Landgericht Aurich
Beschl. v. 26.03.2018, Az.: 7 T 97/18
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 26.03.2018
- Aktenzeichen
- 7 T 97/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 73941
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 08.02.2018 - AZ: 6 M 4535/17
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Norden vom 08.02.2018, Az.: 6 M 4535/17, aufgehoben.
2. Das Amtsgericht wird angewiesen, über den Antrag der Gläubigerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu entscheiden.
3. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 400,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Antrag vom 20.12.2017 beantragte die Gläubigerin den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen die Schuldnerin. Hierbei begehrt die Gläubigerin unter anderem die Pfändung der Ansprüche der Schuldnerin aus dem Haftpflicht-, Teilkasko- und Kaskoversicherungsvertrag für ihren PKW auf Rückvergütung wegen Unfallfreiheit, Rückzahlung bereits gezahlter Versicherungsprämien bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages und das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages selbst. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen, soweit auch das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages selbst gepfändet werden soll. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages ein nicht pfändbares Gestaltungsrecht darstelle. Ein Anspruch auf Beitragsrückvergütung und auf Erstattung eines zu viel gezahlten Prämienbetrages sei als Geldforderung zwar pfändbar. Diese Pfändung berechtige den Gläubiger jedoch nicht, das Versicherungsverhältnis zu kündigen oder auch nur umzugestalten. Bei dem Recht auf Kündigung des Versicherungsvertrages selbst handelte es sich nicht um einen Annex des gepfändeten Anspruchs, sondern um das genaue Gegenteil. Als Vermögenswert pfändbar seien lediglich die Ansprüche auf Rückvergütung wegen Unfallfreiheit und Rückzahlung bereits gezahlter Versicherungsprämien bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages. Diese Rechte seien untergeordnete Bestandteile des ansonsten nicht pfändbaren Versicherungsvertrages, welchem kein selbstständiger Vermögenswert zukomme. Gegen den Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat es das Amtsgericht abgelehnt, auch das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mitaufzunehmen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 17.02.1966 (II ZR 286/63 –, BGHZ 45, 162-168) - damals für den Fall einer Lebensversicherung - zur Pfändbarkeit des Rechts zur Kündigung ausgeführt:
„Das ausgeübte Kündigungsrecht beendet aber nicht nur die Prämienzahlungspflicht durch Aufhebung des Versicherungsvertrages, sondern bringt auch den Anspruch auf den Rückkaufswert zur Entstehung. Dieser Rechtsinhalt erfährt bei einer Übertragung des Kündigungsrechts keine Änderung. Das Kündigungsrecht ist deshalb nach heute herrschender Ansicht kein höchstpersönliches Recht (Prölss aaO § 165 Anm 5; Bruck/Dörstling aaO, 2. Aufl, S 103 mwN; Niewisch, Die Zwangsvollstreckung in die Rechte aus einem Lebensversicherungsvertrag, 1939, 34ff). Es besitzt aber für sich allein keinen Vermögenswert, sondern erhält seine wirtschaftliche Bedeutung erst im Zusammenhang mit dem Recht auf den Rückkaufswert; es kann deshalb nicht selbständig, sondern nur zusammen mit diesem Recht übertragen und gepfändet werden (Bruck/Dörstling aaO 2. Aufl § 15 Nr 56; Niewisch aaO 36). Hierbei kann dahinstehen, ob es überhaupt einer besonderen Pfändung bedarf oder das Kündigungsrecht als unselbständiges, akzessorisches Gestaltungsrecht nicht ohne weiteres mit dem Anspruch auf den Rückkaufswert übergeht, wenn dieser zu Recht gepfändet und zur Einziehung überwiesen wird (so Gilbert, DR 1941, 2356, 2360/61; Niewisch aaO 37).“
Auch im weiteren Verlauf hat der BGH entschieden, dass im Rahmen der Zwangsvollstreckung eine Versicherung gekündigt werden darf. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Versicherung nach der Art des Vertrages besonderen Pfändungsschutzvorschriften unterfällt (BGH, Urteil vom 01. Dezember 2011 – IX ZR 79/11 –, juris; BGH, Urteil vom 16. November 2017 – IX ZR 21/17 –, juris). Zusammengefasst kommt es für die Frage, ob der Gläubiger sich das Kündigungsrecht überweisen lassen kann, darauf an, ob die Rechte des Schuldners aus dem Versicherungsvertrag diesem wirtschaftlich zustehen und ob ein Pfändungsverbot greift. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall einer KFZ-Versicherung an, ist eine Pfändbarkeit gegeben. Da im Fall der Kündigung des Versicherungsvertrages der Schuldnerin ein Recht auf Rückzahlung bereits gezahlter Versicherungsprämien zustehen würde und ein solcher Anspruch seiner Art nach unstreitig pfändbar ist, muss auch das Recht zur Kündigung des Vertrages der Gläubigerin mitüberwiesen werden können. Denn wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 17.02.1966 (aaO) betont hat, ist das Kündigungsrecht akzessorisch zu dem nach Kündigung entstehenden Rückgewähranspruch. Folgerichtig hat die Gläubigerin auch nicht isoliert die Überweisung des Kündigungsrechts beantragt, sondern gerade in Verbindung mit dem in Zukunft möglicherweise entstehenden Anspruch auf Beitragsrückerstattung. Der Pfändung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass es sich bei der Kfz-Versicherung um eine Pflichtversicherung handelt. Denn durch die KFZ-Haftpflichtversicherung sollen Unfallgeschädigte geschützt werden. Dagegen ist nicht der Schutz des Kraftfahrzeughalters vor eventuellen Gläubigern bezweckt. Kündigt ein Gläubiger den Versicherungsvertrag aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, wozu er berechtigt ist, da die Überweisung einer Forderung gem. § 836 I ZPO beinhaltet, dass der Gläubiger zur Kündigung des der Forderung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses im eigenen Namen berechtigt ist, so ist es Sache des Schuldners, das nunmehr nicht versicherte Fahrzeug nicht mehr zu benutzen oder eine neue Versicherung abzuschließen. Dieses Ergebnis ist auch deshalb überzeugend, weil Kraftfahrzeuge, so sie denn im Eigentum des Schuldners stehen, ebenfalls grundsätzlich pfändbar sind. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn ein Gläubiger zwar das komplette Fahrzeug im Wege der Sachpfändung verwerten könnte, ihm die Geltendmachung vermögenswerter Rechte aus dem KFZ-Versicherungsvertrag aber vorenthalten bleiben würde.
Die Kammer hat von der ihr in § 572 III ZPO eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, welches eine erneute Entscheidung zu treffen haben wird. Diese Verfahrensweise erscheint auch deshalb sachgerecht, weil der Schuldner im Verfahren vor Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gem. § 834 ZPO nicht gehört wird.
Für den Fall, dass die Schuldnerin zwingend auf den PKW angewiesen sein sollte und der mit der Kündigung der Haftpflichtversicherung verbundene Entzug der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs eine unzumutbare Härte darstellen sollte, bleibt es ihr unbenommen, beim Amtsgericht einen Vollstreckungsschutzantrag gem. § 765a ZPO zu stellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.