Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 08.06.2016, Az.: L 3 KA 107/12

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
08.06.2016
Aktenzeichen
L 3 KA 107/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43052
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 18.07.2012 - AZ: S 65 KA 72/09

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Untersuchungsleistungen, die ein ermächtigter Transfusionsmediziner an Körpermaterialien von Familienangehörigen des Erkrankten erbringt, die als Spender in Betracht kommen, sind Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und als solche von der Kassenärztlichen Vereinigung zu vergüten.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 92.296 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit steht eine sachlich-rechnerische Richtigstellung des vertragsärztlichen Honorars des Klägers für die Quartale I/2004 bis II/2006.

Der Kläger ist Facharzt für Transfusionsmedizin und als Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin an der E. F. G. (H.) beschäftigt. Zugleich ist er zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Der Ermächtigungskatalog umfasste im streitgegenständlichen Zeitraum insbesondere Untersuchungen zur Gewebetypisierung sowie blutgruppenserologische Untersuchungen nach näherer Maßgabe der hierzu gefassten Beschlüsse des Zulassungsausschusses (ZA) G. vom 2. Dezember 2003 (Ermächtigungszeitraum: 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005) bzw vom 29. November 2005 (Ermächtigungszeitraum: 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2007).

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) prüfte zunächst für das Quartal III/2002 die Plausibilität der Honorarabrechnung des Klägers. Auf ihre Anforderung legte der Kläger im Verwaltungsverfahren für dieses Quartal Dokumentationen zu einzelnen Patienten vor. Nach Auswertung dieser Dokumentationen hob die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale I/2004 bis II/2006 mit Bescheid vom 16. Juni 2008 teilweise auf und forderte vergütetes Honorar für vertragsärztliche Leistungen iHv insgesamt 104.690,35 Euro zurück. Der Kläger habe Leistungen nach den Ziff 3456, 4455, 4458, 4463, 4977, 4980, 4982, 4984, 7103 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM; in der bis zum Quartal I/2005 geltenden Fassung) bzw nach den Ziff 11321, 11322, 12225, 32510, 32529, 32540, 32541, 32542, 32543, 32545, 32856, 32857 und 40100 EBM 2000plus (in der ab dem Quartal II/2005 geltenden Fassung) zu Unrecht abgerechnet. Die Auswertung der vom Kläger vorgelegten Dokumentationen hinsichtlich der Ziff 4980 EBM habe ergeben, dass in 13 von 24 Fällen HLA-Typisierungen nicht nur bei den erkrankten Patienten, sondern zusätzlich bei als Spender in Frage kommenden Familienangehörigen vorgenommen worden seien. Die Voruntersuchungen potenzieller Spender von Knochenmark würden aber weder eine ärztliche Behandlung noch eine Maßnahme zur Früherkennung darstellen und könnten auch nicht der Behandlung des erkrankten Transplantationsempfängers zugerechnet werden. Die Gesamtvergütung umfasse diese Untersuchungen nicht; demzufolge seien diese nicht über die entsprechenden EBM-Leistungen abrechnungsfähig. Die Abrechnungen des Klägers seien daher bezogen auf die Voruntersuchungen der potenziellen Spender sachlich-rechnerisch berichtigt worden; lediglich die Untersuchung des potentiellen Spendenempfängers sei zu Lasten von dessen Krankenkasse über die KÄV abzurechnen gewesen. Den dagegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. März 2009).

Am 9. März 2009 hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und dort geltend gemacht, dass die notwendige Behandlung eines erkrankten Versicherten ohne die Voruntersuchungen potentieller Knochenmarkspender unmöglich sei. Demzufolge sei auch die Untersuchung möglicher Spender aus dem Kreis der Familienangehörigen erforderlich, um die notwendige Behandlung des Versicherten überhaupt erst zu ermöglichen. Diese Voruntersuchungen seien mit einem besonderen Aufwand verbunden, der gesondert zu vergüten sei. Das habe der Bewertungsausschuss in der Leistungslegende der Ziff 32529 EBM 2000plus auch zum Ausdruck gebracht; danach sei die Leistung „je untersuchte Person“ abrechenbar.

