Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.03.2019, Az.: 5 A 125/18

Fortsetzungsfeststellungsklage; Freizeitlärm-Richtlinie; Lärmschutzauflagen; maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt; TA Lärm; Volksfest; Wiederholungsgefahr

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.03.2019
Aktenzeichen
5 A 125/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69490
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides der Beklagten, mit welchem der Beigeladenen die Durchführung des „Oktoberfestes“ 2018 in A-Stadt genehmigt worden ist.

Der Kläger bewohnt mit seiner Familie ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück zu der Anschrift A-Straße in A-Stadt. Das Grundstück befindet sich in etwa 250m Luftlinie Entfernung von dem Gelände des H. Warenhauses A-Stadt.

Unter dem 25. Oktober 2017 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Genehmigung für den Zeitraum vom 21. September 2018 bis zum 3. Oktober 2018 für ein von ihr geplantes Oktoberfest 2018 auf der Veranstaltungsfläche des Parkplatzes des H. Warenhauses A-Stadt. Ebenso beantragte die Beigeladene die Genehmigung für das Kinderfest für den genannten Zeitraum sowie die Genehmigung zum Ausschank von Alkohol und den Verkauf von Speisen aller Art. In dem Antrag wurde weiter ausgeführt, es werde in diesem Jahr eine andere Position des Zeltes in Betracht gezogen als im Vorjahr; ebenso werde dazu mit dem Amt für Immissionsschutz im Wege der Veranstaltung Kontakt aufgenommen werden. Es würden im Zelt noch weitere Maßnahmen gegen das Austreten des Lärms in Form von Schallschutz ausgeführt werden.

Den mit Schreiben der Beklagten vom 10. Januar und 24. Januar 2018 von der Beigeladenen angeforderten Lageplan für den leicht veränderten Standort des Festzeltes übersandte die Beigeladene der Beklagten mit E-Mail vom 30. Januar 2018. Die Beklagte holte daraufhin unter dem 1. Februar 2018 vom Landkreis I. als Unterer Immissionsschutzbehörde eine immissionsschutzrechtliche Stellungnahme ein, welche dieser unter dem 9. März 2018 abgab. In der Stellungnahme führte der Landkreis I. im Einzelnen aus, unter welchen Voraussetzungen aus Sicht des Immissionsschutzes der beantragten Maßnahme zugestimmt werden könne.

Mit an die Beigeladene gerichtetem Bescheid vom 19. März 2018 traf die Beklagte gemäß dem Antrag vom 25. Oktober 2017 und der immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme des Landkreises I. vom 9. März 2018 für die Veranstaltung „Oktoberfest 2018 J.“ folgende Festsetzung im Rahmen einer „Öffentlichen Musikgenehmigung im G.“:

Ort und Musikendzeit der Veranstaltung: G. / J.

Freitag, den 21.09.2018 von 13.00 Uhr

bis Ablauf 24.00 Uhr

Samstag, den 22.09.2018 von 13.00 Uhr

bis Ablauf 24.00 Uhr

Sonntag, den 23.09.2018 von 11.00 Uhr

bis 20.00 Uhr

Donnerstag, den 27.09.2018 von 17.00 Uhr

bis 23.00 Uhr

Freitag, den 28.09.2018 von 13.00 Uhr

bis Ablauf 24.00 Uhr

Samstag, den 29.09.2018 von 13.00 Uhr

bis Ablauf 24.00 Uhr

Sonntag, den 30.09.2018 von 11.00 Uhr

bis 20.00 Uhr.“    

Unter „Auflagen und Bedingungen“ wurden ferner unter anderem die von dem Landkreis I. mit Stellungnahme vom 9. März 2018 aufgestellten Voraussetzungen für die Zustimmung zu der Maßnahme wortidentisch aufgenommen. Es heißt darin unter anderem:

1. Die vom Genehmigungsbescheid erfasste Anlage ist unter Berücksichtigung des Standes der Technik zur Lärmminderung zu errichten und zu betreiben.

Mit E-Mail und Skizze vom 22.01.2018 teilten Sie mit, dass Sie hinsichtlich Lärmminderungsmaßnahmen 2 Container (Länge jeweils 6 m) und 2 Toilettencontainer (Länge jeweils 6 m) als Schallschutzmaßnahme in Richtung der angrenzenden Wohnbebauung zum Gartenweg aufbauen werden.

2. Die Musikdarbietungen müssen an den oben aufgeführten Tagen zu den genannten Uhrzeiten beendet werden.

3. Folgende Imissionsrichtwerte dürfen bei der angrenzenden Wohnbebauung nicht überschritten werden:

tagsüber (06.00 – 22.00 Uhr):

70 dB(A)

nachts

55 dB(A)

4. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen den Immissionsrichtwert nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.

5. Messpunkt ist jeweils 0,5 m außen vor der Mitte des geöffneten, vom Lärm am stärksten betroffenen Fensters eines schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109 bei der angrenzenden Wohnbebauung.

6. Es ist sicherzustellen, dass in schutzbedürftigen Räumen bei der angrenzenden Wohnbebauung die Differenz Lceq-Leq weniger als 20 dB beträgt. Damit wird sichergestellt, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch tief frequentierte Geräusche hervorgerufen werden.

7. Die Einhaltung der festgesetzten Immissionswerte ist durch Messung nachweisen zu lassen. Dies ist in Abstimmung mit dem Landkreis I., Untere Immissionsschutzbehörde, durchzuführen.

