Landgericht Aurich
Urt. v. 28.08.2018, Az.: 5 O 1241/17

Abgasskandal

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
28.08.2018
Aktenzeichen
5 O 1241/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - AZ: 2 U 144/18

Tenor:

I.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.034,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen EZB – Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 19.01.2018, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Caddy Maxi Comfortline 2.0 TDI, Fahrzeug-Ident.-Nr.: 123 zu zahlen.

II.) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1.) genannten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.

III.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen EZB- Basiszinssatz p.a. seit dem 21.8.2018.

IV.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V.) Der Kläger hat 12 %, die Beklagte 88 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

VI.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: bis zu 25.000,-€

Tatbestand:

Der Kläger erwarb von der Fa. A. E. & W. GmbH & Co. KG auf der Grundlage einer „Auftragsbestätigung“ vom 19.12.2014 einen PKW „VW Caddy Maxi Comfortline“ zu einem Kaufpreis in Höhe von 35.592,79 €. Das Fahrzeug wurde am 27.2.2015 erstmals zugelassen. Es ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgerüstet. Mit Schreiben vom Februar 2016 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass der in seinem Fahrzeug eingebaute Dieselmotor von der Software betroffen ist, durch welche die Stickoxidwerte (NOX) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Im Prüfstand sorgt eine Software dafür, dass eine höhere Abgasrückführungsrate mit der Folge erreicht wird, dass weniger Stickoxide ausgestoßen werden. Unter Fahrbedingungen im normalen Straßenverkehr wird das Fahrzeug in einem anderen Modus betrieben, so dass mehr Stickoxide emittiert werden.

Nach der Aufdeckung dieses Umstandes hatte das Kraftfarhtbundesamt (KBA) die Auffassung vertreten, dass die Beklagte unzulässige Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen verwendet hat. Die Beklagte entwickelte daraufhin Maßnahmen, insbesondere in Form eines Software-Updates, um die Umschaltlogik zu beseitigen und die Grenzwerte für NOx einzuhalten, ohne dass der Motor dafür in einen Prüfstandmodus gewechselt werden muss. Unter dem 1.6.2016 gab das KBA die technische Überarbeitung für das streitgegenständliche Modell frei und bestätigte, dass sich nach Überprüfung die Umsetzung der technischen Maßnahmen nicht negativ auf die Kraftstoffverbrauchswerte, CO2 – Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment, Geräuschemissionen und die Dauerhaltbarkeit von emissionsmindernden Einrichtungen auswirkt. Das von der Beklagten vorgesehene Software-Update wurde am 28.7.2016 bei dem Fahrzeug des Klägers durchgeführt.

Mit Anwaltsschreiben vom 20.9.2017 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass sein Fahrzeug von der Abgasmanipulation betroffen sei, und forderte die Beklagte auf, zu bestätigen, dass sie zur Rückabwicklung, Zug um Zug gegen Rückgabe des von ihm erworbenen Fahrzeugs, bereit ist.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe durch die Manipulation der Software des Motorsteuergerätes gezielt den Eindruck erweckt, ihre Fahrzeuge seien vergleichsweise schadstoffarm, obwohl ihr selbst bekannt gewesen sei, dass die von ihr vertriebenen Fahrzeuge tatsächlich im Vergleich deutlich schlechtere Werte aufgewiesen haben. Bei von der Beklagten durchgeführten Tests hätten die Testfahrzeuge bei voller Abgasrückführung und damit dem die Grenzwerte einhaltenden Testmodus entsprechend bereits nach rund 80.000 km einen zerstörten Dieselpartikelfilter aufgewiesen. Bei anderen Komponenten wie dem Abgasrückführungsventil und den Speicherkatalysatoren müsse ebenfalls damit gerechnet werden, dass diese Bauteile bei jederzeitiger voller Abgasrückführung extrem schnell verschleißen und somit die Haltbarkeit der von der Beklagten vertriebenen Produkte auf dem PKW–Markt weit unterdurchschnittlich gewesen ist. Er habe inzwischen zwar das von der Beklagten entwickelte Software-Update aufspielen lassen. Gleichwohl bestreite er, dass dadurch sämtliche zuvor von der Beklagten nicht lösbaren technischen Probleme hätten behoben werden können.

