Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 15.11.2018, Az.: 4 B 7130/18

Baudenkmal; Eigentümer; Einschreiten des Denkmalschutzes; Kulturdenkmal; Sichtbeziehung; Umgebungsschutz; Wirkzusammenhang

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.11.2018
Aktenzeichen
4 B 7130/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74250
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Eigentümer eines Einzeldenkmals hat keinen Anspruch auf denkmalrechtliches Einschreiten gegen den beabsichtigten Abriss eines vermeintlichen Denkmals, das sich nicht in der näheren Umgebung seines Baudenkmals befindet.
2. Die drittschützende Wirkung des Beeinträchtigungsverbots des § 8 Satz 1 NDSchG vermittelt nur dem Eigentümer eine Kulturdenkmals in der räumlichen Nähe der streitgegenständlichen Maßnahme einen Abwehranspruch. Bei einer Entfernung von rund 275 m Luftlinie zwischen den Gebäuden und dem Fehlen einer Sichtbeziehung bzw. eines Wirkzusammenhangs kann der beanstandete Abriss eines Gebäudes, dessen Denkmaleigenschaft zwischen den Beteiligten streitig ist, zu keiner Beeinträchtigung des denkmalgeschützten Gebäudes des Antragstellers führen.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EURO festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, der Beigeladenen den Abriss des Alten Rathauses Letter aus denkmalrechtlichen Gründen zu untersagen.

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt. Die Gebäude sind als Baudenkmal (ehemalige Wohn-/Wirtschaftsgebäude) im Fachinformationssystem der Niedersächsischen Denkmalpflege (ADABweb) eingetragen. Ausweislich der vom Antragsteller übersandten Unterlagen aus der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen Band 13.1 (Landkreis D-Stadt) gehören die Bauten Im Sande 4 und 6 zu den ältesten Bauten Letters, die als Vierständer abgezimmert und im Dielentor auf 1743 und 1786 datiert sind und durch Sanierungsarbeiten vor dem Verfall gerettet worden sind.

Das Alte Rathaus Letter, das westlich der Straße Im Sande (etwa in Höhe des Grundstücks Im Sande 27-25) und östlich der Freiherr-vom-Stein-Straße am Bürgermeister-Röber-Platz 1 liegt, ist ein zweigeschossiger Putzbau aus dem Jahr 1939, der nicht in die Liste der Baudenkmale eingetragen ist. Es befindet sich in einer Entfernung von ca. 275 m Luftlinie westlich vom Grundstück des Antragstellers, wobei die Straße Im Sande ca. 185 m westlich des Grundstücks des Antragstellers (in Höhe des Grundstücks Im Sande 22) nach Süden abknickt. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung am 27.09.2018 den Entwurf des Bebauungsplans Nr. 54 „Bürgermeister-Röber-Platz“ für den Stadtteil Letter, der das Grundstück mit dem Alten Rathaus Letter umfasst und bis einschließlich 19.11.2018 öffentlich ausliegt. Die Antragsgegnerin hat das Grundstück mit dem Alten Rathaus an die Beigeladene veräußert, die beabsichtigt, darauf Wohnungen zu errichten. Auf einer Informationsveranstaltung teilte der Bürgermeister der Antragsgegnerin mit, dass ab dem 05.11.2018 mit dem Abriss des Alten Rathauses gerechnet werde.

