Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.11.2018, Az.: 7 A 5876/18

Berufsausübung; Fallmanagerin; Niedersachsen; Pflegekammer; Verfassungsrecht; Zwangsmitglied

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.11.2018
Aktenzeichen
7 A 5876/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74371
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Fallmanagerin im Krankenhaus, die über die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Gesundheits- und Krankenpflegerin" verfügt, kann Zwangsmitglied in der Pflegekammer Niedersachsen sein (Berufung zugelassen).

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie kein Mitglied der beklagten Pflegekammer ist.

Die Klägerin besitzt die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu führen. Sie ist als Fallmanagerin beim E. tätig. Nach der Stellenbeschreibung vom 23. Oktober 2017 setzt die Tätigkeit in formaler Hinsicht eine mindestens dreijährige Ausbildung im Gesundheitswesen und Kenntnisse im DRG-System (Kodiererfahrung) voraus. Die Aufgabenstellung bzw. das Ziel der Stelle wird dort in Kurzform wie folgt beschrieben: „Fallmanagement für alle Patienten des Klinikums Osnabrück von der prä- bis zur poststationären Phase (Aufnahme, Behandlungs- und Entlassungsmanagement) inkl. Fallsteuerung hinsichtlich organisatorischer und ökonomischer Zielsetzungen“. Unter Ziff. 3 der Stellenbeschreibung findet sich eine detaillierte Beschreibung der Aufgaben und Pflichten der Stelleninhaberin/des Stelleninhabers.

Mit dem Kammergesetz für die Heilberufe in der Pflege vom 14. Dezember 2016 (Nds. GVBl. 2016 S. 261) - PflegeKG - errichtete das Land Niedersachsen unter der Bezeichnung „C.“ eine Kammer für die Heilberufe in der Pflege. Die Kammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in C-Stadt. Das Gesetz trat am 1. Januar 2017 in Kraft. In § 2 Abs. 1 sieht es eine Pflichtmitgliedschaft für Angehörige bestimmter Berufsgruppen vor.

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie als Gesundheits- und Krankenpfleger/in seit dem 1. Januar 2017 Mitglied der C. sei. Zum Zwecke der Registrierung bat die Beklagte die Klägerin, die von ihrem Arbeitgeber übermittelten Daten in dem beiliegenden Meldebogen zu überprüfen und diesen Bogen zusammen mit einer Kopie ihrer Berufsurkunde bis zum 22. Dezember 2017 zurückzuschicken.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2018 antwortete die Klägerin, dass sie keine der genannten Tätigkeiten ausübe und stattdessen im „Fallmanagement Neurologie/Neurochirurgie/FÜR-GECH“ tätig sei. Eine Berufsausübung i.S.d. § 2 Abs. 1 PflegeKG liege nicht vor. Kenntnisse und Fähigkeiten, die Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung waren, setze sie bei ihrer Tätigkeit nicht ein. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten könnten von ihr auch nicht eingesetzt werden. Vielmehr übe sie ausschließlich administrative und betriebswirtschaftliche Tätigkeiten aus. Ihre Vergütung erfolge deshalb nach dem TVöD und nicht nach den für die Pflege einschlägigen Tarifverträgen. Zusammengefasst stellten sich ihre Tätigkeiten wie folgt dar: „Erstellen von Patientenlisten, Überprüfen der Bettenkapazität, Betten- und Stationszuordnungen, Erfassung von Entlassungen/Verlegungen/Aufnahmen von Patienten in der IT, Überprüfung der Liegezeiten mit Verweilsteuerung, Organisation und Genehmigung von Krankentransporten, Terminmanagement, Kodierung von Diagnosen für Abrechnungen“. Die Klägerin forderte die Beklagte daher auf, ihr bis zum 10. Februar 2018 schriftlich zu bestätigen, dass sie kein Mitglied der C. sei.

Der Aufforderung kam die Beklagte nicht nach. Mit Schreiben vom 30. Mai 2018 forderte sie die Klägerin stattdessen erneut zur Überprüfung und Rücksendung der Meldeunterlagen auf. Die gesetzliche Grundlage für die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin ergebe sich aus § 2 Abs. 1 PflegeKG. Unter „Berufsausübung“ verstehe der Gesetzgeber die verschiedensten pflegefachlichen Tätigkeitsfelder. Die Klägerin sei demnach auch Mitglied, wenn sie nicht mehr in der direkten Pflege, sondern beispielsweise im Bereich Verwaltung, Lehre, Management oder Vertrieb tätig sei.

