Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 08.06.2016, Az.: L 3 KA 12/14
Vergütung nephrologischer Leistungen einer zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Fachärztin für Innere Medizin auf Grundlage des Honorarverteilungsvertrags (HVV); Vergütung der die Regelleistungsvolumina (RLV) übersteigenden Honoraranforderungen mit quartalsbezogenen Abstaffelungs-Quoten; Höhe der Vergütung nephrologischer Leistungen; Prüfung einer Gesamtvergütungsvereinbarung; Vollzug höherrangiger Normvorgaben; Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Rechtmäßigkeit der Zuordnung nephrologischer Leistungen zum Regelleistungsvolumen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 08.06.2016
- Aktenzeichen
- L 3 KA 12/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 22985
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2016:0608.L3KA12.14.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BSG - 12.01.2017 - AZ: B 6 KA 68/16 B
Rechtsgrundlagen
- § 54 Abs. 1 SGG
- § 131 Abs. 3 SGG
- § 87b SGB V a.F.
- § 87b SGB V
- EBM-Ä (2008) Kap 13.3.6
- § 85 Abs. 3a S. 4 SGB V
- § 87 Abs. 1 SGB V
- § 87a Abs. 2 S. 6 SGB V
- § 87a Abs. 3 SGB V
- § 87b Abs. 2 S. 1 und S. 7 SGB V
- § 87b Abs. 4 S. 1-2 SGB V
Amtlicher Leitsatz
Es steht mit höherrangigem Recht in Übereinstimmung, dass seit dem 1. Juli 2010 auch nephrologische Leistungen dem Regelleistungsvolumen unterlagen.
Redaktioneller Leitsatz
1. Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte ist die (inzidente) Prüfung einer Gesamtvergütungsvereinbarung (hier: in Form der Vereinbarung über die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen auf der Grundlage der regionalen Euro-Gebührenordnung mit Wirkung zum 1. Juli 2010) in einem Rechtsstreit über die Höhe des Honoraranspruchs eines Vertragsarztes nicht möglich.
2. Das gilt zumindest insoweit, als dem Abschluss einer solchen Gesamtvergütungsvereinbarung ein Verhandlungsprozess zwischen den Vertragspartnern zugrunde gelegen hat, der nicht rechtlich voll determiniert ist.
3. Geht es hingegen in einer Gesamtvergütungsvereinbarung um den Vollzug höherrangiger Normvorgaben, kann deren Einhaltung auch in einer Honorarstreitigkeit (inzident) überprüft werden.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. November 2013 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 40.063 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Vergütung nephrologischer Leistungen.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung in E. zugelassen.
In den Quartalen III/2010 bis I/2011 vergütete die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die die Regelleistungsvolumina (RLV) der Klägerin übersteigenden Honoraranforderungen nur mit quartalsbezogenen Abstaffelungs-Quoten in Höhe von etwa 7 vH. Dadurch verminderte sich in den Quartalen die Vergütung der Klägerin um insgesamt 40.063,14 Euro. Die gegen die jeweiligen Honorarbescheide eingelegten Widersprüche blieben jedoch erfolglos. Die der Klägerin zur Verfügung gestellten RLV entsprächen den dazu vom Bewertungsausschuss (BewA) in den Beschlüssen ab dem 26. März 2010 erstellten Vorgaben. Danach sei die Differenz zwischen den mitgeteilten RLV und den tatsächlichen Honoraranforderungen eines Vertragsarztes nur mit einem prozentualen Anteil zu vergüten; dies gelte seit dem 1. Juli 2010 auch für nephrologische Leistungen. Zwar bestehe die Möglichkeit, einzelne vertragsärztliche Leistungen außerhalb der allgemeingültigen RLV-Systematik zu vergüten. Eine Anwendung dieser Ausnahmeregelung käme für nephrologische Leistungen jedoch nicht in Betracht (die Quartale III/2010 bis I/2011 betreffender Widerspruchsbescheid vom 1. September 2011).