Mit Schreiben vom 12.11.2018 beantragte der Antragsteller - gemeinsam mit Herrn E., dem Antragsteller im Verfahren 4 B 7130/18 - bei der Antragsgegnerin das denkmalrechtliche Einschreiten gegen den geplanten Abriss des Alten Rathauses. Zur Begründung verwies er darauf, dass sein Grundstück und das Grundstück des Herrn E. (F. in A-Stadt) anerkannte Denkmäler seien, die mit dem zum Abriss preisgegebenen Alten Rathaus ein denkmalrechtliches Ensemble bildeten. Wie sich aus der von ihnen beigefügten gutachterlichen Stellungnahme des Dr.-Ing. G. vom 05.11.2018 zum Denkmalwert des Alten Rathauses ergebe, handele es sich um ein bau- und stadthistorisch markantes Gebäude, das weitgehend im Original erhalten sei und in der Geschichte der öffentlichen Verwaltungsgebäude ein beredtes Zeugnis für die Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs der dreißiger Jahre darstelle. Das Gebäude stelle ein besonderes Dokument der Zeitgeschichte dar, das Prinzipien der Bauhaus-Architektur in der Baugestaltung aufweise und auch Forderungen nach Einfachheit, Zweckmäßigkeit und soldatischer Strenge der Architektur der NS-Zeit erkennen lasse. Gerade das Gegenüber von Rathaus, Kirche und Schule über die Straße Im Sande hinweg markiere die Zentrumsfunktion, die durch den geplanten Abriss und die Planung mit Wohnbebauung verloren gehe. Das Gebäude habe lokalgeschichtliche und städtebauliche Bedeutung.

Der Antragsteller hat am 12.11.2018 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Die Möglichkeit, den ordentlichen Rechtsweg in Anspruch zu nehmen, stehe nicht der Statthaftigkeit des Eilantrags beim Verwaltungsgericht entgegen.

Er sei auch antragsbefugt. Sein Grundstück sowie das Alte Rathaus seien Bestandteile des Denkmalensembles, das sich aus den nördlich und südlich der Straße Im Sande gelegenen Gebäuden sowie dem Alten Rathaus und den östlich der Stöckener Straße befindlichen Gebäuden zusammensetze. In diesem Bereich manifestiere sich die spezifische städtebauliche Gestalt des Ortsteils von Letter. Entlang der Straße Im Sande seien die ehemals herrschaftlichen Gebäude Im Sande 4 und 6 der städtebauliche Rahmen für den als Platz ausgestalteten Vorhof des streitgegenständlichen Rathauses. Er hält den Grundstückskaufvertrag über die Veräußerung des Alten Rathauses sei wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, da die Antragsgegnerin der Beigeladenen trotz fehlenden Bebauungsplans eine bestimmte Bebaubarkeit des Grundstücks nach Abriss der vorhandenen Gebäude zugesichert habe. Eine solche Garantie zur Schaffung von Planungsrecht sei unzulässig und stelle einen Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB dar. Der Abriss des Alten Rathauses ohne die erforderliche denkmalrechtliche Genehmigung sei bereits formell illegal und rechtfertige den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Es liege auch ein Anordnungsgrund vor, da die unmittelbar bevorstehende Beseitigung des Gebäudes vollendete Tatsachen schaffe und die denkmalwürdige Substanz dauerhaft vernichte.

Auch im Rahmen einer Folgenabwägung sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der Beseitigung des Alten Rathauses vollendete Tatsachen geschaffen würden und keine Gründe ersichtlich seien, warum dies unverzüglich erfolgen müsse.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu verpflichten, den Abriss des alten Rathauses der Gemeinde A-Stadt bis zu endgültigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie bemängelt, dass sich der Antragsteller nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 935 ZPO gegen die Beigeladene wende und zudem erst jetzt (kurz vor dem beabsichtigten Abriss des streitgegenständlichen Gebäudes) um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuche, obwohl er bereits seit geraumer Zeit die Auffassung vertrete, das Alte Rathaus sei ein Baudenkmal.

Zudem könne sich der Antragsteller nicht auf den durch § 8 NDSchG vermittelten Nachbarschutz berufen, da der Abstand zwischens seinem Baudenkmal und dem Alten Rathaus (mit ca. 285 m) zu groß sei, um eine räumliche Nähe annehmen zu können. Auch handele es sich nicht um ein bauhistorisches Ensemble, da die Bebauung in unterschiedlichen Epochen erfolgt sei. Schließlich stellte das Alte Rathaus kein schützenswertes Baudenkmal dar.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Der Antrag ist bereits unzulässig, da der Antragsteller nicht die erforderliche Antragsbefugnis glaubhaft gemacht hat.

