Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.03.1999, Az.: 10 W 4/98
Annahme der Hofeigenschaft einer landwirtschaftlichen Besitzung; Bedeutung der Frage, ob die landwirtschaftliche Besitzung den Lebensunterhalt einer Familie erbringen kann, für die Hofeigenschaft; Vererbungen von landwirtschaftlichen Besitzungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 11.03.1999
- Aktenzeichen
- 10 W 4/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 29334
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0311.10W4.98.0A
Rechtsgrundlage
- § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 HöfeO
Amtlicher Leitsatz
Für die Frage der Hofeigenschaft ist rechthin unerheblich, ob die landw. Besitzung den Lebensunterhalt einer Familie erbringen kann.
Gründe
Der Beteiligte zu 1) ist als Ältester der noch lebenden Geschwister des Erblassers zum Hoferben berufen, § 6 Abs. 1 Nr. 3 HöfeO, da die Vererbung der Besitzung des Erblassers nach dem Höferecht erfolgt. Denn Miterben der ersten Hoferbenordnung sind nicht vorhanden, weil der Erblasser keine Kinder hatte. Eine Bestimmung des Hoferben nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 HöfeO scheidet ebenfalls aus. Denn keiner der Beteiligten hat den Hof selbstständig bewirtschaftet oder war auf ihm beschäftigt. Die Mithilfe des Beteiligten zu 1) während der Krankheit des Erblassers reicht insoweit nicht aus.
Die Vererbung der landwirtschaftlichen Besitzung des Erblassers hat auch nach der HöfeO zu erfolgen. Die Hofeigenschaft der Besitzung des Erblassers ist hier nicht durch eine Auflösung der landwirtschaftlichen Betriebseinheit entfallen (vgl. BGH Beschl. vom 28.04.1995 zu BLw 73/94). Die Anhaltpunkte für einen solchen Wegfall der Hofeigenschaft ergaben sich zwar aus der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 06.05.1997 (Bl. 22 f d.A.) und den vorgetragenen Bedenken des Beteiligten zu 2), aber die weiteren Feststellungen zum baulichen Zustand des Hofes, dem im Zeitpunkt des Erbfalles noch vorhandenen Inventar und den für eine Wiederaufnahme der Bewirtschaftung erforderlichen Investitionen haben belegt, dass die landwirtschaftliche Betriebseinheit nicht weggefallen ist.
Dies hat der Sachverständige H. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.08.1998 bejaht, weil trotz der Aufgabe der Bewirtschaftung der Besitzung durch den Erblasser im Jahre 1995 die erforderlichen Investitionen aus den Erträgen des Hofes erbracht werden können. Dabei hat der Sachverständige Investitionskosten von 50.150,00 DM - u.a. für ein Dachreparatur am Viehstall, die Anschaffung von 9 tragenden Färsen sowie gebrauchter Melktechnik angenommen, die einen jährlichen Kapitaldienst von ca. 4.000,00 DM erforderten. Die Grünländereien sollen zur Versorgung des Tierbestandes ausreichen, 15 Großvieheinheiten, wobei alle anfallenden Bullenkälber verkauft werden. Die 6 ha Ackerländereien sollen zum Anbau von Triticale, Wintergerste und Roggen genutzt werden. Bei dieser Bewirtschaftung errechnet der Sachverständige ein Betriebseinkommen von 23.017,00 DM (von dem allerdings die Pacht aus den 2,6525 ha-Anteil von 497,00 DM abzusetzen sind). Insgesamt ist eine Bewirtschaftung danach als Haupterwerbsbetriebin der Veredlungs- wirtschaft über eine ausgedehnte Sauenhaltung möglich.
Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Gutachtens. Die gegen dieses Gutachten vorgetragenen Einwände des Beteiligten zu 2) greifen nicht durch.
Den Kostenaufwand für die Wiederherstellung des Kuhstalldaches hat der Sachverständige, wie er in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat erläutert hat, nach einer Rücksprache mit dem Bausachverständigen der Landwirtschaftskammer auf 10.000,00 DM geschätzt. Dies ist nicht zu beanstanden.