Im Lauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit darin Leistungen nach den Ziffern 4458 EBM bzw 32529 EBM 2000plus iHv 12.394,74 Euro gekürzt und zurückgefordert worden sind; der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Mit Urteil vom 18. Juli 2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2009 aufgehoben, soweit die Beklagte kein Teilanerkenntnis abgegeben hat. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil der Kläger auch Leistungen nach den übrigen Ziffern des EBM für Untersuchungen an potentiellen Spendern habe abrechnen dürfen. Die Beklagte verkenne, dass eine Behandlung der kranken Versicherten ohne Untersuchung der potentiellen Spender nicht möglich sei. Die Untersuchung der potentiellen Spender gehöre insofern im weiteren Sinne zur Behandlung der Spendenempfänger. Dabei sei die Untersuchung potentieller Spender auf unmittelbare Angehörige beschränkt, da nur für diese aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses eine hinreichende Möglichkeit der Spendenkompatibilität bestehe. Der von der Beklagten angenommene Abrechnungsausschluss ergebe sich auch nicht aus den einzelnen hier betroffenen Gebührenordnungspositionen. Soweit danach Leistungen nur einmal im Behandlungsfall abzurechnen seien, beziehe sich der Behandlungsfall auf die untersuchte Person und nicht auf den Spendenempfänger. Ein Ausschluss der Abrechnung der streitgegenständlichen Untersuchungen ergebe sich auch nicht aus anderen Regelungen oder Vereinbarungen.

Gegen das ihr am 15. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15. November 2012 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie hält an ihrer Auffassung fest, wonach Untersuchungen an lediglich potentiellen Knochenmarkspendern nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse des Empfängers hätten abgerechnet werden dürfen. Da die Kompatibilität zum Zeitpunkt der Untersuchung eines potenziellen Spenders noch nicht feststehe, könne von einer Behandlung des Spendenempfängers zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede sein. Insofern bestehe - anders als vom SG angenommen - auch kein Unterschied zwischen verwandten und nichtverwandten potenziellen Spendern. Bei beiden Gruppen ergebe sich jeweils erst aufgrund der Untersuchungsergebnisse, ob eine Knochenmarkspende möglich ist. Im Übrigen seien die Ausführungen des SG zur Auslegung einzelner Gebührenordnungspositionen - insbesondere zum Begriff des kurativ-ambulanten Behandlungsfalls - widersprüchlich und unzutreffend.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Juli 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des SG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat den angefochtenen Bescheid zu Recht aufgehoben.

I. Eine von der Beklagten im Berufungsverfahren angeregte Beiladung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist nicht notwendig gewesen. Zwar ist eine Beiladung der Partner der Bundesmantelverträge nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) regelmäßig sachgerecht, wenn die Wirksamkeit einer Regelung des EBM in Frage steht. Denn diese Selbstverwaltungsorgane sind durch solche gerichtlichen Entscheidungen beschwert, durch die Vorschriften des EBM inzident verworfen werden (BSG, Urteil vom 29. August 2007 - B 6 KA 36/06 R, juris Rn 28 - SozR 4-2500 § 85 Nr 39 mwN). Es handelt sich dann jedoch nur um eine einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), nicht aber um eine notwendige Beiladung gem § 75 Abs 2 SGG. Vorliegend steht die Gültigkeit der maßgebenden Bestimmungen des EBM zwischen den Beteiligten gar nicht im Streit; streitig ist lediglich deren Auslegung. Dazu ist eine Beiladung der Partner der Bundesmantelverträge regelmäßig nicht veranlasst.

II. Die als Anfechtungsklage gem § 54 Abs 1 S 1 SGG statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig. Dabei unterliegt der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2009 nach Annahme des im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Teilanerkenntnisses vom 9. Mai 2012 nur noch insoweit der gerichtlichen Überprüfung, als damit eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung von Leistungen nach anderen Gebührenordnungspositionen als den Ziff 4458 EBM und 32529 EBM 2000plus vorgenommen worden ist (§ 101 Abs 2 SGG).

III. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

1. Rechtsgrundlage für die von der Beklagten vorgenommenen Honorarberichtigungen in den Quartalen I/2004 bis II/2006 ist § 106a Abs 2 S 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch(SGB V; hier anzuwenden in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003, BGBl I 2190). Danach ist die KÄV berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und die Abrechnungen nötigenfalls richtigzustellen. Die Prüfung zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen und satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R, juris Rn 17 - SozR 4-2500 § 106a Nr 12). Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung besteht auch für einen bereits erlassenen Honorarbescheid; in diesem Fall bedeutet sie im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Eine rechtmäßige Rücknahme des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Vertragsarztes aus (BSG aaO).

2. Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben kann der angefochtene Bescheid keinen Bestand haben, weil schon die Tatbestandsvoraussetzung für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nicht erfüllt ist. Der Kläger hat keine Leistungen fehlerhaft abgerechnet.

a) Der Kläger durfte Leistungen zur Untersuchung der Geeignetheit von Knochenmark bzw (Blut-)Stammzellen potentieller Spender für eine Transplantation bei Versicherten erbringen und abrechnen, soweit diese zweckmäßig und notwendig waren. Das kann im Hinblick auf die Untersuchungen naher Verwandter - insbesondere der Geschwister des jeweiligen Versicherten - im Allgemeinen ohne Weiteres angenommen werden; insoweit handelte es sich um notwendig mit der Krankenbehandlung des jeweiligen Versicherten verbundene und diese erst ermöglichende Vorleistungen, die im streitigen Zeitraum der ärztlichen Behandlung des Versicherten zuzurechnen und damit vom Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst waren.

Versicherte haben gem § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V die ärztliche Behandlung; diese ist zugleich Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung (§ 73 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V). Zur ärztlichen Behandlung gehört nach § 28 Abs 1 S 1 SGB V ua die Tätigkeit des Arztes, die zur Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Das setzt eine medizinische Tätigkeit voraus, die einen eindeutigen Krankheitsbezug hat und darauf gerichtet ist, eine Krankheit gezielt zu bekämpfen (vgl Nolte in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB V, 89. EL März 2016, § 27 Rn 55 mwN). Dabei ist allgemein anerkannt, dass die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur die ihnen aufgegebenen unmittelbaren Leistungen zur Krankheitsbekämpfung anzubieten, sondern darüber hinaus auch dafür zu sorgen haben, dass diese Leistungen im Einzelfall auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können. Insofern können zu den nach § 27 Abs 1 S 2 SGB V geschuldeten Leistungen auch akzessorische Vor- und Nebenleistungen gehören, die notwendig mit der Hauptleistung verbunden sind und diese erst ermöglichen (Nolte aaO, Rn 61 f; BeckOK SozR/Knispel SGB V, Stand 1. April 2016, § 27 Rn 33; Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 91. EL - März 2016, § 27 SGB V Rn 27; Kraftberger in: Hänlein/Kruse/Schuler, LPK-SGB V, 4. Aufl 2012, § 27 Rn 96 jeweils mwN). Um eben solche Leistungen geht es hier, denn eine als Hauptleistung notwendige Knochenmark- oder Stammzelltransplantation kann von vornherein nicht durchgeführt und der Behandlungsanspruch des Versicherten damit nicht realisiert werden, wenn nicht zuvor ein Abgleich der Kompatibilität einer möglichen Knochenmark- oder Stammzellspende mit dem Versicherten erfolgt.

Diese Rechtslage fügt sich in die noch unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) ergangene Rechtsprechung des BSG ein, nach der die im Zusammenhang mit einer Organtransplantation bei dem Organspender entstehenden Aufwendungen als Vor- und Nebenleistungen zu der dem Organempfänger zu gewährenden Krankenhilfe gehörten und deshalb von dessen Krankenkasse zu tragen waren (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1972 - 3 RK 47/70, juris Rn 15 ff - SozR Nr 54 zu § 182 RVO; Urteil vom 16. Juli 1996 - 1 RK 15/95, juris Rn 15 - SozR 3-2500 § 27 Nr 7 jeweils mwN). In diesem Zusammenhang hat das BSG auch darauf hingewiesen, dass die Organtransplantationen erhebliche Kostenprobleme aufwerfen und dies ausdrücklich auch auf die gesamte Transplantationsorganisation einschließlich der Spender- und Empfängertypisierung sowie der Organgewinnung bezogen. Dazu hat es - allerdings ohne abschließende präzise Zuordnung - ausgeführt, die insoweit anfallenden Kosten müssten jedenfalls zum Teil die Krankenversicherungsträger übernehmen (Urteil vom 16. Juli 1996 aaO, Rn 19). Nichts anderes kann im Hinblick auf die vorliegend streitigen und notwendigen Typisierungsuntersuchungen im Vorfeld einer Knochenmark- oder Stammzellspende gelten.

