Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.11.2018, Az.: 7 A 5658/17

allgemeine Handlungsfreiheit; Beitragspflicht; Berufsausübung; Gesetzgebungskompetenz; legitime öffentliche Aufgaben; Pflegekammer Niedersachsen; Verhältnismäßigkeit; Zwangsmitgliedschaft

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.11.2018
Aktenzeichen
7 A 5658/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74389
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 2 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Niedersächsischen Kammergesetzes für die Heilberufe in der Pflege vom 14. Dezember 2016 sind mit höherrangigem Recht vereinbar (Berufung zugelassen).

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie kein Mitglied der beklagten Pflegekammer ist.

Die Klägerin besitzt seit dem 1. April 1982 die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ zu führen. In dem von ihr geleiteten Pflegeheim D. in A-Stadt übt sie zugleich die Funktion einer stellvertretenden Pflegedienstleiterin aus.

Mit dem Kammergesetz für die Heilberufe in der Pflege vom 14. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 261) - PflegeKG - errichtete das Land Niedersachsen unter der Bezeichnung „Pflegekammer Niedersachsen“ eine Kammer für die Heilberufe in der Pflege. Die Kammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in B-Stadt. Das Gesetz trat am 1. Januar 2017 in Kraft. In § 2 Abs. 1 sieht es eine Pflichtmitgliedschaft für Angehörige bestimmter Berufsgruppen vor.

Im Rahmen der Registrierung der Kammermitglieder wandte sich die Beklagte auch an die Klägerin. Diese legte der Beklagten einen Meldebogen sowie den Ausweis über die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ vor, woraufhin sie von der Beklagten einen Mitgliedsausweis erhielt.

Die Klägerin hat am 21. Juni 2017 Klage wegen Feststellung des Nichtbestehens einer Mitgliedschaft bei der Beklagten erhoben. Sie trägt vor: Zwar lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG bei ihr vor. Das Niedersächsische Pflegekammergesetz sei jedoch verfassungswidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 GG seien Zwangsverbände nur zulässig, wenn sie legitimen öffentlichen Aufgaben dienten und ihre Errichtung - gemessen an diesen Aufgaben - verhältnismäßig sei. Diesen Anforderungen werde die Errichtung der Beklagten nicht gerecht. Im Einzelnen führt die Klägerin aus:

Der Zwangsverband der Beklagten erfülle keine legitimen öffentlichen Aufgaben.

Zum einen liege eine öffentliche Aufgabe dann nicht vor, wenn die betreffende Angelegenheit allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden könne. Die Erfüllung der in § 9 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 6 PflegeKG genannten Aufgaben der Kammer - darunter die Interessenvertretung und die Weiterbildung der Kammermitglieder - sei jedoch bereits durch private Organisationen, Verbände und Gewerkschaften gewährleistet.

Nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung und dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung scheide zum anderen die Übertragung solcher Aufgaben auf die Beklagte aus, für die der Bundesgesetzeber bereits Regelungen getroffen habe. Dies gelte für die Qualität der Pflege (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 PflegeKG), die eine ausführliche Regelung im Fünften - SGB V - und Elften - SGB XI - Buch Sozialgesetzbuch erfahren habe. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass sich diese Regelungen nicht an die Kammermitglieder, sondern an die Leistungserbringer richteten. Abgesehen davon, dass nach § 77 SGB XI auch Einzelpflegekräfte Leistungen erbringen könnten und viele Pflegefachkräfte Träger von Pflegeeinrichtungen seien, komme es nicht auf den Adressaten, sondern auf die Zielrichtung der Regelung an. Diese beträfe in beiden Fällen die zu pflegenden Personen. Auch für die Bereiche der Qualifikation und Weiterbildung (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 PflegeKG) und der Berufsausübung (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 PflegeKG) habe der Bundesgesetzgeber umfängliche Regelungen getroffen. In diese dürfe der Landesgesetzgeber nicht eingreifen. Für die in § 9 Abs. 1 Nr. 5 PflegeKG geregelte Mediation bestehe bei den überwiegend abhängig beschäftigten Pflegekräften kein Bedarf.

Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt.

Die - wenn überhaupt - nur in geringem Umfang übertragenen öffentlichen Aufgaben seien aufgrund der zahlreichen arbeitsrechtlichen und bundesgesetzlichen Vorgaben nicht geeignet, die mit der Errichtung der Pflegekammer verfolgten Ziele der Selbstbestimmung sowie der Aufwertung und Stärkung des Selbstverständnisses des pflegerischen Berufsstandes zu fördern. Eine Kammer für abhängig Beschäftigte sei nicht mit den „klassischen“ Kammern für freie Berufe vergleichbar. Da der Bundesgesetzgeber im SGB V und im SGB XI bereits in erheblichem Umfang regelnde Vorsorge zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität getroffen habe, sei die Beklagte zudem nicht in der Lage, Empfehlungen oder Leitlinien mit eigenständiger Bedeutung zu entwerfen.

Auch die Erforderlichkeit sei nicht gegeben. Zu berücksichtigen sei, dass sich der Staat die Interessen und die Sachkompetenz der an der Pflege beteiligten Akteure bereits im SGB V und im SGB XI zu Nutze gemacht habe. Im Übrigen würden die Rahmenbedingungen der Pflegetätigkeit durch das Haftungsrecht und das Direktionsrecht der Arbeitgeber bestimmt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach es nicht darauf ankomme, ob einzelne der Aufgaben in bestimmter Hinsicht für die Zwangsmitglieder in weniger belastender Weise erfüllt werden könnten, trage daher vorliegend nicht. Schließlich seien die mit der Errichtung der Pflegekammer verbundenen Nachteile für deren Mitglieder - neben der Beitragspflicht auch die sanktionsbewehrten Berufs-, Weiterbildungs- und Meldepflichten - in den Blick zu nehmen.

Die Errichtung der Beklagten sei zudem unangemessen. Das Maß der den Einzelnen durch seine Pflichtzugehörigkeit treffenden Belastung stehe - auch mit Blick auf die eingeschränkten Kompetenzen der Kammer - in keinem vernünftigen Verhältnis zu den ihm und der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen. Die bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Arbeitnehmerkammern ohne Berufspflichten oder Sanktionen seien nicht auf die Errichtung der Beklagten übertragbar. Schließlich sei der prognostizierte Pflichtbeitrag von 8,- € pro Mitglied pro Monat zu niedrig angesetzt.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass sie nicht Mitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass das Pflegekammergesetz mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Im Einzelnen führt sie aus:

Ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes liege nicht vor.

Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes sei nicht gegeben, sodass die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 30, 70 GG bei den Ländern liege. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für „die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen“ aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG beschränke sich auf die Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Bediensteten und seinem Dienstherrn und lasse damit den Ländern Raum, standesrechtliche Vorschriften zu erlassen. Die dem Bund in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG eingeräumte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Zulassung zu Heilberufen stehe ihrer Errichtung nicht entgegen. Berufsausübungsregelungen, wie sie das Niedersächsische Pflegekammergesetz enthalte, seien davon ebenso wenig erfasst, wie Regelungen, die lediglich den Nachweis eines zusätzlichen Qualifikationserwerbs - und nicht die Zulassung zu einem neuen Beruf - beträfen. Da der Bund bisher nur eingeschränkt von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Weiterbildung als Teil des „Arbeitsrechts“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) Gebrauch gemacht habe, sei eine Sperrwirkung insoweit nicht gegeben. Schließlich stünden auch die dem Bund in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG eingeräumte konkurrierende Kompetenz für „die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“ und die auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsvorschriften des Bundes (§ 132a Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB V sowie § 113a SGB XI) den Vorschriften des Niedersächsischen Pflegekammergesetzes zur Qualitätssicherung und -kontrolle sowie zur Fortbildung Pflegender nicht entgegen. Während die in § 132a SGB V getroffenen Regelungen zur Fortbildung lediglich die Leistungserbringer als Arbeitgeber der Pflegenden - und nicht die Pflegenden selbst - beträfen, verbinde sich mit der in § 113a SGB XI verankerten Verpflichtung zur Qualitätssicherung in der Pflegeversicherung nicht der Anspruch, eine berufliche Selbstorganisation der Pflegenden und berufsständische Fortbildungsverpflichtungen obsolet werden zu lassen.

Eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht gegeben. Zwar greife sowohl die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 PflegeKG als auch die Beitragspflicht nach § 8 PflegeKG in die allgemeine Handlungsfreiheit ein. Der Eingriff sei jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das Niedersächsische Pflegekammergesetz sei nicht nur formell, sondern auch materiell verfassungsgemäß.

Die Pflegekammer erfülle legitime öffentliche Aufgaben im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Die Pflege erhalte durch die Gründung der Pflegekammer eine deutliche Aufwertung. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des damit weiter steigenden Bedarfs an professionellen Gesundheitsdienstleistungen im Bereich der Pflege sei ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft daran zu sehen, den Mitgliedern der Pflegeberufe durch die Bündelung in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu einer Verbesserung der beruflichen Strukturbedingungen zu verhelfen.

Die Errichtung der Pflegekammer sei auch geeignet, die ihr übertragenen legitimen öffentlichen Aufgaben zu erfüllen. Zwar sei die Pflegekammer als Zusammenschluss überwiegend abhängig Beschäftigter in Bezug auf die autonome Gestaltungs- und Durchsetzungsmacht geschwächt. Gleichwohl habe sie die Möglichkeit, (nach innen) auf ihre Mitglieder sowie (nach außen) auf den politischen Prozess und die gesellschaftliche Wahrnehmung Einfluss zu nehmen.

Ein milderes, gleich geeignetes Mittel sei nicht gegeben. Die selbstorganisatorische Aufgabenwahrnehmung könne durch staatliche Stellen nicht in gleicher Weise gewährleistet werden. Die Mitwirkungs- und Gestaltungsbefugnisse von Berufsverbänden seien begrenzt. Zudem repräsentierten die Verbände in erster Linie die Interessen ihrer Mitglieder - und nicht der Mitglieder aller Pflegeberufe.

Schließlich stünden die mit der Pflegekammer angestrebten und erreichbaren Ziele der Standesförderung, -vertretung und -aufsicht auch in einem angemessenen Verhältnis zu den für die Betroffenen aus ihrer Pflichtmitgliedschaft folgenden Belastungen. Die Mitgliedschaft in einer Kammer eröffne die Möglichkeit der Mitwirkung an staatlichen und gruppenbezogenen Entscheidungsprozessen, welche die Erreichung gemeinsamer Gruppenziele fördere, ohne sie unmittelbarer Staatsverwaltung zu unterwerfen. Im Hinblick auf das Direktionsrecht des Arbeitsgebers sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Berufspflichten der Kammermitglieder ihrem Grundsatz nach im Gesetz (§ 24 PflegeKG) selbst geregelt und lediglich die nähere Ausgestaltung der von der Kammerversammlung zu erlassenden Berufsordnung überlassen habe. Die in § 26 PflegeKG vorgesehene Möglichkeit, Berufspflichtverstöße zu ahnden, sei zur Einhaltung und Durchsetzung dieser Pflichten unverzichtbar. Weil die Kammer mit der Vertretung des Gesamtinteresses der Angehörigen der Pflegeberufe deren Belange wahrnehme und fördere, sei schließlich auch die sich aus § 8 PflegeKG ergebende Beitragspflicht zumutbar. Vor übermäßigen Belastungen seien die Kammermitglieder durch das Äquivalenzprinzip und durch den allgemeinen Gleichheitssatz geschützt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.  Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung
- VwGO - zulässig.

a) Die Feststellungsklage ist statthaft.

Nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die Feststellungsklage statthaft, wenn die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt wird. Unter „Rechtsverhältnis“ i.d.S. sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 43 Rn. 11 m.w.N.).

Der Feststellungsklage liegt ein solches hinreichend konkretes Rechtsverhältnis zugrunde, denn es wird um die Mitgliedschaft bzw. Nichtmitgliedschaft in der beklagten berufsständischen Kammer - einer nach § 1 Abs. 2 PflegeKG rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltungsaufgaben - gestritten (vgl. auch VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 30).

b) Der Grundsatz der Subsidiarität steht der Klage nicht entgegen.

Nach § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

Dies ist hier nicht der Fall. Da die Mitgliedschaft in der Pflegekammer kraft Gesetzes
(§ 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG) eintritt, hat die Beklagte bisher keinen Verwaltungs- oder anderen Vollzugsakt gegen die Klägerin erlassen. Im Rahmen der Registrierung der Kammermitglieder hat die Klägerin lediglich einen Meldebogen sowie den Ausweis über die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ vorgelegt, woraufhin sie von der Beklagten einen Mitgliedsausweis erhalten hat. Eine Gestaltungs- oder Leistungsklage ist der Klägerin damit verwehrt. Jedenfalls wäre mit einer solchen Klage im Hinblick auf die zu klärende Grundfrage der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten Rechtsschutz nicht in gleichem Umfang und mit der gleichen Effektivität einer Feststellungsklage zu erreichen (vgl. Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 29).

c) Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Klärung der Rechtsfrage (§ 43 Abs. 1 VwGO).

Darunter fällt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 23).

Ein solches rechtliches und wirtschaftliches Interesse der Klägerin ist vorliegend gegeben. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten begründet eine Reihe rechtlicher Pflichten (vgl. z.B. § 5 PflegeKG). Gem. § 8 PflegeKG i.V.m. der Beitragsordnung der Pflegekammer Niedersachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.07.2018 (Nds. MBl. Nr. 27/2018 S. 677) - Beitragsordnung - ist die beklagte Pflegekamme zudem berechtigt, Beiträge von ihren Mitgliedern zu erheben.

d) Da eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, ist schließlich auch die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis (BVerwG, Beschl. v. 30.07.1990 - 7 B 71/90 -, juris Rn. 4; a.A. Schenke, a.a.O., § 32 Rn. 63) gegeben.

2.  Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin ist gesetzliches Mitglied der Beklagten. Die von ihr geltend gemachten Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Errichtung der Beklagten und der in § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG angeordneten Zwangsmitgliedschaft mit höherrangigem Recht greifen nicht durch.

a)  Die Klägerin ist gesetzliches Mitglied der Beklagten.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PflegeKG ist u.a. Kammermitglied, wer die Erlaubnis hat, die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu führen, und diesen Beruf in Niedersachsen ausübt.

So liegt der Fall hier. Die Klägerin darf seit dem 1. April 1982 die Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ führen. Nach § 23 Abs. 1 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442) - KrPflG - gilt eine vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilte Erlaubnis als „Krankenschwester“ als Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KrPfG- und damit als Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ führen zu dürfen. Die Klägerin übt diesen Beruf auch in Niedersachsen aus.

b)  Die Errichtung der Beklagten und die in § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG angeordnete Zwangsmitgliedschaft sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

aa) Das Land besitzt die erforderliche Gesetzgebungskompetenz (Art. 30, 70 ff. GG).

(1)  Eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 71, 73 GG) ist nicht gegeben. Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG ist nicht einschlägig.

Danach hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über „die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen“. Diese Gesetzgebungskompetenz beschränkt sich - wie die Beklagte zutreffend ausführt - auf die Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Bediensteten und seinem Dienstherrn (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: 83 EL April 2018, Art. 73 Rn. 181: „Inbegriff derjenigen Normen, die das Verhältnis des Dienstherrn zum Dienstnehmer betreffen“). Sie umfasst nicht die Zuständigkeit, außerhalb des Dienstrechts stehende standesrechtliche Vorschriften zu erlassen oder die Zugehörigkeit zu einem Berufsverband zu regeln (BVerwG, Urt. v. 25.11.1971 - I C 65.65 -, BVerwGE 39, 110, 113, für die Zulässigkeit der Pflichtmitgliedschaft eines Sanitätsoffiziers der Bundeswehr in der Ärztekammer Niedersachsen; Martini, Die Pflegekammer - verwaltungspolitische Sinnhaftigkeit und rechtliche Grenzen, Berlin 2014, S. 103 f., nachfolgend zit.: Martini, Die Pflegekammer). Soweit die der Pflegekammer zugewiesenen Regelungskompetenzen dem standesrechtlichen Bereich verhaftet bleiben, ist ein Kompetenzkonflikt demnach nicht geben.

Dass das Niedersächsische Pflegekammergesetz die Grenze des standesrechtlichen Bereichs überschreitet, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. auch VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 37, für die entsprechenden Regelungen über die Pflegekammer Rheinland-Pfalz).

(2) Auch eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 72, 74 GG) steht vorliegend nicht entgegen.

(a)  Ein Verstoß gegen Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG ist nicht gegeben.

Danach besitzt der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen. Ärztliche Berufe i.d.S. sind die Berufe des Arztes, des Zahnarztes und des Tierarztes (BVerfG, Beschl. v. 09.05.1972 - 1 BvR 518/62 & 1 BvR 308/64 -, juris Rn. 91; Seiler, in: BeckOK GG, 38. Edition, Stand: 15.08.2018, Art. 74 Rn. 71). Der Begriff des „anderen Heilberufs“ wird weit ausgelegt. Er umfasst nicht nur die Heilung von Krankheiten, sondern auch die helfende Behandlung oder Betreuung von Menschen mit gesundheitlichen Problemen durch pflegende oder lindernde Maßnahmen. Dazu gehören u.a. die Berufe des Heilpraktikers, der Krankenschwester, des Krankenpflegers, der Hebamme, des Masseurs, des Krankengymnasten und des Altenpflegers (Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: 83. EL April 2018, Art. 74 Rn. 214; Schnapauff, in: Hörnig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 18). Der Begriff der „Zulassung“ ist wortgetreu auszulegen und umfasst im Wesentlichen die Vorschriften, die sich auf die Erteilung, die Zurücknahme und den Verlust der Berufserlaubnis beziehen. Die Regelung der Berufsausübung fällt dagegen nach Art. 70 GG in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.05.1972 - 1 BvR 518/62 und 1 BvR 308/64 -, juris Rn. 93, 98 m.w.N.; Beschl. v. 21.10.1954 - 1 BvL 9/51 -, juris Rn. 45; Maunz, a.a.O., Art. 74 Rn. 214; Seiler, a.a.O., Art. 74 Rn. 71). Ob Aufgaben zum Bereich der Berufszulassung oder der Berufsausübung gehören, hängt von der konkreten Regelung und dem Gesamtzusammenhang ab (Igl/Welti, VSSR 1999, 21, 33).

Nach diesen Maßstäben ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG durch die Errichtung der Beklagten nicht berührt. Das Recht zur Bildung berufsständischer Organisationen wie der beklagten Pflegekammer ist dem Bereich der Berufsausübung zuzuordnen (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 09.12.2008 - 6 A 10726/08 -, juris Rn. 21; Martini, Die Pflegekammer, S. 107; vgl. auch LT RP-Drs. 16/3626, S. 69). Auch die der Beklagten in § 9 Abs. 1 PflegeKG zugewiesenen Aufgaben der Interessenwahrnehmung (Nr. 1), der Qualitätsentwicklung und -sicherung (Nr. 2), der Regelung und Überwachung der Berufspflichten (Nr. 3), der Mediation (Nr. 5), der Information und Beratung (Nr. 6) sowie der Unterstützung des öffentlichen Gesundheitsdienstes (Nr. 7) betreffen nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ der beruflichen Tätigkeit und fallen damit als Berufsausübungsregeln aus der konkurrierenden Kompetenz des Bundesgesetzgebers heraus.

Nichts anderes gilt für die der Beklagten in § 9 Abs. 1 Nr. 4 PflegeKG übertragene Aufgabe, die Weiterbildung der Kammermitglieder zu regeln. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fallen Regelungen über die Weiterbildung der ärztlichen und anderen Heilberufe nach Erteilung der Erlaubnis gemäß Art. 70 GG als Berufsausübungsregeln in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder (BVerfG, Beschl. v. 09.05.1972 - 1 BvR 518/62 und 1 BvR 308/64 -, juris Rn. 98; so auch BVerwG, Beschl. v. 20.11.2009 - 3 BN 1/09 -, juris Rn. 3). Auch die in den §§ 27, 28 PflegeKG geregelte Anerkennung von Weiterbildungsbezeichnungen durch die beklagte Pflegekammer wirkt nicht als Zulassungsregel (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.11.2009 - 3 BN 1/09 -, juris Rn. 3). Dass die Beklagte solche Zusatzbezeichnungen verleihen könnte, die der Zulassung zu einem neuen Beruf gleichkämen (vgl. Martini, Die Pflegekammer, S. 108 f.; ders., GewArch Beilage WiVerw 04/2016, 253, 271), ist weder vorgetragen noch aus den genannten Vorschriften ersichtlich.

Wie sich der Gesetzesbegründung entnehmen lässt, war sich der Gesetzgeber seiner (beschränkten) Kompetenz im Hinblick auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG überdies bewusst und hat daher davon abgesehen, die Aufgaben der Kammer über den Bereich der Berufsausübung hinaus zu erstrecken (vgl. LT-Drs. 17/7110, S. 9).

(b) Auch die dem Bund in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG eingeräumte konkurrierende Kompetenz für das Arbeitsrecht steht der Errichtung der Beklagten nicht entgegen.

Zwar erfasst die Kompetenz für das Arbeitsrecht auch das sog. öffentliche Arbeitsrecht (BVerfG, Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 -, juris Rn. 89 m.w.N.; Maunz, a.a.O., Art. 74 Rn. 161; Schnapauff, a.a.O., Art. 74 Rn. 11) und das Recht der Arbeitnehmerweiterbildung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.12.1987 - 1 BvR 563/85 u.a. -, juris Rn. 83 f.). Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben jedoch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Dies hat er in den genannten Bereichen nicht - jedenfalls nicht abschließend - getan. Diese Gebiete stehen damit den Ländern zur Regelung offen (BVerfG, Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 -, juris Rn. 89, für das öffentliche Arbeitsrecht; BVerfG, Beschl. v. 15.12.1987 - 1 BvR 563/85 u.a. -, juris Rn. 84 ff., für das Recht der Arbeitnehmerweiterbildung; Gallwas, MedR 1994, 60; Martini, Die Pflegekammer, S. 110, für den Bereich der Weiterbildung).