Nach § 123 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Zudem setzt der Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Antragsbefugnis des Antragstellers entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO voraus, d.h. der Antragsteller muss glaubhaft machen, dass ihm ein subjektiv-öffentliches Recht (auf denkmalrechtliches Einschreiten gegen den Beigeladenen) zusteht, das durch die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts verletzt sein könnte (vgl. zu einem (verneinten) Anspruch auf gewerberechtliches Einschreiten im Wege einer einstweiligen Anordnung nur Nds. OVG, Beschl. v. 27.08.2018 – 7 ME 51/18 – juris, Rn. 5).

Wann ein solches subjektives Recht auf Erlass eines Verwaltungsakts gegeben ist, ist in erster Linie nach den Normen des einfachen Rechts unter Anwendung der Schutznormtheorie zu entscheiden. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 27.08.2018 (a.a.O, juris, Rn. 6) dazu Folgendes ausgeführt:

„Das materielle öffentliche Recht setzt Normen zuvörderst im öffentlichen Interesse. Dem Einzelnen kommt dieser Schutz vielfach nur als Teil der Allgemeinheit zugute. Nach der Schutznormtheorie wird ein die Verwaltung bindendes subjektives Recht erst dann begründet, wenn die Vorschrift, auf die der Erlass des Verwaltungsaktes gestützt werden soll, nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern - zumindest auch - dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Die Antrags- bzw. Klagebefugnis ist danach nur zu bejahen, wenn die Norm ein Privatinteresse derart schützt, dass der Rechtsträger, im Regelfall der Bürger, die Einhaltung des Rechtssatzes von der Verwaltung verlangen kann. Maßgeblich ist der gesetzlich bezweckte Interessenschutz. Bei Rechtsnormen, die einen von der Allgemeinheit hinreichend deutlich abgegrenzten Personenkreis umschreiben, ist dies gegeben. Der Rechtsreflex einer Norm begründet hingegen keine Klagebefugnis (vgl. v. Albedyll in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Auflage 2018, § 42 Rn. 79 f.; Wahl/Schütz in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 42 Abs. 2 Rn. 45; Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 42 Rn. 86 ff.; Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 42 Rn. 388; Sennekamp in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 42 Rn. 46, 50).“

Nach diesen Erwägungen, denen die Kammer vollumfänglich folgt, erscheint eine Verletzung subjektiver Rechtspositionen des Antragstellers durch die Beseitigung des Alten Rathauses nicht möglich.

