Landgericht Aurich
Urt. v. 17.08.2018, Az.: 6 O 24/17
Schnupperflüge
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 17.08.2018
- Aktenzeichen
- 6 O 24/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74038
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG - 22.03.2019 - AZ: 6 U 153/18
Tenor:
Dem Beklagten wird untersagt, gewerbliche Passagierflüge als Pilot eines Luftfahrzeuges durchzuführen, sogenannte „Schnupperflüge“ durchzuführen und sie zu bewerben, bei denen ein Passagier ohne Luftfahrerlizenz das Luftfahrzeug soll steuern dürfen, sowie Flüge für bis zu 5 Passagiere im Rahmen von Flugzeugcharter oder als Events zu bewerben.
Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf, angedroht.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, über die Anzahl in den letzten 6 Monaten vor dem 21.01.2017 durchgeführten gewerblichen Passagierflüge sowie die dabei vereinnahmten Entgelte.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von 3.026,00 Euro zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist, dass der Beklagte gewerbliche Passagierflüge als Pilot eines Luftfahrzeuges durchgeführt, die gemäß Tenor dieses Urteils untersagten Schnupperflüge durchgeführt und Flüge für bis zu 5 Passagiere im Rahmen von Flugzeugcharter oder als Events beworben hat, auch soweit dieser Schaden künftig noch entstehen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von 100.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: bis zu 100.000,00 Euro
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt eine Fluglinie. Der Beklagte, bei Klageerhebung Eigentümer eines mehrsitzigen, zweimotorigen Flugzeuges, warb im Internet für „Flugzeug-Charter“, Pilotenschulung und sogenannte „Schnupperflüge“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen zur Klageschrift, K2 bis K4 Bezug genommen.
Die Klägerin hält das Verhalten des Beklagten für wettbewerbswidrig. Sie macht geltend, dass die vom Beklagten angebotenen „Schnupperflüge“ unzulässig seien. Gemäß § 5 Flugverkehrsgesetz i. V. m. § 23 der Verordnung über Luftfahrtpersonal dürfe Ausbildung von erlaubnispflichtigem Personal nur in Ausbildungsbetrieben durchgeführt werden, die entsprechend lizensiert seien. Einen solchen Betrieb führe der Beklagte, was unstreitig ist, nicht. Er dürfe deshalb nicht anbieten, dass Fluggäste, die nicht die nach dem Luftverkehrsgesetz erforderliche Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen hätten, in der Luft zeitweilig ein Flugzeug steuern dürfen.
Für die im Übrigen vom Beklagten angebotenen Flüge fehle dem Beklagten die nach den einschlägigen Verordnungen (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG), Nr. 1008/2008 und Art. 288 S. 2 AEUV) erforderliche Genehmigung für „Gewerbliche Luftverkehrsbeförderung“.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, bei Meidung von Ordnungsmitteln gewerbliche Passagierflüge als Pilot eines Luftfahrzeuges durchzuführen, „Schnupperflüge“ durchzuführen und sie zu bewerben, bei denen ein Passagier ohne Luftfahrerlizenz das Luftfahrzeug soll steuern dürfen, sowie Flüge für bis zu fünf Passagiere im Rahmen von Flugzeugcharter oder als Events zu bewerben
sowie ferner den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Anzahl der in den letzten sechs Monaten seit Klageerhebung durchgeführten gewerblichen Passagierflüge sowie die dabei vereinnahmten Entgelte
sowie schließlich den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die vorgerichtlichen Aufwendungen für die Abmahnung in Höhe von 3.026,00 € zu ersetzen
sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die nach den Klageanträgen zu untersagenden Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, keine Passagierflüge anzubieten, für die eine Genehmigung zur „Gewerblichen Luftverkehrsbeförderung“ notwendig sei, sondern lediglich die Vercharterung seines Flugzeuges an einen Piloten, der Fluggäste befördere. Ein entsprechender Chartervertrag sei dem Luftfahrbundesamt vorgelegt worden, dieses habe gegen diese Praxis keine Beanstandung erhoben. Nur dann, wenn die Charterer das Flugzeug nicht selbst steuern könnten, habe er selbst als Pilot das gecharterte Flugzeug gesteuert.
