Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 12.03.2004, Az.: 2 A 205/03

Beseitigungsanspruch; Lärm; Missbrauch; Spielplatz; Unterlassungsanspruch; Zurechnung; Zweckfremde Nutzung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
12.03.2004
Aktenzeichen
2 A 205/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50436
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, eine zweckfremde Nutzung des Spielplatzes E. (Flurstück F. Flur G., Gemarkung H.) durch Jugendliche und Erwachsene zu verhindern.

Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen Lärmimmissionen, die durch die zweckfremde Nutzung eines benachbarten öffentlichen Spielplatzes hervorgerufen werden.

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Sie ist Eigentümerin des Grundstücks I. in H. (Flurstück J.). Für dieses Grundstück setzt der Bebauungsplan K. für L. vom 23.04.1975 ein Reines Wohngebiet fest. In einer Entfernung von ca. 45 m von der Grundstücksgrenze liegt das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück mit den Flurstücksbezeichnungen M.. Auf einer Teilfläche des insgesamt 4.150 m² großen Grundstücks setzt der Bebauungsplan einen Spielplatz fest. Der Spielplatz liegt östlich der Wohnbebauung E.. Für den dazwischen liegenden Bereich enthält der Bebauungsplan das Planzeichen Parkanlage sowie in nordöstlicher Richtung eine Fläche, die dem Landschaftsschutz unterliegt. Das Grundstück der Klägerin grenzt an das Landschaftsschutzgebiet. Es ist mit einem Wohnhaus bebaut, dessen Ruhebereich (Terrasse und Garten) zum Landschaftsschutzgebiet hin liegt.

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Anfang der 80er Jahre wurde auf dem Grundstück ein öffentlicher Spielplatz errichtet. Der mit Sand ausgestattete Spielbereich umfasst 675 m². In östlicher Richtung grenzt daran eine Spielwiese, die ca. 900 m² groß ist. Der Spielplatz enthält eine Ausstattung mit Spielgeräten, die für kleinere Kinder vorgesehen sind. Dort befinden sich ein Spielhaus, drei Federwippen, eine Holzkletterkombination mit Rutsche und eine Schaukel. Am Rande stehen zwei Bänke für Aufsichtspersonen. Auf der Spielwiese standen zunächst zwei Fußballtore, die im Jahre 2002 entfernt wurden. Anlass hierfür war ein schalltechnisches Gutachten der Ingenieure B./M./H. vom 26.06.2001, das im Zuge der Aufstellung des BebauungsplansN. eingeholt wurde. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass zur Einhaltung des Immissionsrichtwertes für ein Reines Wohngebiet ein Mindestabstand einer als Bolzplatz genutzten Wiese von 75 m zur nördlichen Grenze des Plangebietes erforderlich sei (für ein Allgemeines Wohngebiet: 30 m).

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Der Spielplatz ist für Kinder unter 12 Jahren bestimmt, worauf ein dort aufgestelltes Schild hinweist. Die Nutzung ist auf die Zeiten zwischen 8.00 und 13.00 Uhr und 15.00 und 20.00 Uhr beschränkt.

