Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.09.2000, Az.: 5 K 424/98
Keine Lieferung eines halbfertigen Bauwerks, wenn ein Konkursverwalter zwar die Vertragserfüllung ablehnt, aber aufgrund eines gleichzeitigen Angebots zur Fortsetzung des Baus auf dieser neuen Rechtsgrundlage die Bauarbeiten fortführt
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 05.09.2000
- Aktenzeichen
- 5 K 424/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 35703
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0905.5K424.98.0A
Rechtsgrundlagen
- UStG § 3 Abs. 1
- UStG § 3 Abs. 4
- UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1a
- KO § 17
- InsO § 103
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Werklieferung eines Bauwerks wird zu dem Zeitpunkt ausgeführt, in dem dem Auftraggeber die Verfügungsmacht an dem fertigen Bauwerk verschafft wird. Dieser Zeitpunkt kann auch vor einer zivilrechtlichen Abnahme liegen.
- 2.
Die Umsatzsteuer für Teilleistungen entsteht bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das ist der Fall, wenn dem Auftraggeber die Verfügungsmacht an dem fertigen Bauwerk verschafft wird.
- 3.
Lehnt der Konkursverwalter die Erfüllung eines zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht vollständig erfüllten Werkvertrages ab und ist eine Vollendung des Werks durch den Konkursverwalter nicht mehr vorgesehen, wird der Werkvertrag in ein Abrechnungsschuldverhältnis umgewandelt. Der Bauherr verliert seinen Erfüllungsanspruch und erhält stattdessen einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Auf diesen muss er sich das vor Konkurseröffnung erstellte halbfertige Bauwerk insoweit anrechnen lassen, als es nach objektiver Betrachtung für ihn einen Wert besitzt. Umsatzsteuerrechtlich wird dieses halbfertige Werk infolge der Ablehnung der Vertragserfüllung zum neuen Gegenstand der Werklieferung.
- 4.
Lehnt der Konkursverwalter die Vertragserfüllung zunächst ab, bietet dem Bauherren aber gleichzeitig den Abschluss eines neuen Vertrages (im Wesentlichen) zu den ursprünglichen Bedingungen an, werden die Bauarbeiten - wenn auch aufgrund neuer vertraglicher Grundlagen - fortgesetzt. Ein solcher Sachverhalt ist umsatzsteuerrechtlich nicht anders zu beurteilen als die Erfüllung des ursprünglichen Werkvertrags durch den Konkursverwalter.
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der X Baugesellschaft mbH. Streitig ist, ob Umsatzsteuer aus drei Bauvorhaben zu Recht gegenüber dem Kläger als Masseschuld festgesetzt wurde oder ob es sich dabei lediglich um Konkursforderungen handelte.
Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der X-GmbH gestellt worden war, wurde der Kläger am 23.04.1991 zum Sequester dieser GmbH bestellt. Am 30.08.1991 wurde das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt.
Der Kläger gab am 13. September 1993 eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1991 ab, in der er als Konkursverwalter für den Zeitraum nach Konkurseröffnung steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 462. 349 DM, eine hierauf entfallende Umsatzsteuer (14 %) in Höhe von 64.728,93 DM und Vorsteuerbeträge in Höhe von 66.993,63 DM erklärte. Insgesamt ergab sich aus dieser Erklärung eine Umsatzsteuer in Höhe von ./. 2.264,70 DM. Der Beklagte stimmte dieser Steueranmeldung nicht zu.
Am 21. März 1994 gab der Kläger eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1992 ab. In dieser erklärte er steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 72. 745 DM, eine hierauf entfallende Umsatzsteuer (14 %) in Höhe von 10.184,30 DM und Vorsteuerbeträge in Höhe von 77.126,08 DM. Daraus ergab sich eine Umsatzsteuer in Höhe von ./. 66.941,78 DM. Der Beklagte stimmte dieser Steueranmeldung ebenfalls nicht zu.
