Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 01.03.2019, Az.: 8 B 44/19

Sudan

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
01.03.2019
Aktenzeichen
8 B 44/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69624
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Hinreichende Gründe für die Annahme systemischer Schwachstellen im schweizerischen Asylsystem oder den dortigen Aufnahmebedingungen verbunden mit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von nach dorthin zurückkehrenden Schutzsuchenden sind nicht feststellbar.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist sudanesischer Staatsangehöriger, reiste am 7. Januar 2019 unter anderem über die Schweiz, wo er sich zuvor bereits mehr als drei Jahre aufgehalten hat und bereits erfolglos einen Asylantrag gestellt hatte, in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 10. Januar 2019 erneut Asyl beantragte. Bei seiner Anhörung durch einen Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab er unter anderem an, dass er bei einer Rückkehr in die Schweiz fürchte, wieder in den Sudan zurück zu müssen. Das Bundesamt stellte daraufhin gegenüber den schweizerischen Behörden am 1. Februar 2019 ein Wiederaufnahmeersuchen, welchem diese am 4. Februar 2019 unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO stattgaben.

Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8. Februar 2019 den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete seine Abschiebung in die Schweiz an (Ziffer 3) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf neun Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Zur Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, dass nach der Dublin III-Verordnung die Schweiz für den Asylantrag des Antragstellers zuständig sei. Auch bestünden keine Abschiebungsverbote, weil in der Schweiz keine systemischen Mängel vorlägen, welche die Vermutung der zuverlässigen Einhaltung der europäischen Menschenrechtskonvention in der Schweiz widerlegen würden.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 19. Februar 2019 Klage erhoben (Az. 8 A 141/19) und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Eine Begründung seines Antrags hat er trotz Ankündigung und gerichtlicher Aufforderung nicht eingereicht.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen das Entfallen der grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO gegebenen aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage - wie hier gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG - durch Bundesgesetz vorgeschriebenen ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung überwiegt. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass das öffentliche Vollzugsinteresse bereits durch den gesetzlich angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erhebliches Gewicht erhält (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.08.2014 - 9 VR 2.14 -, juris Rn. 3, und Beschl. v. 13.06.2007 - 6 VR 5.07 -, NVwZ 2007, 1207 [1209]). Insbesondere wenn die mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, besteht kein Anlass von der gesetzlich bestimmten Regel der sofortigen Vollziehbarkeit abzugehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.09.2008 - 7 VR 1.08 -, juris Rn. 6). Ist hingegen die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung offensichtlich, weil sie sich schon bei summarischer Prüfung ergibt, kann das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 06.09.2007 - 5 ME 236/07 -, juris Rn. 11; vgl. zu alledem auch Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 146 ff.).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an einem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland für die Dauer des Hauptsacheverfahrens, da seine Klage nach der insoweit maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 05.03.2018 - 1 B 155.17 -, juris Rn. 13 zu OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.10.2017 - 11 A 78/17.A -, juris Rn. 48) bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg bietet.

Das Bundesamt hat in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides aller Voraussicht nach zu Recht die Abschiebung des Antragstellers angeordnet. Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (i.d.F.v. 31.07.2016). Hiernach ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG sind für die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaats (a)) die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 - Dublin III-VO -) und (b)) andere Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages maßgeblich.

Vorliegend ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO (zur Anwendung auf die Schweiz vgl. das am 26.10.2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft geschlossene Abkommen über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags; VG Arnsberg, Urt. v. 05.10.2018 - 12 K 10049/17.A -, juris Rn. 24; United States, Departement of State, Switzerland 2016 human rights report, v. 03.03.2017, S. 12) die Schweiz für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig, weil der aus einem Drittstaat kommende Antragsteller zuerst in der Schweiz einen Asylantrag gestellt hat. Die Frist für das Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO hat das Bundesamt eingehalten. Da die Schweiz dem Wiederaufnahmegesuch innerhalb der Frist des Art. 25 Abs. 1 Dublin III-VO zugestimmt hat, ist die Schweiz gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller wieder aufzunehmen. Die Frist für die Überstellung des Antragstellers in die Schweiz von sechs Monaten hat gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO noch nicht (erneut) zu laufen begonnen, weil der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung nachsucht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.05.2016 - 1 C 15.15 -, juris Rn. 11). Dementsprechend scheidet auch ein Übergang der Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin aus. In einem solchen Fall ordnet das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen (Mitglieds-)Staat an.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständig. Denn in der Schweiz bestehen für Schutzsuchende in der Situation des Antragstellers keine systemischen Mängel im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen, welche die Zuständigkeit der Antragsgegnerin begründeten. Bei einer Gesamtwürdigung der aktuell vorliegenden Berichte und Stellungnahmen (vgl. BVerfG, Stattg. Kammerbeschl. v. 21.04.2016 - 2 BvR 273/16 -, juris Rn. 11) sind keine hinreichenden Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 106) bzw. dem übereinstimmenden Art. 3 EMRK (vgl. Nds OVG, Urt. v. 09.04.2018 - 10 LB 92/17 -, juris Rn. 26) bei einer Rückkehr des Antragstellers in die Schweiz feststellbar (vgl. auch VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2019 - 22 L 3215/18.A -, juris Rn. 30 ff., und Beschl. v. 16.07.2018 - 12 L 3931/17.A -, juris Rn. 34 ff.; Beschl. des Gerichts v. 22.03.2018 - 8 B 256/17 -, n.v.; Amnesty International, Report Schweiz 2017/2018, v. 22.02.2018; Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Schweiz, v. 16.11.2017; United States, Departement of State, Switzerland 2016 human rights report, v. 03.03.2017, S. 11 ff.). Insoweit nimmt das Gericht auch Bezug auf die Ausführungen der Antragsgegnerin in dem angegriffenen Bescheid, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch führt die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers in der Schweiz, verbunden mit einer ihm möglicherweise drohenden Abschiebung in sein Heimatland, nicht zu einer Zuständigkeit der Antragsgegnerin für eine nochmalige Prüfung seines Schutzbegehrens (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 16.07.2018 - 12 L 3931/17.A -, juris Rn. 44; Beschluss d. Gerichts v. 18.05.2017 - 8 B 94/17 -, juris Rn. 34; VG München, Beschl. v. 13.02.2017 - M 9 S 16.51309 -, juris Rn. 13).

Der Abschiebung des Antragstellers stehen auch sonst keine Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe entgegen. Eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG setzt insoweit auch voraus, dass „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat deshalb in den Fällen, in denen der Schutzsuchende in einem für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, vor Erlass einer Abschiebungsanordnung auch zu prüfen, ob Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe vorliegen. Damit sind sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse gemeint. Der Antragsteller hat hierfür sprechende Umstände weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.