Landgericht Aurich
Urt. v. 26.04.2018, Az.: 2 O 37/18

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
26.04.2018
Aktenzeichen
2 O 37/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74071
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 EUR zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: Ursprünglich 5.560,60 EUR, seit dem 14.03.2018: 1.029,35 EUR.

Tatbestand:

Der Kläger veräußerte mit Kaufvertrag, der am 28.07.2017 von dem Notar R. in W. beurkundet wurde, ein bebautes Grundstück in O.. Im Kaufvertrag übernahm der Beklagte die Grunderwerbsteuer. Das zuständige Finanzamt setzte gegen den Beklagten die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 19.09.2017 auf 24.500,00 EUR fest. Hierauf zahlte der Beklagte zunächst einen Teilbetrag in Höhe von 8.939,40 EUR.

Mit Schreiben vom 08.12.2017 wies das Finanzamt O. den Kläger darauf hin, dass er für die Grunderwerbsteuer abgabenrechtlich neben dem Beklagten als Gesamtschuldner einzustehen habe, und zwar ungeachtet der Regelung im Innenverhältnis der Parteien; es sei daher beabsichtigt, den Kläger in Höhe der seinerzeit noch ausstehenden Steuerschuld von 15.560,60 EUR in Anspruch zu nehmen.

Die daraufhin mit der außergerichtlichen Verfolgung seiner Ansprüche beauftragten Prozessbevollmächtigten des Klägers forderten den Beklagten mit Schreiben vom 18.12.2017 unter anderem dazu auf, die Grunderwerbsteuer bis zum 22.12.2017 an das Finanzamt zu entrichten. Daraufhin zahlte der Beklagte einen weiteren Teilbetrag von 10.000,00 EUR auf die festgesetzte Grunderwerbsteuer.

Mit seiner am 12.01.2018 bei dem Landgericht Aurich anhängig gemachten Klage hat der Kläger ursprünglich beantragt, (1.) den Beklagten zu verurteilen, an das Finanzamt O. zum Aktenzeichen 64/.../0380 die restliche Grunderwerbsteuer in Höhe von 5.560,60 EUR zum Erwerb des bei dem Amtsgericht O. im Grundbuch von O. zu Blatt 12345 eingetragenen Grundbesitzes (Kaufvertrag vom 28.07.2017, UR-Nr. 123/20.. des Notars H. R., W.) zu zahlen; (2.) ihn - den Kläger - von jeglicher Inanspruchnahme zur Zahlung der Grunderwerbsteuer durch das Finanzamt O. freizustellen und (3.) den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten 1.029,35 EUR zu zahlen.

Am 27.12.2017 (Anweisung und Wertstellung auf seinem Konto) hatte der Beklagte einen weiteren Betrag von 5.900,00 EUR unter der Zweckangabe „Rest Grunderwerbsteuer O.“ an das Finanzamt O. überwiesen, nachdem er sich mit dem Finanzamt über die Höhe des Restbetrages einschließlich Nebenforderungen (Zinsen, Säumniszuschläge, Mahnkosten) verständigt hatte.

Nach entsprechendem Vortrag des Beklagten in der Klageerwiderung hat der Kläger die Klage teilweise, und zwar hinsichtlich der Anträge zu 1. und zu 2., unter Verwahrung gegen die Kostenlast zurückgenommen.

Der Kläger behauptet, vor Klageeinreichung keine Kenntnis von der Ende Dezember vorgenommenen Restzahlung des Beklagten an das Finanzamt gehabt zu haben. In einem Telefonat seines Prozessbevollmächtigten vom 28.12.2017 habe der Mitarbeiter des Finanzamts auf Nachfrage zwar die Zahlung vom 10.000,00 EUR bestätigt, zugleich aber angegeben, es seien noch 5.560,60 EUR offen. Eine Information über die Zahlung des weiteren Betrages sei auf Klägerseite vor Klageeinreichung nicht eingegangen.