8. Ein vom Veranstalter bestimmter Verantwortlicher muss während der genannten Zeiten ständig telefonisch erreichbar sein.

[…]

9. Hinsichtlich der Musikveranstaltung an den oben genannten Tagen muss also ab 22.00 Uhr die Musiklautstärke soweit heruntergeregelt werden, dass auf die Belange der Nachbarschaft hinsichtlich des Beginns der Nachtzeit ausreichend Rücksicht genommen wird.

Alle elektrischen Anlagen müssen den VDE- Vorschriften und den technischen Anschlussbestimmungen entsprechen.

Die vorstehenden Genehmigungen dürfen insgesamt nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen, Gefahren, erheblichen Nachteilen oder Belästigungen für die Allgemeinheit führen.“

Es wurde weiter ausgeführt, weitergehende Öffnungszeiten und weitere Veranstaltungstage hätten aufgrund der Abwägung zwischen den Anwohnerinteressen und dem Interesse zur Durchführung dieser Veranstaltung nicht genehmigt werden können. Die beantragten Musikendzeiten hätten aus Gründen des Anwohnerlärmschutzes der in unmittelbarer Nähe befindlichen Wohnbebauung nicht vollständig genehmigt werden können. Nach 7.2 TA Lärm könnten die Immissionsschutzwerte nach 6.3 für seltene Ereignisse herangezogen werden. Gemäß § 8 Abs. 1 der Verordnung der Beklagten zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 16. Dezember 2004 werde eine Ausnahme von der Bestimmung des § 6 Abs. 3 der Verordnung im vorliegenden Einzelfall zugelassen.

Der Kläger hat am 19. April 2018 Klage gegen diesen Bescheid erhoben.

Unter dem 18. Mai 2018 hat die Beklagte die sofortige Vollziehung der Ausnahmegenehmigung vom 19. März 2018 angeordnet; den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes des Klägers vom 22. August 2018 hat die Kammer mit Beschluss vom 12. September 2018 (Az. 5 B 38/18) abgelehnt mit der Maßgabe, dass: 1. a) die Musikanlage zur Einhaltung der mit dem Bescheid der Beklagten vom 19. März 2018 vorgegebenen Immissionsrichtwerte vor Beginn der Veranstaltung/ Darbietungen entsprechend dem Stand der Technik einzupegeln ist, b) ein schalltechnischer Messbericht nach Ziff. A.3.5 der Anlage zur 6. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz - TA Lärm - über die während der Veranstaltung nach Ziff. 7 der Auflagen zu dem Bescheid vom 19. März 2018 durchzuführenden Messungen zu erstellen ist und der Beklagten in zwei Ausfertigungen, davon eine zur Weiterleitung an den Kläger, unverzüglich nach Beendigung des Oktoberfestes 2018 zu übergeben ist, c) die jeweilige Darbietung, sollten die Immissionsrichtwerte selbst unter Ausnutzung der technischen Möglichkeiten (auch unter Berücksichtigung der Geräuschspitzen gemäß Ziff. 6.3 Satz 2 der TA-Lärm) nicht eingehalten werden können, zu beenden ist.

Mit Beschluss vom 20. September 2018 (Az. 11 ME 518/18) hat das Nds. Oberverwaltungsgericht auf die Beschwerde des Klägers Ziffer 1 b) des Beschlusses der Kammer vom 12. September 2018 dahingehend ergänzt, dass dem Kläger zusätzlich zu dem Endbericht bereits am Montag, den 24. September 2018, eine Ausfertigung des Kurzprotokolls - welches der von der Beigeladenen beauftragte Sachverständige zu diesem Zeitpunkt erstellen und in dem eine Auswertung der Schallmessungen des ersten Wochenendes enthalten sein wird - zu übergeben ist. Im Übrigen hat das Nds. Oberverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss der Kammer vom 12. September 2018 zurückgewiesen. Das Oktoberfest ist in der Folge in dem genehmigten Zeitraum durchgeführt worden.

Der Kläger macht zur Begründung seiner Klage im Wesentlichen geltend, er lebe seit etwa fünf Jahren mit seiner Ehefrau und zwei kleinen Kindern im A-Straße in A-Stadt. Es handele sich um ein reines Wohngebiet. Sein Grundstück grenze an den G., wo die streitgegenständliche Veranstaltung stattfinde bzw. stattgefunden habe. Seit ca. zwei Jahren hätten sich die Lärmimmissionen durch diverse Freizeitveranstaltungen, welche die Beklagte - meist gewerblichen Veranstaltern - in unmittelbarer Nähe zu seinem Grundstück genehmige, in einer Art entwickelt, die für ihn unerträglich und nicht mehr hinnehmbar sei. Sämtliche Veranstaltungen seien mit großen Bühnen und entsprechendem Musik- Equipment ausgestattet und hätten bundes- bzw. landesimmissionsschutzrechtliche Relevanz. Am 23. September 2017 habe zum Beispiel ein Mitarbeiter der Beklagten mehrere Lärmmessungen innerhalb und außerhalb seines Hauses anlässlich des Oktoberfestes 2017 durchgeführt; die zulässigen Werte seien demnach in erheblichem Maße nicht eingehalten worden.

