Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 25.03.2003, Az.: 3 D 1/03

Erledigung; Kosten; Notwendigkeit; verfrühte Vollstreckung; verfrühter Vollstreckungsantrag; Vollstreckungsverfahren

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
25.03.2003
Aktenzeichen
3 D 1/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48545
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Erledigt sich ein Verfahren auf Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss, trägt der Vollstreckungsschuldner die Kosten, wenn die Vollstreckung "notwendig" war. Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten, wenn er "zu früh" die Vollstreckung beantragt. Eine Vollstreckung gegen eine Behörde aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss ist regelmäßig erst nach Ablauf von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses beim Schuldner "notwendig".

Gründe

1

Der Prozessbevollmächtigte des Vollstreckungsgläubigers hat mitgeteilt, dass die zu vollstreckenden Kosten ausgeglichen worden seien, das Vollstreckungsverfahren habe sich erledigt.

2

Einer Vollstreckungsentscheidung in der Sache nach § 170 VwGO durch das Gericht bedarf es nicht mehr. Zur Klarstellung ist das Vollstreckungsverfahren durch Beschluss einzustellen. Eine beiderseitige Erledigungserklärung oder Rücknahme des Vollstreckungsantrages ist zur Einstellung des Vollstreckungsverfahrens nicht erforderlich (OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.05.1971 - VI B 45/69 -, NJW 1971 Seite 23; OVG Münster, Beschl. v. 19.09.1980 - 11 B 1289/79 -, OVG E 35 Seite 106).

3

Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Vollstreckungsverfahrens, weil er den Vollstreckungsantrag bei Gericht zu früh gestellt hat.

4

Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO dem Vollstreckungsschuldner zur Last, soweit sie - so der Wortlaut des § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO - "notwendig" waren. Eine Notwendigkeit entfällt bei unzulässiger oder überflüssiger Zwangsvollstreckung, insbesondere bei verfrühten Vollstreckungsanträgen (vgl. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 788 RdNr. 9 a f). Eine Einleitung der Zwangsvollstreckung sogleich nach Vorliegen aller Vollstreckungsvoraussetzungen ohne gesonderte Zahlungsaufforderung durch den Gläubiger und ohne Gewährung einer angemessenen Frist für eine freiwillige Leistung kann daher - je nach den Umständen des Einzelfalles - verfrüht sein.  Auch wenn Kostenfestsetzungsbeschlüsse grundsätzlich sofort  vollstreckbar sind (§ 168 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 168 RdNr. 3), kann es das Interesse der Beteiligten, die Kosten der Zwangsvollstreckung möglichst niedrig zu halten, gebieten, vor Anrufung des Gerichtes die Rechtskraft abzuwarten, insbesondere dann,  wenn der Kostenfestsetzungsbeschluss aufgrund der wechselseitigen Rechtsstandpunkte "streitig" ergeht. Auch dabei sind die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Weiter sind die Besonderheiten zu beachten, wenn es - wie hier - um eine Vollstreckung gegen eine Behörde geht: Normalen Verzögerungen, wie sie bei der Bearbeitung eines Vorganges in einer Behörde leicht auftreten können, ist in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen. Eine Bearbeitungsdauer von einem Monat fällt bei Vorgängen wie bei der Begleichung titulierter Forderungen nicht aus dem Rahmen. Solange kann der Vollstreckungsgläubiger auch warten. Ein Risiko ist damit für ihn nicht verbunden. An der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit einer Behörde - hier der Bezirksregierung Lüneburg und des Landes Niedersachsen - besteht auch in Zeiten der heutzutage viel diskutierten knappen Haushaltsmittel der öffentlichen Hand  noch kein grundsätzlicher Zweifel. Der Gläubiger kann darauf vertrauen, dass die an Recht und Gesetz gebundenen Träger der öffentlichen Verwaltung seine Forderung geschäftsmäßig bearbeiten und ohne Verzug begleichen werden, zumal der geschuldete Betrag auch verzinst werden muss. Angesichts der Besonderheiten bei Beteiligung einer Behörde ist die in der Literatur genannte Frist von 21 Tagen, bei der eine Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen bei Privatpersonen  angenommen wird (Zöller a.a.O. RdNr. 9 b sowie Hartmann in Baumbach/Lauterbach/u.a., ZPO, 60. Aufl. 2002, § 788 RdNr. 24, Stichwort: Frist) im öffentlichen Recht zu kurz. Dementsprechend hat die Kammer schon in der Vergangenheit die Notwendigkeit der Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens erst nach einer Frist von einem Monat nach Zustellung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses angenommen (Beschlüsse v. 27.09. und 19.10.1999 - 3 D 17/99 -). Diese Frist von einem Monat, vor deren Ablauf eine Notwendigkeit der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen regelmäßig nicht zu bejahen ist, ist interessengerecht, wenn  keine Besonderheiten vorliegen, die ein Hinausschieben oder eine Verkürzung der Frist gebieten.

5

Ausgehend von diesen Grundlagen war die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bei Anrufung des Gerichtes am 7. Februar 2003 nicht "notwendig" im Sinne des § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO, weil er zu früh gestellt worden ist. Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist am 6. Januar 2003 erlassen und der Bezirksregierung Lüneburg als Vollstreckungsschuldnerin am 14. Januar 2003 zugestellt worden. Der Beschluss ist am 28. Januar 2003 rechtskräftig geworden. Der Vollstreckungsantrag des Vollstreckungsgläubigers ist mithin rund 3 ½ Wochen nach Zustellung des Beschlusses bei der Vollstreckungsschuldnerin und rund 1 ½ Wochen nach Rechtskraft beim Gericht eingegangen, ohne dass der Vollstreckungsgläubiger zuvor die Vollstreckungsschuldnerin gemahnt hätte und ohne dass eine besondere Dringlichkeit für eine Vollstreckung deutlich gemacht worden wäre. Die Frist von einem Monat nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses, nach deren Ablauf die Anrufung des Gerichtes regelmäßig erst "notwendig" ist, war noch nicht abgelaufen.

6

Die "Notwendigkeit" einer Zwangsvollstreckung kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Vollstreckungsschuldnerin die Zahlung der Kosten erst am 19. Februar 2003 angewiesen hat, und in diesem Zeitpunkt die Monatsfrist nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses abgelaufen war. Der Vollstreckungsantrag ist nicht in die Zulässigkeit "hineingewachsen". Ob eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme notwendig ist, beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht und nicht nach einem späteren Zeitpunkt (Zöller a.a.O. RdNr. 9 a sowie Hartmann a.a.O. § 788 RdNr. 4). Deshalb kommt es nicht darauf an, wie sich die Verhältnisse nach dem 7. Februar 2003 weiter entwickelt haben.