Schon vor Abgabe der Umsatzsteuererklärungen hatte bei dem Kläger auf der Basis der Umsatzsteuer-Voranmeldungen eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum September 1991 bis Mai 1992 stattgefunden. Dabei kam der Prüfer zu dem Ergebnis, Umsätze aus einzelnen Bauvorhaben seien anders als vom Kläger erklärt nicht vor Konkurseröffnung erzielt worden, sondern erst nach Konkurseröffnung. Die Umsatzsteuer aus diesen Bauvorhaben sei deshalb als Masseschuld anzusehen, die gegenüber dem Kläger festzusetzen sei, soweit es sich nicht um Kundenanzahlungen gehandelt habe, die bereits vor Konkurs vereinnahmt worden seien.
Aufgrund der Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 13. September 1995 die Umsatzsteuer für 1991 auf 57. 139 DM fest und für 1992 auf ./. 5. 737 DM.
Teilweise wurde dabei Übereinstimmung über die Abweichung von den Steuererklärungen erzielt. Streitig blieb jedoch, wann folgende Bauvorhaben fertiggestellt wurden:
Bauvorhaben A
Die Gemeinschuldnerin schloss am 22. Dezember 1989 mit dem Bauherrn einen Werkvertrag über den Bau eines Einfamilienhauses mit Garage zum Preis von 380. 000 DM. Nach § 3 des Werkvertrages waren 10 % des Werklohnes bis zur Erteilung der Baugenehmigung zu entrichten, die übrigen 90 % in Teilbeträgen nach dem im Einzelnen beschriebenen Baufortschritt, wobei die vorletzte Zahlung in Höhe 5 % (17. 100 DM) bei Bezugsfertigkeit und die letzte Zahlung von ebenfalls 5 % nach vollständiger Fertigstellung erbracht werden sollte. Als Fertigstellungstermin wurde Mai 1991 vereinbart.
Bei der Durchführung dieses Bauvorhabens kam es zu einigen Schwierigkeiten, die den Bauherren zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes veranlassten. Mit Schreiben vom 19. Juni 1991 teilte der Kläger den Anwälten des Bauherren u.a. mit, der Bau der Garage habe wegen fehlender Baugenehmigung noch nicht beginnen können. Am 15. August 1991 bezog der Bauherr das Wohnhaus. Am 26. August 1991 - also 4 Tage vor Konkurseröffnung - fand ein Abnahmetermin bei diesem Bauvorhaben statt, bei dem u.a. der Bauherr und dessen Rechtsanwalt sowie Herr X als Vertreter der späteren Gemeinschuldnerin teilnahmen. Herr X fertigte über diese Abnahme ein Tonbandprotokoll, bei dem er zahlreiche Mängel des Bauvorhabens dokumentierte und am Ende auch zum Ausdruck brachte, dass die Garage noch auszuführen sei.
Diesen Vermerk übersandte Herr X den Rechtsanwälten des Bauherrn. Diese übersandten mit Schreiben vom 11. September 1991 ihrerseits an den Kläger eine Mängelliste mit dem Zusatz Irrtümer vorbehalten. Mit Schreiben vom 18. November 1991 teilten die Rechtsanwälte des Bauherren dem Kläger mit, ein Vertrag solle konzipiert werden, in dem die bisher anerkannten Mängel aufgeführt seien und wiesen auf weitere Mängel hin, über die keine Einigkeit zu erzielen sei. In diesem Schreiben wird eine vorbehaltlose Abnahme verweigert und mitgeteilt, wegen der Mängel sollten gegenwärtig Zahlungen nicht zurückbehalten werden.
Mit Datum 30.08.1991/19.11.1991 erteilte der Kläger dem Bauherrn daraufhin eine Schlussrechnung. In dieser brachte der Kläger direkt verauslagten Werklohn für Subunternehmer in Höhe von insgesamt netto 100.454,20 DM in Abzug sowie Minderleistungen - Garagen in Höhe von netto 8.799,66 DM. Nach Abzug der bereits vor Konkurseröffnung geleisteten Zahlungen in Höhe von 212. 000 DM stellte der Kläger eine verbleibende Werklohnforderung in Höhe von 85.251,68 DM in Rechnung. Ferner erstellte der Kläger unter dem Datum 19.11.1991 eine eigenständige Schlussrechnung für die Garage. In dieser stellte er 8.799,67 DM zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung.
