Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.06.2016, Az.: L 13 AS 17/13

Aufhebung und Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; Zweck und Bindungswirkung vorläufiger Entscheidungen; Ersetzung durch einen endgültigen Bescheid; Berechnung des Beschwerdewerts im sozialgerichtlichen Verfahren bei verbundenen Klagen; Rechtmäßigkeit der Umdeutung eines Aufhebungsbescheids mit vorläufiger Leistungsbewilligung im Anschluss in einen endgültigen Ablehnungsbescheid nach § 328 Abs. 3 SGB III

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.06.2016
Aktenzeichen
L 13 AS 17/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 21058
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2016:0621.L13AS17.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - AZ: S 39 AS 1255/11

Fundstelle

  • NZS 2016, 600

Amtlicher Leitsatz

1. Hat das Sozialgericht ursprünglich getrennt erhobene Klagen verbunden, errechnet sich der Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG aus der Summe der streitigen Ansprüche. Dies gilt auch bei mehreren Klägern.

2. Ein auf § 48 SGB X gestützter Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, in welchem im Anschluss eine vorläufige Leistungsbewilligung nach erfolgter Klärung des erzielten Einkommens ein Leistungsanspruch nach dem SGB II wegen fehlender Hilfebedürftigkeit verneint wird, kann gemäß § 43 Abs. 1 SGB X in einen endgültigen Ablehnungsbescheid nach § 328 Abs. 3 SGB III umgedeutet werden.

Redaktioneller Leitsatz

1. Vorläufigen Entscheidungen kommt nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen.

2. Sie sind von vornherein auf eine Ersetzung durch einen endgültigen Bescheid angelegt und zur Beseitigung der Unklarheit über die Höhe der endgültig bewilligten Leistungen ist deshalb von Amts wegen notwendig eine das Verwaltungsverfahren über den ursprünglichen Leistungsantrag abschließende Entscheidung (vgl. § 8 SGB X) nach Maßgabe des § 328 Abs. 3 S. 1 sowie ggf. Satz 2 Hs. 1 SGB III zu treffen.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern 1/3 der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung und Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Beklagte bewilligte dem 1970 geborenen Kläger zu 1) und seiner 1968 geborenen damaligen Partnerin und jetzigen Ehefrau (Klägerin zu 2) mit Bescheid vom 24. Januar 2011 Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2011 in Höhe von 1005,36 EUR monatlich (jeweils 323 EUR Regelleistung und 179,68 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung). Die Leistungsbewilligung erfolgte - gestützt auf § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II (a. F.) i. V. m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) - vorläufig im Hinblick auf eine noch vorzulegende aktuelle Mietbescheinigung und die ungeklärte Höhe des von der Klägerin zu 2) erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit. Im Hinblick auf eine zum 1. März 2011 erfolgte Arbeitsaufnahme des Klägers zu 1) hob der Beklagte die Leistungsbewilligung mit bestandskräftigen Bescheiden vom 22. März 2011 mit Wirkung ab dem 1. April 2011 auf. Die Höhe der Leistungen für den Monat März 2011 setzte er aufgrund der erfolgten Erhöhung der Regelbedarfe mit Bescheid vom 26. März 2011 auf 1.015,36 EUR fest, wobei nunmehr ein Regelbedarf in Höhe von jeweils 328 EUR berücksichtigt wurde. In diesem Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass Leistungen bisher nur vorläufig bewilligt worden seien, die Vorläufigkeit bestehen bleibe.