(c) Soweit der beklagten Pflegekammer in § 9 Abs. 1 PflegeKG die Aufgabe übertragen wird, die Qualitätsentwicklung und -sicherung der Berufsausübung der Kammermitglieder zu fördern (Nr. 2) und die Weiterbildung der Kammermitglieder zu regeln (Nr. 4), steht dies entgegen der Auffassung der Klägerin auch der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für „die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) nicht entgegen.

(aa) Zwar ist festzustellen, dass der Bundesgesetzgeber für die Bereiche der Qualitätsentwicklung und -sicherung sowie der Fortbildung in Ausübung der sozialversicherungsrechtlichen Gesetzeskompetenz verbindliche Regelungen im Fünften und Elften Buch Sozialgesetzbuch getroffen hat (vgl. Martini, Die Pflegekammer, S. 113 ff.).

So haben nach § 132a Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 2 SGB V der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene gemeinsam Rahmenempfehlungen abzugeben, die u.a. Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung enthalten müssen. Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung haben die Krankenkassen nach § 132a Abs. 4 Satz 1 SGB V Verträge mit den Leistungserbringern zu schließen. Für den Fall, dass die Fortbildung nicht nachgewiesen wird, sieht § 132 Abs. 4 SGB V Vergütungsabschläge und die Möglichkeit der Vertragskündigung vor.

Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben die Vertragsparteien der Pflegeversicherung die Entwicklung und Aktualisierung wissenschaftlich fundierter und fachlich abgestimmter Expertenstandards zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege sicherzustellen. Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB V legt der Spitzenverbund Bund der Krankenkassen einheitliche Handlungsfelder und Kriterien für Leistungen zur primären Prävention und zur Gesundheitsförderung fest, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Zielgruppen, Zugangswegen, Inhalt, Methodik, Qualität, intersektoraler Zusammenarbeit, wissenschaftlicher Evaluation und der Messung der Erreichung der mit den Leistungen verfolgten Ziele. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SGB V weist dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufgabe zu, Richtlinien über die Qualitätssicherung zu beschließen.

(bb) Einen Kompetenzkonflikt sieht die erkennende Kammer hier jedoch nicht.

(aaa) Zum einen ist zu beachten, dass die in § 9 Abs. 1 PflegeKG und im Fünften und Elften Buch Sozialgesetzbuch getroffenen Regelungen zur Qualitätssicherung und zur Weiterbildung auf unterschiedliche Personengruppen abzielen: Während die zuletzt genannten Vorschriften nach ihrem systematischen Zusammenhang auf das Verhältnis der Leistungserbringer - d.h. der Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen als Arbeitgeber der Pflegenden - zu den Kostenträgern rekurrieren (vgl. z.B. § 132a Abs. 4 Satz 1 SGB V: „Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung“, Hervorh. d. d. Gericht), nimmt § 9 Abs. 1 PflegeKG die Berufsausübung „der Kammermitglieder“ - d.h. der Pflegekräfte - in den Blick (vgl. insoweit auch VG Mainz, a.a.O., juris Rn. 37; Martini, Die Pflegekammer, S. 114). Dass die Pflegenden „für die Leistungserbringer leisten“ und damit mittelbar auch von den genannten Regelungen betroffen sind (vgl. Deter, Rechtliche Zulässigkeit und mögliche Kompetenzen einer Pflegekammer in Niedersachsen, Rechtsgutachten erstattet im Auftrage des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration v. 24.08.2012, S. 22, nachfolgend zit.: Deter, Rechtsgutachten v. 24.08.2012) ändert an der Zielrichtung der Normen nichts.

Soweit die Klägerin hier einwendet, dass nach § 77 SGB XI auch Einzelpflegekräfte Leistungen erbringen könnten und zudem viele Fachkräfte als Träger von Pflegeeinrichtungen fungierten, trägt dies nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht. Abgesehen davon, dass die Regelung des § 77 SGB XI nach ihrem Wortlaut („mit einzelnen geeigneten Pflegekräften“) und nach ihrer systematischen Stellung in dem Abschnitt „Beziehungen zu sonstigen Leistungserbringern“ einen Ausnahmefall beschreibt, sieht die erkennende Kammer die von der Klägerin angenommene Normenkollision nicht. Denn der Betroffene wird hier von der einen - bundesrechtlichen - Norm in seiner Eigenschaft als Leistungserbringer und von der anderen - landesrechtlichen - Vorschrift in seiner Funktion als Pflegekraft in Bezug genommen.

Fehl geht auch der weitere Einwand der Klägerin, wonach es nicht auf die Adressaten, sondern auf die gemeinsame Zielrichtung der Regelungen - und damit den Schutz der zu pflegenden Personen - ankomme. Die Klägerin kann der Abgrenzung zweier Regelungsregime nicht dadurch entgehen, dass sie auf eventuelle Gemeinsamkeiten verweist.

(bbb) Zum anderen ist nach Auffassung der erkennenden Kammer auch der Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht tangiert. Wie die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/5110, S. 36) überzeugend ausführt,

„[decken] [d]ie bundesgesetzlichen Vorschriften zur Qualitätssicherung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen des Fünften und des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs […] naturgemäß nur einen kleinen Ausschnitt der pflegerischen Tätigkeit ab. Für die ergänzende Entwicklung wissenschaftlich fundierter Empfehlungen, Hinweise oder Leitfäden zur Qualitätsentwicklung und -sicherung pflegerischer Berufsausübung durch die Pflegekammer bleibt somit ausreichend Spielraum.“

§ 9 Abs. 1 Nr. 2 PflegeKG verleiht der beklagten Pflegekammer überdies nicht die Kompetenz, übergeordnete - auf bundesrechtlichen Vorschriften beruhende - Vorgaben zur Qualitätssicherung - etwa die in § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB XI vorgesehenen Expertenstandards - zu ändern. Vielmehr zielt die Vorschrift sowohl nach ihrem vorsichtigen Wortlaut („Empfehlungen“, „zu fördern“) als auch nach ihrem Sinn und Zweck (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 36) darauf ab, bestehende Vorgaben oder Richtlinien zur Qualität der Pflege im Hinblick auf die in der Pflege tätigen Personen zu konkretisieren und damit praktisch nutzbar zu machen.

Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. So wurde die in § 7 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs eines Gesetzes über die Pflegekammer Niedersachsen (LT-Drs. 17/5110, S. 6) verwendete (weite) Formulierung, „die Qualitätsentwicklung und
-sicherung im Pflegewesen zu fördern“, auf „die Qualitätsentwicklung und -sicherung der Berufsausübung der Kammermitglieder“ (Hervorh. d. d. Gericht) beschränkt und durch die Wendung „insbesondere durch die Erarbeitung von Empfehlungen“ ergänzt. Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/7110, S. 9) war mit dieser Änderung beabsichtigt, die Aufgabe der Qualitätsentwicklung und -sicherung „im Hinblick auf die insoweit eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz des Landes [zu präzisieren].“

Umgekehrt deutet nichts darauf hin, dass mit § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB XI die Möglichkeit einer berufsständischen Konkretisierung der Pflegestandards auf der Grundlage von Landesrecht ausgeschlossen werden sollte (vgl. Martini, Die Pflegekammer, S. 115). Dementsprechend sind auch bereits in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein Landespflegekammern gegründet worden.

Nichts anderes gilt für die der Pflegekammer in § 9 Abs. 1 Nr. 4 PflegeKG zugewiesene Aufgabe, die Weiterbildung der Kammer nach Maßgabe dieses Gesetzes zu regeln. Wie die Klägerin selbst einräumt, werden mit der Regelung keine zusätzlichen Fortbildungspflichten geschaffen (vgl. auch LT-Drs. 17/7110, S. 21). Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/5110, S. 37) ist vielmehr beabsichtigt,

„dass die Pflegekammer über die Regelungen zur Fortbildung (Berufsordnung) den Begriff der ausreichenden Fortbildung konkretisiert. Für die Pflegefachkräfte wird es damit künftig klar erkennbar sein, wann sie ihre Fortbildungspflicht erfüllt haben.“

Auch der von der Klägerin angenommene qualitative Unterschied der Pflegekammertätigkeit zu den Aufgaben der Arbeitnehmerkammern besteht jedenfalls im Bereich der Fortbildung nicht. So weist das Gesetz über die Arbeitnehmerkammer im Lande Bremen vom 28. März 2000 (Brem.GBl. S. 83) der Arbeitnehmerkammer in § 2 Abs. 1 Nr. 2 die Aufgabe zu, „Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der beruflichen sowie der allgemeinen und politischen Weiterbildung der Kammerzugehörigen zu treffen.“ Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die Arbeitskammer des Saarlandes vom 8. April 1992 (Amtsbl. S. 590, ber. S. 627 und S. 858) kann die Arbeitskammer für Arbeitnehmer u.a. Maßnahmen zur Förderung der beruflichen, der politischen und der allgemeinen Bildung initiieren und durchführen. Zwar ist richtig, dass es den genannten Gesetzen an entsprechenden Vorschriften zur Qualitätsentwicklung und -sicherung fehlt. Ein der Gesundheit und Pflege vergleichbarer Stellenwert dürfte diesem Bereich aber im Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis nicht zukommen.

bb) Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG angeordnete Zwangsmitgliedschaft bei der Beklagten verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten.

Das Abwehrrecht, nicht durch Pflichtmitgliedschaft von - wie behauptet - „unnötigen“ Körperschaften in Anspruch genommen zu werden, ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 -, juris Rn. 78; Beschl. v. 13.12.2006 - 1 BvR 2084/05 -, juris Rn. 34; Beschl. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 35; Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 -, juris Rn. 88; Urt. v. 29.07.1959 - 1 BvR 394/58 -, juris Rn. 48). Dieses Grundrecht der Klägerin ist hier nicht verletzt.

Zwar stellen sowohl die Pflichtmitgliedschaft als auch die Beitragserhebung Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit der Pflichtmitglieder dar. Denn bereits die Pflichtmitgliedschaft als solche ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft oder eingriffsneutral (BVerfG, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 -, juris Rn. 82; differenzierend Kluth/Stephan, GewArch 2016, 284, 286, die nicht die Pflichtmitgliedschaft als solche, sondern nur die konkrete Beitragspflicht als Eingriff bewerten). Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das Niedersächsische Pflegekammergesetz ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung; es beschränkt daher die Handlungsfreiheit der Klägerin, ohne gegen Art. 2 Abs. 1 GG zu verstoßen.

Unter den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung fallen alle Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen (BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 u.a. -, juris Rn. 119; Urt. v. 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 -, juris Rn. 17; Lang, in: BeckOK GG, 38. Edition, Stand: 15.05.2018, Art. 2 Rn. 24).