Nur mithilfe der nicht gesetzeskonform arbeitenden Motorsteuerungssoftware habe der PKW die Abgasgrenzwerte, die von der Euro – 5 – Norm gefordert werden, auf dem Prüfstand einhalten können. Hätte er dies gewusst, hätte er den streitgegenständlichen PKW nicht erworben und den ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag nicht abgeschlossen. Im Fall der Entdeckung der Manipulation durch das Kraftfahrtbundesamt habe er nämlich damit rechnen müssen, dass ihm der Betrieb des Fahrzeuges untersagt wird. Da der Motor des Fahrzeuges als der Euro–5–Norm entsprechend angeboten worden sei, habe er davon ausgehen dürfen, dass die hierfür erforderlichen Grenzwerte nicht nur aufgrund einer Softwaremanipulation im NEFZ eingehalten werden. Aufgrund des Bekanntwerdens der Manipulationen der Beklagten brächten potentielle Käufer Dieselfahrzeugen inzwischen allgemein ein erhebliches Misstrauen entgegen. Dies gelte ganz besonders aber für Fahrzeuge, die mit einem Motor der Beklagten ausgerüstet sind. Die Restwerte für gebrauchte Dieselfahrzeuge befänden sich dadurch in einem erheblichen Abwärtstrend.

Die ihn schädigende Handlung sei der Beklagten auch zuzurechnen. Da ihm die inneren Verhältnisse der Beklagten nicht bekannt seien, habe diese zunächst einmal darzulegen, welche vertretungsberechtigten Organe und Vertreter der Beklagten im Einzelnen, in welcher Form und in welchem Umfang Sachkenntnis von der Manipulation gehabt hätten. Es sei undenkbar, dass Mitarbeiter auf der untersten Ingenieursebene ohne Wissen der vertretungsberechtigten Organe der Beklagten eine entsprechende Entwicklung und Implementierung der Steuersoftware vorgenommen hätten. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende W. der Beklagten sei in dem Zeitraum 2002 bis 2007 Vorstandsvorsitzender der A. AG gewesen, die im Jahre 2004 erstmals die R. B. GmbH damit betraut gehabt habe, eine Motorsteuerungssoftware als Abschalteinrichtung für Dieselmotoren zu entwickeln. Hinzu komme, dass auch der Leiter der Abteilung Antriebstechnik, Herr H., und der leitende Chef-Entwickler, Herr U. H., mit Herrn W. zur Beklagten gewechselt seien. Der ehemalige Aufsichtsratschef der Beklagten, Herr F. P., habe ebenfalls bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesagt, dass Herr W. bereits deutlich vor September 2015 von den Manipulationen erfahren habe. So habe es bereits zu diesem Zeitpunkt Informationen gegeben, dass es in den USA erhebliche Probleme wegen manipulierter Abgaswerte gebe. Bereits im Mai 2014 habe die Beklagte deshalb unstreitig ca. 500.000 Fahrzeuge zur Nachbesserung in die Werkstätten gerufen. Die Ursache dafür könne den Mitgliedern des Vorstandes nicht verborgen geblieben sein. Zudem habe Herr W. am 23.5.2014 ein E-Mail von Herrn G. erhalten, die ihm eine sichere Kenntnis von den Vorgängen vermittelt habe. Die R. B. GmbH habe ebenfalls frühzeitig darauf hingewiesen, dass die von ihr entwickelte Software im Straßenverkehr nicht eingesetzt werden dürfe.

Die Beklagte habe das gesteigerte Umweltbewusstsein vieler Endkunden ausgenutzt und diese getäuscht, indem sie ihre PKW mit manipulierten Motoren in den Verkehr gebracht habe. Dabei hätten die verantwortlichen Vorstandsmitglieder aus Gewinnsucht und mit Betrugsabsicht gehandelt. Diese Entscheidungen hätten nur von dem obersten Organ der Beklagten und damit vom Vorstand getroffen werden können.

Die Beklagte habe sich bewusst dafür entschieden, eine volle Abgasrückführung nicht zu gewährleisten, um damit dem erhöhten Verschleiß der im Abgasstrang verbauten Teile zu begegnen, gleichzeitig aber auch im Prüfstand durch eine entsprechend hohe Rückführungsrate die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte vorzuspielen. Dabei habe sie billigend in Kauf genommen, dass die Betriebserlaubnis für die PKW bei Aufdeckung der Manipulation gefährdet ist und die Kunden mit einem entsprechenden Werteverfall rechnen müssen. Ihr sei es nur darum gegangen, Wettbewerbsvorteile und Gewinne zu erzielen.