Diesem Ergebnis stehen für den maßgeblichen Zeitraum keine (abschließenden) gesetzlichen Bestimmungen über Untersuchungen der vorliegenden Art entgegen, die einen Rückgriff auf die in der früheren Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Grundsätze ausschließen könnten. Für Untersuchungen und Behandlungen im Bereich der Knochenmark- und Stammzellspenden bestanden in den Jahren 2004 bis 2006 keine ausdrücklichen krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften, aus denen sich eine Einschränkung des Anspruchs der Versicherten auf ärztliche Behandlung ergäbe; dasselbe gilt für die vorliegend nicht relevanten Organtransplantationen. Für Spender von Organen und Geweben zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte hat der Gesetzgeber allerdings mit Wirkung vom 1. August 2012 durch Einfügung des Abs 1a in § 27 SGB V einen eigenen Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung normiert (Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes vom 21. Juli 2012, BGBl I S 1601). Dabei hat er ausdrücklich an die Rechtsprechung des BSG zur Organspende als Teil der Krankenhilfe für den Empfänger angeknüpft (vgl BT-Drs 17/9773, S 36 f). Diese Regelungen sind mit Wirkung vom 23. Juli 2015 in Bezug auf Spender von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen sowie Spenden von Knochenmark ergänzt worden (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015, BGBl I S 1211; vgl dazu auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs 18/4095, S 73 f). Ob damit nunmehr abschließende Regelungen zum Umfang des Anspruchs auf Krankenbehandlung im Zusammenhang mit Knochenmark- und (Blut-)Stammzellspenden getroffen worden sind, die einen Ausschluss notwendiger vorangehender Untersuchungen beinhalten, ist zweifelhaft; dies bedarf im vorliegenden Verfahren aber schon deshalb keiner Entscheidung, weil diese Regelungen erst nach dem streitbefangenen Zeitraum in Kraft getreten sind und demzufolge auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden.

Die vom Senat angenommene Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung wird im Übrigen vom Wortlaut der Regelungen im EBM gestützt. So ist die Leistung nach Ziff 4458 EBM (Gewebegruppentypisierung <HLA-A, -B-, -C-, -DR-Antigene) je untersuchte Person abrechenbar. Zutreffend wird in diesem Zusammenhang in der Kommentarliteratur darauf hingewiesen, dass die Auswahl eines geeigneten Spenders für Organ- oder Knochenmark-transplantationen mitunter die Einbeziehung einer größeren Zahl verwandter oder nichtverwandter Personen in die Untersuchung auf Gewebeverträglichkeit mit dem Empfänger erfordere und die Leistung nach Ziff 4458 EBM in diesen Fällen für jede untersuchte Person einmal abgerechnet werden könne (vgl Kölner Kommentar zum EBM, 11. EL Juni 2004, Anm zu Ziff 4458). Nichts anderes kann für die inhaltsgleiche Leistung nach Ziff 32529 EBM 2000plus gelten. Da die Beklagte dies auch anerkannt hat, ist - abgesehen von der Grundpauschale und der Kostenpauschale für Versandmaterial, die jeweils nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden können (vgl dazu unten b) - nicht nachvollziehbar, warum das nicht auch für die übrigen Untersuchungsleistungen gelten sollte. Insoweit erweisen sich Argumentation und prozessuale Vorgehensweise der Beklagten als widersprüchlich. Zudem bestätigt auch die vorliegend nicht relevante Gebührenordnungsposition 4464 EBM bzw 32531 EBM 2000plus (serologische Verträglichkeitsprobe <Kreuzprobe> im Gewebe-System, je Spender), dass es zu vergütende Leistungen geben kann, die im Ergebnis die Behandlung der Krankheit nicht gefördert haben. Denn derartige Proben - um die es jeweils mit anderem Leistungsinhalt auch hier geht - müssen notwendigerweise vor der Übertragung einer Spende durchgeführt werden. Führt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass keine Verträglichkeit besteht, kann auch die Übertragung nicht vorgenommen werden. Das ändert nach der Leistungslegende der Ziff 4464 EBM bzw 32531 EBM 2000plus aber nichts am Vergütungsanspruch des Vertragsarztes.

