Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.02.2023, Az.: 20 U 36/20
Schadensersatz; Tierhalterhaftung; Tiergefahr; Heilbehandlungskosten; Verhältnismäßigkeit; Tierwert; Affektionsinteresse; Zurücktreten der Tiergefahr des von einem Hund über einen längeren Zeitraum getriebenen Pferdes; Ersatzfähigkeit der Heilbehandlungskosten bei geringem wirtschaftlichen Wert eines Tiers, an dem ein hohes Affektionsinteresses besteht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.02.2023
- Aktenzeichen
- 20 U 36/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 12872
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2023:0215.20U36.20.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 31.07.2020 - AZ: 1 O 35/20
Rechtsgrundlagen
- BGB § 242
- BGB § 249
- BGB § 251 Abs. 2
- BGB § 254
- BGB § 833 S. 1
Fundstellen
- MDR 2023, 845-846
- VuR 2023, 7-8 (Pressemitteilung)
- r+s 2023, 377-380
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die von einem Hund ausgehende Tiergefahr, die sich darin zeigt, dass er ein Pferd über einen längeren Zeitraum und über eine längere Strecke vor sich hertreibt, überwiegt gegenüber der von dem getriebenen Pferd als Fluchttier innewohnende Tiergefahr derart, dass die Tiergefahr des Pferdes vollumfänglich zurücktritt und der Hundehalter für die bei der Flucht des Pferdes durch wiederholte Stürze entstanden Schäden zu 100 % haftet.
- 2.
Auch bei einem nur geringen wirtschaftlichen Wert des verletzten Tiers sind die Heilbehandlungskosten in vollem Umfang ersatzfähig, wenn der Eigentümer des verletzten Tiers ein hohes Affektionsinteresse an dem seit vielen Jahren in seinem Eigentum stehenden Tier hat, der Gesundheitszustand und die Lebenserwartung des Tiers ohne das schädigende Ereignis gut war, die Erfolgsaussichten der Heilbehandlungsmaßnahmen aus ex ante-Sicht gegeben waren und die erfolgten Heilbehandlungsmaßnahmen und damit im Zusammenhang stehenden Kosten vertretbar waren.
In dem Rechtsstreit
- pp. -
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht Dr. ... und den Richter am Oberlandesgericht ... im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in dem Schriftsätze bis zum 25. Januar 2023 eingereicht werden konnten, für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31. Juli 2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Verden (Az. 1 O 35/20) wird zurückgewiesen.
- II.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- III.
Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
- IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
- V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.822,56 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus Tierhalterhaftung wegen der Verletzung seines damals 24 Jahre alten Wallachs "W." aufgrund eines Vorfalls vom 4. August 20XX.
Der Kläger ist Landwirt und Halter des streitbefangenen Pferdes "W.", welches am 4. August 20XX mit einem zweiten Pferd auf einer Pferdekoppel stand, die mit einem Weidezaun umfriedet war.
Die Beklagte war am 4. August 20XX Halterin eines Hundes, der an diesem Tag einen großen blauen Plastikkragen (als Beißschutz) um den Hals trug. Der Hund, für den die Beklagte eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen hatte, lief auf die vorgenannte Pferdekoppel. Im weiteren Verlauf verletzte sich das Pferd "W." schwer, nachdem es aus der Koppel ausgebrochen, gestürzt und weggelaufen war, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien in erster Instanz streitig waren.
Der Kläger ließ "W." durch den Tierarzt Dr. K. nottierärztlich versorgen, wofür ihm Kosten in Höhe von 422,41 € in Rechnung gestellt wurden. Anschließend erfolgte eine Behandlung in der Pferdeklinik H. vom 4. August 20XX bis 2. September 20XX, wo das Pferd mehrfach - erfolgreich - operiert wurde. Dadurch entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 14.379,15 €.
Das damals 24 Jahre alte Pferd "W. hatte am Vorfallstag nach einem Wertgutachten der Sachverständigen B. W. vom 4. Oktober 20XX (vgl. Bl. 58 d. A.) einen Verkehrswert von ca. 300,00 € (Wert eines Weidekameraden, der als "Gesellschafter" für anderen Pferde zur Verfügung steht").