Da er bei Kenntnis der objektiven Sachlage das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte, sei der Kaufvertrag rückabzuwickeln. Die durch den Gebrauch des Fahrzeugs erlangten Vorteile beziffere er auf 12.813,40 €, so dass ihm die Beklagte einen Betrag von 22.779,39 € zurückzuzahlen habe. Darüber hinaus habe ihm die Beklagte außergerichtlich entstandene Anwaltskosten in Höhe von 1.590,91 € zu erstatten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.779,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen EZB – Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 7.10.2017, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Caddy Maxi Comfortline 2.0 TDI, Fahrzeug-Ident.-Nr.:.,  zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1.) genannten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.590,91 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen EZB- Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, es fehle bereits an einer Schädigung des Klägers. Dieser habe ein Fahrzeug erworben, das technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Es verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen; die für das Fahrzeug erteilte EG–Typgenehmigung sei unverändert wirksam und nicht aufgehoben worden. Der Kläger könne das Fahrzeug weiterhin im Straßenverkehr belassen und vertragsgemäß verwenden. Weil er das von ihr angebotene und durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) geprüfte und freigegebene Update bereits habe durchführen lassen, sei das Fahrzeug, wie das KBA bestätigt habe, ohne jeden Zweifel auch zukünftig weiterhin verkehrstauglich.

Eine unzulässige Abschalteinrichtung sei in dem Fahrzeug des Klägers nicht verbaut. Die Wirksamkeit der Abgasreinigungsanlage werde im Laufe des realen Fahrzeugbetriebs nicht reduziert, da die streitgegenständliche Software nicht auf das Emissionskontrollsystem einwirke, sondern dazu führe, dass Abgase beim Durchfahren des NEFZ in den Motor zurückgeführt werden, bevor sie überhaupt das Emissionskontrollsystem erreichten. Zudem wirke die Software nicht im realen Fahrbetrieb auf das Emissionskontrollsystem ein.

Für die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte zur Erlangung der EG – Typgenehmigung sei nach den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben nur der synthetische Fahrzyklus unter Laborbedingungen mit 5 künstlichen Fahrkurven maßgeblich (NEFZ). Dementsprechend komme es naturgemäß zu Abweichungen zwischen den angegebenen Abgaswerten (Laborwerten) und denjenigen Werten, die auf der Straße erzielt würden. Auf letztere komme es aber gerade nicht an. Und im maßgeblichen Prüfzyklus habe der von dem Kläger erworbene PKW die Grenzwerte eingehalten, schon bevor das Software-Update aufgespielt worden sei.

Soweit der Kläger auf Vorgänge in den USA verweist, seien diese nicht vergleichbar. Im realen Fahrbetrieb gemessene Werte seien in Deutschland, anders als in den USA, für die Genehmigung der Fahrzeuge mit EA 189 Motoren unerheblich. Die Grenzwerte in den USA seien überdies wesentlich niedriger als in Deutschland.

Von einem Wertverlust könne in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug keine Rede sein. Vielmehr seien die Verkaufswerte der Fahrzeuge, die mit dem Motor des Typs EA 189 ausgerüstet sind, über knapp 2 Jahre stabil geblieben.

Ein Entzug der Typgenehmigung drohe nicht. Das KBA habe das von ihr entwickelte Software-Update freigegeben und damit bestätigt, dass die Fahrzeuge jedenfalls danach rechtmäßig sind. Das Fahrzeug des Klägers sei nach wie vor als solches der Abgasnorm EU-5 qualifiziert. Durch das Software – Update werde die ursprünglich verwendete Umschaltlogik beseitigt. Negative Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2 – Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen bestünden nicht; das habe auch das KBA bestätigt. Das Software-Update führe dazu, dass das Fahrzeug nunmehr in dem ursprünglichen Modus 1, der im Prüfstand wirksam gewesen sei, betrieben werde. Gleichzeitig sei der Modus 1 angepasst worden, indem das Brennverfahren optimiert worden sei. Dabei seien Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens der letzten 10 Jahre und Felderfahrungen in Bezug auf einzelne Komponenten eingeflossen.

Sie habe gegenüber dem Kläger keine unzutreffenden Angaben gemacht. Das von ihm erworbene Fahrzeug sei bereits vor der Aufspielung des Software-Updates verglichen mit den Fahrzeugen anderer Hersteller emissionsarm und kraftstoffsparend gewesen. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass sich der Kläger in Kenntnis der hier monierten Umstände gegen den Erwerb des Fahrzeugs entschieden hätte.