Das formell verfassungsmäßige Gesetz zur Errichtung der Beklagten (s.o.) steht auch materiell mit der Verfassung in Einklang. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Zwangsverbände nach Art. 2 Abs. 1 GG nur zulässig, wenn sie legitimen öffentlichen Aufgaben dienen und ihre Errichtung, gemessen an diesen Aufgaben, verhältnismäßig ist (BVerfG, Beschl. v. 13.12.2006 - 1 BvR 2084/05 -, juris Rn. 32; Beschl. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 36; Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 & 1 BvR 259/66 -, juris Rn. 90, 96; Urt. v. 19.07.1959 - 1 BvR 394/58 -, juris Rn. 48; so auch BVerwG, Urt. v. 17.12.1998 - 1 C 7/98 -, juris Rn. 23). So liegt der Fall hier.

(a) Die Pflegekammer Niedersachsen dient legitimen öffentlichen Aufgaben.

Mit dem Begriff der „legitimen öffentlichen Aufgaben“ sind solche Aufgaben gemeint, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss. Bei der Einschätzung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt dem Staat ein weiter Ermessensspielraum zu (BVerfG, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 -, juris Rn. 88; Beschl. v. 13.12.2006 - 1 BvR 2084/05 -, juris Rn. 32; Beschl. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 37; Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 und 1 BvR 259/66 -, juris Rn. 90).

Der Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Selbstverwaltungskörperschaft verfolgt, ist aus den gesetzlichen Aufgabenzuweisungen zu ermitteln. Soweit gesetzlich mehrere Aufgaben zugewiesen werden, müssen diese nicht nur insgesamt, sondern auch für sich einem legitimen Zweck dienen (BVerfG, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 -, juris Rn. 89). Als legitime Gesichtspunkte genannt werden die Förderung der Interessen von sozialen Gruppen im Rahmen staatlicher Daseinsvorsorge, die Wirtschaftsförderung, die Erschließung der für eine optimale Entscheidung erforderlichen Sachkunde, die Erleichterung des Geschäftsganges, Kostenersparnis, die Vermeidung entbehrlicher Zentralisation, die Einbeziehung der Betroffenen in den Entscheidungsprozess und die Wahrung der Rechte des Einzelnen (Gallwas, MedR 1994, 60, 61).

Hinsichtlich der weiteren (konkreten) Anforderungen wird nach den „klassischen“ kammertypischen Aufgabenbereichen der Standesvertretung, der Standesförderung und der Standesaufsicht (vgl. dazu Martini, Die Pflegekammer, S. 39-44, 131 f.) unterschieden. Während der Staat im Bereich der Standesvertretung sicherzustellen hat, dass die mit der Vertretung betraute Körperschaft das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder wahrt und mit der notwendigen Objektivität handelt, kommt es in den Bereichen der Standesaufsicht und der Standesförderung darauf an, ob sich die Einzelbefugnisse in die Gesamtaufgaben der Körperschaft einfügen, sie dem Interesse der Vertretenen dienen und sie eine besondere Sach- und Personenkenntnis erforderlich machen (Gallwas, MedR 1994, 60, 62 mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 -, juris Rn. 23 f.).

Nach diesen Maßstäben ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber von der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die Beklagte ausgeht.

Die Aufgaben der Pflegekammer Niedersachsen sind in § 9 Abs. 1 PflegeKG definiert. Danach hat die Kammer die gemeinsamen beruflichen Belange der Kammermitglieder wahrzunehmen (Nr. 1), die Qualitätsentwicklung und -sicherung der Berufsausübung der Kammermitglieder zu fördern (Nr. 2), die Berufspflichten (Nr. 3) sowie die Weiterbildung (Nr. 4) der Kammermitglieder zu regeln, auf die Beilegung von Streitigkeiten unter Beteiligung von Kammermitgliedern hinzuwirken (Nr. 5), Behörden und Gerichte zu beraten und zu unterstützen (Nr. 6) sowie den öffentlichen Gesundheitsdienst zu unterstützen (Nr. 7).

(aa) Rechtsfehlerfrei hat der Gesetzgeber ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft an der Erfüllung der so beschriebenen Aufgaben der Beklagten angenommen.

(aaa) Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/5110, S. 17 f.) führt zu den allgemeinen Zielen des Pflegekammergesetzes aus:

„Die Pflege erfährt durch die Gründung der Pflegekammer Niedersachsen eine deutliche Aufwertung. Diese Stärkung des Berufsstandes erfolgt auch im Interesse der Sicherung des Fachkräftebedarfs und der Qualität in den Pflegefachberufen sowie mit der Überzeugung, dass eine Pflegekammer als Institution besser als bisher auf die zukünftigen Herausforderungen bezüglich der Pflegeausbildung, der Pflegepraxis und der Interessenvertretung der in der Pflege Beschäftigten reagieren kann.

Die Pflegekammer ist eine demokratisch legitimierte berufspolitische Vertretung aller Pflegefachkräfte (Majoritätsprinzip). Damit ist sie geeignet, sowohl das Selbstverständnis als auch die öffentliche Wahrnehmung des pflegerischen Berufsstandes entscheidend zu verbessern. Pflegefachkräfte werden als eigenständige Profession und wichtige Akteure im Gesundheitswesen anerkannt und können mit größerem Selbstbewusstsein agieren.

Zudem befreit sich mit einer Selbstverwaltung der Berufsstand Pflege von Bevormundungen und erhält das Recht, seine Angelegenheiten innerhalb der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen selbst zu regeln. Es ist davon auszugehen, dass die Akzeptanz von Vorgaben, die von den Berufsangehörigen selbst erarbeitet werden (z. B. Berufsordnung), in der Öffentlichkeit und Berufspraxis höher ist.

Ferner kann die Pflegekammer durch die Erarbeitung von Empfehlungen und Leitlinien oder durch freiwillige Projekte wichtige Impulse zur Weiterentwicklung der Pflegepraxis geben und fachliche Vorarbeiten für gesetzliche Regelungen leisten. Empfehlungen, Leitlinien und Gutachten der Pflegekammer können bei Rechtsstreitigkeiten über Pflegeverfahren oder über die Praxis der Pflege zur Feststellung des aktuellen Standes der Wissenschaft herangezogen werden. Darüber hinaus stellt die Nachweispflicht Transparenz über Anzahl, Qualifikationen und Handlungsfelder der Pflegefachkräfte her und ermöglicht Prognosen zum zukünftigen Bedarf an Pflegefachkräften.“

Die Kammer kann nicht erkennen, dass der Gesetzgeber mit diesen allgemeinen Zielvorstellungen den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat. In einer Gesellschaft, die durch den demografischen Wandel, die Veränderung von Familienstrukturen, den Fortschritt in Wissenschaft und Technik und durch einen Strukturwandel der Gesundheits- und Pflegeversorgung geprägt ist (vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Errichtung einer Kammer für Pflegeberufe in Niedersachsen v. 09.02.1010, LT-Drs. 16/2175, S. 4; zu den „kritischen Themenfeldern“ auch Hanika, Ihre erfolgreichen Pflegekammern in Deutschland und Europa, Stuttgart 2015, S. VIII f., nachfolgend zit.: Hanika, Ihre erfolgreichen Pflegekammern), und die daher nach allgemeiner Einschätzung staatlicher Maßnahmen zur Verbesserung der Aus- und Weiterbildung der Pflegeberufe sowie zur Steigerung der Qualität und Attraktivität des Pflegesektors dringend bedarf (vgl. Martini, Die Pflegekammer, S. 15-21), ist es in konsequenter Fortführung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 -, juris Rn. 22, für den Bereich der Wirtschaft) naheliegend und verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Staat durch Gründung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - wie der beklagten Pflegekammer - einen Beitrag zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit standardgerechter Pflege leistet (vgl. auch Roßbruch, PflegeR 2001, 2, 4; Martini, GewArch Beilage WiVerw 04/2016, 253, 271). Dies gilt umso mehr, als die Gewährleistung einer sicheren Versorgung mit Pflegeleistungen eine Ausformung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) darstellt (vgl. Gallwas, MedR 1994, 60, 62; Roßbruch, PflR 2001, 2, 14).

(bbb) Auch hinsichtlich der in § 9 Abs. 1 PflegeKG übertragenen Einzelaufgaben aus den Bereichen der Standesvertretung, der Standesförderung und der Standesaufsicht sieht die erkennende Kammer keine Anhaltspunkte für eine Überschreitung des gesetzgeberischen Ermessens.

Dass an der mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG bezweckten „Stärkung [der Pflege] im Lobbying der Gesundheitspolitik“ (LT-Drs. 17/5110, S. 35) ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht, ist für die Kammer vor dem beschriebenen Hintergrund ebenso nachvollziehbar wie die Einschätzung des Gesetzgebers, mit der Förderung der Qualitätsentwicklung und -sicherung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 PflegeKG) und der Regelung der Weiterbildung (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 PflegeKG) für mehr Handlungssicherheit in der Praxis sorgen zu müssen (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 36 f.). Auch die Bewertung, dass die Überwachung der Berufspflichten der Kammermitglieder (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 PflegeKG) von hoher gesellschaftlicher Bedeutung ist, ist nicht ermessensfehlerhaft. Das gleiche gilt für die § 9 Abs. 1 Nr. 5 PflegeKG zugrundeliegende Überlegung, Streitigkeiten aus verfahrensökonomischen Gründen (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 37) vor Einschaltung der Gerichte durch die Pflegekammer klären zu lassen.

Schließlich geht der Gesetzgeber auch hinsichtlich der in § 9 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 PflegeKG zugewiesenen Beratungs- und Unterstützungsaufgaben ermessensfehlerfrei von einem gesteigerten Interesse der Gemeinschaft an fachlicher Expertise und einer Verbesserung der Zusammenarbeit mit den verschiedenen staatlichen Stellen (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 37 f.) aus. So hat es das Bundesverfassungsgericht als legitime Aufgabe der Industrie- und Handelskammern angesehen, dass sie „die staatlichen Organe und Behörden durch Berichterstattung und Beratung in wirtschaftlichen Fragen unterstützen und ihnen verläßliche Grundlagen für ihre Entscheidungen auf diesem Gebiet liefern“ können (BVerfG, Beschl. v. 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 -, juris Rn. 21; ähnlich Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13-, juris Rn. 95). Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht für die entsprechende Tätigkeit der Arbeitnehmerkammern entschieden (BVerfG, Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 -, juris Rn. 95). Dem schließt sich die erkennende Kammer im Hinblick auf die Tätigkeit der Beklagten an.

Es versteht sich von selbst, dass - nicht zuletzt im Interesse der Pflegebedürftigen - neben der Sachkenntnis und der Interessen der Angehörigen der Pflegeberufe auch die Erschließung des Fachwissens und die Berücksichtigung der Belange der anderen an der Pflege beteiligten Personen und Stellen (Ärzte, Krankenhausträger) gewährleistet sein muss (vgl. Gallwas, MedR 1994, 60, 62).

(bb) Keinen Bedenken begegnet auch die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die genannten Aufgaben nicht allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können.

