsangehörige und stammen aus dem Kosovo. Sie behaupten, der Minderheit der Roma anzugehören, und begehren Abschiebungsschutz.
Die Kläger stellten bereits mehrfach erfolglos Anträge auf Asyl und Abschiebungsschutz. Die Verfahren sind abgeschlossen.
Mit Schreiben ihres früheren Prozessbevollmächtigten vom 2. Januar 2003 beantragten die Kläger erneut beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, das Verfahren wiederaufzugreifen und ihnen Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG zu gewähren. Zur Begründung machten sie geltend, die Kläger zu 1) und 2) litten unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen, die im Kosovo nicht ausreichend behandelbar seien. Dazu bezogen sich die Kläger auf zwei Atteste des Nervenarztes Dr. B., Goslar, vom 15. November 2002, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 4 f. Beiakte A). Außerdem legten die Kläger eine Bescheinigung des Arztes Dr. C., Goslar, vom 20. November 2002 vor, nach der bei dem Kläger zu 1) nach einer Operation weiterhin eine chronische Belüftungsstörung des rechten Ohres besteht und daher regelmäßige HNO-ärztliche Kontrollen durchgeführt werden sollten.
Nach Anforderung einer ergänzenden fachärztlichen Bescheinigung durch das Bundesamt mit Schreiben vom 15. Januar 2003 legten die Kläger ein die Kläger zu 1) und 2) betreffendes Attest Dr. B. s vom 3. Februar 2003 und eine Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. D., Goslar, vom 21. Januar 2003 vor. Wegen des Inhalts der Bescheinigungen wird auf diese verwiesen (Bl. 15 und 16 Beiakte A).
Mit Bescheid vom 18. Februar 2003 lehnte die Beklagte es ab, unter Abänderung ihrer früheren Entscheidungen Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG zu gewähren. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, psychische Beeinträchtigungen könnten im Kosovo grundsätzlich medizinisch behandelt werden. Im Übrigen dränge sich vor dem Hintergrund, dass die Kläger sich seit mehr als zehn Jahren im Bundesgebiet aufhielten und bislang nie Erkrankungen geltend gemacht hätten, der Verdacht auf, dass die nunmehr vorgebrachten Gründe lediglich vorgeschoben seien.
Am 26. Februar 2003 haben die Kläger Klage erhoben. Sie berufen sich auf weitere ärztliche Bescheinigungen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Atteste Dr. B. s vom 26. März 2003 – Bl. 28 Gerichtsakte – , vom 6. Januar 2003 – Bl. 22 Gerichtsakte – und vom 1. Juli 2003 – Bl. 30 Gerichtsakte – ; Attest Dr. D. s vom 9. Mai 2003 – Bl. 24 Gerichtsakte – sowie Attest Dr. P., Goslar, vom 9. November 2003 – Bl. 73 Gerichtsakte –).
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Februar 2003 zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG gegeben sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angegriffenen Bescheid.
Die Kläger zu 1) und 2) sind in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG vorliegen. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Hat das Bundesamt die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG in einem früheren Verfahren abgelehnt, so darf es ein neues Verfahren dazu grundsätzlich nur dann durchführen und die frühere Entscheidung abändern, wenn die Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach dem insoweit unmittelbar anzuwendenden § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG erfüllt sind. Darüber hinaus darf das Bundesamt das Verfahren nach Ermessen – d. h. unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 VwVfG – wiederaufgreifen und feststellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nunmehr gegeben sind. Nach diesen Maßstäben hat das Bundesamt es zu Recht abgelehnt, Abschiebungsschutz zu gewähren.
Die Kläger haben weiterhin keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG. Ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 4 AuslG i. V. m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention setzt die Gefahr menschenrechtswidriger staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Maßnahmen voraus, für die es hier keine Anhaltspunkte gibt (vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, InfAuslR 1996, 254, 255 [BVerwG 17.10.1995 - BVerwG 9 C 56.95]). Nachdem die KFOR-Truppen im Kosovo die Gebietsgewalt übernommen haben, unterliegen Angehörige der Roma und Ashkali dort keiner staatlichen oder staatsähnlichen Verfolgung; Übergriffe durch Privatpersonen können der internationalen Verwaltung, die die alleinige Gebietsgewalt im Kosovo ausübt, nicht zugerechnet werden (im Ergebnis ebenso: Nds. OVG, Urt. vom 12.06.2001 - 8 L 516/97 -; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. vom 04.12.2003 - 3 LB 51/01 -; Thür. OVG, Urt. vom 25.04.2002 - 3 KO 264/01 - ; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 30.10.2001 - 7 A 11967/98.OVG -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 28.12.2001 - 13 A 4338/94 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. vom 19.02.2002 - A 3 S 673/98 -).