In erster Instanz haben die Parteien über die Aktivlegitimation des Klägers, den Schadenshergang bzw. die Schadensverursachung durch den Hund der Beklagten, die Frage einer Mithaftung des Klägers aus Tiergefahr des verletzten Pferdes und über die Verhältnismäßigkeit der angefallenen Behandlungskosten im Hinblick auf den Wert des Pferdes und die Erstattungsfähigkeit einzelner weiterer Schadenspositionen gestritten.
Das Landgericht ist nach Vernehmung der Zeugin P. von einer Alleinhaftung der Beklagten ausgegangen und hat der Klage - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - hinsichtlich der geltend gemachten Tierbehandlungskosten im vollen Umfang und in Höhe von 21,00 € wegen geltend gemachter Fahrtkosten stattgegeben und diese im Übrigen abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Hund der Beklagten das streitbefangene Pferd gescheucht habe, so dass dieses versucht habe, über den Zaun zu springen, dabei gestürzt und dann weiter weggelaufen sei, wobei der Hund hinter dem Pferd hergelaufen sei und dieses bis in den nächsten Ort "bis aufs Äußerste getrieben" habe. Der Kläger sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch Eigentümer des Pferdes, was sich auch aus der gesetzlichen Vermutung gemäß § 1006 Abs. 1 BGB ergebe. Der klägerische Anspruch sei nicht aufgrund eines Mitverschuldens zu kürzen. Vielmehr überwiege die Tiergefahr des Hundes derart, dass die vom Pferd ausgehende Tiergefahr, die sich lediglich aus der bloßen Anwesenheit des Pferdes auf der Weide ergebe, dahinter zurücktrete. Dem Kläger stünde Ersatz der - der Höhe nach unstreitigen - Tierbehandlungskosten aus den Tierarztrechnungen in Höhe von 14.801,56 € zu, dem auch der Wert des Tiers nicht entgegenstünde, § 251 Abs. 2 S. 2 BGB. Im Rahmen der Gesamtabwägung seien die Behandlungskosten, obwohl sie den Wert des Pferdes um das 49-fache übersteigen, nicht unverhältnismäßig, da es sich um ein Nutztier handele und der operative Eingriff veterinärmedizinisch erforderlich gewesen sei, um den Schutz des Tiers als Lebewesen zu fördern. Da der Eingriff auch erfolgreich gewesen sei und dazu geführt habe, dass das Pferd - bei einer angenommenen Lebenserwartung von 20 bis 30 Jahren - weiterleben könne, seien die Kosten unter Tierschutzgesichtspunkten verhältnismäßig. Darüber hinaus seien Fahrtkosten, jedoch nur in Höhe von 0,30 €/km bei einer Entfernung von 35 km, mithin insgesamt (0,30 €/km x 35 km x 2 =) 21,00 € ersatzfähig. Weitere, im Berufungsrechtszug nicht mehr im Streit stehende, Schadenspositionen seien nicht schlüssig vorgetragen.
Wegen des weiteren in erster Instanz gehaltenen Vortrags, der in erster Instanz gestellten Anträge und der weiteren Gründe wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 91 d. A.) gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin Klageabweisung. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Pferd "W." um ein Luxustier handele, welches nicht zum Verkauf und nicht zur Zucht geeignet sei. Das Landgericht habe keine Beweisaufnahme zu der bestrittenen Behauptung des Klägers, ein besonderes Affektionsinteresse an dem Pferd gehabt zu haben und dieses als Begleitpferd in einer Herde genutzt zu haben, durchgeführt. Die Beklagte meint weiter, dass die Behandlungskosten offensichtlich unverhältnismäßig und damit nicht erstattungsfähig seien. Die Kosten dürften den vierfachen Wert des Pferdes nicht übersteigen. Fehlerhaft habe das Landgericht für die Verhältnismäßigkeit darauf abgestellt, dass die Behandlung unter Berücksichtigung des durchschnittlich zu erreichenden Lebensalters von 20 bis 30 Jahren erfolgreich gewesen sei, da das streitbefangene Pferd bereits 24 Jahre am Unfalltag alt gewesen sei. Weiter meint die Beklagte, dass der Kläger sich aufgrund der vom streitgegenständlichen Pferd ausgehenden Tiergefahr im schadenauslösenden Geschehen eine Mithaftung von wenigstens 50 % anrechnen lassen müsse. Das Pferd sei beim Anblick des herannahenden Hundes - ggf. in Interaktion mit dem weiteren Pferd auf der Koppel - seinem Instinkt folgend geflüchtet und dabei offensichtlich durchgegangen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 31. Juli 2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Verden, Az: 1 O 