Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.09.2018, Az.: L 3 KA 32/16

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.09.2018
Aktenzeichen
L 3 KA 32/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74539
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 24.02.2016 - AZ: S 65 KA 559/11

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, dass vertragsärztliche Leistungen im Zusammenhang mit Empfängnisregelung und Schwangerschaftsabbruch seit dem 3. Quartal 2010 innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet worden sind.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 24. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.761 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des vertragsärztlichen Honorars für Leistungen im Zusammenhang mit Empfängnisregelung und Schwangerschaftsabbruch.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in E. niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie erbringt in erheblichem Umfang Leistungen zur Empfängnisregelung (in den hier streitigen Quartalen III und IV/2010 vor allem nach den Gebührenordnungspositionen <GOPen> 01822, 01825 und 01827 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen <EBM>) und in geringerem Umfang Leistungen im Vorfeld möglicher Schwangerschaftsabbrüche (insbesondere GOPen 01900 und 01902 EBM). Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) berechnete die darauf entfallenden Honorare als Bestandteil des Regelleistungsvolumens (RLV), was zur Folge hatte, dass nur 63,67 % der Leistungen im 3. Quartal und 63,75 % der Leistungen im 4. Quartal des Jahres 2010 zu vollen Eurobeträgen, die darüber hinausgehenden Leistungen hingegen abgestaffelt (mit Quoten von 7,02 % bzw 7,46 %) vergütet wurden. Insgesamt wurden der Klägerin im Quartal III/2010 31.395,36 Euro und im Quartal IV/2010 34.448,12 Euro ausgezahlt.

Mit ihren hiergegen gerichteten Widersprüchen machte die Klägerin geltend, die Leistungen der EBM-Unterkapitel 1.7.5 (Empfängnisregelung), 1.7.6 (Sterilisation) und 1.7.7 (Schwangerschaftsabbruch; im Folgenden zusammenfassend als „sonstige Hilfen“ bezeichnet) müssten wie bisher unbudgetiert als „freie Leistungen“ vergütet werden. Denn sie seien besonders förderungswürdig und müssten deshalb außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) bzw des RLV honoriert werden.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2011 zurück. Ab dem Quartal III/2010 seien verschiedene Leistungen, die bisher außerhalb des RLV vergütet worden seien, zur Stabilisierung des Fallwerts und einer homogenen Vergütung für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte in das RLV hineingenommen worden. Die in Rede stehenden Leistungen gehörten nicht zu extrabudgetären oder besonders förderungswürdigen Leistungen, die von den Partnern der Gesamtverträge außerhalb der RLV oder der qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) vergütet werden könnten.

Hiergegen hat die Klägerin am 13. Oktober 2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der sie weiterhin geltend gemacht hat, die „sonstigen Hilfen“ müssten außerhalb der MGV oder zumindest der RLV vergütet werden. Die Einbeziehung dieser Leistungen in das RLV seit dem 3. Quartal 2010 habe zB im 3. Quartal zu einer Reduzierung des Fallwerts von 17,75 Euro (2009) auf 15,06 Euro (2010) geführt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte zB Substitutionsleistungen, diverse Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen, strahlentherapeutische Leistungen und Leistungen der künstlichen Befruchtung als besonders förderungswürdige Leistungen eingestuft habe, die Leistungen der EBM-Kapitel 1.7.5 bis 1.7.7 dagegen nicht. Dies gelte vor allem deshalb, weil die Regelungen über die Empfängnisverhütung sowie über Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation (§§ 24a und 24b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch <SGB V>) in das SGB V aufgenommen worden seien, um dem Rechtsanspruch auf Beratung und Aufklärung der Betroffenen und der Schutzpflicht des Gesetzgebers für das ungeborene Leben gemäß der Rspr des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nachzukommen. Dementsprechend bestehe in Deutschland ein Konsens, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche weitestgehend zu reduzieren. Aufgrund der mangelnden Steuerungsfähigkeit dieser Leistungen könne durch deren Eingliederung in das RLV praktisch keine Mengenreduzierung durch die Fachgruppe der Frauenärzte eintreten. Dem besonderen Status der „sonstigen Hilfen“ werde auch durch den Standort der Leistungen im EBM und ihre besondere Verbuchung im Rahmen der Gesamtvergütung Rechnung getragen. Ihre Sonderstellung ergebe sich weiterhin daraus, dass die Leistungen durch Zahlungen des Bundes nach § 221 SGB V bezuschusst würden. Vorzugswürdig sei eine extrabudgetäre Vergütung, weil eine Honorierung der „sonstigen Hilfen“ außerhalb der RLV, aber innerhalb der MGV letztlich zu einer Schmälerung des RLV-Fallwerts führen würde.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2016 abgewiesen. Die Beklagte habe die „sonstigen Hilfen“ zutreffend weder außerhalb des RLV noch außerhalb der MGV unbudgetiert vergütet und dabei die Vorgaben des Bewertungsausschusses (BewA) zutreffend umgesetzt. Dabei habe dem BewA ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden, der auch durch den besonderen sozial- und gesellschaftspolitischen Stellenwert der fraglichen Leistungen nicht eingeschränkt werde, zumal jeder Arzt ethisch und berufsrechtlich verpflichtet sei, sich für die Erhaltung des menschlichen Lebens einzusetzen. Die Klägerin habe weiterhin keinen Anspruch auf Schutz ihres Vertrauens darauf, dass die streitigen Leistungen weiterhin außerhalb des RLV zu berücksichtigen seien. Auch soweit der BewA den Partnern der Gesamtverträge die Möglichkeit eingeräumt habe, besonders förderungswürdige Leistungen außerhalb der RLV und QZV zu vergüten, hätten die Vertragspartner ihre Ermächtigung in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Schließlich ergebe sich auch aus den §§ 24a und 24b SGB V keine Verpflichtung, die genannten Regelungen außerhalb des RLV zu vergüten.