Schon gar nicht habe der Kläger schlüssig dargetan, dass Personen, deren Kenntnisse ihr - der Beklagten - zuzurechnen sind, vorsätzlich hinsichtlich eines angeblichen Schadens und hinsichtlich von Umständen, die angeblich eine Sittenwidrigkeit begründen können, gehandelt hätten. Sie sei derzeit noch dabei, zu klären, wie es zu dem Einsatz der Motorsteuerungssoftware kommen konnte. Ein Abschlussbericht dazu liege noch nicht vor. Nach den derzeitigen Erkenntnissen sei nicht anzunehmen, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien. Diese hätten ebenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses weder von der Programmierung noch von der Verwendung der Software Kenntnis erlangt gehabt. Dies gelte auch für Herrn W.. Soweit dieser am 23.5.2014 eine E-Mail erhalten habe, stamme diese von dem Leiter der Qualitätssicherung, Herrn T.. Dieser habe einen Kurzvermerk des Leiters der „Konzern-Qualitätssicherung“ G. beigefügt gehabt. Darin habe dieser auf eine signifikante Überschreitung der NOx-Werte im Straßenbetrieb und davon berichtet, die US-Behörden würden vermutlich prüfen, ob eine Prüflauferkennung im Sinne eines „sog. Defaet Device“ in die Motorsteuerungssoftware implementiert worden sei. Weiter habe Herr T. die Information weitergeleitet, dass die geplanten Softwareverbesserungen nicht ausreichten, um die ohnehin nur für den Rollenprüfstand geltenden NOx-Grenzwerte im Straßenbetrieb einzuhalten. Herr W. habe lediglich die Notiz von Herrn T. wahrgenommen, ohne dieser besondere Bedeutung beizumessen. Herr T. habe auch keine Maßnahmen getroffen gehabt, um die Aufmerksamkeit von Herrn W. gerade auf diese Notiz zu lenken, die Herrn W. lediglich im Rahmen der üblichen Wochenendpost zugeleitet worden sei.

Unabhängig davon habe sich der Kläger jedenfalls die Nutzungsvorteile anrechnen zu lassen, die ihm durch den Gebrauch des Fahrzeugs zugeflossen sind.

Was die Anwaltskosten anbelange, bestreite sie, dass der Kläger diese bereits bezahlt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten neben der Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.171,67 € die Zahlung von 20.034,33 € nebst Zinsen verlangen. Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des von dem Kläger erworbenen Fahrzeugs in Annahmeverzug.

I.) Dem Kläger stehen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche in Höhe von 20.034,33 € wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB zu.

1.) Die Beklagte hat dem Kläger sittenwidrig einen Schaden zugefügt.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr ist eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens erforderlich, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben muss. Ein Unterlassen ist nur dann als Verstoß gegen die guten Sitten zu werten, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Vielmehr müssen auch hier besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich unter anderem aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH Urteil vom 28.6.2016, Az. VI ZR 536/15, zitiert nach juris, Rdnr. 16). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte sittenwidrig gehandelt, indem sie Fahrzeuge in den Verkehr gebracht hat, die die gesetzlich festgelegten Grenzwerte für Stickoxide nur einhalten konnten, weil eine Abschalteinrichtung dafür gesorgt hat, dass die Emission von Stickoxiden auf dem Testprüfstand reduziert wird.

a.) Bei dem Einbau der streitgegenständlichen Software handelt es sich um einen Umstand, dessen Eintritt den Vertragszweck aus Sicht des Käufers, des Klägers, vereiteln konnte und den der Käufer selbst nicht zu erkennen vermochte (vgl. dazu Oechsler, NJW 2017, S. 2865, 2866). Das erkennende Gericht hat dazu in seinem Urteil vom 30.1.2018 (Az. 5 O .383/17) ausgeführt:

