Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 12.03.2003, Az.: 5 A 183/01
ein Kalenderjahr; einheitlich; Gewerbesteuer; Hebesatz; rückwirkende Erhöhung; unterschiedliche Hebesätze
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 12.03.2003
- Aktenzeichen
- 5 A 183/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 47970
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs 2 GewStG
- § 16 Abs 3 S 1 GewStG
Tatbestand:
Der Kläger führt einen Hotelbetrieb im Gemeindegebiet der Beklagten. Er wendet sich gegen die Veranlagung zur Gewerbesteuer für das Jahr 1999.
Nachdem das Finanzamt C. gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 13. November 2000 für das Jahr 1999 einen Gewerbesteuermessbetrag von 39.580,-- DM festgesetzt hatte, zog die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom selben Tage für 1999 zu einer Gewerbesteuer in Höhe von 110.824,-- DM heran. Die Veranlagung setzte sich zusammen aus einem Betrag von 51.454,-- DM für den Zeitraum Januar bis Juni 1999 (39.580 x 260 % x 6/12) und einen Betrag von 59.370,-- DM (39.580 x 300 % x 6/12). In dem Bescheid wurde berücksichtigt, dass der Rat der Beklagten in seiner Sitzung am 27. Mai 1999 eine Nachtragshaushaltssatzung für das laufende Kalenderjahr beschlossen hatte. Gemäß § 5 der Satzung wurde der Hebesatz für die Gewerbesteuer mit Wirkung zum 1. Juli 1999 von 260 % auf 300 % erhöht.
Der Kläger legte gegen den Veranlagungsbescheid Widerspruch ein, nachdem er zuvor schon gegen den Vorauszahlungsbescheid vom 12. August 1999 Widerspruch eingelegt hatte. Er wandte sich gegen die Erhöhung des Hebesatzes. Im laufenden Haushaltsjahr sei die Erhöhung unzulässig.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit (undatiertem) Widerspruchsbescheid auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses ihres Verwaltungsausschusses vom 10. Oktober 2001 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Ratsbeschluss vom 27. Mai 1999 korrekt umgesetzt worden sei. Der Gemeinderat habe sich bewusst dagegen ausgesprochen, die Bürger rückwirkend mit höheren Steuern zu belasten. Deshalb habe er beschlossen, die Hebesätze für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer erst mit Wirkung vom 1. Juli 1999 zu erhöhen. Der Gemeinderat habe die gesetzliche Ermächtigung zur Erhöhung im Interesse der Bürger nicht voll ausgeschöpft.
Der Kläger hat am 5. Dezember 2001 Klage erhoben. Er trägt vor, dass die Beklagte für das Jahr 1999 nur einen einheitlichen Hebesatz von 260 % habe zugrunde legen können. Die Regelungen im Gewerbesteuergesetz ließen die Festsetzung unterschiedlicher Hebesätze für ein und dasselbe Haushaltsjahr nicht zu.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. November 2000 in der Gestalt des undatierten Widerspruchsbescheides aufzuheben, soweit die Beklagte für das Jahr 1999 bei der Bemessung der Gewerbesteuer einen Hebesatz von mehr als 260 % zugrunde gelegt und eine Gewerbesteuer von mehr als 102.908,-- DM festgesetzt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der eingereichten Unterlagen der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist als Adressat eines ihn belastenden Verwaltungsakts gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt (vgl. Kopp, VwGO, 12. Aufl., § 42 Rdnr. 69). Er kann geltend machen, durch die hier streitige Erhöhung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer und die damit verbundene Festsetzung einer erhöhten Gewerbesteuer für den Zeitraum Juli bis Dezember 1999 in seinen Rechten verletzt zu sein.
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 13. November 2000 in der Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides ist rechtwidrig, soweit die Beklagte gegenüber dem Kläger bei der Berechnung der Gewerbesteuer für den Zeitraum Juli bis Dezember 1999 einen Hebesatz von mehr als 260 % festgesetzt hat. Da der Kläger den Bescheid nur in diesem Umfang angefochten hat, erübrigen sich Ausführungen dazu, ob die Festsetzung insgesamt rechtswidrig gewesen sein könnte.
Die Beklagte ist nach § 1 des Gewerbesteuergesetzes (i.d.F. der Bekanntmachung vom 19.5.1999, BGBl. I S. 1010 und S. 1491) - GewStG - berechtigt, eine Gewerbesteuer als Gemeindesteuer zu erheben. Der Kläger ist nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG auch gewerbesteuerpflichtig, weil er im Gemeindegebiet der Beklagten einen Gewerbebetrieb führt.
Nach § 16 Abs. 1 GewStG wird die Steuer aufgrund des Steuermessbetrages mit einem Hundersatz (Hebesatz) festgesetzt und erhoben, der von der hebeberechtigten Gemeinde zu bestimmen ist. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann der Hebesatz für ein Kalenderjahr oder mehrere Kalenderjahre festgesetzt werden. Nach Abs. 3 ist der Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes bis zum 30. Juni eines Kalenderjahrs mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluss über die Festsetzung des Hebesatzes gefasst werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet. Wie sich aus diesen Regelungen ergibt, ist bei der Festsetzung des Hebesatzes der Grundsatz der Periodizität zu beachten und der Hebesatz einheitlich für ein Kalenderjahr zu beschließen (vgl. auch Glanegger/Güroff, GewStG, 4. Aufl., § 16 Rdnr. 11). In den Bestimmungen ist jeweils nur von einem („der“) und nicht von unterschiedlichen Hebesätzen für das Kalenderjahr die Rede. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 GewStG kann der Hebesatz zwar noch bis zum 30. Juni des Kalenderjahres geändert werden, dann jedoch nur mit Wirkung vom Beginn des Kalenderjahres.
Die am 27. Mai 1999 beschlossene Nachtragshaushaltssatzung der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Soweit der Rat der Beklagten für das Kalenderjahr 1999 unterschiedliche Hebesätze von 260 % für den Zeitraum Januar bis Juni 1999 und von 300 % für den Zeitraum Juli bis Dezember 1999 beschlossen hat, widerspricht diese Änderung den Regelungen in § 16 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GewStG und ist damit (teil-) nichtig. Daran ändert auch nichts, dass der Gemeinderat sich im Interesse der Bürger gegen eine rückwirkende Erhöhung des Hebesatzes mit Wirkung vom 1. Januar 1999 ausgesprochen haben mag. Die Bestimmungen des Gewerbesteuergesetzes stehen der Festsetzung unterschiedlich hoher bzw. wechselnder Hebesätze während eines Kalenderjahres entgegen unabhängig davon, von welchen Motiven die hebeberechtigte Gemeinde geleitet wird. Fehlt es an einem rechtmäßigen Beschluss des Gemeinderates der Beklagten über die Erhöhung des Hebesatzes auf 300 %, so folgt daraus zugleich die Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung in dem Bescheid vom 13. November 2000 in dem hier streitigen Umfang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.