Mit Schreiben vom 10. August 2018 bestätigte das E. der Klägerin, dass von den Mitarbeitern des Fallmanagements keine Tätigkeiten ausgeführt würden, die pflegerische Fertigkeiten oder Kenntnisse voraussetzten. Voraussetzung für die Tätigkeit sei nach der Stellenbeschreibung berufliche Erfahrung im Gesundheitswesen. Neben ehemaligen Pflegekräften arbeiteten im Fallmanagement medizinische Fachangestellte oder auch ehemalige Physiotherapeuten.

Die Klägerin hat am 19. Juli 2018 beim Verwaltungsgericht Osnabrück Klage erhoben. Mit Beschluss vom 13. September 2018 hat sich das Verwaltungsgericht Osnabrück für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hannover verwiesen.

Die Klägerin trägt vor, die Klage sei zulässig. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten sei für sie mit erheblichen Nachteilen verbunden, sodass insbesondere das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben sei. Die Klage sei auch begründet. Sie übe keinen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG genannten Berufe aus. Auch die weite Interpretation des § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG führe nicht dazu, dass sie als Kammermitglied anzusehen sei. Eine Pflichtmitgliedschaft scheide - auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG - jedenfalls dann aus, wenn die konkrete Tätigkeit keine pflegerischen Aspekte mehr enthalte. Das gleiche gelte, wenn die pflegerischen Aspekte im Rahmen der aktuellen Berufstätigkeit nur noch im Randbereich betroffen seien und es hierbei an einem hinreichenden pflegespezifischen Bezug fehle. Die Klägerin verweist insoweit auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 09.03.2018 (- 5 K 1084/17 KO -) zu einer medizinischen Fachangestellten in der EKG-Funktionsabteilung. So liege der Fall hier. Sie übe lediglich administrative und betriebswirtschaftliche Tätigkeiten aus. Die Klägerin verweist insoweit auf ihre Stellenbeschreibung und auf das Schreiben ihres Arbeitgebers vom 10. August 2018. Pflegerische Kenntnisse oder Fähigkeiten seien für ihre Tätigkeit - jedenfalls in der Praxis - nicht erforderlich. Ihre Vergütung erfolge nach dem TVöD und nicht nach den für die Pflege einschlägigen Tarifverträgen. Als Betriebsratsmitglied übe sie teilweise Betriebsratstätigkeiten aus. Schließlich ergebe sich das Fehlen eines pflegerischen Bezugs auch daraus, dass zwei ihrer Kolleginnen keinerlei pflegerische Ausbildung genossen hätten. Jedenfalls sei § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG verfassungskonform auszulegen. Eine Bestimmung, wonach Personen ohne jeden Bezug zum Kammerberuf Kammermitglied sein sollen, sei unzulässig.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass sie nicht Mitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 PflegeKG lägen vor. § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG liege ein weiter Begriff der Berufsausübung zugrunde. Die der Beklagten in § 9 Abs. 1 PflegeKG zugewiesene Aufgabe der Interessenvertretung rechtfertige es, die in Grenzbereichen tätigen Personen als Kammermitglieder zu erfassen. Darauf sei auch der Wille des Gesetzgebers gerichtet. Die Klägerin könne auf Kenntnisse und Fähigkeiten, die Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung waren, zurückgreifen. Durch ihre Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin weise die Klägerin nach, dass sie die formale Anforderung einer mindestens dreijährigen Ausbildung im Gesundheitswesen erfülle. Bei den ihr zugewiesenen Aufgaben der Ermittlung des möglichen Bedarfs an Rehabilitation/poststationärer Pflege, der Belegungssteuerung und der Koordination diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen könne die Klägerin auf die im Rahmen der Ausbildung erlangten pflegerischen Kenntnisse zurückgreifen. Soweit die Klägerin auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz verweise, verkenne sie, dass der Begriff der Berufsausübung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG wesentlich weiter gefasst sei als in § 1 Abs. 2 Satz 1 Heilberufsgesetz Rheinland-Pfalz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.  Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig.

a) Die Feststellungsklage ist statthaft.

Nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die Feststellungsklage statthaft, wenn die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt wird. Unter „Rechtsverhältnis“ i.d.S. sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 43 Rn. 11 m.w.N.).