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Im Spätsommer 2001 wandte sich die Klägerin erstmalig mit dem Hinweis auf eine missbräuchliche Nutzung des Spielplatzes an die Beklagte. Sie trug vor, die Spielwiese werde nicht nur von Kindern bis 12 Jahren, sondern auch von Jugendlichen und Erwachsenen zu einem lärmintensiven Fußball spielen benutzt. Auch im Übrigen werde der Spielplatz insbesondere von Jugendlichen für Treffen benutzt, bei denen es häufig auch zu Trinkgelagen komme. Dadurch werde ein auf ihrem Grundstück deutlich wahrnehmbarer Lärm verursacht. Sie werde nicht nur während der offiziellen Nutzungszeiten, sondern insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden erheblich belästigt. In einem Schreiben vom 13.08.2002 trug sie vor, sie habe drei Sommer lang gewartet, dass eine Beruhigung der Verhältnisse eintrete. Der Lärm nehme jedoch immer mehr zu. Sie habe diverse Gespräche mit den Jugendlichen und den anwesenden Erwachsenen geführt und um etwas Rücksichtnahme gebeten. Ihre Bemühungen seien jedoch erfolglos geblieben. Die Nachbarn des O. nähmen stets Rücksicht aufeinander, während die ortsfremden Jugendlichen, die den Spielplatz nutzten, für das Ruhebedürfnis der Anwohner kein Verständnis hätten. Sie habe oft die Polizei gebeten, einzugreifen. Diese habe sich jedoch sehr ablehnend verhalten. Immerhin sei vonseiten der Beklagten eine Bank an der Grenze zu den Grundstücken P. entfernt worden. Dort hätten zuvor vor allem in den Abendstunden Jugendliche lautstark gefeiert. Die Klägerin überreichte eine Fotodokumentation zu den Folgen der missbräuchlichen Nutzung des Spielplatzes. Die Aufnahmen zeigen die Verschmutzung des Spielplatzes durch zahlreiche Flaschen von alkoholhaltigen Getränken, die Beschädigung von Spielgeräten, in Brand gesetzte Mülleimer sowie das Befahren des Spielplatzes mit einem Pkw. Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 2002 und 2003. In einem weiteren Schreiben vom 09.09.2002 wies die Klägern darauf hin, dass sie aufgrund ihrer Intervention bereits eine Sachbeschädigung (Wurf einer gefüllten Getränkedose an ihre Garagenwand im Oktober 2001), eine Bedrohung (Wurf einer Scheibe Kotelett in ihren Garten, sie sei Hundebesitzerin) und verschiedene Beleidigungen (bspw. am 22.06.2002) habe hinnehmen müssen. Am 31.08.2002 sei von Jugendlichen abgemähtes Gras an der Q. angezündet worden. Die Klägerin übergab weiterhin eine Aufstellung der störenden Vorkommnisse für die Monate Mai bis August 2002 (vgl. Bl. 66 - 68 BA „A“).

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Die Beklagte nahm sich der Problematik an. Das Umweltamt antwortete der Klägerin am 04.09.2002, dass die durch eine normale Nutzung des Spielplatzes entstehenden Geräusche hinzunehmen seien. Das Garten- und Friedhofsamt müsse als Betreiberin des Spielplatzes jedoch dafür Sorge tragen, dass spielplatzfremde Handlungen soweit als möglich vermieden werden. Auch das Garten- und Friedhofsamt der Beklagten befasste sich mit der Angelegenheit. Es antwortete dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin u. a. mit Schreiben vom 15.01.2003. Darin wies die Beklagte u. a. darauf hin, dass ein Lärmschutzwall, der hinreichend Schutz biete, aufgrund der erforderlichen Ausdehnung nicht praktikabel sei. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens verwies die Beklagte darauf, die Verordnung der Beklagten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit vom 11.08.2000 (Amtsbl. der Beklagten 2000, S. 89) solle einen Missbrauch auch von Spielplätzen verhindern. Die Einhaltung der Verordnung werde durch die so genannte Stadtstreife von Polizei und Verwaltung kontrolliert. Eine Auswertung der Spielplatzprüfprotokolle habe für das letzte Jahr keine Auffälligkeiten des Spielplatzes E. gegenüber anderen Spielplätzen gezeigt (vgl. Bl. 134 ff. BA „A“ zu Kontrollen und Reparaturen einzelner Spielgeräte). Die Beklagte wandte sich auch an das Polizeikommissariat R., das unter dem 31.01.2003 auf neun Einsätze aufgrund von Anrufen der Klägerin in der Zeit vom 13.10.2001 bis zum 05.10.2002 hinwies (Bl. 113 BA „A“). Schließlich wies die Beklagte auf eine Unterschriftenliste von Anwohnern des S. die sich darin „für den Erhalt des Spielplatzes“ einsetzten (v. Mai 2003, Bl. 162 BA „A“).