(aaa) Zwar gibt es verschiedene privatrechtlich organisierte Berufsverbände für die einzelnen Pflegeberufe, deren Tätigkeit durch die Errichtung einer Pflegekammer berührt werden dürfte (VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 52; vgl. die Aufzählung bei Roßbruch, PflR 2001, 2, 10). Wie die Gesetzesbegründung überzeugend darlegt, ist „[d]ie Bündelung der berufsständischen Interessen der Pflegeberufe in einer Kammer [aber] wesentlich wirkungsvoller“ als die Interessenvertretung durch die unterschiedlichen Berufsverbände (LT-Drs. 17/5110, S. 20). Hinzu kommt, dass diese Verbände in erster Linie die Interessen ihrer Mitglieder - und nicht der Mitglieder aller Pflegeberufe - vertreten (VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 52; Hanika, Rechtswissenschaftliches Gutachten zum Gesetzesentwurf der Staatsregierung zur Errichtung einer Vereinigung der bayerischen Pflege v. 15.09.2016, S. 13, nachfolgend zit.: Hanika, Rechtsgutachten v. 15.09.2016; a.A. Martini, Die Pflegekammer, S. 144, der hierin keinen entscheidenden Nachteil sieht). Demgegenüber kann die Pflegekammer für sich in Anspruch nehmen, ein repräsentatives Meinungsbild „der Pflege“ in Niedersachsen zu vertreten (LT-Drs. 17/5110, S. 37).

Soweit die Klägerin hier einwendet, eine homogene Personengruppe, welche „die Pflege“ darstellen würde, existiere nicht (a.A. Hanika, Ihre erfolgreichen Pflegekammern, S. 71), steht dies einer Bündelung unterschiedlicher Interessen der Pflegenden durch die Beklagte nicht entgegen:

„Voraussetzung für eine Verkammerung ist weder die Uniformität noch die Homogenität der Interessen. Der Gedanke der Selbstverwaltung lebt gerade von dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Zielvorstellungen und Ideen. Geboten ist lediglich eine hinreichende Schnittmenge der Interessenlagen, welche die Gruppenmitglieder zu einem gemeinsamen Ziel miteinander verbindet“ (Martini, Die Pflegekammer, S. 136).

Eine solche hinreichende Schnittmenge der Interessen der Angehörigen der Pflegeberufe ist unzweifelhaft gegeben.

Für die erkennende Kammer plausibel ist auch der Hinweis in der Gesetzesbegründung auf die unterschiedliche Ressourcenausstattung: Organisationen, die auf einer Pflichtmitgliedschaft von Berufsgruppen basieren, verfügen über einen Stab fest angestellter Mitarbeiter und haben damit größere Möglichkeiten der Einflussnahme als die ehrenamtlich tätigen Vertreter der Berufsverbände (LT-Drs. 17/5110, S. 35; ähnlich Roßbruch, PflR 2001, 2, 10). Ob sich daraus zwangsläufig ein breiteres Spektrum fachlicher Expertise und eine größere Unabhängigkeit von leistungs- und arbeitsrechtlichen Erwägungen ergibt (LT-Drs. 17/5110, S. 37 f.), erscheint indes zweifelhaft.

Die Handlungsmöglichkeiten der bestehenden Berufsverbände sind zudem begrenzt. Während die Pflegekammer kraft gesetzlicher Ermächtigung (vgl. § 9 Abs. 1 PflegeKG) Verwaltungsaufgaben wie die Regelung und Überwachung der Berufspflichten oder die Regelung der Weiterbildung der Kammermitglieder eigenverantwortlich wahrnehmen darf, ist den bestehenden Berufsverbänden nach dem Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben verwehrt (vgl. Martini, Die Pflegekammer, S. 142).

(bbb) Im Hinblick auf die Gewerkschaften in der Pflege (vgl. die Aufzählung bei Roßbruch, PflR 2001, 2, 11) fehlt es bereits an einer rechtlichen Konkurrenz, die einer Aufgabenwahrnehmung durch die beklagte Pflegekammer entgegenstehen könnte. Das Verwaltungsgericht Mainz (Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 50; ähnlich Martini, GewArch Beilage WiVerw 04/2016, 253, 272; LT RP-Drs. 16/3626, S. 65) hat hierzu ausgeführt:

„Die Gewerkschaften betreiben Arbeitnehmerpolitik, ihnen ist die Aushandlung tariflicher Arbeitsbedingungen vorbehalten; tarifpolitische Fragen und Tarifverhandlungen sind dagegen nicht Aufgabe der Pflegekammer.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer im Hinblick auf den Aufgabenkatalog in § 9 PflegeKG an. Zwar haben die Gewerkschaften die Aufgaben, die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Diese Interessenvertretung bezieht sich jedoch - anders als im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG - nicht auf die berufs- bzw. standesrechtlichen, sondern auf die arbeitsrechtlichen Belange ihrer Mitglieder (Roßbruch, PflR 2001, 2, 12; vgl. auch Bauckhage-Hoffer, GuP 2014, 6 10).

Selbst wenn man hier eine Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften und der Beklagten annehmen würde, stünde dies deren Errichtung nicht entgegen.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass den Koalitionen (Gewerkschaften) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch Art. 9 Abs. 3 GG nur ein „Kernbereich“ koalitionsgemäßer Tätigkeit verfassungsrechtlich garantiert wird. Darunter fallen diejenigen Tätigkeiten, für die die Gewerkschaften gegründet sind und die für die Erhaltung und Sicherung ihrer Existenz als unerlässlich betrachtet werden müssen (BVerfG, Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 30/65 und 1 BvR 259/66 -, juris Rn. 105; Beschl. v. 26.05.1970 - 2 BvR 664/65 -, juris Rn. 28, 33; Urt. v. 18.11.1954 - 1 BvR 629/52 -, juris Rn. 24). Dazu zählt in erster Linie das Recht zur Verhandlung und zum Abschluss von Tarifverträgen (BVerfG, Urt. v. 18.11.1954 - 1 BvR 629/52 -, juris Rn. 24).

Nach diesen Maßstäben ist Art. 9 Abs. 3 GG hier nicht berührt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit der Arbeitnehmerkammern (Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 30/65 und 1 BvR 259/66 -, juris Rn. 107) ausgeführt:

„Die Arbeitnehmerkammern haben unbestrittenermaßen keine Befugnis, in die Auseinandersetzungen der Gewerkschaften mit den Arbeitgebern einzugreifen. Sie können weder Tarifverträge abschließen noch auf den Inhalt solcher Verträge Einfluß nehmen; ebensowenig dürfen sie sich in Arbeitskämpfe schlichtend oder auch nur stellungnehmend einschalten. Es fehlt ihnen das Recht, in konkreten Arbeitsverhältnissen zugunsten der Arbeitnehmer zu intervenieren. Sie sind keine Rechtsschutzstellen für den einzelnen Arbeitnehmer in seinen Streitigkeiten mit seinem Arbeitgeber; sie dürfen nur allgemein in Rechtsfragen beraten und aufklären. An der besonderen Postulationsfähigkeit der Gewerkschaftsvertreter im arbeits- und sozialgerichtlichen Prozeß (§ 11 ArbGG und § 73 Abs. 6 SozGG) haben sie nicht teil. So bleibt das wichtigste Tätigkeitsfeld der Gewerkschaften von einer Konkurrenz der Arbeitnehmerkammern unberührt; schon deshalb läßt sich von einer Existenzgefährdung der Gewerkschaften durch die Kammern nicht sprechen.“

Dies gilt für die Aufgaben der beklagten Pflegekammer gleichermaßen (differenzierend Martini, Die Pflegekammer, S. 172-175).

(cc) Weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist schließlich, dass es sich bei den Aufgaben der Beklagten - im Widerspruch zu der Einschätzung des Landesgesetzgebers (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 20) - um originäre staatliche Aufgaben handelt. Wie das Verwaltungsgericht Mainz (Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 47) ausgeführt hat, „gehören [die Leistungen der Pflegeberufe] grundsätzlich zum Bereich der privaten Dienstleistungen. Die Aufgaben der Berufsaufsicht und der Berufsvertretung müssen nicht den staatsunmittelbaren Behörden vorbehalten sein, sondern dürfen auch von Organen funktionaler Selbstverwaltung wahrgenommen werden.“ Diesen - zutreffenden - Feststellungen schließt sich die erkennende Kammer an. Sie stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die öffentlich-rechtliche Vereinigungen mit der Aufgabe der Berufs- bzw. Interessenvertretung unter Art. 2 Abs. 1 GG für zulässig erklärt hat (vgl. insbes. BVerfG, Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 30/65 & 1 BvR 259/66 -, juris Rn. 95, für die Arbeitnehmerkammern in Bremen und dem Saarland).

(b) Die Organisation dieser legitimen öffentlichen Aufgaben in der beklagten Pflegekammer ist verhältnismäßig. Sie ist geeignet, erforderlich und angemessen.

(aa) Die Errichtung der Beklagten ist geeignet, die legitimen öffentlichen Aufgaben zu erfüllen.

Ein Mittel ist bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolgt gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (BVerfG, Beschl. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 41; Beschl. v. 27.01.1983 - 1 BvR 1008/79 u.a. -, juris Rn. 97).

Zweifel daran, dass der Gesetzgeber den ihm auch insoweit zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 41) überschritten hat, bestehen nicht.

(aaa) Solche Zweifel sind entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht deshalb begründet, weil es sich bei der überwiegenden Anzahl der Mitglieder der Beklagten um abhängig Beschäftigte handelt, deren arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen im Wesentlichen durch einen Arbeitsvertrag bestimmt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 25.11.1971 - I C 48.65 -, juris Rn. 16) hat zur Frage der Einbeziehung der im öffentlichen Dienst stehende Ärzte in die Pflichtmitgliedschaft der Ärztekammer Schleswig-Holstein ausgeführt:

„Würden derartige Aufgaben der Kammer nur den freiberuflich tätigen Ärzten gegenüber obliegen, so wäre die Einbeziehung der im öffentlichen Dienst stehenden Ärzte grundrechtswidrig. Die Pflichtmitgliedschaft auch dieser Angehörigen des ärztlichen Berufsstandes ist indessen dadurch gerechtfertigt, daß die Landesärztekammer die beruflichen Belange der Gesamtheit der Ärzte zu wahren und an der Erhaltung einer sittlich und wissenschaftlich hochstehenden Ärzteschaft mitzuwirken hat. Die Ärztekammer kann diese ihr übertragene öffentliche Aufgabe - ebenso wie ihre Aufgabe, auf Verlangen der zuständigen Behörden zu Gesetz- und Verordnungsentwürfen Stellung zu nehmen und Gutachten zu erstatten - nur erfüllen, wenn sie sich die Erfahrungen der Ärzte aus allen Tätigkeitsbereichen, insbesondere auch des öffentlichen Gesundheitsdienstes, nutzbar machen kann. Da diese - von dem Gesetzgeber des schleswig-holsteinischen Ärztekammergesetzes gewollte und erstrebte - Kooperation am ehesten bei gemeinsamer Kammerzugehörigkeit gewährleistet erscheint, ist die Einbeziehung auch der im öffentlichen Dienst stehenden Ärzte hinreichend sachlich gerechtfertigt.“

Diese - zutreffenden - Erwägungen gelten für die Einbeziehung der abhängig beschäftigten Pflegekräfte in die Pflichtmitgliedschaft der beklagten Pflegekammer gleichermaßen. Das von dem Gesetzgeber mit der Errichtung der Beklagten verfolgte Ziel der Verbesserung der Interessenwahrnehmung der Pflegeberufe bliebe unerreicht, wenn nicht - nahezu - alle betroffenen Pflegekräfte zusammengeschlossen würden. Auch das von dem Gesetzgeber - ohne Rechtsfehler - angenommene Bedürfnis, die Qualitätsentwicklung und -sicherung sowie die Weiterbildung der Pflegekräfte zu fördern, besteht bei Selbständigen und abhängig Beschäftigten in gleicher Weise.