Nach § 8 Satz 1 NDSchG dürfen in der Umgebung eines Baudenkmals Anlagen nicht errichtet, geändert oder beseitigt werden, wenn dadurch das Erscheinungsbild des Baudenkmals beeinträchtigt wird. Zwar geht auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (inzwischen) davon aus, dass § 8 Satz 1 NDSchG - in verfassungskonformer Auslegung - dem Eigentümer eines Denkmals Drittschutz vermittelt, soweit es um eine erhebliche Beeinträchtigung seines denkmalschutzrechtlich geschützten Kulturdenkmals durch eine streitige Baumaßnahme geht (vgl. nur Urt. v. 23.08.2012 - 12 LB 170/11 – juris, Rn. 42; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 10.06.2013 – 4 B 6/13 – juris, Rn. 4 m.w.N. sowie Urt. v. 16.02.2017 – 12 LC 54/15 – juris, Rn 80-81). Maßgeblich für die Zubilligung eines Anspruchs vor Beeinträchtigungen der Denkmalwürdigkeit eines Kulturdenkmals durch Vorhaben in der Umgebung ist die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Durch die Unterschutzstellung des Kulturdenkmals wird das Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt: die Erhaltungspflicht ist auf Dauer angelegt und vom Eigentümer grundsätzlich auf eigene Kosten zu erfüllen. Diese dem Eigentümer durch das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz auferlegte Pflicht, sein Denkmal zu erhalten und zu pflegen, erscheint nur verhältnismäßig, wenn ihm gleichzeitig ein Abwehrrecht gegen intensive Beeinträchtigungen eingeräumt wird (Nds. OVG, Urt. v. 23.08.2012, a.a.O., juris, Rn. 56). Gerade dann, wenn ein Eigentümer in der Vergangenheit zur Erfüllung seiner Erhaltungspflicht in die Denkmalsubstanz investiert hat und die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens nachträglich erhebliche beeinträchtigt wird, könnten dadurch auch seine Investitionen entwertet werden (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 – 4 C 3/08 - juris, Rn. 17 m.w.N.). Daher müsse ein denkmalrechtlicher Umgebungsschutz, soweit er objektiv geboten sei, auch dem Eigentümer eines Kulturdenkmals Schutz vermitteln (BVerwG, Beschl. v. 14.09.2017 – 4 B 28/17 – juris, Rn. 8 m.w.N.), wobei sich die drittschützende Wirkung des Beeinträchtigungsverbots allein auf den Eigentümer eines Kulturdenkmals in der (räumlichen) Nähe der beeinträchtigenden Maßnahme beschränkt. Nur in dem besonderen Fall, dass die Schädigung eines Baudenkmals zugleich den Denkmalwert eines benachbarten Denkmals möglicherweise beeinträchtigt, kann dem Nachbarn ein aus Artikel 14 Abs. 1 GG folgender Abwehranspruch zustehen (VG Hannover, Urt. v. 24.02.2011 – 4 A 3134/10 – V.n.b.; Wiechert, in: Schmaltz/Wiechert, NDSchG, 2. Auflage, § 6, Rn. 2). Neben den unmittelbar benachbarten Anlagen können dies auch alle sonstigen Objekte sein, die an den Punkten, von denen aus man wesentliche Teile des Bauwerks wahrnimmt, zusammen mit diesem in den Blick kommen (Wiechert, in: Schmaltz/Wiechert, NDSchG, 2. Auflage, § 8, Rn. 4 m.w.N.). Auch die Beeinträchtigung der Stadtsilhouette von einem einzigen wichtigen Punkt kann dazu zählen (Martin/Kleine-Tebbe/Guntau, Denkmalrecht Niedersachsen, 3. Auflage, NDSchG, § 8, Ziffer 2.2 m.w.N.).

Vorliegend gehört der Antragsteller als Eigentümer des (Einzel-)Denkmals A-Straße grundsätzlich zu dem oben dargestellten Personenkreis, dem ein Abwehrrecht gegen denkmalrechtliche Beeinträchtigungen in seiner Umgebung zugesprochen werden kann. Allerdings fehlt es an der erforderlichen räumlichen Nähe zwischen dem Baudenkmal des Antragstellers in der Straße A-Straße und dem Alten Rathaus am Bürgermeister-Röber-Platz 1. Unabhängig von der Frage, ob – wie vom Antragsteller behauptet – die Erhaltung der Bebauung entlang der Nord- und Südseite der Straße Im Sande als Gesamtheit aus städtebaulichen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und Ensembleschutz nach § 3 Abs. 3 NDSchG genießt oder ob das Grundstück A-Straße (entsprechend seiner Eintragung) lediglich ein Einzeldenkmal darstellt, sind mögliche Auswirkungen der Beseitigung des Alten Rathauses auf das Erscheinungsbild des Baudenkmals des Antragstellers (auch ohne den angeregten Ortstermin) für das Gericht nicht erkennbar. Allein die Tatsache, dass beide Gebäude an einer gemeinsamen Straße liegen, ist nicht ausreichend, um die vom Antragsteller behaupteten Auswirkungen des Abrisses des Alten Rathauses auf sein Baudenkmal zu bejahen. Wie aus dem bei Google-Maps vorhandenen Kartenmaterial ersichtlich, sind beide Gebäude ca. 275 m Luftlinie voneinander entfernt und stehen im keinem Sichtbeziehung zueinander. Aufgrund der durchgehenden Bebauung zwischen beiden Gebäuden und der Tatsache, dass die Straße Im Sande ca. 90 m vor dem Grundstück des Alten Rathauses nach Süden hin abknickt, ist kein Standort ersichtlich, von dem aus das Alte Rathaus gemeinsam mit dem Baudenkmal des Antragstellers sichtbar wäre. Insofern ist weder eine optische Verbindung beider Gebäude noch ein Wirkzusammenhang zwischen dem Baudenkmal des Antragstellers und dem Alten Rathaus gegeben.