Für die Bevölkerungsgruppen der Roma und Ashkali aus dem Kosovo sind auch die Voraussetzungen, unter denen wegen erheblicher allgemeiner Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG von der Abschiebung abgesehen werden kann, gegenwärtig jedenfalls nicht erfüllt (ebenso: Nds. OVG, Beschl. vom 29.08.2001 - 12 LB 2331/01 -, vom 26.07.2001 - 12 LB 1854/01 - und vom 12.06.2001 - 8 L 516/97 -; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. vom 04.12.2003 - 3 LB 51/01 - Thür. OVG, Urt. vom 25.04.2002 - 3 KO 264/01 -; Bay. VGH, Beschl. vom 08.04.2002, AuAS 2002, 116; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 30.10.2001 - 7 A 11967/98.OVG -; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 20.09.2001 - A 14 S 2130/00 -; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 12.07.2001, DVBl. 2001, 1531). Wegen allgemeiner Gefahren für eine Bevölkerungsgruppe kann das Bundesamt grundsätzlich nicht zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG verpflichtet werden. Vielmehr sieht das Gesetz in diesen Fällen vor, dass die obersten Landesbehörden die politische Leitentscheidung zu treffen haben, ob die Abschiebung ausgesetzt werden soll (vgl. § 54 AuslG i.V.m. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG). Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG wegen der allgemeinen Gefahrenlage kommt ausnahmsweise allein dann in Betracht, wenn die Angehörigen der fraglichen Bevölkerungsgruppe nicht anderweitig geschützt sind und wenn sie im Falle der Abschiebung in ihre Heimat auf Grund einer dort bestehenden extremen Gefahrenlage gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würden. Unter diesen Voraussetzungen muss die Abschiebung nach § 53 Abs. 6 AuslG ausgesetzt werden, um den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz sicherzustellen. Dies ist gegenwärtig für Roma aus dem Kosovo jedoch nicht der Fall.
Nach dem Erlass des Nds. Innenministeriums vom 18. Juni 2002 in der Fassung des Erlasses vom 6. Januar 2003 und des Erlasses des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 9. April 2003 haben Roma aus dem Kosovo derzeit nicht mit einer Abschiebung nach Serbien und Montenegro zu rechnen.
Unabhängig davon enthalten die vorliegenden Erkenntnismittel keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Roma im Kosovo einer extremen, den Schutz nach § 53 AuslG erfordernden allgemeinen Gefahrenlage ausgesetzt sind (vgl. Bay. VGH, Beschl. vom 08.04.2002, aaO., S. 118; VG Braunschweig, Urt. vom 10.09.2003 - 6 A 46/03 - ). Der Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker vom Oktober 2003 ("Roma, Aschkali und Ägypter – ohne Zukunft im Kosovo") rechtfertigt im Ergebnis keine andere Beurteilung der allgemeinen Gefahrenlage. Zwar kommt dieser Bericht zu dem Ergebnis, in den vergangenen Monaten habe sich die Situation der Minderheiten verschlimmert, es bestünden erhebliche Probleme bei der medizinischen Versorgung und der Sicherung des Lebensunterhalts, in einigen Gegenden komme es zu Übergriffen auf Angehörige der Minderheiten. Auf dieser Grundlage ergeben sich aber weiterhin keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass jeder Angehörige dieser Bevölkerungsgruppen im Fall der Abschiebung sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde und damit die strengen Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach § 53 AuslG bei allgemeinen Gefahrenlagen Abschiebungsschutz gewährt werden darf. Dahin gehende Erkenntnisse ergeben sich nach den gegenwärtig vorliegenden Presseberichten auch nicht aus den Unruhen, zu denen es am 18. und 19. März 2004 im Kosovo gekommen ist (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 19.03.2004 - 6 A 461/03 -).
Auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG aus individuellen Gründen sind nicht erfüllt. Insbesondere lässt sich den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen, dass den Klägern aus gesundheitlichen Gründen Abschiebungsschutz zu gewähren ist.