Der Kläger beantragt nunmehr noch,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 EUR zu zahlen.

Der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beide Parteien stellen hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage wechselseitige Kostenanträge.

Der Beklagte behauptet, er habe den Kläger persönlich mit Schreiben vom 27.12.2017 (Anlage W&H 2, Bl. 26 d.A.) über die letzte Teilzahlung der Grunderwerbsteuer informiert und am gleichen Tag auch die Prozessbevollmächtigten auf Klägerseite telefonisch unterrichtet. Vor Beauftragung der Prozessbevollmächtigten durch den Kläger mit der vorgerichtlichen Geltendmachung habe er sich nicht in Verzug befunden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Akteinhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem seit Teilklagerücknahme allein noch offenen Umfang zulässig und begründet. Die Kosten des Rechtsstreits sind insgesamt von dem Beklagten zu tragen.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz seines Verzugsschadens in Gestalt der vorgerichtlich aufgewendeten Rechtsverfolgungskosten aus §§ 280 Abs. 1 und 2; 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Der Beklagte befand sich zu dem Zeitpunkt, als der Kläger seine Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung seines vertraglichen Anspruchs auf Zahlung der Grunderwerbsteuer an das zuständige Finanzamt beauftragte, bereits in Verzug. Nachdem die Pflicht des Beklagten zur Zahlung im Verhältnis zum Kläger durch § 7 des Kaufvertrags vom 28.07.2017 begründet worden war, setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer auf 24.500,00 EUR fest. Damit war der Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten, die nun der Höhe nach feststehende Grunderwerbsteuer an das Finanzamt zu zahlen und den Kläger damit im Außenverhältnis von seiner gesamtschuldnerischen Haftung freizustellen, fällig. Dem hinreichend konkreten Vorbringen des Klägers zu einer Verzugsbegründung noch vor dem anwaltlichen Schreiben vom 18.12.2017, und zwar dadurch, dass der Kläger den Beklagten persönlich mehrfach aufgefordert habe, die Grunderwerbsteuer zu zahlen (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes vom 13.03.2018, Bl. 36 d.A.), ist der Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

Noch in seinem jüngsten Schriftsatz beschränkt er sich auf die rechtliche Bewertung, der Kläger habe die Verzugsvoraussetzungen schon nicht schlüssig dargelegt. Richtig ist daran zwar, dass der Anspruch auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten unter Verzugsgesichtspunkten nur dann besteht, wenn Verzug schon vor der kostenauslösenden Beauftragung begründet war. Hätte hingegen erst die anwaltliche Mahnung zum Verzug geführt, wären die mit der anwaltlichen Tätigkeit verbundenen Kosten nicht durch Verzug des Beklagten entstanden. Unzutreffend ist aber schon die dann folgende Annahme des Beklagten, aus der Klage und den mit ihr vorgelegten Unterlagen ergebe es sich nicht, dass der Kläger schon vor Einschaltung seiner Bevollmächtigten vom Finanzamt in Anspruch genommen worden sei. Mit Schreiben vom 08.12.2017 (Anlage K2) war ihm zumindest eine dahingehende konkrete Absicht mitgeteilt worden, was den auf Wahrung seiner Rechte bedachten Kläger dazu veranlassen durfte, auch ohne Inanspruchnahme von Seiten des Finanzamts rechtlichen Rat zu suchen und den Beklagten zur Erfüllung der im Verhältnis der Parteien primär ihn als Erwerber treffenden Steuerschuld auffordern zu lassen. Geboten war dies schon in Reaktion auf die konkret geäußerte Absicht des Finanzamts gegenüber dem Kläger, um nach Möglichkeit noch im Vorfeld einer solchen Inanspruchnahme zu verhindern, vom Fiskus als Zweitschuldner in Anspruch genommen zu werden und seinerseits den Beklagten mit ungewisser Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg auf Ausgleich in Anspruch nehmen zu müssen. Dass sich der Kläger auch tatsächlich durch die Ankündigung vom 08.12.2017 veranlasst sah, seine Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, ergibt sich schließlich unmissverständlich aus Seite 3 der Klagebegründung (dritter Absatz). Der Beklagte hat dies auch nicht hinreichend konkret bestritten.