Der Umsatzsteuer-Sonderprüfer war der Ansicht, hierbei habe es sich um ein einheitliches Bauvorhaben Wohnhaus einschließlich Garage zu einem einheitlichen Festpreis gehandelt. Am 26. August 1991 sei lediglich eine Abnahme des Wohnhauses erfolgt. Damit sei der Bauvertrag aber noch nicht vollständig erfüllt worden, da die zum Leistungsumfang gehörende Garage noch nicht errichtet gewesen sei. Eine Aufteilung dieses einheitlichen Bauvertrages in einen Teil, der auf das Wohnhaus und einen anderen Teil, der auf die Garage entfalle, sei nicht möglich. Die Umsatzsteuer sei deshalb erst nach Konkurseröffnung entstanden, soweit sie nicht auf Anzahlungen entfalle, die bereits vor Konkurseröffnung geleistet wurden.
b) Bauvorhaben B
Die Gemeinschuldnerin schloss im November 1990 einen Bauvertrag über die Errichtung von zwölf Reihenhäusern (2 Reihenhauszeilen zu je 6 Wohneinheiten Block I und Block II genannt) in B. Ein in der ursprünglichen Auftragsvergabe nicht vorgesehener Einbau von Schornsteinen und ein Ausbau des Dachgeschosses wurden vor Konkurseröffnung vereinbart (Aktenvermerk vom 27.05. 1991, Bestätigung durch den Kläger als seinerzeitiger Sequester der späteren Gemeinschuldnerin vom 05.07.1991). Für diese Zusatzleistungen erstellte der Kläger mit Datum 28.08.1991/29.10.1991 eine Schlussrechnung Nr. 4021/91 über die Steinwände in Höhe von brutto 34.997,82 DM und eine Schlussrechnung Nr. 4022/91 über die Schornsteine in Höhe von brutto 39.728,26 DM.
Zu diesem Bauvorhaben kamen der Kläger und der Prüfer übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die ursprünglich vereinbarten Bauleistungen zum Teil bereits vor Konkurseröffnung ausgeführt waren (Block II), zum Teil erst nach Konkurseröffnung (Verblendarbeiten an Block I). Streitig blieben aber die erst nachträglich vereinbarten Zusatzleistungen. Insoweit war der Prüfer der Ansicht, bei diesen Zusatzleistungen habe es sich um eine eigenständige Teilleistung gehandelt. Eine Trennung in Schornsteine einerseits und die Steinwände andererseits komme aber nicht in Betracht, da beide Arbeiten im Zusammenhang in Auftrag gegeben worden seien. Hierüber sei in der Schlussbesprechung Einigung erzielt worden. Anhand der Stundennachweise von Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin ergebe sich, dass nach Konkurseröffnung (30.08.1991) noch Arbeiten u.a. der Zimmerleute in Zusammenhang mit der Schornsteinverschalung angefallen seien. Deshalb sei dieses Gewerk erst nach Konkurseröffnung fertiggestellt worden.
Bauvorhaben C
Am 21. Juni 1990 schloss die Y-GmbH als Auftraggeber einen Bauvertrag mit der Z-GmbH über die schlüsselfertige Erstellung eines dreigeschossigen Wohnhauses bestehend aus 13 Wohneinheiten in C zum Pauschalfestpreis von 1.400. 000 DM brutto.
Dieser Bauvertrag enthielt in § 11 folgende Bestimmungen: Sofern dem Auftragnehmer sämtliche für die Baudurchführung erforderlichen ausführungs- und bauaufsichtlich genehmigten Unterlagen bis längstens zum 01.07.1990 vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden, beginnt der Auftragnehmer mit der Bauausführung spätestens im Juli 1990. Die Bauzeit beträgt maximal 12 Monate. Ab 01.08.1991 zahlt der Auftragnehmer eine Vertragsstrafe von DM 1.500 pro Kalendertag bei schuldhafter Überschreitung der vereinbarten Bauzeit.
Später wurde vor Konkurseröffnung - vereinbart, dass die Gemeinschuldnerin diesen Bauauftrag zu den mit der Z-GmbH vereinbarten Konditionen übernehmen solle. Wann und wie dies geschah, konnte der Kläger nicht mehr klären.