Aus vom Kläger zu 1) in der Folgezeit vorgelegten Unterlagen (Verdienstabrechnung für März 2011 nebst Kontoauszug) ergab sich, dass diesem noch am 31. März 2011 aus der am 1. März 2011 aufgenommenen Beschäftigung ein Nettolohn in Höhe von 1.842,41 EUR per Überweisung zugeflossen war. Nach erfolgten Anhörungen (Schreiben vom 12. April 2011) hob der Beklagte daraufhin mit zwei getrennten, an den Kläger zu 1) bzw. die Klägerin zu 2) adressierten Bescheiden vom 9. Mai 2011 - gestützt auf § 40 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III - die "Entscheidung vom 26. März 2011" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Monat März 2011 ganz auf und forderte nach § 50 SGB X die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von jeweils 507,68 EUR (328 EUR Regelleistung und 179,68 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung). Den hiergegen erhobenen Widersprüchen half er mit Bescheiden vom 3. Juni 2011 insoweit ab, als er die gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe von jeweils 79,06 EUR zurückforderte, wodurch sich der insgesamt zu erstattende Betrag auf jeweils 407,06 EUR reduzierte. Im Übrigen blieben die Widersprüche erfolglos. Der Beklagte führte in seinen Widerspruchsbescheiden vom 18. Juli 2011 aus, dass mit den Abhilfebescheiden vom 3. Juni 2011 in Anwendung des § 40 Abs. 2 SGB II a. F. (§ 40 Abs. 4 S. 1 SGB II n. F.) auf die Rückforderung von 56 Prozent der bei der Leistungsberechnung berücksichtigten Unterkunftsbedarfe verzichtet worden sei. Im Übrigen seien die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide rechtmäßig. Das laut Kontoauszug noch im März 2011 zugeflossene Einkommen aus Erwerbstätigkeit sei leistungsrechtlich in diesem Monat zu berücksichtigen. Mit diesem Einkommen, welches in Höhe von 1.280,41 EUR anzurechnen sei, habe der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in vollem Umfang gedeckt werden können. Eine entsprechende Berechnung fügte der Beklagte den Widerspruchsbescheiden bei.

Die am 5. August 2011 erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 5. Dezember 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, auch wenn Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Monat März 2011 nicht - wie von dem Beklagten angenommen - § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X sei. Denn im Hinblick auf den Umstand, dass der Kläger zu 1) dem Beklagten bereits im Februar 2011 seine Arbeitsaufnahme zum 1. März 2011 mitgeteilt habe, sei die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 26. März 2011 (aufgrund der Erhöhung der Regelsätze erlassener Änderungsbescheid) bereits anfänglich rechtswidrig gewesen. Ein Auswechseln der Rechtsgrundlagen des § 48 SGB X und des § 45 SGB X sei allerdings möglich. Vertrauensschutzgesichtspunkte stünden der rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht entgegen, da die Kläger aufgrund ihrer Vorsprachen bei dem Beklagten um die Anrechnung des von dem Kläger zu 1) erzielten Erwerbseinkommens im Zuflussmonat gewusst hätten.

Gegen das ihnen am 14. Januar 2013 zugestellte Urteil haben die Kläger am 15. Januar 2013 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung nehmen sie zunächst auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug, wonach der Kläger zu 1) bei entsprechender Beratung durch den Beklagten dafür Sorge getragen hätte, dass sein Arbeitgeber ihm den Lohn für den Monat März 2011 erst im Folgemonat überwiesen hätte. Ferner machen die Kläger geltend, dass sie zu einer Aufhebung der Leistungsbewilligung nach § 45 SGB X nicht angehört worden seien, insbesondere hätten sie sich zu Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht äußern können. Im Übrigen seien die getroffenen Aufhebungsverfügungen aber bereits deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte nach erfolgter vorläufiger Leistungsbewilligung nach § 328 Abs. 2 SGB III hätte vorgehen müssen. Insoweit nehmen die Kläger auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. April 2015 (B 14 AS 31/14 R) Bezug.