Gegen das ihr am 14. März 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. April 2016 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie hält an ihrem bisherigen Vorbringen fest und sieht Indizien für eine willkürliche Entscheidung der Partner der Gesamtverträge. Der mit der Einbeziehung der „sonstigen Hilfen“ in das RLV verfolgte Zweck, den RLV-Fallwert zu stabilisieren, sei letztlich auch nicht eingetreten. Vielmehr lasse sich im Durchschnitt weiterhin eine Tendenz sinkender Honorare im Vergleich zu den Vorjahresquartalen feststellen, wobei die Fachgruppe der Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe besonders betroffen sei.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 24. Februar 2016 aufzuheben,

2. die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale III und IV/2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2011 abzuändern und

3. die Beklagte zu verurteilen, sie mit der Maßgabe neu zu bescheiden, dass Leistungen nach den EBM-Abschnitten 1.7.5 und 1.7.7 außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, hilfsweise: außerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Gesamtvertragspartner im Rahmen des ihnen aufgetragenen Interessenausgleichs von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen oder dass sie ihren Gestaltungsspielraum überschritten hätten. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass Gynäkologen, die „sonstige Hilfen“ abrechnen, gegenüber anderen Arztgruppen bewusst benachteiligt worden seien, zumal sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung bestünden. Wenn die Klägerin aus nachträglicher Sicht bezweifle, dass die Neustrukturierung des RLV als Steuerungsmaßnahme zur Zweckerreichung geeignet sei, könne dies für die ex ante zu prüfende Rechtmäßigkeit der Abwägung des Normgebers nicht von Relevanz sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage vom 13. Oktober 2011 zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage (§ 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 131 Abs 3 SGG analog) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale III und IV/2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2011 sind nicht zu beanstanden.

2. Gesetzliche Grundlage der von der Beklagten vorzunehmenden Honorarverteilung für das Jahr 2010 ist § 87b SGB V (idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ˂GKV-WSG˃ vom 26. März 2007 <BGBl I 378>; aF), nach dessen Abs 1 S 1 die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnungen nach § 87a Abs 2 SGB V aF (idF des GKV-WSG) vergütet werden. Dabei hat die Honorarverteilung grundsätzlich aus der an die KÄV zur Abgeltung der gesamten vertragsärztlichen Versorgung gezahlten Gesamtvergütung zu erfolgen, deren Höhe zwischen KÄV und den Landesverbänden der Krankenkassen bzw den Verbänden der Ersatzkassen in den Gesamtverträgen vereinbart wird (§ 83 S 1, § 85 Abs 1 und Abs 2 S 1, Abs 4 S 1 SGB V). Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis sind dabei nach § 87b Abs 2 S 1 SGB V aF arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen, innerhalb der die vertragsärztlichen Leistungen im Grundsatz mit den in der Euro-Gebührenordnung enthaltenen Preisen vergütet werden (§ 87b Abs 2 S 2 SGB V aF), während die das RLV überschreitende Leistungsmenge gemäß § 87b Abs 2 S 3 SGB V aF mit abgestaffelten Preisen vergütet wird. Das Verfahren zur Berechnung der RLV sowie die Vorgaben zur Umsetzung von Vorschriften, die ausnahmsweise eine Vergütung außerhalb der RLV ermöglichen (§ 87b Abs 2 S 6 und 7 SGB V), werden vom BewA (§ 87 Abs 3 SGB V) bestimmt.

Auf dieser Grundlage hat der BewA in Teil F seines Beschlusses vom 26. März 2010 mit Wirkung vom 1. Juli 2010 Maßgaben für die RLV-Festsetzung bestimmt. Diese sind von der Beklagten mittels der „Vereinbarung zur Umsetzung der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2010“ (NVV-Vereinbarung 2010) umgesetzt worden. Diese Vereinbarung ist zwischen der Beklagten und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen abgeschlossen worden und deshalb ein Gesamtvertrag iSv § 83 S 1 SGB V, der auch maßgeblich für die Bestimmung der für dieses Jahr zu zahlenden MGV ist (vgl hierzu insbes Anl 3 NVV-Vereinbarung 2010).

Bei ihrer Honorarverteilung hat die Beklagte die hier strittigen „sonstigen Hilfen“ in den Quartalen III und IV/2010 aus der Gesamtvergütung honoriert, die ihr für diese Quartale von den Krankenkassen zugeteilt worden ist. Eine außerhalb der MGV (extrabudgetär) zu zahlende Vergütung hierfür haben die Vertragspartner in der NVV-Vereinbarung 2010 nicht vereinbart.