Grundsätzlich kann auch die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat wegen einer dort nur unzureichend möglichen Behandlung verschlechtert, einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen. Dies setzt aber voraus, dass die dem Ausländer deswegen drohende Gefahr erheblich ist, sein Gesundheitszustand sich also wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde, weil der Erkrankte auf eine adäquate Behandlung seiner Leiden angewiesen und diese dort nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 ff.). Gegenwärtig ist nicht ersichtlich, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen genügen nicht den Anforderungen, die an Sachverständigenäußerungen zum Nachweis von Abschiebungshindernissen wegen gesundheitlicher – insbesondere psychischer – Beeinträchtigungen zu stellen sind.
Das Gericht hat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht die gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche Überzeugung gewinnen können, dass die eine Posttraumatische Belastungsstörung attestierenden ärztlichen Bescheinigungen tragfähig sind. Liegt ein fachärztliches Attest vor, das dem Ausländer eine Posttraumatische Belastungsstörung bescheinigt, so kann das Gericht zwar regelmäßig mangels hinreichender eigener Sachkunde die Bescheinigung nicht von sich aus als nicht aussagekräftig ansehen (vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 14.09.2000 - 11 M 2486/00 -). Anders ist es aber dann, wenn die Bescheinigung nicht nachvollziehbar ist, weil sie insbesondere keine den anerkannten wissenschaftlichen Anforderungen genügende Begründung enthält, weil sie von anderen, nicht offensichtlich unzureichenden ärztlichen Stellungnahmen abweicht oder weil sie nicht erkennen lässt, dass objektiv bestehende, diagnoserelevante Zweifel berücksichtigt wurden. Dies ist hier der Fall.
Die in den Attesten Dr. B. s vom 15. November 2002, 6. Januar, 26. März und 1. Juli 2003 getroffene Diagnose, die Kläger zu 1) und 2) litten an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, ist unter Berücksichtigung aller Unterlagen gegenwärtig nicht nachvollziehbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass Dr. B. selbst in einem Attest vom 3. Februar 2003 zu einer abweichenden Diagnose gekommen ist. In dieser Bescheinigung ist nur von "rezidivierenden, migräneartigen Kopfschmerzen und depressiven Verstimmungen bei reizbarer Persönlichkeit" die Rede. Eine Begründung für die uneinheitlichen Äußerungen lässt sich den vorliegenden Bescheinigungen nicht entnehmen. Auch Dr. D. hat den Klägern zu 1) und 2) in seinen Attesten vom 21. Januar und 9. Mai 2003 lediglich einen Migräneverdacht bzw. eine Migräne und Unruhezustände bescheinigt.
Die Bescheinigungen, in denen Dr. B. den Klägern zu 1) und 2) eine Posttraumatische Belastungsstörung attestiert, enthalten auch keine konkreten Angaben dazu, auf welchen Trauma auslösenden Ereignissen und auf welcher Tatsachengrundlage im Übrigen diese Diagnose beruht (vgl. zu diesen Erfordernissen z. B. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften: Leitlinien Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik – Posttraumatische Belastungsstörung, www.uni-duesseldorf.de/AWMF ; Projektgruppe "Standards zur Begutachtung psychotraumatisierter Menschen": Standards zur Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen; Treiber, Asylpraxis Band 7, S. 15, 18 f. m.w.N.). Nachvollziehbare Ausführungen dazu wären aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das Attest vom 3. Februar 2003 zu den möglichen Ursachen der psychischen Probleme noch erklärt: "Primär genetisch; Verstärkung durch Umweltfaktoren wie Heimatverlust, lange Verfahrensdauer". Auch die in der mündlichen Verhandlung erfolgten Angaben der Kläger zu den Ursachen ihrer psychischen Probleme deuten nicht konkret auf Traumata hin, die durch Erlebnisse in ihrer Heimat entstanden sind und durch die Rückkehr in einer Leib oder Leben gefährdenden Weise aktualisiert oder verstärkt werden könnten. Psychische Beeinträchtigungen, die ausschließlich durch die Situation des Ausländers im Bundesgebiet verursacht sind, können zielstaatsbezogene, in dem vorliegenden Asylverfahren zu berücksichtigende Abschiebungshindernisse nicht begründen (vgl. VG Braunschweig, Beschl. vom 11.03.2004 - 6 B 175/04 - m.w.N.).