Zwar ist mit den sog. Helfer- und Assistenzberufen - d.h. den Pflegehelfern, Erziehern und Pflegeassistenten - ein Teil der in der Pflege tätigen Personen nicht von der Pflichtmitgliedschaft erfasst. Diese Differenzierung ist jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt sich der Beruf des Altenpflegehelfers - im Unterschied zu dem des Altenpflegers - nicht als (anderer) Heilberuf i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG dar. Während den „anderen Heilberufen“ heilkundliche Aufgaben übertragen werden und die Tätigkeit einen klaren heilkundlichen Schwerpunkt hat, gilt dies für die ausschließlich assistierend tätig werdenden Altenpflegehelfer nicht (BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 - 2 BvF 1/01 -, juris Rn. 206 ff., 237 ff.; Roßbruch, GuP 2004, 53, 56). Diese Erwägungen sind nach der - nicht zu beanstandenden - Einschätzung des Gesetzgebers (vgl. LT-Drs. 17/7110, S. 5; ebenso LT RP-Drs. 16/3626, S. 65) auf den Bereich der Krankenpflege übertragbar. Gemäß § 4 PflegeKG steht den Helfer- und Assistenzberufen aber ab dem 1. Januar 2019 ein freiwilliger Beitritt offen, sofern die beklagte Pflegekammer eine entsprechende Satzungsregelung beschließt (vgl. Art. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Pflegekammer Niedersachsen vom 14. Dezember 2016).

Der Umstand, dass ein Großteil der Pflegekräfte abhängig beschäftigt ist und damit dem Direktionsrecht ihres Arbeitsgebers unterliegt, ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht geeignet, das gesetzgeberische Ziel einer Selbstverwaltung des Berufsstandes Pflege (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 17) in Frage zu stellen. Zwar engt das Direktionsrecht die mit der Selbstverwaltung bezweckte Selbstorganisation in Teilbereichen ein. Denn es gibt dem Arbeitgeber nach § 106 Satz 1 und 2 Gewerbeordnung (GewO) die Befugnis, über Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie über die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb zu bestimmen. Das Direktionsrecht schließt die Selbstorganisation aber nicht in einem solchen Maß aus, dass die Möglichkeit der Wahrnehmung legitimer öffentlicher Aufgaben durch die beklagte Pflegekammer nicht mehr gewährleistet wäre (so zutreffend VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 57). So umfasst das Recht zur Bestimmung über den Inhalt der Arbeitsleistung nach (umstrittener) Auffassung etwa das Verlangen, an Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen (vgl. Tilmanns, BeckOK Arbeitsrecht, 49. Edition, Stand: 01.09.2018, § 106 GewO Rn. 18). Die Befugnis, die Weiterbildung der bei ihm beschäftigenden Pflegekräfte i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 4 PflegeKG „zu regeln“, also zu bestimmen, wann Pflegekräfte ihre kraft Gesetzes bestehende Fortbildungspflicht erfüllt haben (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 37), lässt sich aus § 106 GewO jedoch nicht herleiten. Vielmehr kann und darf der Arbeitgeber lediglich erwarten, dass die bei ihm beschäftigten Pflegekräfte ihre Tätigkeit auf der Grundlage des aktuellen Wissensstandes ausüben (Roßbruch, PflR 2013, 530, 541).

Davon abgesehen, hat das Pflegekammergesetz den Besonderheiten der Berufsgruppe der abhängig beschäftigten Pflegekräfte Rechnung getragen und damit Pflichten- und Interessenkollisionen, die sich aus der Mitgliedschaft bei der Beklagten und dem arbeitsrechtlichen Status ergeben könnten, ausreichend vorgebeugt. So ist etwa die Pflicht der Kammermitglieder zur Auskunftserteilung in § 5 Abs. 2 Satz 1 PflegeKG auf die zur Erfüllung der Aufgaben der Kammer notwendigen Angaben beschränkt worden; die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit der im öffentlichen Dienst stehenden Kammermitglieder bleibt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 PflegeKG unberührt.

Kollisionen können sich auch im Bereich der Berufspflichten (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 3 PflegeKG) ergeben, wenn der Inhalt einer solchen Berufspflicht einer im Rahmen des Direktionsrechts ausgesprochenen Weisung des Arbeitgebers oder den Regelungen des Arbeitsvertrages widerspricht. Der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration hat hierzu in seinem Schriftlichen Bericht zu dem Entwurf des Pflegekammergesetzes (LT-Drs. 17/7110, S. 20) ausgeführt:

„Zwar ist das sog. Direktionsrecht des Arbeitgebers nach billigem Ermessen auszuüben und wird nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO), der für alle Arbeitnehmer gilt, unter den Vorbehalt anderweitiger Bestimmungen durch einen Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, einen anwendbaren Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften gestellt. Die Berufsordnung ist aber kammerinternes, nämlich von der Kammerversammlung erlassenes Recht. Ob und inwieweit dieses Recht auch im Hinblick auf die demokratische Legitimation der Kammerversammlung geeignet ist, Dritte, also z. B. Arbeitgeber im Rahmen des § 106 GewO, zu binden, ist umstritten […]. Jedenfalls wird davon ausgegangen, dass eine Bindungswirkung allenfalls dann möglich ist, wenn der Entscheidungsgegenstand im Hinblick auf sein Gewicht oder den erfassten Personenkreis von lediglich nachgeordneter Bedeutung ist […]. Das ist bei einer - wenn auch nur mittelbaren - Bindung der Arbeitgeber durch Berufspflichten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht der Fall, sodass zweifelhaft ist, ob das rechtmäßig ausgeübte Direktionsrecht des Arbeitgebers lediglich aufgrund von Berufspflichten einer kammerinternen Berufsordnung eingeschränkt sein könnte. Solange ein möglicher Konflikt nicht dadurch gelöst werden kann, dass man - wie bei Ärzten - eine Übernahme von Berufspflichten in Arbeitsverträge der Kammermitglieder vorsieht (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 MBO-Ärzte), erschien es dem Ausschuss daher empfehlenswert, die Berufspflichten zumindest ihrem Grundsatz nach im Gesetz selbst zu regeln, das dann seinerseits als gesetzliche Regelung im Sinne des § 106 GewO angesehen werden könnte.“

Mit der in § 24 PflegeKG getroffenen Regelung der grundlegenden Berufspflichten hat der Gesetzgeber diesen Bedenken Rechnung getragen. § 24 PflegeKG schränkt damit in seinem Anwendungsbereich das Direktionsrecht nach § 106 GewO ein. Im Übrigen muss die Aufgabe der Kammer, die Erfüllung der Berufspflichten zu überwachen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 PflegeKG), in dem einschränkenden Sinne verstanden werden, dass der Beklagten Aufsichts- und Überwachungsfunktionen nur übertragen worden sind, soweit nicht bei Angestellten die Zuständigkeit der Vorgesetzten bzw. das Direktionsrecht des Arbeitsgebers gegeben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1971 - I C 48.65 -, juris Rn. 19, für das schleswig-holsteinische Ärztekammergesetz).

(bbb) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die Entscheidung über die richtige Therapie und die zu verordnenden Medikamente durch das ärztliche Personal - und damit von Nichtmitgliedern der Beklagten - getroffen werde, verkennt sie, dass es sich dabei um Entscheidungen im medizinischen und nicht im pflegerischen Bereich handelt.

(ccc) Die Geeignetheit ist der Errichtung der Beklagten schließlich auch nicht deswegen abzusprechen, weil die der Kammer in § 9 PflegeKG übertragenen Einzelaufgaben die - außer Zweifel hohen - gesetzgeberischen Zielvorstellungen nicht erfüllen könnten.

Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass der Bundesgesetzgeber im Fünften und Elften Buch Sozialgesetzbuch eine Vielzahl von Vorschriften zur Qualitätssicherung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie zur Fort- und Weiterbildung der Pflegekräfte getroffen hat. Die der beklagten Pflegekammer in § 9 Abs. 1 Nr. 2 PflegeKG eingeräumten Befugnisse sind demgegenüber - allein aus kompetenzrechtlichen Gründen (s.o.) - äußerst begrenzt. Das Gericht hielte diese daher - für sich genommen - nicht für geeignet, die mit der Errichtung der Beklagten verfolgten Ziele zu tragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es aber bei der Prüfung der Geeignetheit nicht zulässig, aus dem Gesamtzusammenhang Aufgaben herauszugreifen, die - isoliert betrachtet - den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht genügen würden (Beschl. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 42). In der danach vorzunehmenden Gesamtschau sieht die erkennende Kammer den Aufgabenkreis des § 9 PflegeKG als geeignet an, die Gründungsziele der Beklagten jedenfalls zu fördern. Besonderes Gewicht misst die erkennende Kammer der Aufgabe der Interessenvertretung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG) und der damit verbundenen Installation einer „Pflegelobby“ bei. Vorteilhaft erscheint ihr auch die der Beklagten mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 PflegeKG eröffnete Möglichkeit, eine Zusammenfassung der Berufspflichten der Kammermitglieder zu erstellen. Vor dem Hintergrund dieser - aus Sicht der erkennenden Kammer - tragenden Aufgaben war es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Beklagte zusätzlich mit den in
§ 9 Abs. 1 Nr. 6 und 7 PflegeKG genannten Beratungs- und Unterstützungsaufgaben zu betrauen.

(bb) Die Errichtung der Beklagten ist unter Berücksichtigung des weiten Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers auch erforderlich, um den erstrebten Zweck zu erreichen.

Das Merkmal der Erforderlichkeit ist erfüllt, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme nicht durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, mit dem das betreffende Grundrecht nicht oder weniger fühlbar eingeschränkt wird (BVerfG, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13-, juris Rn. 105; Beschl. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 44; Beschl. v. 18.12.1974 - 1 bvR 430/65 -, juris Rn. 96; Beschl. v. 16.03.1971 - 1 BvR 52/66 u.a. -, juris Rn. 64).

Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht gegeben.