Die Honorare für die „sonstigen Hilfen“ sind sodann unter Berücksichtigung der Mengenbegrenzung des RLV honoriert worden. Grundlegend hierfür war zunächst, dass Fachärzte für Frauenheilkunde zu den Arztgruppen gehören, für die gemäß Teil F Nr I.2.1 des BewA-Beschlusses vom 26. März 2010 iVm der dazugehörigen Anl 2 Nr 4 RLV eingerichtet worden sind und dass weiterhin die „sonstigen Hilfen“ nicht zu den Leistungsbereichen gehören, die nach Teil F Nr I.2.2 des Beschlusses vom 26. März 2010 aus dem RLV ausgenommen sind. Hierunter fallen - neben den Leistungen, die ohnehin nicht aus der Gesamtvergütung bezahlt werden - zunächst Leistungen nach Teil B Nr 1.3 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 2. September 2009. Dies sind zum einen Leistungen nach Teil A Nr 2.3 Ziff 2 des Beschlusses vom 2. September 2009 iVm Teil A Nr 1.2 des EBewA-Beschlusses vom 27./28. August 2008 - insbesondere belegärztliche Leistungen, Früherkennungs- bzw Präventionsleistungen nach den EBM-Abschnitten 1.7.1 bis 1.7.4 und Leistungen der künstlichen Befruchtung - und zum anderen Substitutionsbehandlungen. Außerdem sind nach Nr 2.1 in Teil B des Beschlusses des EBewA vom 2. September 2009 Kostenpauschalen bei Dialyseleistungen außerhalb der RLV zu vergüten.

Die „sonstigen Hilfen“ gehören auch nicht zu den Leistungen, die aufgrund von Teil F Nr 2.3 des BewA-Beschlusses vom 26. März 2010 außerhalb des RLV zu vergüten sind. Nach dieser Vorschrift können die Partner der Gesamtverträge vereinbaren, dass besonders förderungswürdige Leistungen außerhalb der RLV und QZV vergütet werden. In Niedersachsen haben die Gesamtvertragspartner hiervon in Teil A Nr 9 der NVV-Vereinbarung 2010 Gebrauch gemacht, dabei aber nur bestimmte belegärztliche Leistungen bzw Leistungen auf Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen aus dem RLV ausgenommen.

3. Die gegen diese Honorarverteilung gerichteten Einwände der Klägerin sind unbegründet.

a) Ihr steht kein Anspruch darauf zu, dass die von ihr erbrachten „sonstigen Hilfen“ außerhalb der MGV honoriert werden.

aa) Welche Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung zu vergüten sind, bestimmt sich nach § 87a Abs 3 S 5 SGB V (aF). Nach dessen Halbs 1 sind zunächst vertragsärztliche Leistungen bei der Substitutionsbehandlung der Drogenabhängigkeit gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss außerhalb der MGV mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Nach Halbs 2 können außerdem die Vertragspartner in den Vereinbarungen, in denen die MGV festgesetzt wird, regeln, dass weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der MGV mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist.

Eine gesetzliche Grundlage dafür, dass der (E)BewA den Partnern der Gesamtverträge Vorgaben dafür macht, welche Leistungen iSd § 87a Abs 3 S 5 Halbs 2 SGB V besonders gefördert werden sollen oder aus anderen Gründen außerhalb der MGV vergütet werden, hat im Jahr 2010 nicht bestanden (Bundessozialgericht <BSG> SozR 4-2500 § 87 Nr 26; Urteil vom 29. November 2017 - B 6 KA 41/16 R - juris; Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Juni 2018, § 87 Rn 72). Erst seit 2012 sieht § 87a Abs 5 S 1 Nr 3 SGB V (idF des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes <GKV-VStG> vom 22. Dezember 2011 <BGBl I 2983>) vor, dass der BewA Empfehlungen zur Bestimmung von Vergütungen nach § 87a Abs 3 S 5 SGB V beschließt. Gleichwohl hat der EBewA unter Nr 1.3 im Teil B seines Beschlusses vom 2. September 2009 geregelt, dass bestimmte Leistungen außerhalb der MGV zu vergüten sind, darunter die soeben unter 2. angeführten Leistungen nach Teil A Nr 2.3 Ziff 2 des Beschlusses vom 2. September 2009. Die Gesamtvertragspartner haben diese Regelungen ausweislich der Ausführungen unter Teil A 1. (Allgemeines) der NVV-Vereinbarung 2010 übernommen und damit zum Inhalt des Gesamtvertrags für 2010 gemacht.

bb) Die Entscheidung der Gesamtvertragspartner, im Gesamtvertrag für 2010 eine extrabudgetäre Vergütung nur für die unter Teil B Nr 1.3 des EBewA-Beschlusses vom 2. September 2009 genannten Leistungen, nicht aber auch für „sonstige Hilfen“ zu vereinbaren, kann gerichtlich nicht beanstandet werden. Dies folgt schon daraus, dass nach der Rspr des BSG (Urteil vom 27. April 2005 - B 6 KA 23/04 R - juris; SozR 4-2500 § 85 Nr 21) die inzidente Prüfung einer Gesamtvergütungsvereinbarung in einem Rechtsstreit über den Honoraranspruch eines Vertragsarztes grundsätzlich ausgeschlossen ist. Grund hierfür ist, dass es sich bei der Vereinbarung und Anpassung der Gesamtvergütung nicht um einen normativen, sondern um einen obligatorischen Bestandteil des Gesamtvertrages handelt, der - abgesehen von einer Erstreckung auf die einzelnen Krankenkassen - lediglich Rechte und Pflichten zwischen den Vertragspartnern begründet und sich ansonsten für Dritte - also auch für Vertragsärzte - allenfalls mittelbar bzw faktisch auswirkt (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 21). Die Überprüfung der Gesamtvergütungsvereinbarungen auf Rechtsverstöße erfolgt vielmehr in einem objektivierten, nicht von der Geltendmachung subjektiver Rechtsverletzungen abhängigen Verfahren durch die zuständige Aufsichtsbehörde (BSG aaO; SozR 4-2500 § 83 Nr 5).