35/20, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil als richtig. Es handele sich bei dem Pferd "W." nicht um ein Nutztier. Der Kläger habe keine Alternative zu der durchgeführten Behandlung gehabt. Ohne tierärztliche Behandlung hätte der Kläger sich strafbar gemacht, da das Pferd Schmerzen gehabt habe, eine gute Prognose bestanden habe und eine Euthanasie nicht geboten gewesen sei. Da das Pferd nicht als Schlachtpferd eingetragen sei, habe es auch nicht geschlachtet werden dürfen. Im Übrigen hätte der Tierarzt ohne entsprechende Behandlung auch das Veterinäramt informieren müssen, welches nach Beschlagnahme des Pferdes die identische tierärztliche Behandlung angeordnet und die Kosten hierfür vom Kläger verlangt hätte. Da der Hund der Beklagten das Pferd überfallartig kilometerweit vor sich hergetrieben habe, habe dieses nur fliehen können. Eine mithaftungsbegründende Interaktion des Pferdes läge insoweit nicht vor.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung erhobenen Schriftsätze der Parteivertreter und deren Anlagen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschlüssen vom 29. März 2021 und vom 13. September 2021 sowie durch informatorische Anhörung des Klägers. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2022 und das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. G. vom 31. Oktober 2022.
II.
Die zulässige Berufung ist auch nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug durchgeführten Beweisaufnahme unbegründet.
1. Der Kläger hat, wovon das Landgericht auch zutreffend ausgeht, dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB.
a. Die Beklagte ist unstreitig Halterin des Hundes.
b. Der Kläger ist nach dem - mit der Berufung nicht angegriffenen - Ergebnis der Beweisaufnahme Eigentümer des verletzten Pferdes "W.".
c. Das Pferd "W." hat sich durch ein Verhalten des Hundes der Beklagten - hier das Treiben des Pferdes über die Koppel und anschließend bis in die nächste Ortschaft - schwer verletzt. Dies beruht auf der typischen Tiergefahr des Hundes, die sich hier in dem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Hundes aufgrund seines natürlichen Jagdtriebes manifestiert hat. All dies ist im Berufungsverfahren nicht (mehr) streitig.
d. Dem Kläger ist infolgedessen ein kausaler Schaden entstanden, der sich - der Höhe nach ebenfalls unstreitig - aus Heilbehandlungskosten in Höhe von 422,41 € für eine nottierärztliche Behandlung und aus Heilbehandlungskosten in Höhe von 14.379,15 € für eine stationäre Heilbehandlung nebst mehrfachen Operationen und - im Berufungsverfahren nicht streitigen - Fahrtkosten für die Fahrt des Klägers mit dem verletzten Pferd in die Klinik in Höhe von insgesamt 21,00 € zusammensetzt.
2. Entgegen der Auffassung der Berufung muss sich der Kläger im Ergebnis die von dem Pferd "W." ausgehende Tiergefahr nicht analog § 254 Abs. 1 BGB, § 833 S. 1 BGB anrechnen lassen.
Diese Vorschrift ist nicht nur dann anzuwenden, wenn ein fremdes und ein eigenes Tier zusammen einen Schaden an einem anderen Rechtsgut verursacht haben, sondern auch dann, wenn Tiere verschiedener Halter sich gegenseitig verletzen oder wenn - wie hier - eines der beiden Tiere verletzt wird und dabei die Tiergefahr des verletzten Tiers als mitverursachender Umstand mitgewirkt hat (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2016 - 20 U 30/13, BeckRS 2016, 5695 Rn. 37; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Mai 1993 - 22 U 92/92, juris).
a. Eine anspruchsmindernde Berücksichtigung der vom verletzten Tier ausgehenden Tiergefahr kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn diese bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist (BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 - VI ZR 465/15, juris m. w. N.).
Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 6. Juli 1976 - VI ZR 177/75, juris). An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tiers an dem Geschehen beteiligt ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2014 - VI ZR 372/13, juris) oder wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04, juris). Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1976 - VI ZR 177/75, a.a.O., für den von läufigen Hündinnen ausgehenden Duft).
Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich die von dem klägerischen Pferd ausgehende Tiergefahr verwirklicht hat. Bei einem Pferd handelt es sich um ein Fluchttier. Die Verletzungen des Pferdes "W." beruhen nicht auf etwaigen Hundebissen o. ä., sondern allein auf dem (durch den Hund der Beklagten verursachten) Fluchtverhalten des Pferdes: Dieses ist - entsprechend seiner Natur als Fluchttier - vor dem treibenden Hund weggelaufen und im Rahmen seines Fluchtinstinkts über den Weidenzaun gesprungen und weiter weggelaufen, wobei es mehrfach gestürzt ist und sich dabei verletzt hat.
b. Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tiers des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 Satz 1 BGB grundsätzlich mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB anrechnen lassen. Für die entsprechend § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der beiden Tierhalter kommt es sodann darauf an, mit welchem Gewicht konkret sich das in den Tieren jeweils verkörperte Gefahrenpotential in der Schädigung manifestiert hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 1985 - VI ZR 1/84, a.a.O.).
(1) Wie oben bereits ausgeführt, würde es an der Verwirklichung der Tiergefahr des Pferdes "W." u. a. dann fehlen, wenn keinerlei eigene Energie des Tiers an dem Geschehen beteiligt war (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2014 - VI ZR 372/13, juris). Davon kann hier im Ergebnis nicht ausgegangen werden. Denn das Pferd "W." war bei der Schadensentstehung nicht lediglich rein passiv beteiligt, wie dies z. B. bei einem an der Leine geführten Hund der Fall wäre, der von einem freilaufenden Hund unvermittelt gebissen wird. Zwar hat sich das klägerische Pferd zunächst vollständig neutral verhalten, da es sich lediglich (gemeinsam mit einem anderen Pferd) auf der Pferdekoppel des Klägers aufgehalten hatte. Die Verletzungen des Pferdes beruhen jedoch - wie ausgeführt - nicht auf etwaigen Hundebissen, sondern darauf, dass sich das Pferd auf seiner Flucht vor dem Hund durch mehrfache Stürze verletzt hat. In dem auf dem Fluchtinstinkt des Pferdes beruhenden Davonlaufen hat sich dann aber die typische Tiergefahr eines Pferdes als Fluchttier adäquat mitursächlich ausgewirkt und ist daher zumindest grundsätzlich auch zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 1985 - VI ZR 1/84, juris Rn. 25; OLG Rostock, Urteil vom 10. Dezember 2010 - 5 U 57/10, juris).
(2) Bei der dann nach § 254 BGB gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile überwiegt die von dem Hund der Beklagten ausgehende Tiergefahr gegenüber der dem Kläger zuzurechnenden Tiergefahr seines Pferdes "W." derart erheblich, dass die Tiergefahr des Pferdes hinter der Tiergefahr des Hundes zurücktritt und zu einem Entfallen der Mithaftung des verletzten Pferdes führt (vgl. Senat, a.a.O., Rn. 37; OLG Hamm, Urteile vom 8. Juli 1993 - 6 U 44/93; vom 21. Februar 1994 - 6 U 225/92; OLG Frankfurt, Urteil vom 27. Mai 1999 - 1 U 37/98; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 14. Juli 2005 - 8 U 283/04-60, jeweils bei juris).
Das Pferd "W." hat nicht bloß aufgrund eines Erschreckens gescheut und ist dann weggelaufen. Vielmehr wurde das Pferd von dem Hund der Beklagten zunächst über die Koppel und sodann - nachdem es über den Weidezaun gesprungen war - weiter auf der Straße bis in die nächste Ortschaft "auf das Äußerste" getrieben. Die Hetzjagd dauerte dabei auch über einen längeren Zeitraum und über eine längere Strecke an, da das Pferd unstreitig bis in den nächsten Ort getrieben wurde, wo es dann eingefangen werden konnte, nachdem zuvor der Hund der Beklagten eingefangen worden war.
Zwar ist es für ein Pferd typisch, dass es als Fluchttier vor Gefahren instinktiv wegläuft. Dieser Fluchtinstinkt hält aber in der Regel nur kurz - nämlich für die Dauer der wahrgenommenen Gefahr - an. Hier war das Pferd aber über eine längere Zeit und auf längerer Strecke allein aufgrund des treibenden Verhaltens des Hundes der Beklagten in Panik versetzt worden, was die entsprechende Flucht nicht nur veranlasst, sondern diese auch über einen längeren Zeitraum auf längerer Strecke aufrechterhalten und damit die Gefahr für das Pferd erheblich erhöht hat.