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Am 15.05.2003 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, nach Klageerhebung habe der Missbrauch des Spielplatzes durch Jugendliche und Erwachsene angehalten. Auch im Sommer und Herbst 2003 sei es zu zahlreichen Treffen gekommen, bei denen es sehr lautstark zugegangen sei. Es sei wiederum häufig Alkohol getrunken worden. Der Spielplatz sei verschmutzt gewesen. Die Klägerin hat eine Aufstellung über die Vorkommnisse im Jahre 2003 vorgelegt. Sie weist darauf hin, dass die Stadtstreife nur zweimal wöchentlich in H. gewesen sei. Die Stadtstreife wie auch die Kontrollen des Garten- und Friedhofsamtes seien nicht erfolgreich gewesen. Sie habe es nach Klageerhebung aufgegeben, immer wieder bei der Polizei anzurufen, da eine Bereitschaft zum sofortigen Einsatz nicht erkennbar gewesen sei. Die zweckfremde Nutzung des Spielplatzes sei der Beklagten zuzurechnen, weil der Spielplatz aufgrund seiner Lage am Ortsrand zum Missbrauch einlade.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die zweckfremde Nutzung des Spielplatzes in T., Flur U. Flurstück F. zu verhindern,

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h i l f s w e i s e ,

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die Beklagte zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die von dem vorstehend näher bezeichneten Grundstück ausgehenden Lärmbelästigungen wirksam zu reduzieren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist auf häufige Besuche des Spielplatzes durch Mitarbeiter der Beklagten im Rahmen der Reinigung und der Sicherheitsüberprüfung der Spielgeräte. Außerdem führe ein Meister des Grünflächenamtes regelmäßige Kontrollen durch. In der Regel einmal wöchentlich finde auch eine Pflege der Grünanlagen statt. Mitarbeiter der Beklagten stünden allerdings nur bis maximal 16.00 Uhr, also im Rahmen der üblichen Dienstzeit, zur Verfügung. Nachdem mit der Entfernung der Bank und der Fußballtore kein durchschlagender Erfolg erzielt worden sei, sei mit dem Abteilungsleiter für die Stadtstreife gesprochen worden. Es sei dafür gesorgt worden, dass die Stadtstreife einmal wöchentlich den Spielplatz kontrolliere. Ein Anreiz für eine missbräuchliche Nutzung werde nicht gegeben. Es handele sich um einen Spielplatz wie viele andere im Stadtgebiet.

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Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 03.12.2003 Bezug genommen. Das Gericht hat ferner einen Bericht des Polizeikommissariats H. über polizeiliche Einsätze im Zusammenhang mit dem Spielplatz V. in der Zeit von April 2001 bis Februar 2004 eingeholt (Bl. 47f. GA).

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

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Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte eine zweckfremde Nutzung des Spielplatzes E. (Flurstück W., Flur G., Gemarkung X. durch Jugendliche und Erwachsene verhindert.

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Grundlage für einen Anspruch auf Abwehr von Immissionen aus einer hoheitlich betriebenen Einrichtung ist ein öffentlich rechtlicher Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, der sich aus einer analogen Anwendung der dem Schutz des Eigentums und der Gesundheit dienenden §§ 1004, 906 BGB ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.11.1973 - IV C 36.72 -, NJW 1974, 817, VG Braunschweig, Urt. v. 16.05.2001 - 2 A 169/01 -). Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit hoheitlich verursachter Immissionen ist - vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelungen mit Blick auf vorrangige öffentliche Interessen - § 3 Abs. 1 BImSchG i. V. m. der drittschützenden Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG (BVerwG, Urt. v. 29.04.1988 - 7 C 33.87 -, BVerwGE 79, 254). Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen verhindert oder auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Bei der konkreten Prüfung der Zumutbarkeit sind ferner wertende Elemente wie solche der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und einer allgemeinen Akzeptanz zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. v. 29.04.1988, a.a.O.).