Dies gilt zwar nur, soweit dem Vertragsabschluss ein Verhandlungsprozess zwischen den Vertragspartnern zugrunde liegt, der nicht rechtlich voll determiniert ist. Soweit die Gesamtverträge lediglich Normen vollziehen, ist dagegen gerichtlich zu überprüfen, ob der zuständige Normgeber die ihn verpflichtenden höherrangigen Normen beachtet hat (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 5). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn ein Normbefehl, bei Vorliegen bestimmter Umstände eine konkrete Regelung gesamtvertraglich zu vereinbaren, oder zwingende inhaltliche Vorgaben für die Gesamtverträge ergeben sich aus § 87a Abs 3 S 5 Halbs 2 SGB V aF nicht. Der Abschluss einer Vereinbarung über extrabudgetäre Vergütungen ist vielmehr fakultativ, also den regionalen Vertragspartnern freigestellt (Engelhard aaO, § 87a Rn 69). Den Gesamtvertragsparteien steht hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum zu (Sproll in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand: März 2018, § 87a SGB V Rn 24; vgl hierzu auch BSG, Urteil vom 29. November 2017 - B 6 KA 41/16 R - SozR 4-2500 § 115b Nr 8), was beinhaltet, dass die KÄV und die Krankenkassen frei aushandeln können, ob zB bestimmte Leistungen besonders gefördert und ob diese Leistungen zur Erreichung dieses Zwecks außerhalb der MGV vergütet werden sollen. Vor dem Hintergrund seiner oa stRspr hat das BSG dementsprechend in seiner Entscheidung von 29. November 2017 (aaO) auch die Entscheidung der Gesamtvertragspartner nicht überprüft, ambulante Operationsleistungen nicht extrabudgetär zu honorieren.

Ob das Verhandlungsergebnis der Gesamtvertragsparteien in besonderen Ausnahmefällen im Hinblick auf Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) gerichtlich darauf geprüft werden kann, ob es sachlich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar und damit willkürlich ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn die Entscheidung, „sonstige Hilfen“ nicht wie andere Leistungen - zB solche der Prävention - außerhalb der MGV zu vergüten, ist auch sachlich nicht zu beanstanden, wie unter b) auszuführen sein wird.

cc) In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, der BewA habe vorgegeben, dass die zum 1. Juli 2010 neu in den EBM aufgenommene GOP 01833 außerhalb der MGV vergütet werden soll. Wie soeben dargelegt, ist bereits zweifelhaft, ob hierfür im Jahr 2010 eine Rechtsgrundlage bestand. Im Schrifttum (Hamdorf in: Hauck/Noftz aaO, § 87 Rn 229 c) wird als gesetzliche Grundlage für derartige Vorschriften ebenfalls nur die - erst seit 2012 geltende - Regelung in § 87a Abs 3 S 5 Halbs 2 SGB V gesehen. Unabhängig hiervon ist der Grund für die extrabudgetäre Vergütung dieser GOP auch allein darin zu sehen, dass neu in den EBM aufgenommene Leistungen üblicherweise einer zweijährigen Erprobung unterworfen werden, während der sie (noch) nicht aus der MGV vergütet werden (Hamdorf aaO). Dies hat mit der vorliegenden Problematik eines evtl bestehenden besonderen Förderungsbedarfs etablierter Leistungen des EBM aber nichts zu tun.

b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die „sonstigen Hilfen“ in den Quartalen III und IV/2010 entgegen den unter 2. angeführten Vorgaben des BewA außerhalb des RLV zu vergüten sind. Denn diese Vorgaben stehen mit höherrangigem Recht in Übereinstimmung.

aa) Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 87b Abs 2 S 7 SGB V aF, wonach - neben den in § 87b Abs 2 S 6 SGB V aufgeführten antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen - weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden können, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist. Die Vorgaben hierzu bestimmt gemäß § 87b Abs 4 S 2 SGB V aF der BewA. Die Parteien der regionalen Honorarvereinbarungen sind hieran gebunden (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58; SozR 4-2500 § 87b Nr 8). Wenn der BewA in Teil F Nr I.2.2 seines Beschlusses vom 26. März 2010 im Ergebnis bestimmt hat, dass Leistungen nach den EBM-Abschnitten 1.7.5 bis 1.7.7 nicht außerhalb des RLV zu vergüten sind, hat er demzufolge von seiner Ermächtigung zur Festlegung von Vorgaben iSv § 87b Abs 2 S 7 SGB V aF Gebrauch gemacht.

Dabei kann mit der Klägerin zwar davon ausgegangen werden, dass es sich bei den „sonstigen Hilfen“ grundsätzlich um förderungswürdige Leistungen im Sinne von § 87b Abs 2 S 7 SGB V aF handeln kann. Dafür spricht, dass der BewA diese Leistungen noch bis zum 2. Quartal 2010 aus dem RLV herausgenommen hatte - vgl seinen Beschluss vom 22. September 2009, Teil F Nr I.2.2 iVm Anl 2 Nr 2 Buchst b - und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sich die sachliche Bedeutung dieser Leistungen für die Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten im Laufe des Jahres 2010 wesentlich verändert hat.