(aaa) Ein milderes, gleich geeignetes Mittel liegt nicht in einer alternativen freiwilligen Mitgliedschaft. Zwar ist in Bayern mit dem Pflegendenvereinigungsgesetz vom 24. April 2017 (GVBl. 2017 S. 78) - PfleVG - als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine „Vereinigung der Pflegenden“ gegründet worden, deren Mitgliedschaft freiwillig ist (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 PfleVG) und die ähnliche Aufgaben wie die Beklagte hat. Eine solche freiwillige Mitgliedschaft ist auch unzweifelhaft grundrechtsschonender als die dem Niedersächsischen Pflegekammergesetz zugrundeliegende Zwangsmitgliedschaft. Sie wäre aber nicht gleich geeignet, das Gesamtinteresse der Angehörigen der Pflegeberufe gegenüber anderen Heilberufen, Krankenkassen und den staatlichen Entscheidungsträgern zu vertreten (VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 55; Hanika, Rechtsgutachten v. 15.09.2016, S. 13 f.; LT RP-Drs. 16/2626, S. 65). Wäre der Beitritt zu der beklagten Pflegekammer freiwillig, hinge die Zusammensetzung der Mitglieder zudem vom Zufall ab.

Die Notwendigkeit, um freiwillige Mitglieder zu werben, birgt zudem die Gefahr, dass die Interessen einzelner besonders aktiver Gruppen unverhältnismäßig stark berücksichtigt werden (Hanika, Rechtsgutachten v. 15.09.2016, S. 14). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „[sichert] nur die Pflichtmitgliedschaft […] eine von Zufälligkeiten der Mitgliedschaft und Pressionen freie sowie umfassende Ermittlung, Abwägung und Bündelung der maßgeblichen Interessen, die erst eine objektive und vertrauenswürdige Wahrnehmung des Gesamtinteresses ermöglicht“ (BVerfG, Urt. v. 21.07.1998 - 1 C 32/97 -, juris Rn. 23, in Anlehnung an Beschl. v. 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 -, juris Rn. 27; ebenso Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 -, juris Rn. 78, 106; Roßbruch, PflR 2013, 530, 532; ähnlich LT RP-Drs. 16/3626, S. 65). Die Gefahr, dass sich „besonders aktive Gruppen ungebührlich in den Vordergrund drängen“ (vgl. Gallwas, MedR 1994, 60, 64), lässt sich freilich auch durch die Konzeption der Zwangsmitgliedschaft nicht vollständig ausschließen.

Schließlich steigt auch die Aussagekraft der von der Pflegekammer erstatteten Gutachten (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 6 lit. a PflegeKG), wenn dort Mitglieder aller Pflegeberufe vertreten sind (Hanika, Rechtsgutachten v. 15.09.2016, S. 14).

(bbb) Eine unmittelbare staatliche Verwaltung in Gestalt von eigenen, landesunmittelbaren Behörden ist nach den zutreffenden Ausführungen der Beklagten bereits deshalb nicht gleich geeignet, weil der Gesetzgeber mit der Errichtung der Beklagten gerade auf die selbstorganisatorische Aufgabenwahrnehmung zielt. Die unmittelbare staatliche Verwaltung stellt demgegenüber ein aliud dar (Kluth/Stephan, GewArch 2016, 284, 287; ähnlich Martini, Die Pflegekammer, S. 140). Hinzu kommt, dass es den staatlichen Stellen an vergleichbaren personellen und sachlichen Ressourcen fehlen dürfte (vgl. Hanika, Rechtsgutachten v. 15.09.2016, S. 16 f., 24, 38).

(ccc) Unter dem Blickwinkel der Erforderlichkeit nicht zu beanstanden ist auch die Verknüpfung der Pflichtmitgliedschaft mit der in § 8 PflegeKG normierten Beitragspflicht. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 21.07.1998 - 1 C 32/97 -, juris Rn. 22) hat hierzu in Bezug auf die Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer ausgeführt:

„Die Befugnis des Staates, zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben öffentlich-rechtliche Körperschaften zu bilden, schließt die Befugnis ein, dies mit einer Beitragspflicht zu verbinden, die der Abgeltung der durch die Mitgliedschaft entstehenden Vorteile dient. Der erkennende Senat wertet die von den Pflichtmitgliedern erhobenen Beiträge zur Deckung der Kosten der Kammer als Beiträge im Rechtssinne (vgl. Urteil vom 26. Juni 1990 - BVerwG 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22). Der Beitrag ist eine Gegenleistung für den Vorteil, den das Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit zieht. Dieser Vorteil besteht insbesondere darin, daß die Kammer ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllt. Diese Aufgabenerfüllung kommt vorzugsweise den in der Wirtschaft selbständig Tätigen, also den Kammermitgliedern zugute, deren Gesamtbelange die Kammer zu wahren und fördern hat. Dafür ist nicht erforderlich, daß sich der Nutzen dieser Tätigkeit bei dem einzelnen Mitglied in einem unmittelbaren wirtschaftlichen (finanziellen) Vorteil meßbar niederschlägt. Mit ihrer die unterschiedlichen Interessen der Mitglieder sowie der verschiedenen Wirtschaftszweige "bündelnden" und "ausgleichenden" Tätigkeit stehen die Kammern in einer Art Mittlerrolle zwischen Staat und Wirtschaft. Deshalb kann auch nicht von einer Verschiebung allgemeiner öffentlicher Lasten vom Staat auf eine bestimmte soziale Gruppe die Rede sein.“

Diesen - durch das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 48) bestätigten - Ausführungen schließt sich die Kammer in Bezug auf die Beitragspflicht in § 8 PflegeKG an.

Auch die neben der Beitragspflicht bestehenden Berufs-, Weiterbildungs- und Meldepflichten (vgl. §§ 5, 24 PflegeKG) sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geeignet, die Erforderlichkeit in Frage zu stellen. Während die in § 5 Abs. 1 PflegeKG normierte Meldepflicht dem legitimen gesetzgeberischen Ziel dient, der Beklagten die für ihre innere Verwaltungstätigkeit und die Erfüllung ihrer Aufgaben unverzichtbaren Informationen über die berufliche Situation der Kammermitglieder zu verschaffen, stellt der Gesetzgeber mit der Festlegung der grundlegenden Berufspflichten in § 24 PflegeKG die mit der Errichtung der Beklagten unter anderem erstrebte Verbesserung der Qualität der Pflege sicher. Zudem beugt er einer Kollision mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers vor (s.o.).

Soweit die Klägerin unter dem Blickwinkel der Erforderlichkeit (erneut) zu Bedenken gibt, dass die Aufgaben der Beklagten bereits ausreichend durch die bestehenden Berufsverbände und anderen Organisationen wahrgenommen würden, wird auf die Ausführungen unter (a)(bb) verwiesen.

(cc) Die Pflichtmitgliedschaft verstößt schließlich nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gewahrt, wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs sowie dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren nicht überschritten ist (BVerfG, BVerfG, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 -, juris Rn. 107; Beschl. v. 16.03.1971 - 1 BvR 52/66 u.a. -, juris Rn. 65; Beschl. v. 18.12.197 - 1 BvR 430/65 -, juris Rn. 96).

Dies ist vorliegend der Fall. Die Pflichtmitgliedschaft in der beklagten Pflegekammer beeinträchtigt die berufliche Handlungsfreiheit ihrer Mitglieder nicht so erheblich, dass die Grenze des Zumutbaren überschritten ist.

Zutreffend gehen zunächst beide Parteien davon aus, dass es für die Frage der Angemessenheit nicht auf die Ergebnisse der von Infratest dimap durchgeführten Umfrage zur Errichtung einer Pflegekammer mit Pflichtmitgliedschaft (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 26 f.) ankommt. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigungsbedürftigkeit eines staatlichen Grundrechtseingriffs entfällt - insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes - nicht dadurch, dass dieser von einer Mehrheit der Betroffenen akzeptiert wird. Entscheidend ist vielmehr, ob die mit der Errichtung der Beklagten für die Pflegekräfte verbundenen Vor- und Nachteile in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/5110, S. 20) führt zu den Vorteilen der Pflichtmitgliedschaft für die Mitglieder der beklagten Pflegekammer aus:

„Wesentliche Vorteile, die sich für die Pflegefachkräfte durch eine Verkammerung ergeben, sind erstens die berufsständische Vertretung sowie zweitens die Förderung der Qualitätssicherung. […] Ein mittelbarer Mehrwert ergibt sich für die Kammermitglieder insbesondere durch die Förderung der beruflichen Fortbildung sowie den Erlass einer Berufsordnung. Zwar bedeutet die Regelung der Fortbildung einerseits eine Belastung für die Kammermitglieder in Form bürokratischen Aufwands (z. B. Nachweispflicht) und finanzieller Belastung (z. B. Teilnahmegebühren für verpflichtende Fortbildungen). Die Zertifizierung und Bewertung von Fortbildungsveranstaltungen gibt den Kammermitgliedern andererseits auch Orientierung im derzeitigen unübersichtlichen Fortbildungsangebot und verbessert durch den transparenten Nachweis der Qualifikation auch ihre Aufstiegsmöglichkeiten. Auch mit dem Erlass einer Berufsordnung wird zunächst ein weiteres Regelwerk geschaffen, das auf die tägliche Arbeit in der Pflegepraxis Einfluss nimmt. Von Nutzen für die Kammermitglieder ist jedoch, dass die Berufsordnung als Argumentationshilfe gegenüber den Arbeitgebern dienen kann, wenn die Rahmenbedingungen eine Pflege, die den Vorgaben der Berufsordnung entspricht, nicht zulassen. Darüber hinaus wirkt sich auch die Aufwertung des gesellschaftlichen Status der Pflegeberufe in der öffentlichen Wahrnehmung mittelbar vorteilhaft und positiv auf die Selbstwahrnehmung der Pflegekräfte aus und wird das Bewusstsein der Pflegekräfte für ihre eigene Bedeutung im Kontext des gesamten Gesundheitswesens deutlich stärken.“

Die erkennende Kammer sieht keinen Anlass, diesen - zutreffenden - Ausführungen entgegenzutreten.

Über die in der Gesetzesbegründung genannten Vorteile hinaus eröffnet die Pflichtzugehörigkeit für die Mitglieder der Beklagten - positiv - die Gelegenheit, an der Arbeit der Kammer - und damit auch an staatlichen Entscheidungsprozessen - mitzuwirken und die Kammerleistungen zu nutzen. Im Sinne einer negativen Freiheit lässt sie aber auch die Möglichkeit offen, davon abzusehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13-, juris Rn. 109; Urt. v. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 50; Urt. v. 21.07.1998 - 1 C 32/97 -, juris Rn. 24, jew. für die Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer; VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 56; Kluth/Stephan, GewArch 2016, 284, 288). Das Bundesverfassungsgericht erkennt hier „eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion [der Pflichtmitgliedschaft], weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbar Staatsverwaltung vermeidet und statt dessen auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt“ (BVerfG, Beschl. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 50; ähnlich Hanika, Ihre erfolgreichen Pflegekammern, S. 53 f.). Indem die beklagte Pflegkammer die ihr übertragenen Aufgaben (vgl. § 9 Abs. 1 PflegeKG) wahrnimmt, wahrt und fördert sie zudem die Belange ihrer Mitglieder (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.07.1998 - 1 C 32/97 -, juris Rn. 22; Roßbruch, PflR 2013, 530, 532). Dass sich mit der Mitwirkungschance die Pflicht verbindet, ordnungsgemäß zustande gekommene Beschlüsse anzuerkennen (vgl. Gallwas, MedR 1994, 60, 64), fällt demgegenüber nicht erheblich ins Gewicht.