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Die mit der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Spielplatzes einhergehenden Geräuscheinwirkungen sind bei einem hinsichtlich des Standortes und der Ausstattung üblichen Spielplatz wie dem vorliegenden hinzunehmen. Denn die mit der Nutzung eines solchen Spielplatzes typischerweise verbundenen Geräusche sind als Folge der natürlichen Lebensäußerung von Kindern keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne der oben genannten Vorschriften, sondern ortsüblich und sozialadäquat und auch in einem Reinen Wohngebiet hinzunehmen (BVerwG, Urt. v. 12.12.1991 - 4 C 5.88 -, NJW 1992, 1779, st. Rspr.). Gegen die bestimmungsgemäße Nutzung wendet sich die Klägerin indessen nicht. Sie begehrt lediglich, die bestimmungswidrige, also zweckfremde Nutzung zu unterbinden. Damit hat sie Erfolg.

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Vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen i. S. des § 3 Abs. 1, die zu erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, liegen dann vor, wenn die Immissionen aus einer nicht bestimmungsgemäßen Nutzung von Spielplätzen die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten. Ein Störungsabwehranspruch gegen den Betreiber der Einrichtung setzt voraus, dass ihm die missbräuchliche Nutzung zugerechnet werden kann. Das ist der Fall, wenn die Einrichtung nach den örtlichen Gegebenheiten einen Anreiz zum Missbrauch gibt. Die Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung muss mit anderen Worten aufgrund der besonderen örtlichen Situation nahe liegend und von vornherein größer sein, als die stets vorhandene, allgemeine Gefahr einer nicht bestimmungsgemäßen Nutzung solcher Einrichtungen (BVerwG, Besch. v. 29.05.1989 - 4 B 26.89 -, Juris; VGH Baden-Württemb., Urt. v. 27.04.1990 - 8 S 1820/89 -, BRS 50 Nr. 194; BayVGH, Urt. v. 30.11.1987 - 26 B 82 A.2088 -, NVwZ 1989, 269, VG Braunschweig, Urt. v. 16.05.2001 - 2 A 169/01 -).

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Die Geräuscheinwirkungen aufgrund der missbräuchlichen Nutzung des Spielplatzes V. sind der Beklagten zuzurechnen. Denn zum einen bietet die Lage des Spielplatzes am Ortsrand einen besonderen Anreiz zur zweckfremden Nutzung. Der Spielplatz liegt auch nach Ausweisung des Baugebiets Y. am Ortsrand von H.. Die südwestlich beginnende Grünanlage setzt sich hinter dem Spielplatz in südöstlicher Richtung mit einem Spazierweg an der Q. fort. Der Spielplatz ist zum anderen aufgrund der Bepflanzung weitgehend uneinsehbar. Jedenfalls im Sommer ist er auch von den Grundstücken E. aus kaum einsehbar (vgl. die Fotos Bl. 184 - 186 BA „A“ sowie die Fotodokumentation der Klägerin in den Verwaltungsvorgängen). Dadurch wird für Jugendliche und junge Erwachsene ein Anreiz geschaffen, sich auf den Spielplatz zurückzuziehen und dort nicht der unmittelbaren Kontrolle ihrer Eltern und anderer Erwachsener zu unterliegen. Dort ist auch die soziale Kontrolle geringer als auf einem von Wohnbebauung umgebenden Spielplatz oder an anderen Treffpunkten wie Bushaltestellen (vgl. Zeitungsartikel Bl. 25 BA „A“). Hier besteht eher die Möglichkeit, ungestört Alkohol zu trinken oder Radiogeräte etc. in Betrieb zu nehmen. Die Ortsbesichtigung hat zudem bestätigt, dass der Spielplatz mühelos mit einem Pkw erreicht werden kann. Weiterhin bietet die ca. 900 m² große Spielwiese einen Anreiz zu einem planungsrechtlich dort nicht erlaubten Fußballspiel, das mitunter sehr lautstark vonstatten geht. Daran hat das Entfernen der Tore nichts geändert (vgl. zu einem ähnlichen Fall mit einer großen Freifläche, VG Braunschweig, Urt. v. 16.05.2001 - 2 A 169/01 -).