Mit Schreiben vom 6. September 1991 lehnte der Kläger gegenüber dem Rechtsanwalt des Bauherren die Erfüllung des zwischen diesem und der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Werkvertrages unter Hinweis auf § 17 der Konkursordnung (KO) ab. Mit Schreiben vom gleichen Tag bot der Kläger dem Rechtsanwalt des Bauherren unbeschadet der Ablehnung des Werkvertrages nach § 17 KO an, das Bauvorhaben im Rahmen meiner Schadensminderungspflicht im vertraglich vereinbarten Umfang"fertig zu stellen. Als Bauvertragssumme wurde der ursprünglich vereinbarte Betrag von 1.400. 000 DM genannt abzüglich der erbrachten und abgerechneten bzw. noch abzurechnenden Leistungen bis zum 1. August 1991.
Mit Schreiben vom 16. September 1991 stimmte der Rechtsanwalt des Bauherren diesem Vorschlag zu. Der Kläger und der Bauherr schlossen eine entsprechende, auf den 13. September 1991 datierte Vereinbarung über die Fortsetzung des Bauvorhabens.
Diese Vereinbarung enthielt u.a. folgende Klauseln:
1. Abweichend von dem geschlossenen Werkvertrag Bauherr/X vom 21.06.1990 wird die Baumaßnahme bis zum 24.12.1991 einschließlich der erforderlichen Stellplätze fertiggestellt (ohne Gartenanlage). Bei fristgemäßer Fertigstellung macht der Bauherr weder die Vertragsstrafe noch Schadensersatzansprüche wegen Verzuges geltend....
4. Aus der eingetretenen Insolvenz bei der Gemeinschuldnerin und der Ablehnung der Erfüllung nach § 17 KO ergeben sich für den Auftraggeber keine Schadensersatz- und Aufrechnungsansprüche.
5. Der Konkursverwalter übernimmt für die gesamte Bauleistung die vertraglich vereinbarte Gewährleistungsverpflichtung.
Bereits vor Konkurseröffnung führte der Kläger in seiner Eigenschaft als damaliger Sequester der späteren Gemeinschuldnerin am 20. August 1991 eine Ortsbesichtigung und Leistungsabgrenzung über die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Bauleistungen durch. Ausgehend von dem ursprünglich vereinbarten Zahlungsplan für dieses Bauvorhaben ermittelte der Kläger dabei unter Ansatz eines Sicherheitszuschlags von 10 % auf Abschlagszahlungen bereits erbrachte Teilleistungen im Wert von brutto DM 580.000. Diese Leistungsabgrenzung erfolgte ohne Beteiligung des Bauherren einseitig durch einen Mitarbeiter des Klägers.
Mit Datum 30.08.1991/16.10.1991 erteilte der Kläger der Y-GmbH eine Schlussrechnung Nr. 4019/91, in der er die bis zum 30.08.1991 erbrachten Leistungen mit 580. 000 DM brutto berechnete und von diesem Betrag die bereits gezahlten drei ersten Bauraten in Abzug brachte. Hiervon wurden die erste und die zweite Baurate (142. 000 DM und 85. 000 DM) vor Konkurseröffnung gezahlt, die dritte Baurate in Höhe von 170. 000 DM nach Konkurseröffnung, nämlich am 20. September 1991.
Am 8. März 1992 stellte der Kläger die Arbeiten an diesem Bauvorhaben ein, da der Vertrag an diesem Tag vom Auftraggeber gekündigt wurde. Über die in der Schlussrechnung Nr. 4019/91 noch nicht abgerechneten Leistungen, die bis zur Kündigung des Werkvertrags erbracht wurden, erstellte der Kläger am 7. Oktober 1992 eine weitere vorläufige Schlussrechnung. Die hierin abgerechneten Leistungen wurden unstreitig erst nach Konkurseröffnung ausgeführt.
Streitig ist, ob die Umsatzsteuer aus der Schlussrechnung Nr. 4019/91 abzüglich der Umsatzsteuer, die auf die bereits vor Konkurseröffnung geleisteten Anzahlungen entfiel, vor oder nach Konkurseröffnung entstanden ist.
Der Kläger vertrat die Ansicht, die mit Schlussrechnung Nr. 4019/91 berechneten, bis zum 30. August 1991 erbrachten Bauleistungen seien infolge der Kündigung des Werkvertrags gemäß § 17 KO bereits vor Konkurseröffnung entstanden.