Nach § 3 BImSchG sei eine Überschreitung im Einzelfall gegebenenfalls hinzunehmen, wovon bei mehrfach stattfindenden Veranstaltungen aber nicht mehr auszugehen sei. Die Nds. Freizeitlärm- Richtlinie stelle dabei nur einen Orientierungsrahmen zur Verfügung. Durch die Vielzahl der jährlich stattfindenden Veranstaltungen an der Grenze zu seinem Grundstück sei das erträgliche Maß weit überschritten. Hinzu komme, dass nach 22:00 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe nach allgemeiner Rechtsauffassung der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen, einzuräumen sei. Das Oktoberfest in A-Stadt beruhe auch nicht auf historischen oder kulturellen Umständen und sei auch sonst nicht von kommunaler Bedeutung.

Ungeachtet dessen handele es sich bei seinem Grundstück um eine Stadtlage, die bereits durch erhebliche Lärmimmissionen belastet sei. Es müsse entsprechend Nr. 3.2.1 i. V. m. Nr. 2.4 Abs. 3 TA Lärm i. V. m. Ziff. 2 der Nds. Freizeitlärm- Richtlinie die Gesamtimmissionsbelastung für den Betroffenen zu Grunde gelegt werden. Auch habe die Beklagte nicht dargelegt, weshalb ein anderer, für die Einwohner weniger immissionsbelastender Veranstaltungsort nicht infrage komme.

Bereits durch die Veranstaltung „Blaue Stunde“ zwischen dem 25. August und 2. September 2018 am K. sei er einer Lärmbelastung ausgesetzt gewesen, die mit 94 dB(A) weit über das erträgliche Maß hinausgegangen sei.

Die Kammer habe in ihrem Beschluss vom 12. September 2018 deutlich gemacht, dass die Beklagte künftig Schallimmissionsprognosen im Vorwege durchzuführen habe; es stelle sich die Frage, warum die Beklagte diese Prognosen nicht auch für die Veranstaltungen im Jahre 2018 vorzunehmen gehabt habe, denn noch während des streitgegenständlichen Oktoberfestes und auch danach habe sich erneut gezeigt, dass die Beklagte die Veranstaltungen rund um das Grundstück des Klägers immissionsrechtlich gar nicht bzw. falsch gewürdigt habe. Dies betreffe das Dahlien-Fest am 23. September 2018 sowie das große H. -Feuerwerk am 2. November 2018. Seine eigenen Messungen hätten Immissionswerte direkt an der Bühne des Dahlien-Festes von weit über 80 dbA ergeben, die Immissionswerte auf dem Grundstück am Gebäude hätten schließlich Werte bei ca. 70 dbA ergeben. Das große H. -Feuerwerk am 2. November 2018 habe nach seinen Messungen direkt an seinem Gebäude Immissionsbelastungen von weit über 80 dbA verursacht.

Der Kläger hat ursprünglich sinngemäß beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2018 („Öffentliche Musikgenehmigung im G.“) aufzuheben.

Er beantragt nunmehr,

festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 19. März 2018 („Öffentliche Musikgenehmigung im G.“) rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Vor dem Oktoberfest habe auf dem H. -Grundstück im Jahr 2018 lediglich das Neujahrsfeuerwerk am 6. Januar 2018 stattgefunden. Alle anderen Veranstaltungen des Jahres 2018 hätten andernorts im Stadtgebiet stattgefunden. Eine Gesamtbetrachtung verbiete sich. Gestützt auf die Stellungnahme vom 9. März 2018 des Landkreises I. als der zuständigen Immissionsschutzbehörde habe sie, die Beklagte, durch verschiedene Auflagen einen ausreichenden vorbeugenden Lärmschutz sichergestellt. Das Oktoberfest sei auch unter Anwendung der Maßstäbe, die der Bundesgerichtshof für die Bewertung der Erheblichkeit von Störungen in Form von Geräuschimmissionen entwickelt habe, rechtmäßig genehmigt worden. Dieses Fest finde seit 2016 jährlich auf dem H. -Gelände statt und ziehe mit einem attraktiven Programm Tausende Besucherinnen und Besucher an; es sei ein wichtiger und markanter Teil des J. er Veranstaltungskalenders. Die Klage sei wegen Erledigung der Hauptsache unzulässig geworden.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Die Gerichtsakte nebst Beiakten des auf Eilrechtsschutz gerichteten Parallelverfahrens (Az. 5 B 38/18) hat ebenfalls vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig (1) und begründet (2).

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt (a). Auch im Übrigen ist die als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthafte Klage zulässig (b).

a) Der Kläger ist klagebefugt. Es besteht die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte des Klägers durch die mit der Klage angegriffene, an die Beigeladene gerichtete „Öffentliche Musikgenehmigung“ der Beklagten vom 19. März 2018. Dies gilt im Hinblick auf eine Verletzung von den Kläger begünstigenden, drittschützenden immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen. Der Kläger bewohnt mit seiner Familie das Wohnhaus im A-Straße in A-Stadt, welches etwa 250 m Luftlinie entfernt von dem H. -Gelände liegt und damit in dessen akustischem Einwirkungsbereich. Für einen Anspruch auf Abwehr von Immissionen einer hoheitlich betriebenen Anlage ist unbestritten, dass ein derartiger Abwehranspruch besteht, wenn die Einrichtung Immissionen hervorruft, welche die Gesundheit schädigen oder schwer und unerträglich in das Eigentum eingreifen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.03.1996 - 4 C 9.95 -, juris). Nichts Anderes kann gelten, wenn eine behördliche Erlaubnis einem Dritten ein Maß an (Lärm-)Immissionen erlaubt, das entsprechende Beeinträchtigungen hervorzurufen geeignet ist. § 3 Abs. 1 BImSchG definiert schädliche Umwelteinwirkungen als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen - u. a. - für die Nachbarschaft herbeizuführen; gemäß § 3 Abs. 2 BImSchG zählen zu den Immissionen i. S. dieses Gesetzes auch Geräusche. Nachbarn im Sinne dieser Vorschrift sind unzweifelhaft die Bewohner der im Einwirkungsbereich gelegenen Grundstücke. Ob durch die im konkreten Fall beanstandeten Geräuschimmissionen tatsächlich bereits (unzumutbare) schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit der Klage (vgl. VG Hannover, Urt. v. 26.11.2009 - 7 A 3124/09 -, juris m. w. N.).