Die Kläger beantragen

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 5. Dezember 2012 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9. Mai 2011 in der Fassung der Abhilfebescheide vom 3. Juni 2011 und der Widerspruchsbescheide vom 18. Juli 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält diese bereits für unzulässig, da bei isolierter Betrachtung der beiden verbundenen Klageverfahren mit streitigen Erstattungsforderungen von jeweils 407,06 EUR der für eine zulassungsfreie Berufung erforderliche Beschwerdewert von mehr als 750 EUR nicht erreicht sei. Auch fehle es an einem Rechtsschutzinteresse, da eine Aufhebung der angefochtenen Bescheide ihm - dem Beklagten - die Möglichkeit einer endgültigen Festsetzung der nur vorläufig bewilligten Leistungen eröffnen würde - im Übrigen ohne Anwendung der "56%-Regelung" -, so dass die Kläger die zu Unrecht erhaltenen Leistungen ohnehin zurückzahlen müssten. Die Berufung sei aber auch unbegründet, insbesondere liege der geltend gemachte Anhörungsfehler nicht vor, da eine Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X entbehrlich gewesen sei. Ferner habe dem von Klägerseite zitierten BSG-Urteil ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine vollständige Aufhebung der Leistungsbewilligung wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit, die zugleich auch eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch darstelle.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Entgegen der Auffassung des Beklagten wird der für eine zulassungsfreie Berufung erforderliche Beschwerdewert von mehr als 750 EUR erreicht, da sich die von dem Beklagten gegen beide Kläger geltend gemachte Gesamtforderung auf 814,12 EUR beläuft. Nachdem das SG die ursprünglich getrennt erhobenen Klagen verbunden hat, errechnet sich der Beschwerdewert aus der Summe der streitigen Ansprüche. Das gilt auch dann, wenn mehrere Beteiligte klagen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 33/02 R - Rn. 14 m. w. N.).

Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide vom 9. Mai 2011 in der Fassung der Abhilfebescheide vom 3. Juni 2011 und der Widerspruchsbescheide vom 18. Juli 2011 erweisen sich im Ergebnis als rechtmäßig, so dass sie die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen.

Prozessuale Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, insbesondere kann das Rechtsschutzinteresse für die erhobenen Anfechtungsklagen nicht deswegen verneint werden, weil die Kläger im Erfolgsfall gleichwohl noch mit einer Heranziehung zur Erstattung der vorläufig erbrachten Leistungen rechnen müssten (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 31/14 R - Rn. 10).

Die angefochtenen Bescheide sind nicht bereits deswegen formell rechtswidrig, weil die Kläger vor ihrem Erlass nicht ordnungsgemäß nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden wären. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob der Beklagte insoweit von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Behörde auszugehen (BSG a. a. O. Rn. 12). Hier hat der Beklagte die Kläger in seinen Schreiben vom 12. April 2011 zum Wegfall des Leistungsanspruchs aufgrund des erzielten Einkommens sowie zur beabsichtigten Rückforderung der gewährten Leistungen angehört, so dass die Kläger ausreichend Gelegenheit hatten, sich zu den aus Sicht des Beklagten erheblichen Tatsachen zu äußern.

Als Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide, gegen deren hinreichende Bestimmtheit keine Bedenken bestehen, kommt allerdings - entgegen der Auffassung des SG - allein § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der seit dem 1. April 2011 gültigen Fassung) in Verbindung mit § 328 SGB III in Betracht. Nach der Verweisungsnorm des § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ist für das Verfahren nach dem SGB II die Vorschrift des § 328 SGB III über die vorläufige Entscheidung entsprechend anwendbar. Zutreffend hat der Beklagte den Klägern mit seinem Ausgangsbescheid vom 24. Januar 2011 in Anwendung des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III wegen des noch ungeklärten Erwerbseinkommens der Klägerin zu 2) nur vorläufige Leistungen bewilligt. Auch die erneute Bewilligung dieser vorläufigen Leistungen (in veränderter Höhe) mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 für den Monat März 2011 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ging der Kläger zu 1) zu diesem Zeitpunkt bereits einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nach, aus der bedarfsdeckendes Einkommen zu erwarten war. Leistungsrechtlich relevant war allerdings nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 2 Abs. 2 S. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) in der bis zum 31. März 2011 gültigen Fassung der tatsächliche Zufluss dieses Erwerbseinkommens, denn nach dieser Regelung sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides vom 26. März 2011 war dem Kläger indes Einkommen aus der erst am 1. März 2011 aufgenommenen Beschäftigung noch nicht zugeflossen, so dass es bei fehlenden bereiten Mitteln zur Bestreitung des Lebensunterhalts in jeder Hinsicht der Sach- und Rechtlage entsprach, für den Monat März 2011 noch Leistungen nach dem SGB II vorläufig zu bewilligen.