Aus diesem Grund ist auch die Belastung der Pflichtmitglieder mit einem Beitrag grundsätzlich zumutbar (vgl. BVerfG, Urt. v. 21.07. 1998 - 1 C 32/97 -, juris Rn. 24; VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 -, 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 56; kritisch Gallwas, MedR 1994, 60, 65). Bei der Festlegung der Beiträge hat die Beklagte ein weites Ermessen, das durch das Äquivalenzprinzip und durch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG begrenzt wird (BVerwG, Urt. v. 30.01.1996 - 1 C 9/93 -, juris Rn. 26; Urt. v. 26.01.1993 - 1 C 33/89 -, juris Rn. 16; Beschl. v. 25.07.1989 - 1 B 109/89 -, juris Rn. 4 m.w.N.). Nach Art. 3 Abs. 1 GG darf niemand im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt werden, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Für die Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge bedeutet dies, dass bei wesentlichen Unterschieden hinsichtlich des Nutzens der Kammertätigkeit die Beiträge nicht gleich, sondern im Verhältnis dieser unterschiedlichen Vorteile zu bemessen sind (BVerwG, Urt. v. 26.01.1993 - 1 C 33/89 -, juris Rn. 17; Nds. OVG, Urt. v. 26.04.2007 - 8 LC 13/05 -, juris Rn. 43). Das Äquivalenzprinzip setzt voraus, dass ein angemessener Zusammenhang zwischen der Höhe des Beitrages und dem Nutzen des Mitglieds besteht. Nicht erforderlich ist dagegen, dass sich der Nutzen dieser Tätigkeit bei dem einzelnen Mitglied in einem unmittelbaren finanziellen Vorteil messbar niederschlägt (BVerwG, Urt. v. 21.07.1998 - 1 C 32/97 -, juris Rn. 22; Nds. OVG, Urt. v. 26.04.2007 - 8 LC 13/05 -, juris Rn. 41).

Nach diesen Maßstäben hat der niedersächsische Gesetzgeber seinen Ermessensspielraum hier nicht überschritten.

Der Beitrag ist nach § 1 Abs. 3 Beitragsordnung als Jahresbeitrag ausgestaltet. Grundlage für die Beitragsbemessung sind die Jahreseinkünfte des Kammermitglieds aus der Berufsausübung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Beitragsordnung). Der Höchstbetrag beträgt 280,- € je Beitragsjahr (§ 2 Abs. 2 Beitragsordnung). Dieser Höchstbetrag wird gegenüber jedem Kammermitglied durch Bescheid festgesetzt (sog. Regelbescheid, § 2 Abs. 3 Beitragsordnung). Der Regelbescheid enthält eine auflösende Bedingung, wonach die Pflicht zur Entrichtung des Höchstbeitrages entfällt, wenn innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Regelbescheides bei der Kammer eine sog. Selbsteinstufung des Kammermitglieds eingeht und das Kammermitglied darin unter Angabe eines konkreten Betrages versichert, dass seine Einkünfte aus der Berufsausübung im Sinne des § 2 Abs. 1 PflegeKG in dem vorletzten Kalenderjahr vor dem Beitragsjahr (Vorvorjahr) nicht über 70.000,- € lagen (§ 2 Abs. 4 Beitragsordnung). Bei Eintritt der auflösenden Bedingung setzt die Kammer durch Bescheid eine Beitragsbefreiung oder eine Ermäßigung auf Basis der Selbsteinstufung des Kammermitglieds fest (§ 3 Abs. 1 Beitragsordnung). Kammermitglieder, deren Jahreseinkünfte aus beruflicher Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 PflegeKG unter 5.400,- € liegen, werden von der Beitragspflicht befreit. Gegenüber Kammermitgliedern, deren Jahreseinkünfte zwischen 5.400,01 € und 70.000,- € liegen, wird ein ermäßigter Beitrag i.H.v. 0,4 % dieser Einkünfte festgesetzt (§ 3 Abs. 3 und 4 Beitragsordnung). Für Kammermitglieder, die im Beitragsjahr einer Beitragspflicht in einer der Pflegekammer Niedersachsen vergleichbaren Kammer eines anderen Bundeslandes unterliegen, reduziert sich der Höchstbetrag um 50 % (§ 2 Abs. 5 Beitragsordnung). Kammermitglieder, die im Beitragsjahr das Renteneintrittsalter erreichen, werden auf schriftlichen Antrag vom folgenden Beitragsjahr an von der Beitragspflicht befreit (§ 6 Beitragsordnung). Nach § 8 Beitragsordnung kann der Beitrag zur Vermeidung unzumutbarer Härten auf schriftlichen Antrag gestundet, ermäßigt oder erlassen werden.

Die Regelung steht im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz. Insbesondere ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, entsprechend dem Gedanken der Solidargemeinschaft wirtschaftlich schwächere Mitglieder auf Kosten der leistungsstärkeren zu entlasten, sodass jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Kosten der Körperschaft beiträgt (BVerwG, Urt. v. 26.01.1993 - 1 C 33/89 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Dahinter steht auch die Erwägung, dass mit der Höhe der beruflichen Einkünfte regelmäßig der materielle und immaterielle Nutzen aus der Existenz und der Arbeit der Kammer, insbesondere der Interessenwahrnehmung, zunimmt (BVerwG, Urt. v. 26.01.1993 - 1 C 33/89 -, juris Rn. 18; Beschl. v. 25.07.1989 - 1 B 109/89 -, juris Rn. 5). Die Beitragsspanne zwischen dem geringsten (ersichtlich 22,- €) und dem höchsten (280,- €) Jahresbeitrag hält die erkennende Kammer - auch unter Berücksichtigung der Einkommenssituation der Pflegekräfte (vgl. Deter, Rechtsgutachten v. 24.08.2012, S. 28; Gallwas, MedR 1994, 60, 64; Martini, GewArch Beilage WiVerw 04/2016, 253, 272) - für angemessen. Kammermitgliedern, denen aufgrund sich nachhaltig unterscheidender Tätigkeiten ein wesentlich größerer bzw. erheblich kleinerer Nutzen aus der Arbeit der Beklagten erwächst (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1993 - 1 C 33/89 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urt. v. 26.04.2007 - 8 LC 13/05 -, juris Rn. 43), sodass der wirtschaftliche Vorteil aus der Kammertätigkeit ausnahmsweise nicht mit der Höhe des Einkommens als Bemessungsgrundlage korrespondiert, ist der Beitrag nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 Beitragsordnung zu ermäßigen oder zu erlassen.

Auch ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip ist nicht gegeben. Ein Missverhältnis der Beitragserhebung zu den gewährten Vorteilen ist nach den vorangehenden Feststellungen nicht erkennbar.

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin fallen auch die weiteren mit der Pflichtmitgliedschaft verbundenen Nachteile nicht übermäßig schwer ins Gewicht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die im Pflegekammergesetz vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu den Arbeitnehmerkammern in Bremen und im Saarland deren Verhältnismäßigkeit auch damit begründet, dass diese Kammern „keine Befugnis [haben], die Berufsausübung ihrer Mitglieder zu regeln oder sie bei Verstößen gegen ihre Berufspflichten zu disziplinieren“ (BVerfG, Beschl. v. 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 -, juris Rn. 112; vgl. auch Bauckhage-Hoffer, GuP 2014, 105, 109). Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Niedersächsischen Landtages hatte von diesem Hintergrund von der Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift abgeraten (vgl. LT-Drs. 17/7110, S. 23). Die erkennende Kammer hält die getroffenen Sanktionsregeln jedoch für zumutbar.

§ 5 Abs. 4 PflegeKG räumt der Beklagten die Möglichkeit ein, zur Durchsetzung der Melde- und Auskunftspflichten nach § 5 Abs. 1 und 2 PflegeKG nach vorheriger schriftlicher Androhung ein Zwangsgeld i.H.v. bis zu 2.500,- € festzusetzen. Nach § 26 Abs. 1 PflegeKG kann die Kammer Verstöße von Kammermitgliedern gegen ihre Berufspflichten (Berufsvergehen) in einem Rügeverfahren ahnden. Im Rügeverfahren ist die Verwarnung oder die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 2.500,- € zulässig. Zwar stellen Zwangs- bzw. Ordnungsgelder in der zulässigen Höhe einen nicht unerheblichen Nachteil für die - häufig nur in Teilzeit beschäftigten - Pflegekräfte dar. Zu beachten ist jedoch, dass die Kammer nach dem ausdrücklichen Wortlaut der genannten Vorschriften bei der Festsetzung des Zwangsgeldes die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - und damit in erster Linie die unterschiedlichen Einkommenshöhen (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 44) - der betroffenen Kammermitglieder zu berücksichtigen hat. Hinzu kommt, dass die in § 26 Abs. 1 PflegeKG sanktionierte gewissenhafte Berufsausübung der Wahrung der körperlichen Integrität, der Würde sowie des Selbstbestimmungsrechts der Pflegebedürftigen - und damit fundamentalen Interessen - dient. Die noch im Entwurf (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) vorgesehene Ahndungsmöglichkeit durch „Entzug der Wählbarkeit zur Kammerversammlung“ wurde auf Empfehlung des Sozialausschusses gestrichen (vgl. LT-Drs. 17/7110, S. 24).

Eventuelle Aufgabenüberschreitungen durch die Beklagte und deren Organe kann das einzelne Mitglied schließlich - erforderlichenfalls - im Klagewege abwehren (vgl. BVerfG, Beschl. 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris Rn. 51; BVerwG, Urt. v. 21.07.1998 - 1 C 32/97 -, juris Rn. 20).

c) Ein Verstoß gegen die von Amts wegen zu prüfenden Vorschriften des europäischen Unionsrechts - insbesondere die Grundfreiheiten - ist nicht gegeben (so auch VG Mainz, Urt. v. 06.04.2017 - 4 K 438/16.MZ -, juris Rn. 58). Einen Eingriff in die Grundfreiheiten des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - unterstellt, wäre dieser nach Auffassung der erkennenden Kammer jedenfalls aus „zwingenden Gründen des Allgemeinwohls“ im Sinne der Cassis-Formel des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urt. v. 20.02.1979 - 120/78 -, juris Rn. 8) gerechtfertigt (so auch Kluth/Stephan, GewArch 2016, 284, 288; Martini, Die Pflegekammer, S. 209). Wie der Europäische Gerichtshof am Beispiel der Tierärzte entschieden hat, sind „die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer vorschreiben […] als solche nicht unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht“ (Urt. v. 22.09.1983 - 271/82 -, juris Rn. 18). Zu beachten ist zudem, dass Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Drittstaates, die nur vorübergehend und gelegentlich pflegerische Tätigkeiten in Niedersachsen ausüben, nach § 3 PflegeKG keine Kammermitglieder sind.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung - ZPO -.

IV. Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob § 2 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 PflegeKG mit höherrangigem Recht vereinbar sind, zugelassen (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).