b) Die Klage ist statthaft als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt. Danach spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt während des laufenden Klageverfahrens durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Es genügt in diesem Zusammenhang jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 113 Rn. 129). Ein berechtigtes Interesse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO wegen Wiederholungsgefahr ist regelmäßig anzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass in Zukunft ein vergleichbarer Sachverhalt wieder zur Entscheidung anstehen wird (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 14.09.2004 - 6 A 10949/94 - juris). Etwas Anderes gilt nur dann, wenn die zuständige Behörde eine wesentliche Änderung der Verwaltungspraxis im Hinblick auf die Ausgestaltung der Bescheide vorgenommen hat mit der Folge, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Bescheides keine „Richtschnurfunktion“ mehr haben kann (vgl. VGH München, Urt. v. 22.10.1998 - 22 B 98.602 - juris; Urt. d. Kammer v. 14.12.2011 - 5 A 58/11 - V. n. b.).

Hier hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der nach Durchführung des Festes erledigten Genehmigung. Es besteht eine Wiederholungsgefahr im dargelegten Sinne. Die Beigeladene beabsichtigt auch in Zukunft weiter die Durchführung von Oktoberfesten auf dem H. -Gelände. Der entsprechende Antrag für das Oktoberfest 2019 liegt nach den Angaben der Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 6. März 2019 bereits vor. Von einer wesentlichen Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten, die das Feststellungsinteresse des Klägers vorliegend entfallen lassen würde, kann derzeit - jedenfalls noch - nicht ausgegangen werden. Dies gilt unabhängig davon, inwieweit die Beklagte die Auflagen aus den Beschlüssen der Kammer vom 12. September 2018 (Az. 5 B 38/18) und des Nds. Oberverwaltungsgerichtes vom 20. September 2018 (Az. 11 ME 518/18) im Rahmen der Durchführung des Oktoberfestes 2018 beachtet hat. Im Hinblick auf die Auflagen aus dem o. a. Beschluss der Kammer hat die Beklagte die Beigeladene mit Schreiben vom 14. September 2018 zwar ausdrücklich auf diese hingewiesen, verbunden mit der „dringlichen Aufforderung“, diesen Rechnung zu tragen, und im Einzelnen präzisiert, wie bzw. bis wann den Auflagen Folge zu leisten ist. Aus der Befolgung der Entscheidung der Kammer (und ggf. derjenigen des Nds. Oberverwaltungsgerichts) ergibt sich aber noch keine geänderte Verwaltungspraxis der Beklagten im Hinblick auf (zukünftig) zu bescheidende Anträge auf Erteilung einer „öffentlichen Musikgenehmigung“ zwecks der Durchführung eines Oktoberfestes. Der bloße Vollzug der gerichtlichen Anordnungen lässt eine geänderte Verwaltungspraxis der Beklagten noch nicht erkennen. Zu der Befolgung der angeordneten Maßgaben ist die Beklagte verpflichtet gewesen. Ausreichende Umstände für eine geänderte Verwaltungspraxis hat die Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten bei dem an den Beigeladenen gerichteten Schreiben vom 14. September 2018 nicht um einen neuen Bescheid, welcher den angegriffenen Bescheid vom 19. März 2018 ersetzen oder ergänzen würde (s. hierzu im Einzelnen unter Ziff. 2).

Erst recht schließt der Umstand, dass die Beklagte nach dem Vorbringen ihrer Vertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung zwischenzeitlich ein immissionsschutzrechtliches Gutachten in Auftrag gegeben hat, welches die Veranstaltungsstätten im Stadtgebiet in Gänze grundsätzlich im Hinblick auf immissionsschutzrechtlich notwendige Auflagen bewerten soll, die Wiederholungsgefahr nicht aus. Dieses Gutachten liegt nach Auskunft der Beklagten noch nicht vor; welche Aussagen es beinhalten wird und insbesondere inwieweit diese von der Beklagten in Zukunft berücksichtigt werden, ist nicht abzusehen.

2. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. März 2018 zugunsten der Beigeladenen ist rechtswidrig gewesen und hat dadurch den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4, Satz 1 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides ist dabei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 113 Rn. 100), somit hier der 19. März 2018 als Zeitpunkt des Erlasses des im Streit stehenden Bescheides. Es ist nicht etwa abzustellen auf den Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 14. September 2018 an die Beigeladene. Soweit die Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 6. März 2019 angegeben haben, sie hätten unter dem 14. September 2018 neue Auflagen im Sinne des im Eilverfahren ergangenen Beschlusses der Kammer festgesetzt, ist festzustellen, dass es sich bei dem unter diesem Datum verfassten Schreiben nicht um eine - den angegriffenen Bescheid vom 19. März 2018 abändernde oder ersetzende - Behördenentscheidung im Sinne eines neuen Bescheides bzw. Verwaltungsaktes nach § 35 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG handelt. Es handelt sich nicht um eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Das Schreiben vom 14. September 2018 hat weder äußerlich die Form eines Bescheides noch wird inhaltlich eine Regelung durch die Beklagte getroffen. Es enthält keine - neue - Ermessensentscheidung im Hinblick auf die Genehmigung des Oktoberfestes 2018. Es handelt sich bei dem Schreiben vielmehr - lediglich - um die Befolgung und praktische Umsetzung der Entscheidung der Kammer vom 12. September 2018: Das Schreiben weist unter Wiedergabe der Maßgaben aus dem Tenor auf die Entscheidung der Kammer hin, hält zu deren Befolgung an und präzisiert, wie bzw. bis wann den Maßgaben Folge zu leisten ist. Im Übrigen ist anzumerken, dass für die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Rechtsansicht geäußert worden ist, der Bescheid vom 19. März 2018 sei - in der Form des Erlasses - rechtmäßig gewesen. Auch dieser Äußerung ist zu entnehmen, dass eine erneute Ermessensentscheidung im Hinblick auf das Oktoberfest 2018 von Seiten der Beklagten nicht beabsichtigt und für erforderlich gehalten worden ist.

Der Bescheid der Beklagten vom 19. März 2018 zugunsten der Beigeladenen ist rechtswidrig gewesen. Die Kammer hat in dem Beschluss vom 12. September 2018 (Az. 5 B 38/18) hierzu dargelegt:

„Rechtsgrundlage der der Beigeladenen als Ausnahmegenehmigung erteilten „Öffentlichen Musikgenehmigung“ ist § 8 Abs. 1, Abs. 2 der Verordnung der Antragsgegnerin zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (GefAbwVO) vom 16. Dezember 2004. Danach können Ausnahmen von der Vorschrift des § 6 GefAbwVO im Einzelfall zugelassen werden (Abs. 1). Ausnahmen können befristet, mit Bedingungen und Auflagen verbunden und unter jederzeitigen Widerruf erteilt werden (Abs. 2). Nach § 6 GefAbwVO sind Ruhezeiten die Sonn- und Feiertage sowie an Werktagen die Zeiten von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr des nächsten Tages (Abs. 1). Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Rundfunk- und Fernsehempfänger sowie Musikinstrumente dürfen nur in solcher Lautstärke betrieben oder gespielt werden, dass außerhalb der eigenen Wohnung bzw. der genutzten Räumlichkeiten oder außerhalb des eigenen bzw. des genutzten Grundstücks unbeteiligte Personen nicht gestört werden (Abs. 3).

Im Rahmen der von der Antragsgegnerin hiernach vorzunehmenden Ermessensausübung sind die immissionsschutzrechtlichen Vorgaben aus § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG zu beachten. Danach sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (1.), und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden (2.). Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG).

Das Nds. Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt (Beschl. v. 09.02.2011 - 12 LA 31/10 -, juris):

„Welche Beeinträchtigungen als erheblich einzustufen sind, bemisst sich danach, was die Betroffenen an Immissionen nicht mehr hinzunehmen brauchen, weil es unzumutbar ist. Das Maß des Zumutbaren richtet sich nach der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit des insoweit maßgeblichen Gebietes, die ihrerseits von der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und von etwaigen tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen abhängen. Zum anderen sind für die Beurteilung der belästigenden Wirkung von Geräuschen nicht nur physikalische Eigenschaften wie Schalldruck und Frequenz, sondern auch wertende Elemente wie Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und einer allgemeinen Akzeptanz in der Bevölkerung zu berücksichtigen (vgl. dazu aus der Rspr. d. BVerwG nur Urt. v. 23.4.1988 7 C 33.87, BVerwGE 79, 254, 260; Urt. v. 24.4.1991 7 C 12.90, BVerwGE 88, 143, 145; Beschl. v. 3.5.1996 4 B 50.96, NVwZ 1996, 1001). Für die Ermittlung und Bewertung des auf Wohngrundstücke einwirkenden Freizeitlärms sind rechtlich keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren und Lärmwerte verbindlich vorgegeben. In dieser Lage bleibt es der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, unter Berücksichtigung der einzelnen Schallereignisse, ihres Schallpegels und ihrer Eigenart (Dauer, Häufigkeit, Impulshaltigkeit) und ihres Zusammenwirkens die Erheblichkeit der Lärmbelästigung zu beurteilen. Die Zumutbarkeitsgrenze ist mithin auf Grund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. In diesem Zusammenhang können auch technische Regelwerke zur Beurteilung von Lärmimmissionen herangezogen werden, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern. Solche technischen Regelwerke stellen im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung jedoch nur eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe dar, die einen "groben Anhalt" bieten. Hingegen wäre etwa eine schematische Anwendung bestimmter Mittelungs- oder Grenzwerte nicht zulässig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.7.2003 4 B 55.03, NJW 2003, 3360 m. w. N.).