Der Feststellungsklage liegt ein solches hinreichend konkretes Rechtsverhältnis zugrunde, denn es wird um die Mitgliedschaft bzw. Nichtmitgliedschaft in der beklagten berufsständischen Kammer - einer nach § 1 Abs. 2 PflegeKG rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltungsaufgaben - gestritten (vgl. auch VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 30).

b) Der Grundsatz der Subsidiarität steht der Klage nicht entgegen.

Nach § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

Dies ist hier nicht der Fall. Da die Mitgliedschaft in der Pflegekammer kraft Gesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG) eintritt, hat die Beklagte bisher keinen Verwaltungs- oder anderen Vollzugsakt gegen die Klägerin erlassen. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2017 und 30. Mai 2018 hat sie der Klägerin lediglich mitgeteilt, dass sie Mitglied der C. sei. Zudem hat sie um Überprüfung und Rücksendung der Meldeunterlagen gebeten. Eine Gestaltungs- oder Leistungsklage ist der Klägerin damit verwehrt. Jedenfalls wäre mit einer solchen Klage im Hinblick auf die zu klärende Grundfrage der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten Rechtsschutz nicht in gleichem Umfang und mit der gleichen Effektivität einer Feststellungsklage zu erreichen (vgl. Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 29).

c) Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Klärung der Rechtsfrage (§ 43 Abs. 1 VwGO). Darunter fällt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 23). Ein solches rechtliches und wirtschaftliches Interesse der Klägerin ist vorliegend gegeben. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten begründet eine Reihe rechtlicher Pflichten (vgl. z.B. § 5 PflegeKG). Gem. § 8 PflegeKG i.V.m. der Beitragsordnung der C. in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.07.2018 (Nds. MBl. Nr. 27/2018 S. 677) - Beitragsordnung - ist die beklagte Kammer zudem berechtigt, Beiträge von ihren Mitgliedern zu erheben.

d) Da eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, ist schließlich auch die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis (BVerwG, Beschl. v. 30.07.1990 - 7 B 71/90 -, juris Rn. 4; a.A. Schenke, a.a.O., § 32 Rn. 63) gegeben.

e) Die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts folgt aus § 52 Nr. 3 Satz 3, Nr. 5 VwGO. Die Klägerin wohnt nicht in Niedersachsen, arbeitet jedoch in diesem Bundesland und die Beklagte hat ihren Sitz in der Landeshauptstadt C-Stadt und damit im hiesigen Gerichtsbezirk (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 3 Niedersächsisches Justizgesetz - NJG -).

2.  Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PflegeKG ist u.a. Kammermitglied, wer die Erlaubnis hat, die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu führen, und diesen Beruf in Niedersachsen ausübt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin darf die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ führen. Sie übt diesen Beruf auch in Niedersachsen aus.

Die Klägerin ist am E. und damit in Niedersachsen tätig. Zwar wird sie dort nicht als Gesundheits- und Krankenpflegerin, sondern als Fallmanagerin eingesetzt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG liegt eine Berufsausübung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG aber bereits dann vor, wenn bei der Tätigkeit Kenntnisse und Fähigkeiten, die Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung waren, eingesetzt oder auch nur eingesetzt oder mit verwendet werden können.

So liegt der Fall hier.

a) Der Begriff der Berufsausübung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG ist nach dem Wortlaut der in § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG getroffenen Konkretisierung denkbar weit zu verstehen. So ist weder erforderlich, dass der Betroffene einen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG genannten Berufe tatsächlich (schwerpunktmäßig) ausübt, noch, dass die für die Erteilung der Erlaubnis vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten bei der stattdessen ausgeübten Tätigkeit tatsächlich eingesetzt werden. Es muss vielmehr lediglich die Möglichkeit einer Verwendung bestehen.