Die in dem Fahrzeug eingebaute Software sorgt unstreitig dafür, dass das Fahrzeug im Prüfstandbetrieb andere Emissionswerte vortäuscht, als es im normalen Straßenverkehr einhalten kann. Die technische Vorrichtung sorgt also dafür, dass im Prüfstandbetrieb eine Abgasreinigung vorgetäuscht wird, die im Alltagsbetrieb schon grundsätzlich nicht stattfindet (vgl. Ring, NJW 2016, S. 3121, 3122). Die von der Beklagten vertretene Auffassung, die insoweit maßgeblichen Normen - EU-Verordnung VO 715/2007, EU Richtlinie 2007/46/EG schrieben nur vor, dass das Kraftfahrzeug im Prüfstandbetrieb die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte einhält, hält das Gericht für abwegig. Die genannte Verordnung dient der Harmonisierung des Binnenmarkts, zielt auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung (LG Braunschweig, Urteil vom 16.10.2017, Az. 11 O .4092/16, zitiert nach juris, Rdnr. 58). Dieser Zweck wird ersichtlich verfehlt, wenn das Fahrzeug – wie das streitgegenständliche – ausschließlich in der Lage ist, die Emissionsgrenzwerte im Prüfstandbetrieb einzuhalten und seitens des Herstellers gar nicht beabsichtigt ist, diese Werte auch im Straßenverkehr unter vergleichbaren Bedingungen einzuhalten. Dementsprechend hat auch das KBA die seitens der Beklagten verwendete Software als unzulässige Abschalteinrichtung gewertet und einen Rückruf der davon betroffenen Fahrzeuge angeordnet - ohne dass die Beklagte zu 2.) diese Entscheidung angegriffen hat. Soweit die Beklagten in Erwägung ziehen, dass die Fahrzeuge möglicherweise auch im Modus für den Straßenbetrieb die zulässigen Grenzwerte einzuhalten imstande sind, ohne dass dies überprüft werden könne, ist ihr Vorbringen ohne hinreichende Substanz: Wer eine Software verwendet, um im Prüfstandbetrieb eine Abgasreinigung vorzutäuschen, die im Straßenbetrieb nicht stattfinden kann, schafft einen Anschein für die Annahme, dass die zulässigen Grenzwerte ohne Hilfe der Manipulationssoftware nicht eingehalten werden können (zum Anscheinsbeweis vgl. Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 38.A., § 286 Rdnr. 12 ff.). Dieser Anschein wird durch das Vorbringen der Beklagten nicht erschüttert.

b.) Diese Manipulation musste für jeden potentiellen Käufer eines Fahrzeugs mit dem streitgegenständlichen Motor EA 189 von erheblicher Bedeutung sein. Dabei ist unerheblich, ob ein solcher Käufer ein besonders umweltverträgliches Fahrzeug erwerben wollte oder nicht. Denn unabhängig davon musste ein Erwerber in Betracht ziehen, dass sein Fahrzeug nach einer Aufdeckung der Manipulation stillgelegt wird - weil es über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt, so wie es das KBA gewertet hat. Dabei ist unerheblich, ob diese Rechtsansicht zutrifft, da der Erwerber des Fahrzeuges jedenfalls ernstlich befürchten musste, dass eine Stilllegung des Fahrzeuges verfügt wird, wenn zutage tritt, dass dieses die Grenzwerte für Stickoxide nur einzuhalten imstande ist, wenn die Software für die Motorsteuerung den Testmodus wählt, um Emissionen vorzutäuschen, die das Fahrzeug im Straßenverkehr nicht einmal theoretisch erreichen kann. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte die Beklagte auch noch keine Maßnahmen entwickelt, durch die hätte gewährleistet werden können, dass das Fahrzeug auch ohne Manipulation durch eine Abschalteinrichtung die geforderten Grenzwerte einzuhalten vermag. Die Beklagte konnte also nicht davon ausgehen, dass die Motorsteuerung mit einfachen Mitteln geändert werden kann, um eine Stilllegung des Pkw zu vermeiden. Darüber hinaus hat die Beklagte sehenden Auges die Gesundheitsgefahren hingenommen, die mit Stickoxidemissionen verbunden sind. Die Gründe für ein solches Verhalten der Beklagten liegen auf der Hand: Die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen bzw. ein übertriebenes Gewinnstreben. So war die Beklagte entweder außerstande, Motoren zu produzieren, die auch ohne Abschalteinrichtung in der Lage sind, die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide einzuhalten. Oder aber hat die Beklagte die Kosten gescheut, die mit einer anderen technischen Lösung verbunden gewesen wären und die dazu hätten führen müssen, dass sich die Fahrzeuge verteuern und deshalb nicht so leicht verkäuflich sind. Andere Erklärungen dafür hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Sie hat also erhebliche Nachteile ihrer Endkunden in Kauf genommen, um möglichst viele Fahrzeuge mit dem streitgegenständlichen Motor absetzen zu können. Ein solches Verhalten ist sittenwidrig.