Zu den Regelwerken, die als Orientierungshilfe in Betracht kommen, gehören auch die vom Länderausschuss für Immissionsschutz verabschiedeten und mehrfach fortgeschriebenen "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche" (NVwZ 1985, 98; 1988, 135), die seit 1995 als "Freizeitlärm-Richtlinie" bezeichnet werden (NVwZ 1997, 469 [BVerwG 26.02.1997 - BVerwG 6 C 3/96]). Eine derartige Orientierungshilfe stellten in Niedersachsen die als Gemeinsamer Runderlass mehrerer Ministerien ergangenen "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche" vom 14. November 1988 (Nds. MBl. S. 23) und die Freizeitlärm-Richtlinie vom 24. September 1996 (Nds. MBl. S. 1652) dar (vgl. dazu Nds. OVG, Urt. v. 15.9.1994 7 L 5328/92, NJW 1995, 900; Urt. v. 18.12.1996 7 L 1488/95, NVwZ 1999, 88). Nach Aufhebung des letztgenannten Runderlasses durch den Gemeinsamen Runderlass des MU, des MI, des ML und des MW vom 8. Januar 2001 (Nds. MBl. S. 201) gilt in Niedersachsen nunmehr die Freizeitlärm-Richtlinie in der durch diesen letztgenannten Runderlass geänderten Gestalt und hat als solche Verbindlichkeit für die damit befassten Behörden. Dieser Niedersächsischen Freizeitlärm-Richtlinie 2001 kommt eine Außenverbindlichkeit als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift nicht zu, sie stellt aber ebenfalls eine Entscheidungshilfe zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze dar. Der LAI-Freizeitlärm-Richtlinie kann insoweit ein genereller Vorrang nicht zugestanden werden.“

Dem schließt sich die Kammer an (s. bereits Urteile v. 14.12.2011 - 5 A 75/10 u. 5 A 58/11 - V. n. b.). Maßgebliche Orientierungshilfe ist vorliegend demnach die Nds. Freizeitlärm- Richtlinie in der Fassung vom 20.11.2017 (Nds. MBl. 2017, 1550). Nach deren Ziff. 1 sind Freizeitanlagen Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 2 BImSchG (Satz 1). Zu den Freizeitanlagen gehören insbesondere Grundstücke, Plätze oder Flächen, auf denen im Freien oder in Zelten Diskothekenveranstaltungen, Feuerwerke, Live-Musik-Darbietungen, Platzkonzerte, Rockkonzerte, Jahrmärkte, Schützenfeste, Stadtteilfeste, Volksfeste usw. stattfinden (Satz 3). Die Richtlinie ist mithin hinsichtlich des hier streitigen Oktoberfestes anwendbar. Nach Ziff. 2 der Richtlinie werden Freizeitanlagen wie nicht genehmigungsbedürftige gewerbliche Anlagen im Sinne der TA Lärm betrachtet (Satz 1). Ihre Beurteilung und Messung erfolgt nach den entsprechenden Vorgaben der TA Lärm mit u. a. der Ausnahme, dass abweichend zu Nr. 7.2 TA Lärm entsprechend der 18. BImSchV die Anzahl der Tage oder Nächte, an denen die Richtwerte für „seltene Ereignisse“ herangezogen werden können, auf maximal 18 begrenzt ist (Satz 2 2. Spiegelstrich).

Die regelmäßig einzuhaltenden Immissionsrichtwerte der TA Lärm richten sich nach dem jeweiligen Gebietscharakter. Vorliegend handelt es sich um ein reines Wohngebiet, in dem nach Nr. 6.1 lit. f) die Immissionsrichtwerte außerhalb von Gebäuden tagsüber - d.h. nach Nr. 6.4 Satz 1 von 06.00 bis 22.00 Uhr - 50 dB(A) und nachts - d.h. von 22.00 bis 06.00 Uhr - 35 dB(A) betragen. Abweichendes gilt nach Nr. 6.3 für seltene Ereignisse, also dann, wenn wegen voraussehbarer Besonderheiten beim Betrieb einer Anlage zu erwarten ist, dass in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und nicht an mehr als an jeweils zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden, die Immissionsrichtwerte nach den Nr. 6.1 und 6.2 auch bei Einhaltung des Standes der Technik zur Lärmminderung nicht eingehalten werden können (s. Nr. 7.2 Satz 1 TA Lärm). Die Richtwerte betragen in diesen Fällen nach Nr. 6.3 Satz 1 tags 70 dB(A) und nachts 55 dB(A). Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen diese Werte nach Nr. 6.3 Satz 2 unter anderem in reinen Wohngebieten am Tag um nicht mehr als 20 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.