Während der „Schnupperflüge“ werde der Fluggast, der zeitweilig die Steuerung des Flugzeuges bediene, nicht zum Flugzeugführer, weil der lizensierte Pilot neben ihm weiterhin die Steuerung unter Kontrolle halte.
Wegen aller Einzelheiten des Vortrages der Beklagten zu diesem Punkt wird auf die Darstellung im Schriftsatz vom 23.05.2017, dort Seite 4 bis 8 oben, verwiesen.
Die Klägerin erwidert, bei der Durchführung der sogenannten „Flugzeugcharter“ sei es regelmäßig der Beklagte selbst, der als Pilot das Flugzeug steuere, womit also im Ergebnis der Beklagte gewerbliche Fluggastbeförderung vornehme.
Wegen aller übrigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage ist am 21.01.2017 zugestellt worden.
Aufgrund vorbereitenden Beweisbeschlusses vom 14.09.2017 ist das Luftfahrtbundesamt um Auskunft über die dort geführten Prüfungen hinsichtlich des sogenannten „Luftcharterbetriebs“ des Beklagten ersucht worden. Wegen der Antwort nebst Anlagen wird auf Bl. 133 bis 159 der Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte die prozessual verfolgten Unterlassungsansprüche gemäß §§ 3, 3a, 8 UWG.
Im Einzelnen gilt hierzu folgendes:
Die Kammer bewertet die Praxis des Beklagten, die Vercharterung seines Flugzeuges für Passagierbeförderung anzubieten und sodann im Vollzug des Chartervertrages ein verchartertes Flugzeug selbst zu steuern, wie es unstreitig in einer Mehrzahl von Fällen geschehen ist, als gewerblichen Betrieb von Passagierflügen, obwohl dem Beklagten dazu, ebenfalls unstreitig, die erforderliche luftfahrtbehördliche Erlaubnis fehlt. Es handelt sich somit um Rechtsbruch gemäß § 3a UWG. In der praktischen Auswirkung ist nämlich das Verhalten des Beklagten innerhalb des von ihm angebotenen Charterverhältnisses nicht zu unterscheiden von dem Angebot Passagiere gegen Entgelt mit dem eigenen Flugzeug zu befördern, was den Tatbestand gewerblicher Passagierflüge erfüllt. Maßgeblich für diese Bewertung ist die eigene Werbung des Beklagten, in der angeboten wird „Deutschland und Europaweite Flugreisen“ sowie: „und wo auch immer Ihr Ziel ist - wir fliegen Sie hin“. Es wird also nicht nur die Überlassung eines Flugzeuges, sondern die Ausführung einer Flugreise mit Mitteln und Personal des vom Beklagten gehaltenen Unternehmens angeboten.
Die Kammer bewertet insoweit die Praxis des Beklagten, für die Durchführung des von seinen Kunden gewünschten Fluges einen Chartervertrag anzubieten, als ein wettbewerbswidriges Umgehungsgeschäft zur Vermeidung der mit einer luftfahrtbehördlichen Genehmigung verbundenen strengeren Sicherheitsauflagen. Der Umstand, dass das Luftfahrtbundesamt die Praxis des Beklagten aus ordnungsbehördlicher Sicht bisher nicht beanstandet hat, wird von der Kammer dahin bewertet, dass aus Gründen des Opportunitätsgrundsatzes seitens der Ordnungsbehörde noch kein Anlass zum Einschreiten gesehen wird. Innerhalb der Prüfung des lauteren oder unlauteren Wettbewerbs ist die Kammer für Handelssachen jedoch gehalten, den Unlauterkeitstatbestand des Verhaltens des Beklagten im Verhältnis zu Mitbewerbern, die sich den strengeren Vorschriften, die mit einer luftfahrtbehördlichen Erlaubnis für gewerbliche Passagierflüge verbunden sind, gesetzmäßig unterwerfen, berücksichtigen muss. Es werden insoweit nicht nur Sicherheitsinteressen der Fluggäste, sondern auch die Interessen rechtstreuer Wettbewerber an gleicher Betriebskostenbelastung des konkurrierenden Beklagten spürbar beeinträchtigt.