Dieses weite Verständnis entspricht dem Willen des niedersächsischen Gesetzgebers, „die einschlägige und ständige Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - OVG - (vgl. Beschluss vom 7. August 2008, 8 LC 18/08) zur Berufsausübung und zur Kammermitgliedschaft in die gesetzliche Regelung des Kammergesetzes für die Heilberufe [§ 2 Abs. 1 Satz 1 HKG, Anm. d. Gerichts] aufzunehmen und so für die betroffenen Kammermitglieder klar erkennbar werden zu lassen.“ (LT-Drs. 17/5110, S. 30). Nach der zitierten Rechtsprechung liegt „eine die Pflichtmitgliedschaft bei der [Psychotherapeutenkammer] begründende Ausübung des Berufes als Psychologischer Psychotherapeut i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG bereits dann vor, wenn der Approbierte einer Tätigkeit nachgeht, bei der er die Kenntnisse und Fähigkeiten, die Voraussetzung für seine Approbation waren, einsetzt oder auch nur einsetzen oder mit verwenden kann“ (Nds. OVG, a.a.O., juris Rn. 18; zuvor bereits Urt. v. 26.04.2007 - 8 LC 13/05 -, juris Rn. 37; so auch OVG NRW, Beschl. v. 25.04.2008 - 5 A 4699/05 -, juris Rn. 10, für die entsprechende nordrhein-westfälische Regelung). Zugleich wollte der Gesetzgeber etwaigen Rechtsstreitigkeiten zur Frage der Kammermitgliedschaft vorbeugen (LT-Drs. 17/5110, S. 30).

Der gesetzgeberische Wille zur Umsetzung der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu § 2 Abs. 1 Satz 1 HKG spiegelt sich auch in der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG wider. So wurde die im Gesetzentwurf der Landesregierung ursprünglich vorgesehene - reduzierte - Formulierung „dem Grunde nach eingesetzt werden können“ (LT-Drs. 17/5110, S. 4) auf Empfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration durch die Wendung „eingesetzt werden oder auch nur eingesetzt oder mit verwendet werden können“ ersetzt (vgl. LT-Drs. 17/7005, S. 4). Der Ausschuss bezweckte damit, die Regelung „präziser an die bisherige Rechtsprechung […] zu der Frage, wann eine die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer begründende ‚Berufsausübung‘ vorliegt, anzupassen und dabei die von der Rechtsprechung entwickelte Definition zu übernehmen“ (LT-Drs. 17/7110, S. 3). Bereits mit Wirkung zum 23. September 2016 war im Kammergesetz für die Heilberufe die Regelung zur Kammermitgliedschaft um einen entsprechenden - klarstellenden - Satz ergänzt worden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 HKG).

Durch das auf Vorschlag des Sozialausschusses ebenfalls hinzugefügte Wort „waren“ soll gleichzeitig sichergestellt werden, „dass nur Personen erfasst sind, denen bereits eine Erlaubnis nach Satz 1 erteilt wurde“ (LT-Drs. 17/7110, S. 3).

Soweit die Klägerin der Auffassung sein sollte, die Mitgliedschaft in der Beklagten setze voraus, dass im Rahmen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit pflegerische Kenntnisse und Fähigkeiten Verwendung finden müssten (vgl. die Ausführungen auf S. 4 der Klageschrift), folgt die erkennende Kammer dem daher nicht. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz (Urt. v. 09.03.2018 - 5 K 1084/17 KO -) ist insoweit nicht auf die niedersächsische Rechtslage übertragbar, denn nach der diesem Urteil zugrundeliegenden Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Heilberufsgesetz - HeilBG - Rheinland-Pfalz umfasst die Ausübung des Berufs (lediglich) solche Tätigkeiten, bei der berufsgruppenspezifische Fachkenntnisse angewendet oder verwendet werden. Die Möglichkeit der Verwendung genügt also - anders als nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG Niedersachsen - nicht.

Auf den Umfang der Verwendung (bzw. der Möglichkeit der Verwendung) der pflegerischen Kenntnisse und Fähigkeiten kommt es nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG nicht an. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu § 2 Abs. 1 HKG, der sich die Kammer in Bezug auf die streitgegenständliche Regelung anschließt, sind nur solche berufsfremden Tätigkeiten nicht erfasst, die in keinem Zusammenhang mehr mit der pflegerischen Ausbildung stehen (Nds. OVG, Urt. v. 26.04.2017 - 8 LC 13/05 -, juris Rn. 37; ähnlich OVG Saarland, Urt. v. 23.08.2006 - 1 R 19/06 -, juris Rn. 55). Dahinter steht die - zutreffende - Erwägung, dass andernfalls die in § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG umschriebene Aufgabe der Kammer, die gemeinsamen beruflichen Belange der Kammermitglieder wahrzunehmen, verfehlt würde (Nds. OVG, Beschl. v. 07.08.2008 - 8 LC 18/08 -, juris Rn. 19; vgl. auch OVG Saarland, Urt. v. 23.08.2006 - 1 R 19/06 -, juris Rn. 53-57). Dieser Zweck rechtfertigt es, alle Tätigkeitsbereiche und damit auch „Randgruppen“ in Grenzbereichen zu anderen Berufen von der Kammermitgliedschaft zu erfassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.01.1996 - 1 C 9/93 -, juris Rn. 24, für die Pflichtmitgliedschaft in der Apothekenkammer).