Vor allem aber hat sich der Beklagte mit seinem Hinweis, der Kläger hätte ihn darüber hinaus in verzugsbegründender Weise auf Zahlung der restlichen Grunderwerbsteuer an das Finanzamt anmahnen müssen, und der pauschalen Behauptung, dies sei „ebenfalls nicht geschehen“, nicht mit dem konkreten Vorbringen des Klägers am Ende des Schriftsatzes vom 13.03.2018 auseinandergesetzt, wonach er den Beklagten (über die Aufforderungen von Seiten des Finanzamts hinaus) persönlich mehrfach aufgefordert habe, die Grunderwerbsteuer zu zahlen. Das lediglich pauschale Bestreiten des Beklagten, das es an jeder inhaltlichen Auseinandersetzung mit der schlüssigen Behauptung, den Beklagten mehrfach persönlich im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB gemahnt zu haben, vermissen lässt, ist prozessual unbeachtlich.

Die Rechtsanwaltskosten sind mit einem Betrag von 1.029,35 EUR auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 15.560,60 EUR - zum Zeitpunkt des zwischen dem 08. und 18.12.2017 erteilten Auftrags war die festgesetzte Grunderwerbsteuer ausweislich der Klageerwiderung unstreitig noch mit einem Betrag in dieser Höhe offen - sowie mit einer 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV, einer Pauschale nach Nr. 7002 RVG-VV und Umsatzsteuer auf die Gesamtvergütung nach Nr. 7008 RVG-VV zutreffend berechnet:

1,3-Mittel-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 RVG-VV (Wert: bis 16.000,00 EUR):

845,00 EUR

Pauschale nach Nr. 7002 RVG-VV:

20,00 EUR

Zuzüglich Umsatzsteuer auf vorstehende Beträge, Nr. 7008 RVG-VV:

164,35 EUR

Summe:

1.029,35 EUR

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1; 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO.

Soweit der Kläger die Klage mit den ursprünglichen Klageanträgen zu 1. und 2. wegen Wegfalls des Anlasses zur Klageeinreichung vor Rechtshängigkeit zurückgenommen hat, waren die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen dem Beklagten aufzuerlegen. Denn er hat dem Kläger durch sein Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben und der Umstand, dass es zwischen der dem Kläger noch bekannt gewordenen Zahlung von 10.000,00 EUR und der Klageeinreichung nur rund zwei Wochen später zur Restzahlung über 5.900,00 EUR gekommen war, musste weder dem Kläger noch seinen Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) zum Zeitpunkt der Anhängigmachung der Klage bekannt sein.