Daraus folgt jedoch keine Verpflichtung des BewA, auch weiterhin die Honorierung der sonstigen Hilfen als sog „freie Leistungen“ vorzusehen. Denn auch bei Annahme der Förderungswürdigkeit eines Leistungskomplexes steht dem BewA ein Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung zu, ob er diese Leistungen außerhalb des RLV vergütet oder es bei der Einbeziehung in das RLV belässt. Dies ergibt sich schon aus der Formulierung in § 87b Abs 2 S 7 SGB V aF, wonach vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden „können“, wenn sie (ua) besonders gefördert werden sollen. Angesichts dieses auch in der Rspr des BSG (SozR 4-2500 § 85 Nr 53 und Nr 57; SozR 4-2500 § 87b Nr 8 und SozR 4-2500 § 85 Nr 87) hervorgehobenen Gestaltungsspielraums sind deshalb entsprechende Entscheidungen des BewA, förderungswürdige Leistungen außerhalb des RLV zu vergüten, ebenso rechtmäßig wie Beschlüsse, diese im RLV zu belassen. Dementsprechend war es zB von Gerichts wegen auch nicht zu beanstanden, dass Dialyseleistungen bis zum Quartal II/2010 (zB nach der Tabelle zur Nr III.4.1 des Beschlusses des BewA vom 29. Oktober 2004) außerhalb des RLV zu vergüten waren (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 53), ab dem Quartal III/2010 (gemäß dem Beschluss des BewA vom 26. März 2010 Teil F Nr I.2.2) aber nicht mehr (Senatsurteil vom 8. Juni 2016 - L 3 KA 12/14 - juris - und BSG-Beschluss vom 12. Januar 2017 - B 6 KA 68/16 B - juris -, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Senatsentscheidung zurückgewiesen worden ist).

Grenzen findet die Gestaltungsfreiheit des BewA allerdings im Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art 3 Abs 1 GG (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 8; SozR 4-2500 § 85 Nr 53 und Nr 57). Der Ausschuss darf also nicht willkürlich einige Arztgruppen oder Leistungen einbeziehen und andere unberücksichtigt lassen. Vielmehr sind Ungleichbehandlungen nur insoweit zulässig, als sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 53). Im vorliegenden Fall ist deshalb zu untersuchen, ob Besonderheiten der „sonstigen Hilfen“ von so großem Gewicht sind, dass der BewA trotz der ihm insoweit zustehenden Gestaltungsfreiheit verpflichtet gewesen ist, auch ab dem 3. Quartal 2010 von einer Einbeziehung in die RLV abzusehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 53; Beschluss vom 12. Januar 2017 - B 6 KA 68/16 B - juris).

bb) Dies ist aber nicht der Fall. Zwingende Sachgründe, die (weiterhin) die Herausnahme der „sonstigen Hilfen“ aus dem RLV geboten hätten, liegen nicht vor.

(1) Kein zwingender Grund dafür, die „sonstigen Hilfen“ weiterhin als „freie Leistungen“ zu vergüten, ist der von der Klägerin hervorgehobene Umstand, dass die in den §§ 24a (Empfängnisverhütung) und 24b SGB V (Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation) gesetzlich geregelten Maßnahmen Bestandteil eines auf Beratung und Aufklärung der betroffenen Frauen gerichteten Schutzkonzepts ist, das vom BVerfG (E 88, 203 ff) entwickelt worden ist. Zutreffend ist insoweit, dass das BVerfG (aaO) das ungeborene Leben unter den Schutz der Art 1 Abs 1 und 2 Abs 2 GG gestellt und deshalb den Staat dazu verpflichtet hat, eine Pflichtberatung der Frau vorzusehen, die darauf gerichtet ist, zum Austragen des Kindes zu ermutigen. Dabei muss die Beratung nach Inhalt, Durchführung und Organisation geeignet sein, der Frau die Einsichten und Informationen zu vermitteln, deren sie für eine verantwortliche Entscheidung über die Fortsetzung oder den Abbruch der Schwangerschaft bedarf (BVerfG aaO, S 270). Zur organisatorischen Umsetzung des Beratungskonzepts hat das BVerfG den Staat zwar verpflichtet, ein angemessenes Beratungsangebot sicherzustellen (aaO, S 286). Anhaltspunkte dafür, dass hierzu auch ein bestimmtes Honorarniveau in den Beratungsprozess einbezogener (Vertrags)ärzte erforderlich sein soll, sind der Entscheidung aber nicht zu entnehmen.