Eines „spezifischen Bezugs“ des ausgeübten Berufs zur pflegerischen Arbeit in dem Sinne, dass die pflegerischen Aspekte nicht lediglich im Randbereich betroffen sein dürfen (vgl. VG Koblenz, Urt. v. 09.03.2018 - 5 K 1084/17 -, juris Rn. 21), bedarf es daher entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz steht zudem in gewissem Widerspruch zu der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz. Für die Mitgliedschaft in der Landespsychotherapeutenkammer hatte das Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz in seinem Urteil vom 6. März 2012 (- 6 A 11306/11 -, juris Rn. 27) in Anlehnung an die Rechtsprechung der anderen Obergerichte entschieden, „dass eine Berufsausübung [als Psychologischer Psychotherapeut] im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 HeilBG […] auch solche berufliche Betätigungen - insbesondere Beratungs- oder Aufsichtstätigkeiten - umfasst, bei denen psychotherapeutische Kenntnisse und Fähigkeiten eine gewisse Rolle spielen können und die eine gewisse Nähe zur heilkundlichen Psychotherapie aufweisen“ [Hervorh. d. d. Kammer]. Mit dieser weiteren Formulierung bleibt das Oberverwaltungsgericht deutlich hinter den vom Verwaltungsgericht Koblenz (a.a.O.) gestellten Anforderungen zurück.

b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses - weite - Verständnis der niedersächsischen Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG bestehen nicht.

Zwar stellen sowohl die Pflichtmitgliedschaft als auch die Beitragserhebung Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit der Pflichtmitglieder dar. Denn bereits die Pflichtmitgliedschaft als solche ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft oder eingriffsneutral (BVerfG, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 -, juris Rn. 82). Die erkennende Kammer verkennt auch nicht, dass die Aufgaben der Beklagten in erster Linie auf die (schwerpunktmäßig) Pflegenden zugeschnitten sind. Diesen Personen mag damit aus der Kammertätigkeit ein größerer Vorteil zuteilwerden als den Berufsangehörigen, die bei ihrer Tätigkeit lediglich pflegerische Kenntnisse und Fähigkeiten (mit) verwenden oder verwenden können. Diesem Gesichtspunkt ist jedoch bei der Beitragsbemessung - etwa durch eine Ermäßigung (vgl. § 8 Beitragsordnung) - Rechnung zu tragen. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit die erkennende Kammer nicht in Zweifel zieht (vgl. VG Hannover, Urt. v. 07.11.2018 - 7 A 5658/17 -) bleibt davon unberührt (BVerwG, Urt. v. 30.01.1996 - 1 C 9/93 -, juris Rn. 25; Nds. OVG, Beschl. v. 07.08.2008 - 8 LC 18/08 -, juris Rn. 22).

c) Gemessen an diesen Vorgaben übt die Klägerin den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin i.S.d. § 2 Abs.1 Satz 2 PflegeKG aus. Die erkennende Kammer kann hier mangels Entscheidungserheblichkeit offenlassen, ob die Klägerin die für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen ihrer Tätigkeit als Fallmanagerin tatsächlich einsetzt. Denn eine Verwendung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten ist ihr jedenfalls möglich.

aa) Die für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten ergeben sich in erster Linie aus der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege vom 10. November 2003 (BGBl. I S. 2263) - KrPflAPrV -, die u.a. den Gegenstand der staatlichen Prüfung für die Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege festlegt. Während sich der schriftliche Teil der Prüfung auf die Themenbereiche der Erkennung, Erfassung und Bewertung von Pflegesituationen bei Menschen, der Auswahl, Durchführung und Auswertung von Pflegemaßnahmen sowie der Ausrichtung des Pflegehandelns an pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, Qualitätskriterien, rechtlichen Rahmenbestimmungen sowie wirtschaftlichen und ökologischen Prinzipien erstreckt (§ 13 Abs. 1 KrPflAPrV), hat die mündliche Prüfung die fachkundige Unterstützung, Beratung und Anleitung in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen, die Entwicklung eines beruflichen Selbstverständnisses und die Bewältigung beruflicher Anforderungen sowie die Mitwirkung bei der medizinischen Diagnostik und Therapie und die Zusammenarbeit in Gruppen und Teams zum Gegenstand (§ 14 Abs. 1 KrPflAPrV). Für die Einzelheiten verweisen die Vorschriften auf die Anlage 1 A (zu § 1 Abs. 1 KrPflAPrV), welche die Themenbereiche des theoretischen und praktischen Unterrichts konkretisiert.