In den Auflagen der Gestattung vom 19. März 2018 ist die Einhaltung dieser Werte im Rahmen der genehmigten Öffnungszeiten und Veranstaltungstage in Abwägung zwischen den Anwohnerinteressen und dem Interesse zur Durchführung der Veranstaltung angeordnet worden. Es ist im Weiteren angeordnet worden, dass die Einhaltung der festgesetzten Immissionswerte in Abstimmung mit dem Landkreis I. als Unterer Immissionsschutzbehörde durch Messung nachzuweisen ist. Dabei sind für die Messung weitere konkrete, auf der Anlage zur TA Lärm beruhende Vorgaben gemacht worden. Das ist nicht zu beanstanden. Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg einwenden, der Zulassung des Oktoberfestes auf dem H. - Gelände als immissionsschutzrechtlich „seltenes Ereignis“ stehe entgegen, dass das Oktoberfest erst im dritten Jahr stattfindet und insoweit keine traditionelle, auf historischen oder kulturellen Umständen beruhende Veranstaltung darstellt. Im Rahmen der Beurteilung der belästigenden Wirkung von Geräuschen sind als wertende Elemente nicht nur die Herkömmlichkeit, sondern auch die soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz in der Bevölkerung zu berücksichtigen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 09.02.2011 - 12 LA 31/10 - juris, m. w. N.). Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen ist, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zu Grunde liegt, wenn auch dem Traditionscharakter einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommt. Andernfalls würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen oder die Abläufe bei Festen zu ändern, die auf eine langjährige Übung zurückgehen. Auch kann einem Ereignis nicht deshalb die kommunale Bedeutung abgesprochen werden, weil - wie hier - Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein Privater ist. Maßgeblich ist, dass das Ereignis von einem Großteil der Ortsbevölkerung getragen und akzeptiert wird (vgl. zu alldem VG Braunschweig, Urt. v. 30.09.2008 - 2 A 50/08 - unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 26.09.2003 - V ZR 41/03 -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.06.2007 - 8 K 3694/06 - jew. zit. nach juris).

Das Oktoberfest in A-Stadt erfüllt diese Kriterien. Es ist ausweislich der unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in den vergangenen beiden Jahren von der Bevölkerung gut angenommen worden. In diesem Jahr ist für das streitgegenständliche Oktoberfest demnach der erste Abend bereits ausverkauft. Daraufhin hat die Beigeladene das geplante Zelt verworfen und ein größeres geliehen, um mehr Plätze zu schaffen. Auch für den 22. September wird es nach den Angaben der Beigeladenen keine Abendkasse mehr geben, da die Veranstaltung bereits bis auf den letzten Platz ausverkauft ist. Zum 30. August 2018 waren bereits 4.200 Karten für das Oktoberfest verkauft.

[…]

Gleichwohl hat die Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung bei der Anordnung von Maßnahmen dem Schutz des Antragstellers vor Lärmbeeinträchtigungen nicht ausreichend Rechnung getragen. Es ist aus dem Ablauf des letztjährigen Oktoberfestes der Beigeladenen hinreichend ersichtlich geworden, dass es nicht ausreichend ist, die Gestattung mit Auflagen zu versehen, deren Einhaltung von der Antragsgegnerin dann nicht überwacht bzw. durchgesetzt wird. Eventuelle Vollzugsdefizite in der Vergangenheit können sich auf die Anforderungen an nachfolgende weitere Gestattungen und der damit verbundenen Auflagen auswirken (vgl. Urt. d. Kammer v. 14.12.2011 - 5 A 58/11 - V. n. b.). Die schlichte Festsetzung eines Grenzwertes kann allenfalls dann genügen, wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass der Veranstalter die von der Behörde festgesetzten Grenzwerte überschreiten wird. Wenn dies in der Vergangenheit bereits problematisch war, ist die Behörde gehalten, solche Bestimmungen in die Ausnahmegenehmigung aufzunehmen, die unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die technischen Voraussetzungen sichern, ein Überschreiten der Grenzwerte durch den Einsatz von Anlagen zur Schallerzeugung und Schallwiedergabe technisch auszuschließen (vgl. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.06.2007 - 8 K 3694/06 - juris).

Zwar hatte die Antragsgegnerin die Genehmigung des Oktoberfestes 2017 - nachträglich - mit der Anordnung einer vorherigen Einpegelung der Musikanlage auf die festgesetzten Immissionsrichtwerte verbunden. Während der Veranstaltung hat sich jedoch gezeigt, dass die mit dem Genehmigungsbescheid festgesetzten Immissionsrichtwerte am Grundstück des Antragstellers dennoch überschritten wurden. Die Antragsgegnerin hat hierzu die Stellungnahme eines Sachverständigen für Schallimmissionen der DEKRA, welche die Einpegelung der Musikanlage vorgenommen hatte, eingeholt, der unter dem 27. September 2017 mitteilte, es sei im Termin zur Einpegelung der Anlage ein Klebestreifen als Markierung am Lautstärkeregler des Mischpultes angebracht worden, weil das Mischpult nicht mechanisch habe verriegelt werden können und keine entsprechende Blende vorgehalten worden sei. Um bei zukünftigen Veranstaltungen zu gewährleisten, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm an den benachbarten Wohnhäusern eingehalten würden, sei es ratsam, für jede geräuschintensive Veranstaltung im Vorwege eine Schallimmissionsprognose durch einen erfahrenen Sachverständigen erstellen zu lassen.

Zudem sind die Auflagen im streitgegenständlichen Bescheid im Vergleich zu dem Genehmigungsbescheid vom 28. August 2017 mit Ergänzung vom 12. September 2017 immissionsschutzrechtlich weniger weitgehend, sofern in diesem Jahr gar keine vorherige Einpegelung der Musikanlage angeordnet worden ist.