Die Klägerin hat am 23. September 2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und dort geltend gemacht, die Beklagte habe zu Unrecht nephrologische Leistungen in die RLV-Systematik mit einbezogen; dies gelte insbesondere für Betreuungsleistungen nach den Nrn 13601 bis 13612 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen ((EBM); hier anzuwenden idF vom 1. Januar 2009). Zwar habe der BewA dies in den Beschlüssen ab dem 26. März 2010 so festgelegt, die Beschlüsse verletzten allerdings gleich in mehrfacher Hinsicht höherrangiges Recht. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut in § 87b Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ((SGB V); hier anzuwenden idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 23. März 2007, BGBl I 378) diene die Einführung arzt- und praxisbezogener RLV zum einen der "Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis". Im Bereich der Nephrologie werde einer solchen Ausdehnung aber bereits durch den in der Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren vorgegebenen Arzt-Patienten-Schlüssel entgegengewirkt. Zum anderen könnten danach auch Leistungen außerhalb der RLV-Systematik vergütet werden, "wenn sie besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist". Dies treffe insbesondere auf die Betreuungsleistungen im Rahmen einer Nierenersatztherapie zu. Dem stehe auch nicht die Rechtsprechung zum Gestaltungsspielraum des BewA bei der Einbeziehung vertragsärztlicher Leistungen in die RLV-Systematik entgegen (hier insbesondere Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 31/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 53). Dort seien die speziellen Umstände für die Betreuungsleistungen einer Nierenersatztherapie (noch) nicht berücksichtigt worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6. November 2013 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen (Neubescheidungs-)Anspruch hinsichtlich der von ihr in den Quartalen III/2010 bis I/2011 erbrachten nephrologischen Leistungen. Zu Recht habe die Beklagte auch diese Leistungen in die vom BewA vorgegebene RLV-Systematik mit einbezogen. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Beschlüsse des BewA bestünden nicht; nach der Rechtsprechung des BSG sei die Entscheidung darüber, ob einzelne vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten seien, von dem Gestaltungsspielraum des BewA gedeckt. Es bestehe auch keine Verpflichtung, nephrologische Leistungen von der RLV-Systematik zu befreien. Dies sei sowohl mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Grundgesetz (GG) als auch mit dem sonstigen Verfassungsrecht vereinbar.
Gegen dieses Urteil (zugestellt am 10. Januar 2014) hat die Klägerin am 6. Februar 2014 Berufung eingelegt und stützt sich dabei im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. November 2013 aufzuheben und die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale III/2010 bis I/2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2011 zu ändern,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, über ihren Honoraranspruch in den genannten Quartalen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, dass der BewA zwar in den Quartalen III/2009 bis II/2010 die Herausnahme nephrologischer Leistungen aus der RLV-Systematik beschlossen habe. Dies habe aber dazu beigetragen, dass die in diesem Zeitraum an die Vertragsärzte verteilten Honorare die von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Gesamtvergütungen überstiegen hätten. Um dieser Entwicklung entgegenwirken, habe der BewA in den Beschlüssen ab dem 26. März 2010 eine neue Honorarverteilungssystematik (Ergänzung der RLV durch Qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV)) eingeführt, wonach - von wenigen Ausnahmen abgesehen - alle vertragsärztlichen Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) nur noch mit einer Mengensteuerung zu vergüten seien. Anhaltspunkte dafür, dass der BewA oder die Gesamtvertragspartner des HVV auf Landesebene verpflichtet seien, die nephrologischen Leistungen davon ganz oder teilweise auszunehmen, ergäben sich weder aus der Rechtsprechung des BSG noch aus dem Hinweis der Klägerin, dass zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der ärztlichen Tätigkeit insoweit zusätzliche mengensteuernde Vorgaben nicht erforderlich seien.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Anfechtungs- und Neubescheidungsklage (§ 54 Abs 1 i.V.m. § 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) analog) kann in der Sache keinen Erfolg haben. Zu Recht hat die Beklagte die von der Klägerin in den Quartalen III/2010 bis I/2011 erbrachten nephrologischen Leistungen innerhalb der RLV-Systematik vergütet.