Für diese Auslegung spricht schließlich auch der Umstand, dass Verträglichkeitsuntersuchungen der in Rede stehenden Art zu den wesentlichen Tätigkeiten eines Transfusionsmediziners zählen (vgl dazu etwa die Definition und die Inhalte der Weiterbildung zum Facharzt bzw zur Fachärztin für Transfusionsmedizin nach Abschnitt B Nr 32 der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 27. November 2004). Es ist aber nicht erklärbar, dass ein Transfusionsmediziner für diejenigen Leistungen, die für die Ausübung seiner Tätigkeit gerade typisch sind, keine Vergütung erhalten soll, obwohl die erbrachten Leistungen im EBM ausdrücklich vorgesehen sind.

Welche Maßnahmen im Einzelfall vom Krankenbehandlungsanspruch des Versicherten umfasst sind, ist unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 SGB V) zu bestimmen. Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass die betroffenen Versicherten jeweils an einer behandlungsbedürftigen Krankheit litten und dazu eine Krankenbehandlung in Form einer Transplantation von Knochenmark oder Stammzellen notwendig war. Die vor einer solchen Transplantation vom Kläger durchgeführten Untersuchungen des Knochenmarks oder der Stammzellen der potentiellen Spender aus dem Kreis der nahen Verwandten - deren Notwendigkeit zur Vorbereitung einer Transplantation die Beklagte zu Recht nicht in Frage gestellt hat - sind im vorgenannten Sinne der Krankenbehandlung des Versicherten zuzurechnen. Sie erfüllen schon für sich genommen alle Merkmale einer ärztlichen Behandlung; dabei unterliegt es keinen Zweifeln, dass es sich bei den durch Überweisung veranlassten Untersuchungen um eine medizinische Tätigkeit handelt, die der Kläger allein im Interesse des jeweiligen Versicherten zu dem Zweck vorgenommen hat, die Krankheit des Versicherten gezielt zu bekämpfen. Ein anderer Zweck ist von der Beklagten nicht dargelegt worden und auch nicht erkennbar. Insoweit haben die Untersuchungen aber auch einen eindeutigen Krankheitsbezug. An ihrer Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit fehlt es nicht aus dem Grunde, dass die medizinische Möglichkeit einer Transplantation durch die in Rede stehenden Untersuchungen erst geklärt werden sollte, mithin zum Zeitpunkt der Untersuchung noch gar nicht fest stand, ob die untersuchte Person später tatsächlich eine Knochenmarks- oder Stammzellspende erbringen würde. Das Gesetz macht die Einordnung einer zur Erreichung des Behandlungsziels geeigneten und nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführten medizinischen Maßnahme als ärztliche Behandlung auch ansonsten nicht von einem Erfolg der Maßnahme abhängig. Insofern ist maßgebend, dass mit den kompatibilitätsdiagnostischen Untersuchungen der in Betracht kommenden Spender aus dem Kreis der nahen Verwandten eine ausreichende Wahrscheinlichkeit einer Kompatibilität erwartet werden konnte, sodass sie zur Erreichung des Behandlungsziels zweckmäßig waren. Hierzu hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass in etwa 35 vH der Fälle einer notwendigen Knochenmark- oder Stammzelltransplantation ein Spender innerhalb der Familie gefunden wird. Das wird durch die Informationen des Zentralen Knochenmarkspende-Registers für die Bundesrepublik Deutschland (<ZKRD>, im Internet abrufbar unter http://www.zkrd.de/de/informationen_fuer_knochen- markspender/wo_wird_gesucht.php) bestätigt, wonach in Deutschland etwa ein Drittel der Patienten einen geeigneten Spender innerhalb der Familie findet; dabei besteht allein unter Geschwistern eine Wahrscheinlichkeit der Kompatibilität von 25 vH. Jedenfalls die Untersuchung der Geschwister war danach zweckmäßig und vom Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst.