§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO gilt nicht nur für einen Wegfall des Klageanlasses in dem Zeitraum zwischen Anhängigmachung und Rechtshängigkeit, sondern auch dann, wenn die „Erledigung“ schon vor Einreichung der Klage eingetreten ist. Eine dem Kläger günstige Kostenentscheidung kann in diesem Fall aber nur dann getroffen werden, wenn ihm das erledigende Ereignis nicht bekannt sein musste (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage 2016, § 269 Rn. 18c). Genau dieser Fall einer nicht vom Kläger zu vertretenden Unkenntnis von der die Hauptforderung schließlich erledigenden Restzahlung liegt hier aber vor: Trotz der im Innenverhältnis der Parteien eindeutig den Beklagten treffenden Pflicht zur Zahlung der Grunderwerbsteuer, festgesetzt mit Bescheid vom 19.09.2017, ist er seiner Zahlungspflicht über Wochen und Monate hinweg nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen. Eine erste Teilzahlung in Höhe von 8.939,40 EUR, deren Zeitpunkt nicht vorgetragen worden ist, deckte vielmehr nur gut ein Drittel der gesamten Steuerschuld ab. Es bedurfte vielmehr - über die prozessual unstreitigen Aufforderungen durch den Kläger persönlich hinaus - der anwaltlichen Aufforderung unter Fristsetzung auf den 22.12.2017, damit der Beklagte am letzten Tag der Frist (Wertstellung auf seinem Konto am 22.12.2017, vgl. Anlage W&H 1) einen weiteren Teilbetrag überwies. Nachdem auch dieser zweite Teilbetrag die Grunderwerbsteuerschuld aber immer noch nicht vollständig abtrug, musste und durfte der Kläger davon ausgehen, dass er den Beklagten nicht ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe zur Restzahlung würde bewegen können. Ihre zum Zeitpunkt der Klageeinreichung vorhandene und durch die Klagebegründung dokumentierte Kenntnis von der zwischenzeitlichen Zahlung über weitere 10.000,00 EUR kann die Klägerseite nur aus der im Schriftsatz vom 13.03.2018 vorgetragenen telefonischen Nachfrage bei dem Finanzamt vom 28.12.2017 erlangt haben, einer Nachfrage, die der Beklagte bestritten hat.

Einer Zeugenbeweiserhebung, wie sie der Kläger angeboten hat, bedurfte es gleichwohl schon deshalb nicht, weil es unter den gegebenen Umständen prozessual nicht Aufgabe des Klägers war, seine Unkenntnis zum Zeitpunkt der Klageeinreichung zu beweisen. Vielmehr war der Beklagte im Sinne einer Obliegenheit - eines Verschuldens gegen sich selbst - verpflichtet, den Kläger hiervon rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Nach zwei vorangegangenen, auch zusammengenommen nicht ausreichenden Teilzahlungen des Beklagten auf die Steuerschuld, von denen die zweite sogar erst am letzten Tag der gesetzten Frist angewiesen wurde, musste der Kläger nicht mehr damit rechnen, dass es noch zeitnah zu einer insgesamt erledigenden weiteren Teilzahlung kommen würde. Aus seiner damaligen Sicht lag es vielmehr wesentlich näher, dass der Beklagte zu weiteren Zahlungen nicht ohne Klageeinreichung bereit oder generell wirtschaftlich nicht in der Lage sein würde. Der Beklagte hingegen hätte aufgrund seines vorangegangenen Zahlungsverhaltens sicherstellen müssen und zugleich unschwer sicherstellen können, dass die Information über die Restzahlung den Kläger oder seine Bevollmächtigten noch rechtzeitig erreicht, um eine kostenträchtige Klageeinreichung zu verhindern. Dass eine solche Information erfolgt sei, behauptet der Beklagte zwar unter Verweis auf sein als Anlage W&H 2 in Kopie vorgelegtes Schreiben an den Kläger vom 27.12.2017 sowie mit der weiteren Behauptung, die Prozessbevollmächtigten des Klägers fernmündlich am selben Tag über die Restzahlung informiert zu haben.

Einen tauglichen Beweis für diese bestrittene und ihm günstige Tatsache hat der Beklagte jedoch nicht angetreten. Über einen schriftlichen Zugangsnachweis für das Schreiben vom 27.12.2017 verfügt der Beklagte nicht. Dem im Schriftsatz vom 10.04.2018 angetretenen Beweis, den Kläger zum behaupteten Zugang als Partei zu vernehmen, war im Rahmen der hier zu treffenden Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht nachzugehen. Das gilt zum einen angesichts der generellen Subsidiarität der Parteivernehmung (und zwar auch der Vernehmung des Gegners der beweisbelasteten Partei, § 445 ZPO) und zum anderen auch deshalb, weil die Kostenentscheidung hier „unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen“ zu treffen ist, was für jegliche Beweiserhebung allein zur Klärung der Kostenfrage in aller Regel und so auch hier keinen Raum lässt.

III.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 11; 709 Satz 2; 711 Satz 1 und 2 ZPO.