Der Prüfer dagegen war der Ansicht, der Kläger habe seine Arbeiten an diesem Bauvorhaben nicht endgültig eingestellt, sondern auch nach Konkurseröffnung versucht, den ursprünglichen Werkvertrag weiter zu erfüllen. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass die Abschlagszahlungen auch nach Konkurseröffnung nach dem ursprünglichen Zahlungsplan erfolgt seien und fortlaufend nummeriert worden seien. Erst durch die Kündigung vom 8. März 1992 sei der Gegenstand der Werklieferung neu bestimmt worden, nämlich dahingehend, dass über den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Bauzustand eine Abrechnung zu erstellen gewesen sei. Die Leistung des Klägers sei insgesamt damit erst nach Konkurseröffnung erbracht worden. Vor Konkurseröffnung sei nur die Umsatzsteuer auf die zuvor geleisteten Abschlagszahlungen entstanden.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, die er wie folgt begründet:
a) Bauvorhaben A
Am 26. August 1991 sei dieses Bauvorhaben abgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei das Bauvorhaben bis auf die Garage fertiggestellt gewesen. Die Umsätze aus der Schlussrechnung in Höhe von 74.782,16 DM netto seien deshalb dem Zeitraum vor Konkurseröffnung zuzuordnen. Nur die Arbeiten an der Garage seien nach Konkurseröffnung fertiggestellt worden und zutreffend als nachkonkurslicher Umsatz angemeldet worden. Das Wohnhaus sei am 26. August 1991 gesondert abgenommen worden, weil der Bauherr habe einziehen wollen. Einfamilienhaus und Garage stellten unterschiedliche, getrennt abzunehmende und zu nutzende Gebäude dar.
In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Kläger dieses Vorbringen dahingehend, umsatzsteuerrechtlich sei nicht der durch das Zivilrecht bestimmte Zeitpunkt der Abnahme maßgeblich, sondern es sei entscheidend, wann die wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Bauwerk auf den Bauherren übergehe. Dies sei im Zeitpunkt des Einzugs des Bauherren der Fall gewesen. Die noch erforderliche Beseitigung einer Vielzahl kleinerer Mängel schließe eine Verschaffung der Verfügungsmacht im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG nicht aus. Es sei gerade typisch, dass bei einem Konkurs eines Bauunternehmers noch zahlreiche Nacharbeiten zur Beseitigung kleinerer Mängel erfolgen müssten, da wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Bauunternehmers vielfach zu Mängeln des Bauwerks führten.
b) Bauvorhaben B
Dachgeschoss und Schornsteine seien schon vor dem 30. August 1991 fertiggestellt worden. Deshalb sei die Umsatzsteuer vor Konkurseröffnung angefallen und nicht als Masseverbindlichkeit zu berücksichtigen. Insoweit gelte das Gleiche wie bei dem Bauvorhaben A. Kleinere Nacharbeiten von untergeordneter Bedeutung schlössen eine Verschaffung der Verfügungsmacht nicht aus.
c) Bauvorhaben C
Da der Kläger von seinem Kündigungsrecht nach § 17 KO Gebrauch gemacht habe, sei Liefergegenstand das nicht fertiggestellte Bauwerk geworden. Nach dem BFH-Urteil V R 128/76 vom 2. Februar 1978 (B StBl II 1978, 483) sei diese Lieferung im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bewirkt. Die auf diese Lieferung entfallende Umsatzsteuer könne daher nur als Konkursforderung zur Tabelle angemeldet werden. Erst nach der Kündigung sei der neue Werkvertrag zur Beendigung des Bauwerks abgeschlossen worden. Nach Bau- und Konkursrecht sei der Vertrag durch die Kündigung in einen erfüllten und in einen nicht ausgeführten Teil zerfallen. Diese zivilrechtliche Betrachtungsweise müsse auch im Umsatzsteuerrecht gelten.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer 1991 auf ./. 2. 265 DM und die Umsatzsteuer 1992 auf ./. 9. 556 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Bauvorhaben A und B seien erst nach Konkurseröffnung fertiggestellt worden. Bei dem Bauvorhaben C könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Erfüllung des Werkvertrages nach § 17 KO wirksam abgelehnt habe, da er gleichzeitig die Fortsetzung des Bauvorhabens zu den im Wesentlichen ursprünglich vereinbarten Bedingungen vorgeschlagen habe. Insbesondere durch die Übernahme der Gewährleistungsverpflichtung für das gesamte Bauwerk zeige sich, dass der Kläger weiterhin die Lieferung eines Gegenstandes, nämlich des gesamten Bauwerkes geschuldet habe. Deshalb sei umsatzsteuerlich eine Lieferung erst nach Konkurseröffnung erfolgt.