Dafür, dass der Kläger im Einzelfall unzweckmäßige oder das Maß des Notwendigen überschreitende Untersuchungen erbracht und abgerechnet hätte, sind den Amtsermittlungen der Beklagten keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Davon könnte möglicherweise bei solchen potentiellen Spendern ausgegangen werden, bei denen aufgrund eines entfernteren Verwandtschaftsgrades nur eine fern liegende Möglichkeit der Kompatibilität bestand. Einer Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht, weil die Beklagte für die hier betroffenen Quartale überhaupt keine konkreten Ermittlungen durchgeführt hat. Sie hat allein für das Quartal III/2002 Dokumentationen beigezogen und ausgewertet; diese lassen aber keinerlei Rückschluss darauf zu, für welche Personen ab dem Quartal I/2004 Untersuchungen durchgeführt worden sind. Bei dieser Sachlage ist das Gericht nicht gehalten, praktisch ins Blaue hinein weitere Sachverhaltsermittlungen durchzuführen, deren Ergebnis erstmals eine Grundlage für eine Honorarkorrektur bieten könnte (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 33/11 R, juris Rn 26 - NZS 2012, 230). Ohnehin käme unter diesem Aspekt auch eher eine Wirtschaftlichkeitsprüfung in Betracht, für die die Beklagte aber nicht zuständig wäre (zur Abgrenzung der Verfahren im Fall der Erbringung ungeeigneter Leistungen vgl BSG, Urteil vom 5. Februar 2003 - B 6 KA 15/02 R, juris Rn 19 - SozR 4-2500 § 95 Nr 1).

b) Es sind auch keine Verstöße gegen Abrechnungsbestimmungen des EBM erkennbar.

aa) Eine fehlerhafte Abrechnung von Leistungen nach den Ziff 3456 EBM bzw 12225 EBM 2000plus (laboratoriumsmedizinische Grundpauschale) sowie 7103 EBM bzw 40100 EBM 2000plus (Kostenpauschale für Versandmaterial ua) folgt nicht daraus, dass der Kläger diese Leistungen mehrfach in demselben (kurativ-ambulanten) Behandlungsfall abgerechnet hätte. In Anbetracht der vollständig unterlassenen Ermittlungen für die betroffenen Quartale liegen schon keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen solchen Sachverhalt vor. Die Beklagte hat eine sachlich-rechnerische Richtigstellung in Bezug auf einzelne Leistungen vorgenommen. Dabei hat sie für die Quartale I/2004 bis II/2006 aber nicht ermittelt, bei welchen Versicherten und ggf mit diesen verwandten Probanden die abgerechneten und vergüteten Untersuchungen überhaupt erbracht worden sind. Damit kann aber auch nicht festgestellt werden, dass die Grund- und Kostenpauschalen für mehrere Untersuchungen eines Versicherten und dessen Verwandten in demselben Abrechnungsquartal mehrfach in Ansatz gebracht worden wären. Deshalb kommt es im Ergebnis auch nicht auf die vom SG vorgenommene Auslegung des Begriffs des (kurativ-ambulanten) Behandlungsfalls an. Gegen die Annahme des SG, der Behandlungsfall beziehe sich insoweit jeweils auf den potentiellen Spender, spricht allerdings die hierzu maßgebende Definition in § 21 Abs 1 S 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä). Danach gilt die gesamte von derselben Arztpraxis innerhalb desselben Kalendervierteljahrs an demselben Versicherten ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung jeweils als Behandlungsfall. Sind aber - wie oben unter a) dargelegt - die Untersuchungen der potentiellen Spender als notwendige Vorleistungen der ärztlichen Behandlung des Versicherten zuzurechnen, so spricht viel dafür, dass die genannten Leistungen, die auf die Behandlung desselben Versicherten zielen, nur einmal im Quartal abgerechnet werden können.