Dieser nötige Wirkzusammenhang ist auch nicht in Hinblick auf die vom Antragsteller angeführte spezifische städtebauliche Gestalt des Stadtteils Letter entbehrlich. Der durch § 8 NDSchG gewährleistete Umgebungsschutz knüpft daran an, dass die Ausstrahlungswirkung eines Denkmals wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängen kann (OVG Berlin-Bdbg., Beschl. v. 26.10.2018 – 10 S 41.17 – juris, Rn. 5). Ohne bestehende Blickbeziehungen oder Raumwirkungen sind derartige Ausstrahlungswirkungen des geplanten Abrisses des Alten Rathauses auf das Denkmal des Antragstellers nicht denkbar. Ein möglicher bauhistorischer Zusammenhang (der angesichts der Erbauung des Denkmals des Antragstellers im 18. Jahrhundert und des Alten Rathauses im Jahr 1939 ohnehin nicht erkennbar ist) wäre aus diesem Grund ebenfalls nicht geeignet ist, die für einen Anspruch nach § 8 NDSchG erforderliche räumliche Nähe zu begründen (vgl. nur VG Hannover, Urt. v. 24.02.2011 - 4 A 3134/10 – V.n.b.).

Eine Antragsbefugnis kann der Antragsteller auch nicht aus § 6 NDSchG herleiten. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 NDSchG, wonach Kulturdenkmale nicht zerstört, gefährdet oder so verändert oder von ihrem Platz entfernt werden, dass ihr Denkmalwert beeinträchtigt wird, begründet eine (positive wie negative) Erhaltungspflicht allein im kulturstaatlichen Interesse der Allgemeinheit (Wiechert, in: Schmaltz/Wiechert, NDSchG, 2. Auflage, § 6, Rn. 2). Dies ergibt sich bereits aus der Definition des Denkmalbegriffs in § 3 Abs. 2 NDSchG, die daran anknüpft, dass an der Erhaltung des Kulturdenkmals wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse (bzw. ein Interesse der Allgemeinheit) besteht. Über den oben dargestellten Umgebungsschutz des § 8 NDSchG hinaus besteht weder für den Nachbarn eines Baudenkmals noch für Dritte ein gesetzlicher Anspruch gegen den Verpflichteten auf Erhaltung eines Baudenkmals oder gegen den Staat darauf, dass er einen solchen Erhaltungsanspruch durchsetzt (Wiechert, in: Schmaltz/Wiechert, NDSchG, 2. Auflage, § 6, Rn. 2; Kleine-Tebbe/Guntau, Denkmalrecht Niedersachsen, 3. Auflage, § 2, Ziffer 2.2.3; VG Berlin, Beschl. v. 18.03.2014 – 13 L 116.14 – juris, Rn. 5).

Aus diesem Grund muss die Kammer nicht der – zwischen den Beteiligten streitigen – Frage nachgehen, ob das Alte Rathaus überhaupt ein schützenswertes Kulturdenkmal darstellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.