Dagegen spricht schon, dass die erforderliche Beratung von vornherein keine originär ärztliche Leistung ist, sondern in erster Linie durch staatliche, kommunale oder private Träger erbracht werden kann (BVerfG aaO, S 287). Dem entspricht, dass der Gesetzgeber in den §§ 2 f und 5 ff des anschließend ergangenen Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) vorgesehen hat, dass die Länder zur Sicherstellung einer ausreichenden Aufklärung (ua) über Empfängnisverhütung und Schwangerschaftskonfliktberatung verpflichtet sind, ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen. Demzufolge wird ein Großteil der sog Sozialberatung nach § 219 Strafgesetzbuch (StGB) von Einrichtungen wie der Arbeiterwohlfahrt, dem Deutschen Roten Kreuz, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband oder „Pro Familia“ erbracht. Der beratenden Tätigkeit der Vertragsärzte als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach den §§ 24a und 24b SGB V kommt demgegenüber in erster Linie dann eigenständige Bedeutung zu, wenn sie medizinische Aspekte bei der Empfängnisverhütungs- und Schwangerschaftskonfliktberatung einbezieht und hierzu uU ärztliche Untersuchungen erforderlich sind, wie die von der Klägerin vor allem abgerechneten GOPen 01822 (Beratung ggf einschließlich Untersuchung im Rahmen der Empfängnisregelung) und 01827 (mikroskopische Untersuchung des Nativabstrichs des Scheidensekrets im Rahmen der Empfängnisregelung) sowie die - von ihr nur selten abgerechneten - GOPen 01900 (Beratung über die Erhaltung einer Schwangerschaft und über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte bei einem Schwangerschaftsabbruch) und 01902 (Ultraschalluntersuchung zur Feststellung des Schwangerschaftsalters vor einem geplanten Schwangerschaftsabbruch) zeigen. Eine zentrale Bedeutung gerade der vertragsärztlichen Leistungen zur Verwirklichung des genannten Schutzkonzepts kann vor diesem Hintergrund nicht gesehen werden. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die beratenden Leistungen innerhalb des EBM-Abschnitts 1.7.7 (Schwangerschaftsabbruch) ohnehin nur untergeordnete Bedeutung haben; die meisten und die bei weitem am höchsten bewerteten Leistungen sind solche zur Durchführung sowie Vor- und Nachsorge des Abbruchs.

Soweit die grundlegende Entscheidung des BVerfG vom 28. Mai 1993 (aaO, S 289 ff) die (auch) beratende Tätigkeit der Ärzte im Vorfeld eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs anspricht, betont sie im Übrigen die ethischen und berufsrechtlichen Verpflichtungen der Ärzte. Danach schuldet der Arzt der Frau Rat und Hilfe (BVerfG aaO, S 289) und ist bereits durch Berufsethos und Berufsrecht darauf verpflichtet, sich grundsätzlich für die Erhaltung menschlichen Lebens, auch des ungeborenen, einzusetzen (aaO, S 289). Detailliert behandelt die Entscheidung des BVerfG dabei die rechtliche Regelung der Pflichten des Arztes bei einem Schwangerschaftsabbruch, wonach ua die allgemeinen Pflichten der Ärzte zur Erhebung eines Befundes, zur Aufklärung und Beratung des Patienten sowie zur Dokumentation den Besonderheiten des Schwangerschaftsabbruchs nach dem Beratungskonzept anzupassen sind (aaO, S 289 ff). Den in diesem Zusammenhang in der Entscheidung vom 28. Mai 1993 (aaO) im Einzelnen aufgeführten Vorgaben ärztlichen Handelns ist insgesamt zu entnehmen, dass das BVerfG als selbstverständlich davon ausgeht, dass die Ärzte sich (auch) bei ihrer beratenden Tätigkeit im Zusammenhang mit möglichen Schwangerschaftsabbrüchen von den ethischen und rechtlichen Pflichten ihres Berufsstands leiten lassen, ohne dass dies von einer Honorargarantie oder             -abdeckung in bestimmter Höhe abhängig wäre. Rechtliche Vorgaben, die für die Honorierung entsprechender vertragsärztlicher Leistungen außerhalb des RLV sprechen könnten, können dem daher nicht entnommen werden.

(2) Zu Unrecht macht die Klägerin auch eine ihrer Ansicht nach nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung geltend, weil der BewA nach Teil F Nr I.2.2 des Beschlusses vom 26. März 2010 iVm Teil B Nr 1.3 des Beschlusses des EBewA vom 2. September 2009 iVm Teil A Nr 2.3 Ziff 2 sowie Teil A Nr 1.2 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 Präventionsleistungen nach dem EBM-Abschnitten 1.7.1 bis 1.7.4 als „freie Leistungen“ vorsieht, nicht aber die vorliegenden Leistungen nach den Abschnitten 1.7.5 bis 1.7.7. Eine unterschiedliche Behandlung beider Komplexe ist schon dadurch gerechtfertigt, dass der Früherkennung von Krankheiten bei Kindern und Erwachsenen (einschließlich der Früherkennung von Brustkrebs) und der Mutterschaftsvorsorge weitaus größere Bedeutung als die „sonstiger Hilfen“ zugemessen werden kann, weil die erstgenannten Leistungen dem Zweck dienen, die Folgen schwerer Erkrankungen bzw Komplikationen und daraus erwachsende erhebliche Kosten für die GKV zu reduzieren. Im Vergleich dazu betrifft die Vermeidung ungewollter Schwangerschaften bzw übereilter Schwangerschaftsabbrüche einen geringer einzuschätzenden Kostenaufwand, zumal die Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs selbst nach § 24b Abs 3 und 4 SGB V - mit Ausnahme der relativ seltenen Schwangerschaftsabbrüche in den Indikationsfällen des § 218a Abs 2 und 3 StGB - keine Leistung der GKV ist. Hinzu kommt, dass die von den §§ 24a und 24b SGB V erfassten Tatbestände einen geringeren Bezug zur Behandlung von Krankheiten - als dem Kern der Aufgaben der GKV - aufweisen als die Vorsorgeleistungen nach § 25 SGB V, weil die normale Empfängnis und Schwangerschaft, auf die mit den Maßnahmen der §§ 24a, 24b SGB V eingewirkt wird, keine regelwidrigen Vorgänge im Leben einer gesunden Frau sind (Nolte in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: Mai 2018, § 24a SGB V Rn 4 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 182 Nr 9). Schließlich ist die Leistungshäufigkeit bei Früherkennungs- und Vorsorgeleistungen - anders als bei den „sonstigen Hilfen“ - ohnehin schon dadurch begrenzt, dass die entsprechenden Untersuchungen nur in bestimmten zeitlichen Abständen beansprucht werden können (vgl zB § 2 der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie: Untersuchung einmal im Jahr).