Gründe
1. Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die streitbefangenen Umsatzsteuerbeträge zu Recht gegenüber dem Kläger festgesetzt.
Da die Gemeinschuldnerin und der Kläger die Steuer nach vereinbarten Entgelten zu berechnen hatte ( § 16 Abs. 1 Satz 1 UmsatzsteuergesetzUStG -) entstand die Umsatzsteuer für die von der Gemeinschuldnerin bzw. vom Kläger erbrachten Werklieferungen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Soweit allerdings bereits zuvor ein Teil des Entgelts vereinnahmt wurde, entstand die Steuer insoweit mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 4 UStG). Demnach ist die Umsatzsteuer insoweit bereits vor Konkurseröffnung entstanden, als bei den streitbefangenen Bauvorhaben vor Konkurseröffnung Teilzahlungen erbracht wurden. Insoweit wurde die Umsatzsteuer vom Kläger zutreffend erklärt und vom Beklagten nicht beanstandet.
Im Übrigen ist die Umsatzsteuer aus den streitbefangenen Bauvorhaben dagegen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 UStG erst nach Konkurseröffnung entstanden, da diese Bauvorhaben erst nach Konkurseröffnung im Sinne dieser Bestimmung ausgeführt worden sind.
- 1.
Bauvorhaben A
Dieses Bauvorhaben wurde erst nach Konkurseröffnung ausgeführt im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 UStG , da dieses Bauvorhaben erst nach Konkurseröffnung fertiggestellt wurde.
Dies folgt zum einen aus der Tatsache, dass die Garage erst nach Konkurseröffnung gebaut wurde. Da die Gemeinschuldnerin sich zur Erstellung eines einheitlichen Bauwerks Wohnhaus und Garage zu einem einheitlichen Festpreis verpflichtet hatte, trifft die Ansicht des Klägers nicht zu, durch Fertigstellung des Wohnhauses habe er vor Konkurseröffnung insoweit eine Teilleistung erbracht, bei der die Umsatzsteuer gemäß § 13 Abs. 1 a Satz 1 und 2 UStG mit Ausführung der jeweiligen Teilleistung entsteht. Eine solche Teilleistung setzt nämlich voraus, dass für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung ein gesondertes Entgelt vereinbart wird (§ 13 Abs. 1 a Satz 3 UStG). Dies war jedoch nicht der Fall. Vielmehr war für das Bauvorhaben Wohnhaus und Garage ein einheitlicher Gesamtpreis (380. 000 DM brutto) vereinbart. Dieser wurde lediglich in der Schlussrechnung einseitig durch den Kläger in einen Teilbetrag aufgeteilt, der nach dessen Ansicht auf das Wohnhaus entfiel (370. 000 DM brutto), und in einen anderen Teilbetrag, der nach Ansicht des Klägers auf die Garage entfiel (10. 000 DM brutto).
Darüber hinaus war auch das Wohnhaus selbst aufgrund der zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch bestehenden Mängel nicht vor Konkurseröffnung ausgeführt.
Die Werklieferung eines Bauwerkes wird gemäß § 3 Abs. 1 UStG zu dem Zeitpunkt ausgeführt, in dem dem Auftraggeber die Verfügungsmacht an dem fertigen Bauwerk verschafft wird (vgl. BFH-Urteile vom 26.02.1975 V R 132/73 , BStBl II 1976, 309 [BFH 26.02.1976 - V R 132/73] und vom 28.02.1980 V R 90/75, BStBl II 1980, 535 [BFH 28.02.1980 - V R 90/75]). Dieser Zeitpunkt kann auch vor dem Zeitpunkt einer zivilrechtlichen Abnahme liegen. So wird die Verfügungsmacht an einem Bauwerk schon vor einer Abnahme verschafft, wenn ein fertiggestelltes Gebäude vor der Abnahme durch den Auftraggeber tatsächlich genutzt wird (vgl. Abschn. 178 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 5 UStR 2002 , Giesberts in Rau/Dürrwächter, § 3 UStG Rn. 429 m.w.N.).