2.) Eine Haftung der Beklagten ist aber nur gegeben, wenn sie mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Da es sich bei der Beklagten um eine juristische Person handelt, ist diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn dieser in der Person des handelnden verfassungsmäßig berufenen Vertreters verwirklicht ist, § 31 BGB. Davon ist hier auszugehen.

a.) Verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB ist zunächst ihr Vorstand (§ 78 AktG). Der nach § 826 BGB erforderliche Vorsatz setzt voraus, dass der Handelnde die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls für möglich gehalten und zumindest billigend in Kauf genommen hat. Dabei reicht es nicht aus, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH,a..a.O., Rdnr. 25). Einen solchen Vorsatz von Vorstandsmitgliedern der Beklagten oder sonstiger verfassungsmäßiger Vertreter hat der Kläger, der dafür darlegungs- und beweisbelastet ist (Palandt – Sprau, BGB, 77. Aufl., § 826 Rdnr. 18), allerdings nicht schlüssig dargetan.

Der Kläger hat selbst vorgetragen, nicht in der Lage zu sein, näher darzulegen, wie es zu der Entscheidung der Beklagten gekommen ist, in den streitgegenständlichen Motor EA 189 eine Abschalteinrichtung einzubauen. Er konnte weiter nicht dartun, wann welche vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder der Beklagten erstmals von der Manipulation erfahren haben. Vielmehr hat sich der Kläger nur auf die „mediale Berichterstattung“ zu stützen vermocht, ohne allerdings näher darlegen zu können, wer für die Entscheidung, eine Abschalteinrichtung zu verwenden, im Unternehmen der Beklagten verantwortlich gewesen ist und wann der damalige Vorstand der Beklagten davon Kenntnis erlangt hat.

b.) Die Beklagte ist jedoch nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast gehalten, dazu zunächst selbst ergänzend vorzutragen. Das hat die Beklagte trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts versäumt.

aa.) Nach Treu und Glauben kann es Sache der nicht beweisbelasteten Gegenpartei sein, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH NJW-RR 2015, S. 1279, 1280 [BGH 10.02.2015 - VI ZR 343/13]). Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden - wobei unerheblich ist, wenn es sich bei dem als verletzt im Raum stehenden Schutzgesetz um eine Strafvorschrift handelt (BGH, a.a.O.). Weiter hat die obergerichtliche Rechtsprechung die Grundsätze der sekundären Darlegungslast in Verfahren herangezogen, in denen der Kläger dem Beklagten vorgeworfen hatte, dieser habe ihn durch eine hinter seinem Rücken getroffene Schmiergeldabrede in sittenwidriger Weise geschädigt: Wegen der besonderen Schwierigkeiten, derartige Abrede zu beweisen, hat der Bundesgerichtshof dem Kläger Beweiserleichterungen zugebilligt und dabei der beklagten Partei eine sekundäre Darlegungslast auferlegt (BGH, Urteil vom 18.1.2018, Az. I ZR ./15, zitiert nach juris, Rdnr. 32). In einem solchen Fall genügt der Kläger seiner Darlegungslast, wenn er ausreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass eine derartige Vereinbarung getroffen worden ist (BGH, a.a.O., Rdnr. 26). Nach diesen Grundsätzen ist hier eine subjektive Darlegungslast anzunehmen; soweit das Gericht in dem Urteil vom 30.1.2018 (s.o.) dazu eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, wird daran nicht festgehalten.

Anders als in den Fällen von Schmiergeldzahlungen steht hier bereits fest, dass die Beklagte über viele Jahre hinweg zahlreiche Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, die den Stickoxid-Grenzwert nur deshalb einhalten konnten, weil eine Motorsteuerungssoftware auf dem Prüfstand Emissionswerte vorgetäuscht hatte, die das Fahrzeug im Straßenverkehr nicht einmal annähernd erreichen konnte. Darüber hinaus mussten unstreitig bereits vor dem Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages wegen dieser Problematik in den USA ca. 500.000 Fahrzeuge zurückgerufen werden. Es erscheint kaum vorstellbar, dass all dies über einen solchen Zeitraum geschehen ist, ohne dass der Vorstand der Beklagten davon Kenntnis erlangt und dieses Vorgehen gebilligt hat - zumal eigens eine Drittfirma dafür eine entsprechende Software entwickeln und die Beklagte für deren Einkauf nicht unerhebliche finanzielle Mittel einsetzen musste. Dabei ist unerheblich, ob bereits diese Umstände den Schluss darauf zulassen, dass dies mit Wissen und Wollen des Vorstandes geschehen ist: Wenn dies der Fall wäre, bedürfte es der Anwendung der Grundsätze der sekundären Beweislast nicht.

