Landgericht Aurich
Beschl. v. 14.12.2018, Az.: 1 O 720/18

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
14.12.2018
Aktenzeichen
1 O 720/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - AZ: 8 Kap 1/19

Tenor:

I.

Die folgenden Feststellungsziele werden dem Oberlandesgericht Oldenburg zur Entscheidung vorgelegt:

Der Verkaufsprospekt über die Beteiligung am GHF G. B. III in der Fassung vom 04.07.2008 (nachfolgend Verkaufsprospekt) war unrichtig, irreführend und unvollständig, weil

1.

die prognostizierten Frachtraten in Hinblick auf die fehlende Eisklasse des Schiffes und die Überalterung der Flotte im betroffenen Schiffssegment unvertretbar hoch angesetzt waren und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

2.

dass Risiko des Wiederauflebens der Haftung nach § 171 f. HGB falsch bzw. unvollständig dargestellt wurde, da der Prospekt verschweigt, dass die Kapitalkonten nicht durch Entnahmen (Auszahlungen) unter die Hafteinlage gemindert werden können, sondern auch durch Verlustzuweisungen und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

3.

dass im Verkaufsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis darauf enthalten ist, dass die von der Gesellschaft für Handel und Finanz mbH abgegebene Platzierungsgarantie nicht werthaltig war und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

4.

dass entgegen der Prospektdarstellung eine effektive Überwachung der prospektgemäßen Mittelverwendungskontrolle des Emissionskapitals durch einen unabhängigen Rechtsanwalt tatsächlich nicht gewährleistet war und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

5.

dass die im Verkaufsprospekt auf der Seite 27 f. dargestellten „Verflechtungen zwischen den Partnern“ unvollständig sind, da dort keine Angaben zu möglichen Interessenkollisionen zwischen dem Mittelverwendungskontrolleur, der Beklagten und der Gesellschaft für Handel und Finanz mbH gemacht wurden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

6.

dass der Verkaufsprospekt aufgrund des gegen den Mittelverwendungskontrolleur eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und / oder dessen Verurteilung eines Nachtrags bedurft hätte und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

7.

dass im Verkaufsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis auf das Risiko des Verlustes von Schiff, Ladung und Besatzung durch Piraterie oder Kriegseinwirkungen enthalten ist und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

8.

dass im Verkaufsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis über das Fremdwährungsrisiko im Zusammenhang mit den Erwerbskosten des Schiffes enthalten ist und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,

9.

dass der Verkaufsprospekt eines Nachtrags hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der auf Seite 119 abgedruckten Widerrufsbelehrung bedurft hätte und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt.

II.

Der Lebenssachverhalt:

Die Antragsteller machen gegen die Antragsgegnerin Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend.

Die Antragsteller zeichneten Beitrittserklärungen GHF B. III zur Beteiligung an der Reederei MS „G. H.“ GmbH & Co. KG. Sie bestätigten jeweils den Erhalt und die Kenntnisnahme des Verkaufsprospektes, der am 04.07.2008 aufgestellt worden war. Die Antragsgegnerin wurde im Prospekt als Kommanditistin mit einer Einlage in Höhe von 5.000,00 EUR sowie als Treuhänderin und Geschäftsbesorgerin aufgeführt.

Die Antragsteller behaupten, der Prospekt enthalte fehlerhafte oder irreführende bzw. unvollständige Angaben zu der Schiffsbeteiligung. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätten sie die Beitrittserklärungen nicht abgegeben.

Die Antragsgegnerin behauptet, es würden keine Prospektfehler vorliegen.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren in den Hauptsacheverfahren Schadensersatz von der Antragsgegnerin.

Mit ihren Musterverfahrensanträgen streben die Antragsteller die Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Prospektes insbesondere wegen der oben genannten Punkte an.

Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Antragsschriftsätze und Ergänzungsschriftsätze Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin meint, die Musterfeststellungsanträge seien unzulässig, da sie nur zur Prozessverschleppung gestellt worden seien. Das Oberlandesgericht Oldenburg habe bereits in einem Parallelverfahren festgestellt, dass die gerügten Prospektfehler nicht vorliegen würden.

II.

Der Musterverfahrensantrag ist in Hinblick auf die oben aufgeführten Feststellungsziele zulässig.

Die Antragsteller machen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG einen Schadensersatzanspruch wegen der Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation bei der Vertragsanbahnung geltend. Sie begehren gemäß § 2 Abs. 1 KapMuG die Feststellung des Vorliegens anspruchsbegründender Voraussetzungen.

Die Antragsteller haben gemäß § 2 Abs. 2 KapMuG die öffentliche Kapitalmarktinformation, nämlich den Prospekt GHF G. B. III, angegeben und die oben aufgeführten Feststellungsziele konkret benannt. Die Antragsteller haben auch gemäß § 2 Abs. 3 KapMuG mit dem Ergänzungsschriftsatz die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben. Sie haben ferner dargelegt, dass die Entscheidung über die Feststellungsziele für andere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung sein kann.

Die Musterverfahrensanträge sind auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 KapMuG unzulässig, weil sie zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt worden sind. Eine solche Absicht kann das Gericht nicht feststellen. Denn die Musterverfahrensanträge können auch dazu dienen, die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde zu eröffnen.

Unzulässig sind die Musterverfahrensanträge insoweit, als die Kläger die Fehlerhaftigkeit des Prospektes generell – nicht nur wegen bestimmter benannter Punkte – festgestellt haben möchte, wofür die Formulierung „insbesondere“ in den Antragsschriftsätzen spricht. Denn gemäß § 2 Abs. 2 KapMuG in Verbindung mit § 253 Abs. 2 ZPO sind die Feststellungsziele hinreichend bestimmt anzugeben (BGH Beschluss vom 19.09.2017 XI ZB 17/15).

Von einer Bekanntmachung der Musterverfahrensanträge wurde gemäß § 3 Abs. 4 KapMuG abgesehen, weil auch ohne diese 10 gleichgerichtete Musterverfahrensanträge vorliegen.