Vor diesem Hintergrund waren zum Schutz des Antragstellers die aus dem Tenor ersichtlichen Anordnungen zu treffen. Eine Ausfertigung des zu erstellenden schalltechnischen Messberichts nach Ziff. A.3.5 der Anlage zur TA Lärm über die während der Veranstaltung nach Ziff. 7 der Auflagen zu dem Bescheid vom 19. März 2018 durchzuführenden Messungen ist an den Antragsteller weiterzuleiten, um vor dem Hintergrund der andauernden Auseinandersetzungen um den Lärm sicherzustellen, dass der Antragsteller von seinen Rechten Gebrauch machen kann.“

An diesen Ausführungen hält die Kammer nach erneuter Prüfung im vorliegenden Hauptsacheverfahren fest. Demnach hat die Beklagte ermessensfehlerhaft die berechtigten Interessen des Klägers nicht - ausreichend - berücksichtigt, indem sie in dem Bescheid vom 19. März 2018 bei der Anordnung von Maßnahmen zum Schallschutz dem Schutz des Klägers vor Lärmbeeinträchtigungen nicht hinreichend Rechnung getragen hat. Auch den Ausführungen des Nds. Oberverwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang (Beschl. v. 20.09.2018 - 11 ME 518/18 - V. n. b.) schließt sich die Kammer im vorliegenden Hauptsacheverfahren an. Erforderlich gewesen wären demnach vielmehr zusätzliche Auflagen des Inhalts gewesen, die Musikanlage zur Einhaltung der mit dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. März 2018 vorgegebenen Immissionsrichtwerte vor Beginn der Veranstaltung/ Darbietungen entsprechend dem Stand der Technik einzupegeln, einen schalltechnischen Messbericht nach Ziff. A.3.5 der Anlage zur TA Lärm über die während der Veranstaltung nach Ziff. 7 der Auflagen zu dem Bescheid vom 19. März 2018 durchzuführenden Messungen zu erstellen und der Beklagten in zwei Ausfertigungen, davon eine zur Weiterleitung an den Kläger, unverzüglich nach Beendigung des Oktoberfestes 2018 zu übergeben und zusätzlich zu diesem Endbericht dem Kläger bereits am Montag, den 24. September 2018, eine Ausfertigung des Kurzprotokolls - welches der von der Beigeladenen beauftragte Sachverständige zu diesem Zeitpunkt zu erstellen und in dem eine Auswertung der Schallmessungen des ersten Wochenendes enthalten zu sein hatte - zu übergeben sowie die jeweilige Darbietung, sollten die Immissionsrichtwerte selbst unter Ausnutzung der technischen Möglichkeiten (auch unter Berücksichtigung der Geräuschspitzen gemäß Ziff. 6.3 Satz 2 der TA-Lärm) nicht eingehalten werden können, zu beenden.

Hierbei handelt es sich entgegen der in der mündlichen Verhandlung von einem der Vertreter der Beklagten geäußerten Ansicht nicht lediglich um „praktische Hinweise“. Die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 8 GefAbwVO vorzunehmende behördliche Abwägung der widerstreitenden Interessen erfordert es vielmehr, durch konkrete Auflagen und Anordnungen dem Schutz des Klägers und der übrigen Anwohner vor Lärmbeeinträchtigungen durch die Veranstaltung Rechnung zu tragen.

Hat die Beklagte bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nach alledem das ihr in § 8 Abs. 1, Abs. 2 GefAbwVO eröffnete Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, indem die mit der Genehmigung verbundenen schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG nicht ausreichend berücksichtigt worden sind, so ist die Ermessensentscheidung insgesamt rechtswidrig. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob vor Erteilung der „Öffentlichen Musikgenehmigung“ zum Oktoberfest 2018 am 19. März 2018 bereits Genehmigungen für - andere - „seltene Ereignisse“ mit Überschreitungen der Immissionsrichtwerte nach Nummer 6.1 der TA Lärm am Grundstück des Klägers an 18 Tagen und Nächten bzw. 14 Kalendertagen von der Beklagten erteilt worden waren, so dass dem im vorliegenden Verfahren nicht weiter nachgegangen werden muss. Denn der angegriffene Bescheid ist - wie dargelegt - bereits aus anderen Gründen rechtswidrig und der Kläger wird hierdurch in seinen Rechten verletzt. Vor diesem Hintergrund ist auch das Vorbringen des Klägers nicht weiterführend, es seien bei dem am 23. September 2018 in unmittelbarer Nähe des klägerischen Grundstücks durchgeführten Dahlienfest nach eigenen Messungen mit einem professionellen Messgerät auf seinem Grundstück Werte von ca. 70 dbA gemessen worden, außerdem seien bei dem großen H. -Feuerwerk am 2. November 2018 nach seinen Messungen Immissionsbelastungen direkt an seinem Wohngebäude von weit über 80 dbA verursacht worden. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Genehmigungen zu diesen Veranstaltungen - wie im Übrigen auch die Genehmigungen zu dem Oldtimer-Treffen und der „Blauen Stunde“ - erst nach dem 19. März 2018 als maßgeblichem Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides erteilt worden sind und aus diesem Grunde nicht geeignet sind, die Rechtswidrigkeit des im Streit stehenden Bescheides zu begründen.

Der Kläger ist - wie bereits dargelegt - durch die rechtswidrige Ermessensentscheidung auch in seinen Rechten verletzt. Ist die mit dem angegriffenen Bescheid getroffene Ermessensentscheidung nach alledem rechtswidrig gewesen und hat sie den Kläger in eigenen Rechten verletzt, so war der Klage in vollem Umfang stattzugeben. Die mit dem Bescheid vom 19. März 2018 getroffene Entscheidung ist insoweit nicht teilbar (vgl. auch Kopp/ Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 113 Rn. 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen erstattungsfähig, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko im Sinne von § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 162, Rn. 23).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.