Im Streitfall ist der Bauherr zwar schon vor Konkurseröffnung in das Wohnhaus eingezogen. Zu diesem Zeitpunkt wies das Gebäude jedoch noch eine Vielzahl von isoliert betrachtet relativ geringfügigen Mängeln auf, die den Bauherrn dazu veranlassten, die Hilfe eines Rechtsanwaltes in Anspruch zu nehmen und Zahlungen in Höhe von insgesamt 85. 000 DM (= mehr als 20 % des vereinbarten Werklohnes) bis zur (weitgehenden) Beseitigung der Mängel und Erstellung einer Schlussrechnung zurückzubehalten. Da der Kläger das Zahlungsverhalten des Bauherren nicht beanstandete, sah er selbst die Mängel offenbar auch nicht als völlig unbedeutend an. In einem solchen Fall, in dem der Bauherr in ein noch mit zahlreichen Mängeln behaftetes Gebäude einzieht, die er gegenüber dem Werkunternehmer bereits gerügt hat, ist allein der Einzug weder zivilrechtlich als Abnahme anzusehen (vgl. BGH-Urteile vom 10.06.1999 VII ZR 170/98 , NJW-RR 1999, 1246 und vom 22.12.2000 VII ZR 310/99, NJW 2001, 818 [BGH 22.12.2000 - VII ZR 310/99]) noch führt er umsatzsteuerrechtlich zu einer Ausführung der Leistung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 UStG . Vielmehr wurde die Leistung erst nach Konkurseröffnung mit Erteilung der Schlussrechnung ausgeführt (vgl. Giesberts in Rau/Dürrwächter, § 3 UStG Rn. 435).
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Bauvorhaben B
Da die zusätzlichen Bauleistungen im Dachgeschoss und an den Schornsteinen erst nachträglich gegen gesondertes Entgelt in Auftrag gegebenen wurden, handelte es sich um Teilleistungen, bei denen die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entstand, in dem diese Teilleistungen ausgeführt wurden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 bis 3 UStG). Dies geschah ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Kopien der Stundenzettel der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin erst nach Konkurseröffnung, da erst nach Konkurseröffnung diese Arbeiten fertiggestellt wurden.
Demgegenüber geht der Einwand des Klägers ins Leere, nach Konkurseröffnung seien nur noch Nacharbeiten von untergeordneter Bedeutung ausgeführt worden. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 und 2 UStG entsteht die Umsatzsteuer für Teilleistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Dies ist dann der Fall, wenn dem Auftraggeber die Verfügungsmacht an dem fertigen Bauwerk verschafft wird (vgl. BFH-Urteile vom 26.02.1975 V R 132/73 , BStBl II 1976, 309 [BFH 26.02.1976 - V R 132/73] und vom 28.02.1980 V R 90/75, BStBl II 1980, 535). Ein früheres Entstehen der Steuerschuld zu einem (wie auch immer abzugrenzenden) Zeitpunkt, in dem die geschuldete Leistung zwar zum weit überwiegenden Teil, aber noch nicht vollständig erbracht ist, sieht das Gesetz nicht vor.
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Bauvorhaben C
Das Bauvorhaben C wurde insgesamt erst nach Konkurseröffnung ausgeführt im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 UStG . Der Beklagte hat deshalb die Umsatzsteuer aus dieser Werklieferung zu Recht in dem Zeitraum nach Konkurseröffnung festgesetzt, soweit sie nicht auf Anzahlungen entfiel, die vor Konkurseröffnung geleistet wurden.
Erfüllt ein Konkursverwalter ganz oder teilweise einen zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht vollständig erfüllten Werkvertrag, so wird die Werklieferung i.S.d. § 3 Abs. 4 UStG erbracht, sobald der Konkursverwalter das fertige oder nach lediglich teilweiser Vertragserfüllung das unvollständige Werk dem Besteller überlässt. Wählt der Konkursverwalter die Erfüllung des Werkvertrags, so bleibt die Tatsache, dass der Gegenstand der Werklieferung schon vor Beginn des Konkursverfahrens teilweise hergestellt wurde, umsatzsteuerrechtlich außer Betracht (B FH-Urteil vom 02.02.1978 V R 128/76 , BStBl II 1978, 483).