Nach Vorlage der Lohnabrechnung für den Monat März 2011 und des Nachweises über den tatsächlichen Zufluss (Kontoauszug) waren indes die Gründe für eine nur vorläufige Bescheidung des Leistungsbegehrens weggefallen. Denn unabhängig von der weiterhin ungeklärten Höhe des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 2) stand bereits aufgrund des nunmehr bekannten Erwerbseinkommens des Klägers zu 1) fest, dass die Kläger, die eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II bildeten, im Monat März 2011 nicht hilfebedürftig i. S. des § 9 Abs. 1 SGB II waren und damit im Hinblick auf § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht bestand. Dies ergibt sich aus der zutreffenden Berechnung in den Widerspruchsbescheiden des Beklagten vom 18. Juli 2011, die auch die Kläger weder sachlich noch rechnerisch beanstandet haben. Danach belief sich der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft unter Zugrundelegung von Regelbedarfen in Höhe von jeweils 328 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 371 EUR auf 1.027 EUR. Höhere Bedarfe etwa in Form von Mehrbedarfen sind nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht geltend gemacht worden. Die anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung entsprechen der im vorgelegten Mietvertrag vom 11. Januar 2011 ausgewiesenen Bruttowarmmiete von 371 EUR. Dem so festgestellten Gesamtbedarf in Höhe von 1.027 EUR stand ein anzurechnenden Erwerbseinkommen in Höhe von 1.280,41 EUR gegenüber. Dieser Betrag ergibt sich entsprechend der zutreffenden Berechnung des Beklagten (Anlage zu den Widerspruchsbescheiden) aus dem Nettolohn in Höhe von 1.842,41 EUR abzüglich des Grundfreibetrags von 100 EUR (§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II a. F.), des Erwerbstätigenfreibetrags von 180 EUR (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 i. V. m. § 30 SGB II a. F.) und der titulierten Unterhaltsverpflichtungen von 282 EUR (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II a. F.). Nach alledem war der Gesamtbedarf bereits durch das Einkommen des Klägers zu 2) gedeckt.

Waren somit nach Mitteilung des Erwerbseinkommens des Klägers zu 1) die Gründe für eine nur vorläufige Bescheidung des Leistungsbegehrens weggefallen und hatte sich eine Änderung gegenüber der ursprünglichen Annahme (fehlende Bedarfsdeckung) ergeben, bestand unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (a. a. O. Rn. 22f.) ein von Amts zu beachtender verfahrensrechtlicher Anspruch der Kläger auf eine endgültige Entscheidung über ihr Leistungsbegehren. Denn vorläufigen Entscheidungen kommt nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Sie sind von vornherein auf eine Ersetzung durch einen endgültigen Bescheid angelegt und zur Beseitigung der Unklarheit über die Höhe der endgültig bewilligten Leistungen ist deshalb von Amts wegen notwendig eine das Verwaltungsverfahren über den ursprünglichen Leistungsantrag abschließende Entscheidung (vgl. § 8 SGB X) nach Maßgabe des § 328 Abs. 3 S. 1 sowie ggf. Satz 2 Halbs. 1 SGB III zu treffen (vgl. BSG a. a. O. Rn. 23f. m. w. N.; Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 13/14 R - Rn. 16).

Hinsichtlich der Anforderungen an eine abschließende Entscheidung über das Leistungsbegehren können die in dem BSG-Urteil vom 29. April 2015 (B 14 AS 31/14 R, Rn. 26) entwickelten Maßstäbe nicht ohne weiteres auf die vorliegende Konstellation übertragen werden, denn im vom BSG entschiedenen Fall ergab sich im Rahmen der zu treffenden abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch, welcher als die "zustehende Leistung" endgültig zuzuerkennen war. Es handelte sich danach um eine Bewilligungsentscheidung, hinsichtlich derer im Hinblick auf den Schutzzweck der endgültigen Bewilligung im Hinblick auf ihre Funktion für den Vertrauensschutz nach den §§ 45 und 48 SGB X kein Zweifel über die Reichweite der Bindungswirkung verbleiben durfte. Im vorliegenden Fall ergab sich demgegenüber wegen fehlender Hilfebedürftigkeit kein Leistungsanspruch, so dass der Folgeantrag der Kläger, soweit er für den Monat März 2011 noch zu bescheiden war, endgültig abzulehnen war. Die vom BSG in seiner oben genannten Entscheidung hervorgehobenen Vertrauensschutzgesichtspunkte spielen bei einem Bescheid, der die Bewilligung von Leistungen ablehnt, keine Rolle. Unabhängig davon ist jedoch sowohl bei einer Leistungsbewilligung als auch bei einer Ablehnungsentscheidung - wie hier - zu fordern, dass kein Zweifel über die nunmehr endgültige Bindungswirkung der abschließenden Entscheidung verbleibt (vgl. BSG a. a. O.).