(3) Auch die systematische Stellung der „sonstigen Hilfen“ innerhalb des EBM sagt nichts über eine besondere Forderungswürdigkeit dieser Leistungen aus. Wenn die Abschnitte 1.7.5 bis 1.7.7 Bestandteil des II. EBM-Bereichs sind, der dem Großteil der übrigen EBM-Ziffern vorangestellt ist, ist dies lediglich die Folge des Umstands, dass ein Teil dieser Leistungen nicht nur von Frauenärzten erbracht werden kann, sondern auch von Hausärzten, Humangenetikern und Urologen. Dies rechtfertigt es, die „sonstigen Hilfen“ den arztgruppenübergreifenden allgemeinen GOPen zuzuordnen, die im EBM unter II. zusammengefasst sind. Dass allein aus der Zugehörigkeit zu den arztgruppenübergreifenden allgemeinen GOPen keine Schlüsse auf einen besonderen Förderungsbedarf gezogen werden können, ergibt sich im Übrigen daraus, dass zu diesem Abschnitt auch vertragsärztliche Standardleistungen wie Besuche, schriftliche Mitteilungen, Infusionen etc gehören.

(4) Ebenso wenig können Vorschriften für die Verbuchung einzelner Bestandteile der Gesamtvergütung und die Gewährung eines Zuschusses durch den Bund gemäß § 221 SGB V die Annahme eines gesteigerten Förderungsbedarfs der streitbefangenen Leistungen stützen. Insoweit ist zwar die Annahme der Klägerin zutreffend, dass die Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b SGB V einen Sonderstatus innerhalb des SGB V einnehmen. Dies ist aber darin begründet, dass diese Leistungen nicht der Aufgabe der Solidargemeinschaft der GKV dienen, die Gesundheit ihrer Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern (§ 1 Abs 1 SGB V), sondern als versicherungsfremd angesehen werden (Vossen in: Krauskopf, aaO, § 221 SGB V Rn 5), was mit der Gewährung der Zuschüsse nach § 221 SGB V berücksichtigt wird. Dies spricht eher für eine geringere Förderungswürdigkeit als für eine gesteigerte.

(5) Die Klägerin beruft sich weiterhin zu Unrecht darauf, einer Einbeziehung der „sonstigen Hilfen“ in das RLV stehe entgegen, dass dies nicht der Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Praxis dienen könne, was nach § 87b Abs 2 S 1 SGB V aF der Zweck der RLV-Systematik sei. Zutreffend ist zwar, dass viele Leistungen der EBM-Abschnitte 1.7.5 bis 1.7.7 keiner ärztlichen Leistungssteuerung unterliegen, sondern - insbesondere bei entsprechendem Beratungsbedarf der Patientinnen - bei Vorliegen der entsprechenden Indikation erbracht werden müssen. Hieraus folgt allerdings zunächst auch, dass es kein rechtlich vertretbarer Grund für die Honorierung der strittigen Hilfen als „freie Leistungen“ sein könnte, dass der Arzt bei zu niedrigen Honorarzahlungen „die notwendigen medizinischen Leistungen aufgrund wirtschaftlicher (Fehl-)Anreize verweigert oder erschwert“, wie die Klägerin in ihrer Klagebegründung vom 1. Dezember 2014 geltend gemacht. hat. Eine „übermäßige Ausdehnung“ ist aber nach der aktuellen BSG-Rechtsprechung (grundlegend SozR 4-2500 § 87 Nr 29) auch nicht mehr allein arztindividuell, sondern auch fachgruppenbezogen zu betrachten, nämlich in dem Sinne, dass eine „übermäßige“ Ausdehnung des vergütungsrelevanten Leistungsumfangs durch eine Facharztgruppe zulasten anderer Arztgruppen verhindert wird.  Überdies erfasst der Zweck des § 87b Abs 2 S 1 SGB V nunmehr alle Konstellationen, in denen - aus welchen Gründen auch immer - honorarbegrenzende Maßnahmen erforderlich werden, mithin auch Maßnahmen, um die Mengenausweitungen zulasten anderer Arztgruppen zu verhindern (BSG aaO).

Nach dem überzeugenden Vortrag der Beklagten (vgl insoweit bereits das Senatsurteil vom 8. Juni 2016 - L 3 KA 12/14 - juris) diente die Einbeziehung der „sonstigen Hilfen“ in das RLV auch dem Zweck, Mengenausweitungen zulasten anderer Arztgruppen zu verhindern. So hatte die Herausnahme von Leistungen aus der RLV-Systematik (und deren Vergütung als „freie Leistungen“) zumindest dazu beigetragen, dass die von den Krankenkassen seit dem 1. Januar 2009 bereitgestellten Gesamtvergütungen insgesamt nicht ausgereicht haben, um die seitdem erbrachten vertragsärztlichen Leistungen vollständig zu vergüten. Insbesondere ging die rasante Mengenentwicklung der „freien Leistungen“ in den Quartalen I und II/2010 zulasten der RLV-Fallwerte, sodass in manchen Fachgruppen noch nicht einmal die Grundpauschale vom RLV-Fallwert abgedeckt war (NdsÄBl 2010, Heft 5, S 46). Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, hat der BewA am 26. März 2010 beschlossen, bis auf wenige Ausnahmen alle vertragsärztlichen Leistungsbereiche in die RLV-Systematik mit einzubeziehen und dadurch die Honorarsituation insgesamt zu stabilisieren. Dem liegt erkennbar die Überlegung zugrunde, dass bei einer Mengensteuerung über RLV die Vergütung der „freien Leistungen“ uU erhebliche Auswirkungen auf die Vergütung der in die RLV fallenden und gleichermaßen aus der begrenzten MGV abzudeckenden Leistungen hat. Die Einbeziehung der „sonstigen Hilfen“ in die RLV-Systematik zum 1. Juli 2010 ist daher zwanglos von dem dem BewA zustehenden Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Vorgaben für die Mengensteuerung durch RLV nach § 87b Abs 4 S 1 und 2 SGB V aF gedeckt (so bereits für die Einbeziehung nephrologischer Leistungen in das RLV ab 1. Juli 2010: Senatsurteil vom 8. Juni 2016, aaO).