2. Rechtsgrundlage dafür, seit dem 1. Juli 2010 auch die nephrologischen Leistungen nach dem Kapitel 13.3.6 des EBM in die RLV-Systematik mit einzubeziehen, ist der Honorarverteilungsvertrag (HVV) der Beklagten (hier: in Form der Vereinbarungen zur Umsetzung der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2010 bzw 2011). Danach erfolgt die Vergütung der im hier streitbefangenen Zeitraum erbrachten vertragsärztlichen Leistungen anhand der verbindlichen Beschlüsse des (Erweiterten) BewA, wobei spätere Änderungen oder Ergänzungen dieser Beschlüsse ebenfalls Gegenstand der Vereinbarungen werden, soweit es sich dabei um verbindliche Regelungen handelt (vgl hierzu Teil A Nr 1 der Vereinbarungen). Entsprechend haben in den Jahren 2010 und 2011 die Gesamtvertragspartner auf Landesebene ua die Fachärzte für Innere Medizin mit dem (Versorgungs-)Schwerpunkt Nephrologie als eine RLV-relevante Arztgruppe angesehen. Dies hat zur Folge, dass die von den Ärzten dieser Fachgruppe erbrachten vertragsärztlichen Leistungen zwar auf der Basis der gemäß § 87a Abs 2 S 6 SGB V aF zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen regionalen Euro-Gebührenordnung erfolgen. Das betrifft aber nur den Anteil der Leistungsmenge, der innerhalb eines je Quartal und Arztpraxis vorgegebenen RLV bzw QZV abgerechnet wird. Der darüber hinausgehende Anteil der Leistungsmenge ist anhand der in den Beschlüssen des BewA festgesetzten Vorgaben abgestaffelt zu vergüten (vgl hierzu die Vergütungsgrundsätze im Beschluss des BewA vom 26. März 2010 in Teil F Abschnitt I Nr 1).
Die dargelegten HVV-Regelungen wiederum stützen sich auf die Vorgaben in den Beschlüssen des BewA ab dem 26. März 2010, die mit Wirkung zum 1. Juli 2010 in Kraft getreten sind. Unter Berücksichtigung des hier maßgeblichen Klagebegehrens der Klägerin (das im Kern auf die Befreiung nephrologischer Leistungen von der RLV-Systematik gerichtet ist) sind vorliegend die Regelungen in Teil F Abschnitt I ("Vorgaben des Bewertungsausschusses zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen") der Beschlüsse relevant, die unter den Nrn 1 ("Grundsätze der Vergütung") und 2 (Benennung der Ärzte, Leistungen und Fälle, die von der Steuerung durch Regelleistungsvolumen und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen erfasst sind") sowie namentlich in der Anl 2 (unter Nr 4) ua vorgeben, dass auch sämtliche Leistungen der Fachärzte für Innere Medizin mit dem (Versorgungs-)Schwerpunkt Nephrologie in die RLV-Systematik einzubeziehen sind. Ergänzend hierzu können die Gesamtvertragspartner auf Landesebene nach der Nr 2.3 vereinbaren, "besonders förderungswürdige Leistungen außerhalb der Regelleistungsvolumen und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen" zu vergüten, für die dann nach der Nr 3.1.4 ein zusätzlicher Vergütungsbereich aus dem arztgruppenspezifischen Verteilungsvolumen zu bilden ist. Nach Abschnitt II der Beschlüsse können die Gesamtvertragspartner zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung einer flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen bis zum 31. Dezember 2011 auch ein Verfahren zur schrittweisen Anpassung der RLV-Systematik vereinbaren (sogenannte Konvergenzphase). In eine solche Vereinbarung können zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen sogar die Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen einbezogen und damit einer Mengensteuerung unterzogen werden, die außerhalb der RLV-Systematik zu vergüten sind.
3. Aufgrund der Vorgaben in den Beschlüssen des BewA ab dem 26. März 2010 sind die Gesamtvertragspartner auf Landesebene dazu verpflichtet, auch die seit dem 1. April 2005 weitestgehend durchgehend (bis auf die Quartale I und II/2009) als freie Leistungen vergüteten nephrologischen Behandlungsmaßnahmen nach dem Kapitel 13.3.6 des EBM in die RLV-Systematik mit einzubeziehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dies auch mit höherrangigem Recht im Einklang.