Davon ausgehend kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Ausführungen in den Anhörungsschreiben vom 12. April 2011, in den angefochtenen Bescheiden vom 9. Mai 2011 und in den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheiden vom 18. Juli 2011 zur vollständigen Deckung des Bedarfs durch das erzielte Gesamteinkommen, zur fehlenden Hilfebedürftigkeit und zum Wegfall des Leistungsanspruchs kein Zweifel darüber bestehen, dass die ausgesprochene vollumfängliche Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Monat März 2011 nicht nur eine Regelung hinsichtlich der vorläufig bewilligten Leistungen darstellte, sondern damit zugleich auch eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch in diesem Monat getroffen werden sollte. Denn die Feststellung der fehlenden Hilfebedürftigkeit der KIäger schloss für jeden Außenstehenden erkennbar deren Leistungsanspruch nach dem SGB II aus. Damit lag anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall, in dem unklar war, ob der in dem angefochtenen Änderungsbescheid ausgewiesene Betrag endgültig zuerkannt werden sollte, das Vorliegen einer abschließenden Regelung hinsichtlich des Leistungsbegehrens auf der Hand.

Vor diesem Hintergrund bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine Umdeutung der auf § 48 SGB X gestützten Aufhebungsbescheide in endgültige Ablehnungsbescheide nach § 328 Abs. 3 SGB III. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt nach § 43 Abs. 1 SGB X voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise rechtmäßig erlassen werden konnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsakts erfüllt sind. Danach ist eine Umdeutung hier zulässig. Insbesondere ist die erforderliche gleiche Zielrichtung zu bejahen, denn die von dem Beklagten - wie dargelegt - intendierte abschließende Regelung des Leistungsbegehrens für den Monat März 2011 entspricht einer abschließenden Entscheidung nach § 328 Abs. 3 SGB III. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines endgültigen Ablehnungsbescheides auf der Grundlage dieser Norm waren im Hinblick auf die festgestellte fehlende Hilfebedürftigkeit der Kläger erfüllt. Ausschlussgründe für eine Umdeutung i. S. des § 43 Abs. 2 oder 3 SGB X liegen nicht vor.

Die Kläger können einen Leistungsanspruch für den Monat März 2011 auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 4 AS 22/14 R - Rn. 27 m. w. N.) stützen. Der Beklagte war im Rahmen der ihm obliegenden Beratungspflicht nicht verpflichtet, den Kläger zu 2) auf die Gestaltungsmöglichkeit, den Zufluss des Erwerbseinkommens im Monat März 2011 zu vermeiden, hinzuweisen. Zweck der Leistungen nach dem SGB II ist die Sicherstellung des verfassungsrechtlich verbürgten Existenzminimums. Ist dieses Existenzminimum bereits durch eigenes Einkommen des Anspruchsstellers gesichert, stellt die Nichtgewährung von Leistungen nach dem SGB II keinen sozialrechtlichen Nachteil dar, auf dessen Vermeidung der Grundsicherungsträger verpflichtet wäre hinzuweisen.

Die Verpflichtung zur Erstattung der überzahlten Leistungen ergibt sich aus § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger teilweise auferlegt, weil dieser durch die Erteilung umdeutungsbedürftiger Bescheide Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGB) liegen nicht vor, insbesondere ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des BSG zu den Anforderungen an eine abschließende Entscheidung bei Wegfall der Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung von Leistungen zu verneinen.