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Der Missbrauch des Spielplatzes überschreitet quantitativ und qualitativ die Schwelle des für die Klägerin Zumutbaren. So hat die Klägerin nicht nur für das Jahr 2002 zahlreiche Vorkommnisse, insbesondere in den Abendstunden nach 20.00 Uhr, dokumentiert (Bl. 66 - 68 BA „A“). Sie hat auch eine detaillierte Aufstellung der missbräuchlichen Nutzung für das Jahr 2003 vorgelegt (Bl. 77 - 81 GA). Auch für das vergangene Jahr wird darin festgestellt, dass Jugendliche sich häufig tagsüber und abends auf dem Spielplatz aufhalten. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erläutert, dass mit dem Eintrag „Jugendliche auf Spielplatz“ immer auf eine sie in der Nutzung ihrer Terrasse oder auch der Wohnräume bei geöffnetem Fenster störende Lärmeinwirkung verbunden war. Sie hat ferner angegeben, soweit sie in die Liste „Party“ eingetragen habe, sei auch Alkohol konsumiert worden. Das ist nach der Aufstellung allein im Mai 2003 siebenmal der Fall gewesen. Erfahrungsgemäß geht es unter Alkoholeinfluss deutlich lauter zu. Die für den 01.06.2003 auf 0.30 Uhr datierte Party ist nach den Angaben der Klägerin sogar mit dem Befahren des Spielplatzes durch zwei Pkw verbunden gewesen. Zahlreiche weitere Partys, Besuche von Jugendlichen mit Radios (etwa am 23., 24., 26. und 02.07.2003) sowie das wiederholte Befahren des Geländes mit Mofas sind für die Monate Mai bis August festgehalten. Am 22.08.2003 wurde zwischen 18.30 Uhr und 23.00 Uhr beispielsweise gegrillt. Erst ab September 2003 ließen die Aktivitäten nach. Am 21.02.2004 hat allerdings wiederum ein lärm- und müllverursachendes Treffen Jugendlicher stattgefunden (vgl. Fotos Bl. 95 GA).

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Die Klägerin hat in den beiden Gerichtsterminen den Eindruck vermittelt, dass sie die Ereignisse wahrheitsgemäß aufgezeichnet hat und in der mündlichen und schriftlichen Schilderung der störenden Treffen nicht übertrieben hat. Sie hat ausdrücklich betont, sich nicht gegen den Spielplatz als solchen zu wenden und auch nichts gegen das Fußball spielen auf der Spielwiese zu haben, sofern dies nicht mit einer übermäßigen Geräuschentwicklung verbunden sei. Häufig komme es nach dem Fußballspiel allerdings zu Zusammenkünften mit Radiogeräten und anderen lautstarken Aktivitäten. Wie störend allein das Fußballspiel („Bolzen“) sein kann, belegt im Übrigen das schalltechnische Gutachten vom 26.06.2001. Der Abstand des klägerischen Grundstücks ist geringer als der dort angenommene unbedenkliche Abstand zum „Bolzplatz“ von 75 m.

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Der Qualifizierung der Vorfälle als nachbarstörend und unzumutbar steht nicht entgegen, dass das Polizeikommissariat Z. zwischen April 2001 und Februar 2004 nur sieben Einsätze wegen einer Ruhestörung verzeichnet hat. Denn zum einen ist nicht sicher, dass auch jeder Einsatz protokolliert worden ist. Zum anderen hat die Klägerin angegeben, nicht immer die Polizei informiert zu haben und nach Klageerhebung weitgehend vollständig auf Anrufe bei der Polizei verzichtet zu haben. Ferner hat nur die Klägerin die Initiative gegen die Ruhestörung ergriffen. Sie war es, die immer wieder bei der Polizei angerufen hat, weshalb die Gefahr bestand, dass auf Beschwerden nicht oder nur zögerlich reagiert worden ist (vgl. ähnlich Nds. OVG, Urt. v. 30.10.1984 - 1 A 34/83 -, BRS 42 Nr. 188).