bb) Auf diese Kenntnisse und Fähigkeiten kann die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Fallmanagerin im E. zurückgreifen.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass ihre Stelle als Fallmanagerin keine pflegerischen Fertigkeiten oder Kenntnisse voraussetze, kommt es darauf nicht an (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 30.01.1996 - 1 C 9/93 -, juris Rn. 24). Voraussetzung für das Vorliegen einer Berufsausübung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 PflegeKG ist nach den vorangehenden Ausführungen allein, dass die Tätigkeit der Klägerin als Fallmanagerin den Rückgriff auf die erworbenen pflegerischen Kenntnisse und Fähigkeiten ermöglicht.

Dies ist sowohl hinsichtlich der patienten- als auch der abteilungsbezogenen Aufgaben der Klägerin der Fall.

Art und Umfang der Tätigkeit der Klägerin ergeben sich in erster Linie aus der Stellenbeschreibung vom 23. Oktober 2017. An den dort beschriebenen Aufgaben und Pflichten muss sich die Klägerin - insbesondere im Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber - festhalten lassen. Dies gilt auch dann, wenn ihre praktische Tätigkeit - wie in der mündlichen Verhandlung angedeutet - hiervon abweichen sollte.

Zu den patientenbezogenen Aufgaben der Klägerin zählt nach Nr. 3.1 der Stellenbeschreibung u.a. die Teilnahme an der wöchentlichen Oberarzt-Visite mit folgenden Zielen: Verweildauersteuerung und ggf. Einleitung der Entlassungsplanung; Ermittlung des möglichen Bedarfs an Rehabilitation/poststationärer Pflege, ggf. Einschaltung des Sozialdienstes; Koordination diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen in Absprache mit den zuständigen Ärzten. Darüber hinaus ist die Klägerin für die (klinikinterne und klinikübergreifende) Koordination von Patientenverlegungen zuständig.

Bei der Ermittlung des möglichen Bedarfs an Rehabilitation und poststationärer Pflege kann die Klägerin ihre Kenntnisse im Bereich der Erkennung, Erfassung und Bewertung von Pflegesituationen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 KrPflAPrV) verwenden. Nach der Anlage 1 A (zu § 1 Abs. 1 KrPflAPrV) deckt dieser Bereich u.a. die Ermittlung und Begründung des Pflegebedarfs unter Berücksichtigung sachlicher, personenbezogener und situativer Erfordernisse ab (vgl. Nr. 1). Die von der Klägerin erworbene Kompetenz zur Mitwirkung bei der medizinischen Diagnostik und Therapie (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 KrPflAPrV) kann ihr die Koordination diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen in Absprache mit den zuständigen Ärzten erleichtern. Nach der Anlage 1 A (zu § 1 Abs. 1 KrPflAPrV) bezieht dieser Kompetenzbereich u.a. die Mitwirkung bei der Durchführung von medizinischen Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Ärzten sowie den Angehörigen anderer Gesundheitsberufe mit ein (vgl. Nr. 8). Die Koordination von Patientenverlegungen stimmt mit der Überleitung von Patienten in andere Einrichtungen oder Bereiche überein, die in den Kompetenzbereich der Unterstützung, Beratung und Anleitung in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen fällt (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 Anlage 1 A).

Im Rahmen ihrer abteilungsbezogenen Aufgaben hat die Klägerin nach Nr. 3.1 der Stellenbeschreibung u.a. die Belegung aller eingehenden und zu verlegenden Patienten unter Berücksichtigung medizinischer, pflegerischer und wirtschaftlicher Kriterien zu steuern. Das Erlernen und die Anwendung pflegerischer Kriterien ist Grundlage der von der Klägerin erworbenen Kompetenz der Erkennung, Erfassung und Bewertung von Pflegesituationen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 KrPflAPrV) sowie der Auswahl, Durchführung und Auswertung von Pflegemaßnahmen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 KrPflAPrV).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung - ZPO -.

IV. Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der obergerichtlich bisher nicht entschiedenen Frage nach der Reichweite der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 PflegeKG zugelassen (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).