bb) Der Kläger war im Quartal II/2006 auch berechtigt, Leistungen nach den Ziff 11321 und 11322 EBM 2000plus zu erbringen und gegenüber der Beklagten abzurechnen. Zwar waren diese Gebührenordnungspositionen im Ermächtigungskatalog des seinerzeit maßgebenden Beschlusses des ZA vom 29. November 2005 nicht aufgeführt worden. Demgegenüber finden sich dort die Ziff 32856 und 32857 EBM 2000plus, deren obligatorische und fakultative Leistungsinhalte mit denjenigen der Ziff 11321 und 11322 EBM 2000plus identisch waren. Nachdem der Bewertungsausschuss (BewA) die zyto- und molekulargenetischen Leistungen des Abschnitts 32.3.13 (und damit auch die Ziff 32856 und 32857 EBM 2000plus) mit Wirkung zum 1. April 2006 gestrichen hatte, war ab dem Quartal II/2006 der Zugang zu den zyto- und molekulargenetischen Leistungen des Abschnitts 11.3 für entsprechend qualifizierte Ärzte eröffnet (vgl Beschluss vom 16. Dezember 2005, DÄBl 2006, Heft 1-2, A71, A77). Aufgrund der zeitgleich erfolgten Einfügung der Ziff 7 in die Präambel zu Kapitel 12.1 waren danach die Leistungen des Abschnitts 11.3 - also auch die GOPen 11321 und 11322 EBM 2000plus - auch von Fachärzten für Transfusionsmedizin (Präambel zu Kapitel 12.1, Ziff 1 3. Spiegelstrich) berechnungsfähig. Hiervon ausgehend hat auch die Beklagte den Kläger für grundsätzlich berechtigt gehalten, Leistungen nach diesen Ziff abzurechnen.

cc) Hinsichtlich der Leistungen nach den Ziff 3456, 4455, 4458, 4463, 4977, 4980, 4982, 4984 und 7103 EBM bzw 11321, 11322, 12225, 32510, 32529, 32540, 32541, 32542, 32543, 32545, 32856, 32857 und 40100 EBM 2000plus liegen (auch im Übrigen) keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die nach der jeweiligen Leistungslegende erforderlichen Abrechnungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben könnten. Dazu hat die Beklagte weder in der Begründung der angefochtenen Bescheide noch im gerichtlichen Verfahren nähere Ausführungen gemacht, und insoweit liegen auch keine hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen des Senats vor.

c) Ein Ausschluss der Abrechnung der im Streit stehenden Leistungen ergibt sich auch nicht aus der Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 (vom 13. Oktober 2003, BGBl I, S 1995) bzw den Vereinbarungen zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für die Jahre 2005 und 2006 (abrufbar unter http://www.g-drg.de/cms/Archiv). Die dortigen Regelungen - insbesondere zur gesonderten Abrechenbarkeit von Voruntersuchungen nach § 8 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c Transplantationsgesetz (TPG) - finden schon deshalb keine Anwendung, weil es vorliegend nicht um Krankenhausleistungen, sondern um Leistungen im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung geht. Zudem hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass das TPG nicht für Blut und Knochenmark gilt (§ 1 Abs 2 TPG idF vom 5. November 1997, BGBl I 2631).

d) Ein anderes Ergebnis lässt sich schließlich nicht aus der zwischen dem Zentralen Knochenmarkspender-Register (ZKRD), den Spenderdateien führenden Gesellschaften und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten Vergütungsregelung (Anl 4 der GKV-Vereinbarung, im Folgenden: Vergütungsregelung) herleiten. Gegenstand dieser Vereinbarung ist die Vergütung von Testungen und sonstigen Leistungen im Rahmen der Suche nach einem nicht verwandten Blutstammzellspender (Präambel Abs 1 der Vergütungsregelung). Im vorliegenden Rechtsstreit geht es jedoch um solche Leistungen, die der Kläger im Rahmen der Suche nach einem verwandten Spender erbracht hat. Insofern spricht allerdings auch der Umstand, dass die Krankenkassen durch die Regelungen in § 4 der Vergütungsvereinbarung verpflichtet worden sind, bei der Einleitung der - weniger Erfolg versprechenden - Suche nach einem nicht verwandten Blutstammzellspender für jeden in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Patienten eine Vergütungspauschale (iHv 7.630 Euro) zu zahlen, für das vom Senat gefundene Ergebnis, dass die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Spenderkompatibilität verbundenen Untersuchungen verwandter Spender vom Versicherungsschutz umfasst sind.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 52 Abs 3 S 1, 47 Abs 1 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Maßgebend ist insoweit die nach Abgabe des Teilanerkenntnisses in erster Instanz verbleibende Honorarrückforderung.