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Die Beklagte ist danach verpflichtet, im Interesse einer zumutbaren Nutzung des Grundstücks der Klägerin und der übrigen anliegenden Grundstücke E. und im Neubaugebiet Y. den Missbrauch des Spielplatzes durch Jugendliche und Erwachsene zu verhindern. Es geht nicht in erster Linie darum, dass Fußball spielen auf der Spielwiese außerhalb des Sandbereichs durch gartenbautechnische Maßnahmen zu unterbinden. Das kann geboten sein, wenn das Fußball spielen häufiger sehr laut oder mit der Benutzung von Radio- und Kassettengeräten einhergehen sollte. Die Beklagte muss nach dem Urteilsausspruch allerdings auf jeden Fall hinsichtlich der übrigen Vorfälle (s. o.) tätig werden. Sie darf sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, nach 16.00 Uhr stünden keine Mitarbeiter für Kontrollen zur Verfügung, weshalb nach Ende der üblichen Dienstzeit allein die Polizei zuständig sei. Sofern die Polizei den Missbrauch wirksam verhindert, mag dies ausreichen. Im Übrigen muss durch häufigere Kontrollen oder einen sofortigen Einsatz eines Mitarbeiters oder einer anderen Person oder Einrichtung (Sozialarbeiter o. Ä.) die zweckfremde Nutzung verhindert werden. Da womöglich immer wieder dieselben, nach Angaben der Klägerin auch ortsfremden Jugendlichen den Spielplatz aufsuchen, ist womöglich auch deren unmittelbare Ansprache bzw. der Kontakt zu den Eltern ausreichend. Die Möglichkeit zur Abschreckung Sanktionen zu verhängen ergibt sich aus der Gefahrenabwehrverordnung vom 11.08.2000, wonach das Zerschlagen zerbrechlicher Materialien und das Mitbringen ähnlicher scharfkantiger Gegenstände auf Spielplätzen als Ordnungswidrigkeit i. S. des § 59 NGefAG sanktioniert ist (§ 7c). Wenn die Lärmeinwirkungen nicht zurückgehen, kann das Urteil durch Ersatzvornahme seitens der Klägerin, etwa durch Beauftragung eines privaten Wachdienstes auf Kosten der Beklagten vollstreckt werden. Ob eine verhältnismäßige Reaktion in einer Schließung des Spielplatzes besteht, vermag das Gericht aufgrund der unterschiedlichen Angaben von Klägerin und Beklagter über die ordnungsgemäße Benutzung der Spielgeräte nicht zu beurteilen. Die dann verbleibende Grünanlage würde im Übrigen womöglich in ähnlicher Weise zum Feiern missbraucht. Ohne großen Aufwand kann jedenfalls verhindert werden, dass Mofas und vor allem Pkw zum Spielplatz fahren können.

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Über den Hilfsantrag war nach alledem nicht mehr zu entscheiden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Klägerin macht zwar einen öffentlich-rechtlichen Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch geltend. Wie bei einer baurechtlichen Nachbarklage geht es aber auch im vorliegenden Verfahren allein um die ungestörte Grundstücksnutzung, so dass der wirtschaftliche Wert einer Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses zum Maßstab zu nehmen ist. Nach dem Streitwertkatalog (NdsVBl. 2002, 192) kommt ein Wert zwischen 4.000 und 30.000 EUR in Betracht. Das Gericht setzt angesichts des klägerischen Vorbringens einen eher geringen Streitwert fest.