Darüber hinaus setzen sich die eine Posttraumatische Belastungsstörung feststellenden Bescheinigungen nicht kritisch mit der Frage auseinander, ob die der Diagnose zu Grunde gelegten Angaben der Kläger glaubhaft sind. Zu solchen Ausführungen hätte hier Anlass bestanden. Die Kläger zu 1) und 2) halten sich seit 1989 ununterbrochen im Bundesgebiet auf, haben jedoch erstmals in dem vorliegenden Verfahren – mit Schreiben vom 2. Januar 2003 – behauptet, unter psychischen Beeinträchtigungen im Sinne Posttraumatischer Belastungsstörungen zu leiden; nach eigenen Angaben sind sie erst seit 2002 deswegen in Behandlung. Zwar ist nach den fachwissenschaftlichen Erkenntnissen möglich, dass die eine Posttraumatische Belastungsstörung kennzeichnende Symptomatik erst mit einer mehrjährigen Verzögerung nach dem traumatischen Geschehen auftritt (vgl. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, aaO.). In derartigen Fällen setzt eine nachvollziehbare fachärztliche Diagnose jedoch in aller Regel eine kritische, einzelfallbezogene Würdigung der Umstände voraus, weil ein um mehr als sechs Monate nach dem Trauma verzögerter Eintritt der Störungen nach der fachwissenschaftlichen Literatur selten ist (vgl. Lindstedt, Asylpraxis Band 7, S. 97, 122; VG Gera, Beschl. vom 04.10.2002 - 1 E 1055/02 GE -). Darüber hinaus kann nach den Erfahrungen aus einer Vielzahl von Fällen abgelehnter Asylsuchender nicht mit hinreichender Sicherheit ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass psychische Probleme erst deswegen so spät geltend gemacht worden sind, weil sie entweder ohne tatsächliche Grundlage als letztes Mittel zur Abwendung einer drohenden Aufenthaltsbeendigung vorgeschoben werden sollen oder auf Faktoren beruhen, die in der für den Betroffenen ungewissen Situation in Deutschland ihre Ursache haben. Beeinträchtigungen, die ausschließlich auf inlandsbezogenen Faktoren beruhen (wie ein sog. Entwurzelungssyndrom oder eine durch die drohende Abschiebung und Perspektivlosigkeit verursachte Depression), begründen keine im Asylverfahren zu berücksichtigenden zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse, sondern sind lediglich von den Ausländerbehörden als Vollzugshindernisse nach § 55 AuslG zu beachten. Auf solche Beeinträchtigungen könnten auch die Angaben der Kläger zu 1) und 2) hindeuten, die sie in der mündlichen Verhandlung zur Frage nach den Ursachen ihrer psychischen Probleme gemacht haben.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Kläger sich jahrelang ohne ärztliche oder psychologische Hilfe im Bundesgebiet aufgehalten haben, ohne dass nach den vorliegenden Äußerungen und Bescheinigungen erkennbar ist, dass ihr Gesundheitszustand nennenswert beeinträchtigt war. Bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich um eine komplexe psychische Erkrankung, die auf inner-psychischen Ursachen beruht und sich der Feststellung äußerlich-objektiver Befundtatsachen weitgehend entzieht. Damit kommt es für die Diagnose maßgeblich darauf an, ob die geschilderten inneren Erlebnisse glaubhaft sind. Besteht wie hier objektiv Anlass für Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Patienten, so ist eine gleichwohl bescheinigte Posttraumatische Belastungsstörung nur nachvollziehbar und damit überzeugend, wenn sie sich kritisch mit den bestehenden Zweifeln auseinandersetzt (im Ergebnis ebenso VG Oldenburg, Beschl. vom 10.03.2003 - 12 B 722/03 -). Daran fehlt es hier.
Selbst wenn von einer Posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen wäre, ließe sich mit den vorliegenden Attesten ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nicht begründen. Die Bescheinigungen enthalten keine Angaben dazu, wie sich eine unzureichende Behandlung auf den Gesundheitszustand der Kläger auswirken würde. Solche Angaben sind schon deswegen erforderlich, weil die Belastungsstörungen nicht zwangsläufig zu wesentlichen oder gar lebensbedrohenden Beeinträchtigungen der Gesundheit und damit zu einem Gefährdungsgrad führen, wie er für einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen muss (vgl. VG Stuttgart, Urt. vom 20.12.2001 - 5 K 10899/99 -; VG Gera, aaO.). Insbesondere genügt nicht, dass Dr. B. den Klägern zu 1) und 2) in seinem Attest vom 6. Januar 2003 bescheinigt hat, durch den langjährigen Aufenthalt in Deutschland sei "eine Beheimatung erfolgt, deren Abbruch eine erneute schwerwiegende psychische Traumatisierung darstellen würde". Dem lässt sich nicht entnehmen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen eintreten und ob den Klägern somit eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben im Sinne der gesetzlichen Vorschriften droht.