a) Nach dem Gesetzeswortlaut in § 87b SGB V aF sind die vertragsärztlichen Leistungen seit dem 1. Januar 2009 auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Gleichzeitig sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes bzw der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. In diesem Zusammenhang ist - um eine weitestgehend einheitliche Honorarverteilung nach der neuen Vergütungssystematik gewährleisten zu können - dem BewA nach § 87b Abs 4 Sätze 1 und 2 SGB V aF die Aufgabe übertragen worden, bundeseinheitliche Vorgaben zu treffen, welche von den Gesamtvertragspartnern auf Landesebene zu beachten sind (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 4; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 26). Ua ist dem BewA über § 87b Abs 4 S 1 SGB V aF aufgegeben worden, das Verfahren zur Berechnung und Anpassung der RLV zu bestimmen. Darüber hinaus hat er nach § 87b Abs 4 S 2 SGB V aF Vorgaben ua zur Umsetzung von § 87b Abs 2 S 7 SGB V festzulegen, wonach weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden können, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich gewesen ist. Damit hat die durch Bundesgesetz dem BewA übertragene Verpflichtung und Ermächtigung zur Festlegung von Vorgaben für die ab dem 1. Januar 2009 gültige Vergütungssystematik alle vertragsärztlichen Leistungsbereiche umfasst. Dass hiervon einzelne Leistungsbereiche (hier: nephrologische Leistungen nach dem Kapitel 13.3.6 des EBM) ausgenommen werden sollen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
b) Dabei kann vor dem Hintergrund begrenzter Gesamtvergütungen schon dem Grunde nach kein vertragsärztlicher Leistungsbereich generell von Maßnahmen der Mengensteuerung ausgenommen werden. Maßgeblich für diese Überlegung ist, dass auch unter der seit dem 1. Januar 2009 gesetzlich vorgesehenen Vergütungssystematik die MGV der Höhe nach begrenzt ist (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 29 mwN). Daher muss sich die Notwendigkeit, (mengen-)steuernd einzugreifen, regelmäßig auf alle vertragsärztlichen Leistungsbereiche beziehen - auch auf die nephrologischen Leistungen nach dem Kapitel 13.3.6 des EBM, da sie ebenfalls aus der MGV zu vergüten sind. Entsprechend ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Zusammenwirken der zum 1. Januar 2009 wirksam gewordenen Regelungen in § 87a Abs 3 SGB V (zur MGV) und in § 87b Abs 2 und 4 SGB V aF (zur RLV-Systematik) den BewA berechtigt hat, den Gesamtvertragspartnern ein lückenloses System für eine auf die RLV ausgerichtete Honorarverteilung vorzugeben. Mit dieser Systematik sind Leistungen, die ohne eine Mengen- und Preissteuerung zwingend mit festen Punktwerten oder Euro-Beträgen vergütet werden müssen, regelmäßig nicht vereinbar (vgl hierzu BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 6 KA 34/14 R - mwN ; zur Veröffentlichung in SozR 4 und BSGE vorgesehen). Insoweit ist eine gesonderte (außerhalb der RLV-Systematik liegende) Vergütung der im Zusammenhang mit einer Nierenersatztherapie erbrachten Betreuungsleistungen allenfalls dann (zwingend) erforderlich, wenn das Gesetz dies als Ausnahmeregelung ausdrücklich (wie im hier maßgeblichen Zeitraum für antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen nach § 87b Abs 2 S 6 SGB V aF) vorsieht. Hieran fehlt es vorliegend aber.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der BewA in seinen Beschlüssen ab dem 26. März 2010 die Gesamtvertragspartner auf Landesebene ermächtigt hat, unter bestimmten Voraussetzungen weitere Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten. Denn die für Niedersachsen zuständigen Gesamtvertragspartner haben eine solche Vereinbarung nur in Bezug auf belegärztliche Leistungen und sonstige Leistungen in Überweisungsfällen zur ausschließlichen Durchführung von Probeuntersuchungen vereinbart (vgl hierzu ua Teil A Nr 9 der Vereinbarung zur Umsetzung der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2010); eine entsprechende Vereinbarung für nephrologische Leistungen ist nicht getroffen worden.
c) Auch im Übrigen sind keine (Sach-)Gründe ersichtlich, die eine Vergütung nephrologischer Leistungen außerhalb der RLV-Systematik zwingend erforderlich machen.