Ob die mit der RLV-Reform ab dem 3. Quartal 2010 angestrebten Sanierungseffekte tatsächlich eingetreten sind - was von der Klägerin bezweifelt wird - ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Maßgeblich kann nur sein, welches Ziel der BewA mit seinem geänderten Beschluss vom 26. März 2010 verfolgt hat, was - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - nur ex ante bestimmt werden kann. Auch die von der Klägerin für notwendig gehaltene Ermittlung der Gründe, die in diesem Zusammenhang für die unterschiedliche Behandlung der „sonstigen Hilfen“ und (zB) der Präventionsleistungen maßgeblich gewesen sind, war nicht veranlasst. Denn eine Pflicht des BewA, den Prozess seiner Meinungsbildung und Entscheidungsfindung offenzulegen, besteht nicht (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 29).

c) Schließlich kann die Klägerin nicht mit Erfolg beanstanden, dass die Gesamtvertragspartner auf Landesebene in dem hier streitbefangenen Zeitraum davon abgesehen haben, „sonstige Hilfen“ iSd EBM-Abschnitte 1.7.5 bis 1.7.5 außerhalb der RLV zu vergüten.

Wie bereits unter a)bb) zur primär angestrebten extrabudgetären Vergütung dargelegt worden ist, ist nach der Rspr des BSG die inzidente Prüfung einer Gesamtvergütungsvereinbarung in einem Rechtsstreit über die Höhe des Honoraranspruchs eines Vertragsarztes nicht möglich (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 21 mwN). Das gilt zumindest insoweit, als dem Abschluss einer solchen Vereinbarung ein Verhandlungsprozess zwischen den Vertragspartnern zugrunde gelegen hat, der nicht rechtlich voll determiniert ist. Geht es hingegen in einer gesamtvertraglichen Regelung um den Vollzug höherrangiger Normvorgaben, kann deren Einhaltung auch in einer Honorarstreitigkeit (inzident) überprüft werden. Diese Rechtslage gilt nicht nur in Hinblick auf die Verhandlungen über die Höhe der Gesamtvergütungen, sondern auch für solche über vergütungsbezogene Spielräume der Gesamtvertragspartner auf der Ebene der Honorarverteilung (vgl zu alledem BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2015 - B 6 KA 35/15 B - juris, mwN).

Demgemäß unterliegt der gerichtlichen Prüfung lediglich, ob die KÄV und die Krankenkassen berechtigt gewesen sind, in Teil A Nr 9 der NVV-Vereinbarung 2010 eine Entscheidung darüber zu treffen, ob bestimmte Leistungsbereiche dem RLV nicht unterliegen sollen. Dies ist zu bejahen, weil im Beschluss des BewA vom 26. März 2010 in Teil F Nr I.2.3 vorgesehen ist, dass die Partner der Gesamtverträge gemäß § 87b Abs 2 S 7 SGB V aF vereinbaren können, dass besonders förderungswürdige Leistungen außerhalb der RLV und QZV vergütet werden. Wie bereits dargelegt, ergibt sich die Befugnis des BewA hierzu aus § 87b Abs 2 S 7 iVm Abs 4 S 2 SGB V aF. Die Befugnis des BewA, die Entscheidung über die Herausnahme vertragsärztlicher Leistungen aus dem RLV an die Gesamtvertragspartner zu delegieren, ist nicht in Zweifel zu ziehen, weil § 87b Abs 4 S 2 SGB V aF nur fordert, dass der BewA „Vorgaben“ zur Umsetzung von Abs 2 S 7 zu bestimmen hat, ohne dass dem eine Verpflichtung des BewA entnommen werden kann, selbst detaillierte Ausnahmeregelungen festzusetzen. Dass die Parteien der NVV-Vereinbarung 2010 eine willkürliche und deshalb mit Art 3 Abs 1 GG nicht zu vereinbarende Regelung getroffen haben, kann aus den oben unter  b)bb) angeführten Gründen schließlich nicht angenommen werden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich. Der Sache kommt insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die im vorliegenden Fall maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften mittlerweile außer Kraft getreten sind und deren Auslegung durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist. Die hier von der Klägerin angegriffene Rechtslage hat überdies nur bis Ende 2011 bestanden, weil die „sonstigen Hilfen“ im Jahr 2012 wieder außerhalb des RLV vergütet worden sind (vgl Teil A Nr 16 der NVV-Vereinbarung 2012).

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).