Als Wettbewerbsverstoß bewertet die Kammer ebenfalls das Angebot sogenannter „Schnupperflüge“ durch den Beklagten. Nach den einschlägigen europarechtlichen Vorschriften ( Art. 6 Abs. 4a VO (EU) 379/14 iVm. VO (EU) 965/2012 ) dürfen derartige Flüge, in der Terminologie der einschlägigen Verordnungen als „Einführungsflüge“ bezeichnet, nur unter Bedingungen angeboten und durchgeführt werden, die der Beklagte nicht erfüllt. Der Beklagte betreibt weder eine Flugschule, innerhalb derer er die Einführungsflüge anbietet, noch handelt er im Rahmen einer anerkannten Organisation zur Förderung des Luftsports. Der Umstand allein, dass er eine Fluglehrerlizenz besitzt, reicht als Erlaubnistatbestand nicht aus. Nur im Rahmen der oben geschilderten Organisationsformen dürfte er interessierten Kunden während eines sogenannten „Schnupperfluges“ zeitweilig die Steuerung des Flugzeuges überlassen, so wie er es in der Werbung ausdrückt mit den Worten: „dazwischen gehört die Maschine Ihnen“.
Die Kammer hat sich auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob die einschlägigen Verordnungen zu Einführungsflügen Marktregelungscharakter im Sinne von § 3a UWG haben. Die Kammer bejaht dies aus dem Gesichtspunkt, dass die entsprechenden Regelungen u. a. auch der Sicherheit der Marktteilnehmer, nämlich der Kunden für entsprechende Flüge dienen. Die Beschränkung entsprechender Angebote auf Flugschulen und anerkannte Luftsportorganisationen bietet eine größere Gewähr dafür, dass die angebotenen Flüge unter den gesteigerten Sorgfaltsanforderungen solcher Unternehmen oder Organisationen ausgeführt werden, die entweder als Flugschulen oder als anerkannte Luftsportorganisationen spezieller staatlicher Aufsicht unterliegen.
Der Auskunftsanspruch der Klägerin folgt aus § 9 UWG iVm. § 242 BGB als unselbständiger Nebenanspruch aus dem durch §§ 8,9 UWG begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis (Köhler, 34. Aufl., § 9 UWG Rn. 4.5), wobei die Kammer den Klageantrag dahin auslegt, dass Auskunft über die in den letzten 6 Monaten vor Klageerhebung, d. h. vor Zustellung der Klage durchgeführten verbotswidrigen Flüge begehrt wird. Die Verwendung des Wortes „seit“ im einschlägigen Klageantrag ist sinnwidrig, weil die Klägerin ihre Klage nur auf Sachverhalte in der Vergangenheit stützen kann, nicht auf Verhältnisse, die nach Klagezustellung vom Beklagten noch geschaffen oder verändert werden.
Ebenfalls aus § 9 UWG rechtfertigt sich der Feststellungsanspruch der Klägerin
Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S.2 UWG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Bei der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO hat die Kammer neben der Höhe der Nebenforderung und der Kosten das Interesse des Beklagten an der Fortsetzung der von ihm für rechtmäßig gehaltenen Praktiken unter Berücksichtigung der Streitwertannahmen beider Parteien ergänzend berücksichtigt, was zu der Sicherheitsleistungshöhe von 100.000,00 Euro geführt hat.