Es liegt ebenfalls auf der Hand, dass der Kläger selbst keine Möglichkeiten hat, näher darzulegen, wer im Unternehmen der Beklagten die Entscheidung getroffen hat, die streitgegenständliche Software einzusetzen und inwieweit der Vorstand der Beklagten in diese Entscheidung involviert gewesen ist. Dagegen ist die Beklagte ohne weiteres in der Lage, näher vorzutragen, wie es zum Einsatz der streitgegenständlichen Software in eine Vielzahl von Fahrzeugen gekommen ist. Dabei kann sie sich nicht darauf berufen, dass ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Nach der Aufdeckung der Manipulation sind bereits mehrere Jahre vergangen. Im Übrigen liegen der Beklagten jedenfalls Zwischenergebnisse vor, die sie ohne weiteres darlegen könnte.

Eine solche Darlegung ist der Beklagten auch zuzumuten. Wie schon oben ausgeführt, ist in diesem Zusammenhang nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht maßgeblich, ob ein strafbares Verhalten ihrer Mitarbeiter in Rede steht.

bb.) Ihrer sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen. Vielmehr hat sie sich auf den allgemein gehaltenen Vortrag beschränkt, dass nach ihrem jetzigen Kenntnisstand Mitglieder des Vorstandes weder die Entwicklung der streitgegenständlichen Software in Auftrag gegeben noch davon zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Kaufvertrages gewusst haben.

3.) Wird der Geschädigte - wie hier der Kläger - aufgrund der unterlassenen Aufklärung über einen für seinen Kaufentschluss wesentlichen Umstand zum Abschluss eines Vertrages veranlasst, den er sonst nicht geschlossen hätte, liegt sein Schaden in der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (BGH, Urteil vom 28.6.2016, Az. VI ZR 150/15, zitiert nach juris, Rdnr. 12). So verhält es sich hier.  Es liegt auf der Hand, dass ein Käufer kein Fahrzeug zu einem Kaufpreis von immerhin 35.592,79 € erwirbt, wenn er damit rechnen muss, dass das Fahrzeug möglicherweise stillgelegt wird, wenn aufgedeckt wird, mit welchen Mitteln die Beklagte die Einhaltung der Stickoxidwerte auf dem Prüfstand vortäuscht. Es deshalb unerheblich, ob der Kläger an dem Erwerb eines umweltverträglichen Fahrzeugs interessiert war oder welche Motive sonst vorgelegen haben, den streitgegenständlichen Pkw zu kaufen. Jeder Käufer kann davon ausgehen bzw. geht davon aus, dass er für einen solchen Kaufpreis ein Fahrzeug erwirbt, das er im Straßenverkehr auch nutzen darf und bei dem er nicht befürchten muss, dass dieses durch die zuständige Behörde stillgelegt wird - so wie es jetzt jedem Fahrzeughalter droht, der ein Fahrzeug mit dem Motor EA 189 erworben hat, wenn er das von der Beklagten entwickelte Software-Update nicht aufspielen lässt. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob eine Nachbesserung inzwischen mit geringen Mitteln möglich ist: Maßgeblich ist nämlich der Zeit des Vertragsschlusses Ende 2014; zu diesem Zeitpunkt stand ein Software-Update unstreitig nicht zur Verfügung.

4.) Durch den Abschluss des Kaufvertrages vom 19.12.2014 ist dem Kläger auch ein Schaden entstanden.