Lehnt der Konkursverwalter die Vertragserfüllung dagegen ab und ist eine Vollendung des Werks durch den Konkursverwalter nicht mehr vorgesehen, so wird der Werkvertrag in ein Abrechnungsschuldverhältnis umgewandelt. Der Bauherr verliert seinen Erfüllungsanspruch und erhält statt dessen einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Auf diesen muss er sich das vor Konkurseröffnung erstellte halbfertige Bauwerk insoweit anrechnen lassen, als es nach objektiver Betrachtung für ihn einen Wert besitzt. Umsatzsteuerrechtlich wird dieses halbfertige Werk infolge der Ablehnung der Vertragserfüllung zum neuen Gegenstand der Werklieferung (BFH a.a.O.). Obwohl die entsprechende Erklärung des Konkursverwalters erst nach Konkurseröffnung erfolgen kann, fällt gleichwohl der Zeitpunkt der Lieferung dieses halbfertigen Werks mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung zusammen, da diese Lieferung das Ergebnis der vorkonkurslichen Tätigkeit des Gemeinschuldners war (BFH a.a.O.).
Im Streitfall hat der Kläger zwar die Erfüllung des ursprünglichen Werkvertrags abgelehnt. Da er dem Bauherren aber gleichzeitig den Abschluss eines neuen Vertrags zu den Bedingungen angeboten hat, die abgesehen vom Zeitpunkt der Erfüllung im Wesentlichen dem ursprünglichen Werkvertrag entsprachen, hat er dem Bauherren kein halbfertiges, bereits vor Konkurseröffnung erstelltes Bauwerk geliefert, sondern die Bauarbeiten wenn auch aufgrund einer neuen vertraglichen Grundlage zunächst fortgesetzt. Erst nachdem der Bauherr den neuen Werkvertrag im März 1992 gekündigt hatte, lieferte der Kläger ein halbfertiges Werk nach Maßgabe des bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Baufortschritts. Erst zu diesem Zeitpunkt wandelte sich der ursprüngliche Erfüllungsanspruch des Bauherren in ein Rückgewährschuldverhältnis. Zuvor war infolge der Ablehnung der Vertragserfüllung mit gleichzeitigem Angebot, den Vertrag mit anderem Fertigstellungstermin, aber ansonsten im Wesentlichen unverändert fortzusetzen, der ursprüngliche Erfüllungsanspruch des Bauherren in beiderseitigem Einvernehmen nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden, sondern durch einen neuen Erfüllungsanspruch ersetzt worden. Dieser Sachverhalt ist nach Auffassung des Senats umsatzsteuerrechtlich nicht anders zu behandeln als die Erfüllung des ursprünglichen Werkvertrags durch den Konkursverwalter. Nur wenn eine Vollendung des Werkes durch den Werkunternehmer nicht mehr vorgesehen ist, ändert sich der Leistungsgegenstand und die Steuerpflicht richtet sich nach dem neu bestimmten Leistungsgegenstand (B FH-Urteil vom 28.02.1980 V R 90/75 , BStBl II 1980, 535). Dies war erst im Zeitpunkt der Kündigung durch den Bauherren im März 1992 der Fall.
Da der Kläger zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung keine Werklieferung erbracht hat, kann dahingestellt bleiben, welchen Wert das unfertige Bauwerk zu diesem Zeitpunkt hatte. Insoweit beruht das Vorbringen des Klägers auf einer einseitigen, allein vom Kläger durchgeführten Ermittlung des Bauzustandes, bei der Schadensersatzansprüche des Bauherren nicht berücksichtigt wurden und statt dessen im Gegenteil zu Lasten des Bauherren ein Sicherheitszuschlag auf den Wert der halbfertigen Arbeiten vorgenommen wurde.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .
3. Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Zwar handelt es sich bei § 17 KO um ausgelaufenes Recht. Die gleichen Rechtsfragen stellen sich aber auch nach dem nunmehr geltenden § 103 Insolvenzordnung.