Soweit der Beteiligte zu 2) rügt, der Sachverständige verfüge nicht über die erforderliche Sachkunde, die Kosten und Erforderlichkeit der Baumaßnahmen zu begutachten, hat der Sachverständige dies selbst vor dem Senat eingestanden. Es kommt hierauf indessen nicht an. Denn soweit eine Kostenschätzung erforderlich war, hat der Sachverständige -wie oben ausgeführt- seinerseits sachverständigen Rat eingeholt. Im Übrigen hat der Sachverständige Hinrichs erklärt, ihm sei an der elektrischen Anlage nichts aufgefallen, allerdings auch zugleich eingeräumt, nicht im Einzelnen die Kabel überprüft zu haben. Indessen kommt es nicht darauf an, ob auch am Hauptgebäude das Dach repariert werden muss und der Schornstein sowie die elektrischen Anlagen des Hauptgebäudes möglicherweise nicht insgesamt funktionstüchtig sind. Denn im Rahmen der Prüfung, ob die Betriebseinheit weggefallen ist, ist gerade nicht anzunehmen, dass es für eine Wiederaufnahme insgesamt ordnungsgemäßer Wirtschafts- und Wohngebäude bedarf. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Betrieb zunächst wieder so aufgenommen wird, wie er vom Erblasser in relativer zeitlicher Nähe zum Erbfall aufgegeben worden ist. Denn der Erblasser hatte die, auch nach dem Gutachten des Sachverständigen Hinrichs renovierungsbedürftigen, Gebäude in eben diesem Zustand genutzt und in ihnen gewirtschaftet.
Der Beteiligte zu 2) verkennt insoweit, dass dahinstehen kann, ob die landwirtschaftliche Besitzung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten 1996 so hätte bewirtschaftet werden können, dass sie den Lebensunterhalt einer Familie erbracht hätte. Denn eine landwirtschaftliche Besitzung verliert ihre Hofeigenschaft nicht schon allein dadurch, dass sie nur noch unrentabel zu bewirtschaften ist, sondern erst, wenn sie keine Betriebseinheit mehr bildet (vgl. Senatsbeschluss v. 28.01.1999 - 10 W 27/98). Die Auflösung der Betriebseinheit ist dabei anhand einzelner Indizien (wie Wegfall einer geeigneten Hofstelle, Zustand der Wirtschaftsgebäude, Wiederherstellbarkeit der Hofstelle aus Erträgen des Hofes unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, das Fehlen von Inventar oder die langfristige parzellenweise Verpachtung von Ländereien) festzustellen, die dann einer Gesamtwürdigung zu unterziehen sind. Wenn schließlich im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau Zweifel daran verbleiben, ob die Betriebseinheit weggefallen ist, ist von einem Fortbestehen der Hofeigenschaft auszugehen.
Da im vorliegenden Fall die Bewirtschaftung erst rund zweieinhalb Jahre vor dem Erbfall aufgegeben worden ist, und zudem ausweislich des Sachverständigengutachtens Hinrichs totes Inventar in Form von Maschinen ausreichend vorhanden war, hätte ein Hoferbe 1996 die Bewirtschaftung -wie im Gutachten des Sachverständigen Hinrichs im Einzelnen dargelegt- ohne größere Investitionen wiederaufnehmen können. Dabei kann dahinstehen, ob ein Teil der Maschinen -wie vom Beteiligten zu 2) behauptet- mit vom am 10.08.1993 verstorbenen Vater des Beteiligten zu 2) Georg Spiekermann angeschafft worden ist. Denn der Beteiligte zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zugestanden, dass die Maschinen auf den Namen des Erblassers angeschafft worden und mit ihnen auf dem Hof des Erblassers gewirtschaftet worden ist.
Dementsprechend ist vorliegend, auch wenn die Gebäude in erheblichem Umfang renovierungsbedürftig waren, die Betriebseinheit noch vorhanden.