Ein Schaden ist nicht nur dann entstanden, wenn sich bei dem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Dabei ist zum einen das komplette haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen. Der Schadensersatz dient dazu, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, so dass der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen ist. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGHZ 161, 361, 367). Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass im vorliegenden Fall eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung in Rede steht und in einem solchen Fall der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten dient. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar; insoweit bewirkt die Norm einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (BGHZ 161, S. 361, 367 f.). Danach ist der Kläger hier so zu stellen, als wenn er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben und den Kaufpreis dafür nicht entrichtet hätte (BGH, a.a.O., S. 369). Mithin ist unerheblich, wenn die Beklagte das Fahrzeug inzwischen nachgebessert hat. Davon abgesehen ist schon deshalb davon auszugehen, dass der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs durch die Abgasmanipulation reduziert worden ist, weil zahlreiche vergleichbare Klagen gegen die Beklagte anhängig sind und damit zu rechnen ist, dass deshalb eine Vielzahl von gebrauchten Dieselfahrzeugen der Beklagten auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu haben sind.

5.) Im Rahmen der Vorteilsausgleichung sind allerdings die vom Geschädigten gezogenen Nutzungen anzurechnen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 77.A., Vorb v § 249 Rdnr. 94). Die Gebrauchsvorteile, die der Kläger aus der Nutzung des streitgegenständlichen VW Caddy gezogen hat, berechnen sich hier wie folgt - wobei das Gericht die unstreitige tatsächliche bisherige Laufleistung von 109.281 km zugrunde gelegt hat und von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges von 250.000 km ausgegangen ist (vgl. dazu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13.A., Rdnr. 1166, 1171, 3574):

109.281 km x 35.592,79 €

250.000 km

Die Nutzungsvergütung beläuft sich also auf 15.558,46 €, so dass die Beklagte dem Kläger einen Betrag von 20.034,33 € (35.592,79 € - 15.558,46 €) zu erstatten hat.

II.) Die Zinsforderung des Klägers ist gemäß den §§ 288, 291 BGB gerechtfertigt, jedoch erst ab Rechtshängigkeit (19.1.2018), da der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 20.9.2017 die Beklagte nicht etwa aufgefordert hat, den Kaufpreis bis zum 6.10.2017 zurückzuzahlen, sondern lediglich um Bestätigung gebeten hat, das streitgegenständliche Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzunehmen. Eine hinreichend deutliche Zahlungsaufforderung im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 286 Rdnr. 17) kann darin nicht gesehen werden.

III.) Die Beklagte ist überdies verpflichtet, dem Kläger gemäß den §§ 826, 249 BGB die außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Dabei ist unerheblich, ob der Kläger die Anwaltskosten bereits beglichen hat. Solange dies unterblieben ist, wäre die Beklagte nämlich gehalten, den Kläger von der Gebührenforderung seiner Rechtsanwälte freizustellen. Da die Beklagte jegliche Schadensersatzforderungen des Klägers abgelehnt hat, hat sich der Freistellungsanspruch gemäß § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 250 Rdnr. 2). Der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist nach dem Gegenstandswert zu ermitteln, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH NJW 2018, S. 935, 935 [BGH 05.12.2017 - VI ZR 24/17]), hier also nach einem Gegenstandswert von bis zu 22.000,-€. Danach belaufen sich die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten (§§ 13, 14 RVG, Nr. 2300, 7002, 7008 VV RVG) auf 1.171,67 €: (1,3 x 742,-€) + 20,-€ zzgl. MwSt. Zinsen darauf können gemäß § 291 BGB erst gefordert werden, als die Beklagte mit der Klageerwiderung die Forderungen des Klägers abgelehnt hat, also ab dem 21.3.2018. Erst zu diesem Zeitpunkt ist der Zahlungsanspruch fällig geworden (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 291 Rdnr. 5).

IV.) Die Beklagte ist mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug, §§ 293 ff BGB. Unstreitig hat der Kläger der Beklagten bereits mit außergerichtlichem Schreiben vom 20.9.2017 die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten und mit der Klage die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs begehrt. Dabei kann offen bleiben, ob darin ein ausreichendes wörtliches Angebot im Sinne von § 295 BGB zu sehen ist, obwohl dazu etwa gehört, das die Rückgabe des Fahrzeuges am richtigen Ort und zur rechten Zeit angeboten wird (vgl. dazu Reinking/Eggert, a.a.O., Rdnr. 1209). Denn die Beklagte hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht zur Rückabwicklung des Kaufvertrages bereit ist. In einem solchen Fall bedarf es auch eines wörtlichen Angebots im Sinne von § 295 BGB nicht (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 295 Rdnr. 4 a.E.).

Die Nebenentscheidungen stützen sich auf die §§ 92, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.