Ergänzende Bescheinigungen haben die Kläger nicht eingereicht, obwohl das Gericht sie bereits mit Schreiben vom 2. September 2003 auf verschiedene Mängel der vorliegenden Atteste hingewiesen, Gelegenheit zur Vorlage zusätzlicher Unterlagen gegeben und darüber hinaus über die Folgen einer unterbleibenden oder nicht rechtzeitigen Vorlage nach § 87 b Abs. 3 VwGO belehrt hat.
Unabhängig davon ist nach den vorliegenden Attesten aber jedenfalls auch nicht ersichtlich, dass die bescheinigten Posttraumatischen Belastungsstörungen im Kosovo nicht adäquat behandelt werden könnten. Derartige Erkrankungen sind im Kosovo grundsätzlich medikamentös behandelbar (Deutsches Verbindungsbüro Pristina, Auskunft vom 07.11.2003 - Asylis-Nr. SER00054135 -; Schlüter-Müller, Auskunft vom 29.07.2003 an das VG Frankfurt/M.). Insbesondere sind das Medikament Perazin und der Wirkstoff Doxepin, der in dem Medikament Doneurin enthalten ist, im Kosovo verfügbar (ICMPD, Auskunft vom 28.01.2003; Deutsches Verbindungsbüro Pristina, Auskunft vom 02.09.2002 an das VG Kassel; www.NetDoktor.de "Doneurin" ). Eine nervenärztliche Betreuung ist möglich (Deutsches Verbindungsbüro Pristina, Auskunft vom 26.01.2004 - Asylis-Nr. SER00054810 -). Zwar sind die Möglichkeiten einer psychotherapeutischen Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen im Kosovo sehr begrenzt (vgl. Deutsches Verbindungsbüro Pristina, Auskünfte vom 26.01.2004 und 07.11.2003, aaO.; Schlüter-Müller, aaO.). Die vorliegenden Atteste lassen aber nicht erkennen, dass eine solche Behandlung erforderlich ist, um eine Leib oder Leben der Kläger erheblich gefährdende Verschlimmerung der Erkrankungen zu verhindern. In der letzten Bescheinigung Dr. B. s vom 1. Juli 2003 ist auch nur noch von einer medikamentösen Therapie die Rede. Dementsprechend haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet, dass gegenwärtig eine Psychotherapie stattfindet.
Das Gericht sieht unter Ausübung des ihm insoweit eingeräumten Ermessens (§ 98 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 412 Abs. 1, § 404 Abs. 1 ZPO und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) davon ab, ein ergänzendes ärztliches Gutachten zum Gesundheitszustand der Kläger zu 1) und 2) einzuholen. Die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung drängt sich unter Berücksichtigung der gegenwärtig nicht ausreichenden Anknüpfungstatsachen und des gegenüber den Klägern erfolgten Hinweises auf die unzureichenden ärztlichen Bescheinigungen nicht auf.
Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial sind die den Klägern zu 1) und 2) darüber hinaus bescheinigten Erkrankungen – Depressionen und eine Adipositas – im Kosovo ebenfalls behandelbar (Deutsches Verbindungsbüro Pristina, Auskünfte vom 30.06.2003 an das VG Freiburg und vom 05.11.2003 an das VG Aachen). Unabhängig davon würde eine im Zielstaat der Abschiebung nicht adäquat behandelbare Depression nicht zwangsläufig einen Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz durch das Bundesamt begründen (vgl. dazu VG Braunschweig, Beschl. vom 11.03.2004 - 6 B 175/04 - m.w.N.). HNO-ärztliche Kontrollen sind im Kosovo grundsätzlich möglich (Deutsches Verbindungsbüro Pristina, Auskunft vom 01.07.2003 - Asylis-Nr. SER00053042 -). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass für den Kläger zu 1) eine konkrete erhebliche Gefahr für Leib oder Leben entstünde, wenn die Kontrollen nicht oder nur unregelmäßig durchgeführt werden könnten. In der Bescheinigung Dr. P. vom 9. November 2003 wird ausdrücklich festgestellt, dass die attestierten Verletzungen der Klägerin zu 2) weitere ärztliche Maßnahmen nicht erfordern.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO und des § 83b Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 711, 708 Nr. 11 ZPO.