Zwar trifft es zu, dass im Bereich der Nierenersatztherapie die Gefahr einer Leistungs- und Mengenausweitung aufgrund spezifischer Qualitätssicherungsvorgaben geringer ist als in anderen vertragsärztlichen Bereichen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 53 mwN). Das bedeutet aber nicht, dass deshalb bereits die Einbeziehung nephrologischer Leistungen in die nach § 87b Abs 2 S 1 SGB V aF "zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis" dienende RLV-Systematik gesetzlich ausgeschlossen wäre. Denn die Ausgestaltung der ab dem 1. Januar 2009 gültigen RLV-Systematik durch den BewA ist nicht auf diese Zielsetzung beschränkt. Der Benennung dieses Normzwecks im Gesetz selbst kommt kein Ausschließlichkeitscharakter in dem Sinn zu, dass allein diese Zielsetzung bei der Ausgestaltung der bundeseinheitlichen Vorgaben für die RLV verfolgt werden kann. Eine derartige Beschränkung lässt sich den gesetzlichen Vorschriften nicht entnehmen und würde im Übrigen die RLV-Systematik wegen der strengen Anforderungen an das Vorliegen einer "übermäßigen Ausdehnung" auch weitgehend funktionslos werden lassen. Entsprechend ist in der Rechtsprechung der Sozialgerichte geklärt, dass der BewA bei der Festlegung der Vorgaben für die RLV auch andere legitime Ziele verfolgen kann - wie zB die Anreize für eine Fallzahlmehrung zur Honorarsteigerung (weiter) zu mindern und dadurch die Gesamthonorarsituation zu stabilisieren sowie die Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus einer vertragsärztlichen Tätigkeit insgesamt zu verbessern (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 2 und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 29, jeweils mwN).
Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren liegt eine solche Konstellation hier auch vor: So hat die Herausnahme von Leistungen aus der RLV-Systematik (und deren Vergütung als "freie Leistungen") zumindest dazu beigetragen, dass die von den Krankenkassen seit dem 1. Januar 2009 bereitgestellten Gesamtvergütungen insgesamt nicht ausgereicht haben, um die seitdem erbrachten vertragsärztlichen Leistungen vollständig zu vergüten. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat der BewA ab dem 26. März 2010 beschlossen, bis auf wenige Ausnahmen alle vertragsärztlichen Leistungsbereiche in die RLV-Systematik mit einzubeziehen und dadurch die Honorarsituation insgesamt zu stabilisieren. Dem liegt erkennbar die Überlegung zugrunde, dass bei einer Mengensteuerung über RLV die Vergütung der "freien Leistungen" uU erhebliche Auswirkungen auf die Vergütung der in die RLV fallenden und gleichermaßen aus der begrenzten MGV abzudeckenden Leistungen hat. Je stärker - wie vorliegend bei den nephrologischen Leistungen - der auf die "freien Leistungen" entfallende Honoraranteil anwächst, desto niedriger fallen zwangsläufig die RLV der übrigen Arztgruppen aus. Die Einbeziehung der Nierenersatztherapie in die RLV-Systematik zum 1. Juli 2010 ist daher zwanglos von dem dem BewA zustehenden Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Vorgaben für die Mengensteuerung durch RLV nach § 87b Abs 4 Sätze 1 und 2 SGB V aF gedeckt.
Abgesehen davon lässt sich die Einbeziehung nephrologischer Leistungen ab dem 1. Juli 2010 in die RLV-Systematik dadurch ergänzend rechtfertigen, dass damals noch die nichtärztlichen Dialyseleistungen durch die zwingende Vorgabe in § 85 Abs 3a S 4 SGB V aF außerhalb der MGV zu vergüten gewesen sind. Da sich im Bereich der Nierenersatztherapie die Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit aber überwiegend aus der pauschalierten Erstattung von Sachkosten ergeben (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 53), kommt in der Facharztgruppe der Nephrologen der Vergütung für die ärztlichen Dialyse- und Betreuungsleistungen allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zu. Dies zeigen auch die hier streitbefangenen Honorarbescheide, wonach sich die Einnahmen der Klägerin aus vertragsärztlicher Tätigkeit in jedem der Quartale zu weit mehr als 90 vH aus einer (pauschalierten) Erstattung der durch Dialyse entstandenen Sachkosten zusammensetzen.
Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung der Klägerin anzuschließen, wonach wegen der speziellen Umstände, die für die Erbringung von Betreuungsleistungen im Rahmen einer Nierenersatztherapie bestehen (nur beschränkte Mengenausweitung möglich, dringende und gleichzeitig fortlaufende Behandlungsnotwendigkeit), eine Vergütung außerhalb der RLV zwingend erforderlich sein soll. Demgegenüber weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass nach der stRspr der Sozialgerichte sogar solche vertragsärztlichen Leistungen einer Mengensteuerung zugänglich sind, die überweisungsgebunden erfolgen und daher einer Mengenausweitung nicht zugänglich sind (vgl hierzu ua BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 63 mwN). Auch der Umfang der im Einzelfall bestehenden Behandlungsnotwendigkeit eines Patienten steht in keinem Zusammenhang damit, dass die Folgen aus der weiterhin bestehenden Begrenzung der Gesamtvergütungen möglichst gleichmäßig auf die unterschiedlichen Arztgruppen und vertragsärztlichen Leistungen zu verteilen sind. Nur so kann verhindert werden, dass sich der Anteil einzelner Arztgruppen an dem Volumen der Gesamtvergütungen trotz konstanten Behandlungsbedarfs zu Lasten der übrigen Arztgruppen verändert. Daher besteht die innere Rechtfertigung für eine mit den begrenzten Gesamtvergütungen einhergehende und möglichst umfassende Mengensteuerung (und damit der Abweichung von einer rein leistungsproportionalen Honorarverteilung) gerade darin, dass damit unabhängig von der unterschiedlichen Mengenentwicklung eine Gleichbehandlung der unterschiedlichen Arztgruppen nach Maßgabe des von ihnen sicherzustellenden medizinischen Versorgungsbedarfs gewährleistet wird (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 34). Dem entsprechen auch die Vorgaben des BewA in den Beschlüssen ab dem 26. März 2010, weil danach die RLV auf der Grundlage des tatsächlichen medizinischen Versorgungsbedarfs der Patienten in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen (unter Anknüpfung an das Abrechnungsvolumen der Ärzte aus einem früheren Zeitraum) für alle davon betroffenen Arztgruppen nach einheitlich Kriterien bemessen werden.
Dennoch hat der BewA den Gesamtvertragspartnern auf Landesebene die Möglichkeit eingeräumt, die speziellen Umstände, die aus Sicht der Klägerin gegen eine (schematisierende) Einbeziehung nephrologischer Leistungen in die RLV-Systematik sprechen, zu berücksichtigen. So sind damit verbundene, überdurchschnittliche Honorareinbußen (von mehr als 15 vH gegenüber dem Vorvorjahresquartal) über eine Härtefallregelung auszugleichen, soweit - wie vorliegend - die bisher gültigen Vorgaben zu den extrabudgetären (bzw "freien") Leistungen nicht fortgeführt werden (vgl hierzu Teil F Abschnitt 3 Nr 3.8 des Beschlusses vom 26. März 2010). Darüber hinaus hat der BewA die Gesamtvertragspartner berechtigt, Modifikationen der RLV-relevanten Arztgruppen vorzunehmen (vgl hierzu Teil F Abschnitt I Anl 2 Nr 2 des Beschlusses vom 26. März 2010) oder "zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten" ein Konvergenzverfahren zur schrittweisen Anpassung der Honorarverteilung an die neue Vergütungssystematik einzuführen (vgl hierzu Teil F Abschnitt II des Beschlusses vom 26. März 2010). Mit diesem Regelungskomplex ist den Bedenken der Klägerin gegenüber der ab dem 1. Juli 2010 gültigen Einbeziehung nephrologischer Leistungen in die RLV-Systematik bereits erkennbar ausreichend Rechnung getragen worden. Daher kann daraus auch keine Verpflichtung (mehr) hergeleitet werden, Nephrologen und/oder Dialysesachleistungen von der Einbeziehung in die RLV generell freizustellen (so im Ergebnis auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 53 zur Rechtslage bis zum 31. Dezember 2008).
4. Schließlich kann von der Klägerin nicht mit Erfolg beanstandet werden, dass die Gesamtvertragspartner auf Landesebene in dem hier streitbefangenen Zeitraum davon abgesehen haben, nephrologischen Leistungen nach dem Kapitel 13.3.6 des EBM als weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten, Modifikationen innerhalb der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zu vereinbaren oder zugunsten der Facharztgruppe eine Konvergenzphase festzulegen.
Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte ist die (inzidente) Prüfung einer Gesamtvergütungsvereinbarung (hier: in Form der Vereinbarung über die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen auf der Grundlage der regionalen Euro-Gebührenordnung mit Wirkung zum 1. Juli 2010) in einem Rechtsstreit über die Höhe des Honoraranspruchs eines Vertragsarztes nicht möglich (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 21 mwN). Das gilt zumindest insoweit, als dem Abschluss einer solchen Gesamtvergütungsvereinbarung ein Verhandlungsprozess zwischen den Vertragspartnern zugrunde gelegen hat, der nicht rechtlich voll determiniert ist. Geht es hingegen in einer Gesamtvergütungsvereinbarung um den Vollzug höherrangiger Normvorgaben, kann deren Einhaltung auch in einer Honorarstreitigkeit (inzident) überprüft werden. Entsprechend kann die Klägerin in dem hier anhängigen Verfahren nur gerichtlich klären lassen, ob die im Zusammenhang mit der neuen Vergütungssystematik zum 1. Januar 2009 eingeführten gesetzlichen Regelungen durch den BewA und dessen für die Honorarverteilung durch RLV maßgeblichen Vorgaben nach § 87b Abs 4 Sätze 1 und 2 SGB V aF durch die Gesamtvertragspartner richtig umgesetzt worden sind. Hingegen ist der eigentliche Aushandlungsprozess der Gesamtvertragspartner hinsichtlich der Höhe der Gesamtvergütungen der gerichtlichen Kontrolle auf Klagen von Vertragsärzten wie auch von einzelnen Krankenkassen entzogen. Zu beachten ist dabei, dass zu dem "gerichtsfreien" Aushandlungsprozess nicht nur die Verhandlungen über die Höhe der Gesamtvergütungen zählen, sondern auch solche über vergütungsbezogene Spielräume, die der BewA - wie vorangestellt dargelegt - den Gesamtertragspartnern in dem Beschluss vom 26. März 2010 gleich in mehrfacher Hinsicht eröffnet hat (vgl zu alledem BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2015 - B 6 KA 35/15 B - mwN).
Überträgt man diese Maßgaben auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt, unterliegt der gerichtlichen Prüfung lediglich, ob die den Gesamtvertragspartnern vom BewA in dem hier streitbefangenen Zeitraum eingeräumte Ermächtigung zur Herausnahme einzelner vertragsärztlicher Leistungen aus der RLV-Systematik oder zur Modifikation der RLV-relevanten Arztgruppen jeweils mit höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl hierzu die vorangestellten Ausführungen unter Ziffer 3.), nicht aber, ob und ggf in welcher Form die Gesamtvertragspartner davon Gebrauch gemacht haben.
Unabhängig davon ist die Entscheidung der Gesamtvertragspartner, nephrologische Leistungen nach dem Kapitel 13.3.6 des EBM ab dem 1. Juli 2010 innerhalb der RLV-Systematik zu belassen und von den vom BewA dazu eingeräumten Modifikationsmöglichkeiten keinen Gebrauch zu machen, erkennbar von deren Gestaltungsspielraum gedeckt. Zwar ist bei den im Bereich der Dialyse tätigen Nephrologen die Gefahr einer Leistungs- und Mengenausweitung deutlich geringer als bei anderen Facharztgruppen; auch können die Besonderheiten bei der Veranlassung und Ausführung von Betreuungsleistungen einer Nierenersatztherapie dafür sprechen, das Leistungsspektrum als besonders förderungswürdig anzusehen. Da sich aber - wie dargelegt - die Einnahmen im Dialysebereich hauptsächlich aus pauschalierten Sachkostenerstattungen (und regelmäßig nur in geringem Umfang aus der Vergütung für erbrachte Betreuungsleistungen) ergeben, kann den von der Klägerin hier geltend gemachten Besonderheiten insgesamt keine die Gesamtvertragspartner zur Einführung von Modifikationen verpflichtende Bedeutung zukommen (so bereits BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 53). Vor diesem Hintergrund kann aus Sicht des Senats sogar dahingestellt bleiben, ob auch die Entscheidung der Gesamtvertragspartner, bestehende Modifikationsmöglichkeiten nicht zu nutzen, als Bestandteil des "gerichtsfreien" Aushandlungsprozesses über die Höhe der Gesamtvergütung anzusehen ist.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG i.V.m. § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus der Anwendung der § 197a Abs 1 S 1 SGG i.V.m. den §§ 47 S 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).