Da für den Eintritt des Schadensereignisses somit der Verursachungsbeitrag des Hundes der Beklagten als Auslöser diente und dessen Schwere durch das fortgesetzte Treiben über einen längeren Zeitraum geprägt wurde, überwiegt damit die von dem Hund ausgehende Tiergefahr im konkreten Fall derart erheblich gegenüber der dem klägerischen Pferd innewohnenden Tiergefahr als Fluchttier, dass eine Mithaftung des Klägers entfällt.
3. Der Schaden ist in Höhe von 14.822,56 €, nämlich bezüglich der dem Kläger unstreitig entstandenen Tierarztbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 14.801,56 € sowie bezüglich der Fahrtkosten in Höhe von 21,00 €, ersatzfähig.
Die gegen die Höhe der Tierarztbehandlungskosten gerichteten Berufungsangriffe bleiben nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug durchgeführten Beweisaufnahme letztlich ohne Erfolg.
a. Grundsätzlich sind bei Beschädigung einer Sache gemäß § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB die erforderlichen Kosten zur Wiederherstellung der Sache in Geld zu ersetzen. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um eine beschädigte Sache, sondern um ein verletztes Tier, auf welches gemäß § 90a S. 3 BGB die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Im Rahmen des Schadensersatzrechts gilt für Kosten der Heilbehandlung von Tieren ergänzend § 251 Abs. 2 S. 2 BGB.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu im Jahr 2015 (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - VI ZR 23/15, juris Rn. 12) ausgeführt: "Im Fall der Verletzung eines Tiers bestimmt § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB angesichts der herausgehobenen Anerkennung des Tierschutzes durch die Rechtsordnung (Art. 20a GG, § 1 TierSchG), dass die aus der Heilbehandlung des Tiers entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. Ausgehend von der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen verbietet diese Vorschrift bei der Schadensbemessung eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise (BT-Drucks. 11/5463 S. 5). Das bedeutet zwar nicht, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz in unbegrenzter Höhe besteht (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 7 und 11/7369 S. 7; OLG Schleswig, MDR 2014, 1391 [OLG Schleswig 19.08.2014 - 4 W 19/14]; MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 251 Rn. 58). Unter der Voraussetzung, dass eine Heilbehandlung tatsächlich durchgeführt wurde (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 6 und 11/7369 S. 7), verlangt § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB aber, dass dem Interesse des Schädigers, nicht mit den Behandlungskosten belastet zu werden, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur der Wert des Tiers gegenübergestellt wird, sondern auch das aus der Verantwortung für das Tier folgende immaterielle Interesse an der Wiederherstellung seiner Gesundheit und seiner körperlichen Integrität (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 251 Rn. 27; Erman/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 251 Rn. 25 f.; Lorz, MDR 1990, 1057, 1059). So können bei Tieren mit einem geringen materiellen Wert Behandlungskosten auch dann ersatzfähig sein, wenn sie ein Vielfaches dieses Wertes ausmachen (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 5; vgl. OLG München, VersR 2011, 1412; MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 251 Rn. 62; vgl. auch LG Bielefeld, NJW 1997, 3320, 3321 für Tiere ohne Marktwert). Immer bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 1974 - VI ZR 1/74, BGHZ 63, 295, 299 ff. und vom 19. Oktober 1993 - VI ZR 20/93, VersR 1994, 64, 65 f.; BGH, Urteile vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 367 und vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 41, 45). Nach Auffassung des Gesetzgebers kommt es für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze auf das Maß des Verschuldens des Schädigers, das individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier sowie darauf an, ob die aufgewendeten Heilbehandlungskosten aus tiermedizinischer Sicht vertretbar gewesen sind (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 7). Diese Aufzählung schließt weitere dem Normziel dienende Kriterien im Einzelfall nicht aus."
So kommen als weitere Kriterien die Erfolgsaussichten der Behandlung, das Alter des Tiers (BGH, a.a.O., Rn. 15) und der vor der Pflichtverletzung vorliegende Gesundheitszustand des Tiers (AG Frankfurt, Urteil vom 14. Juni 2000 - 29 C 2234/99 - 69; OLG München, Urteil vom 11. April 2011 - 21 U 5534/10, jeweils bei juris) in Betracht. Im Zusammenhang mit dem immateriellen Interesses des Halters des verletzten Tiers spielt auch eine Rolle, wie lange das Tier bereits in der Familie lebt (AG Schöneberg, Urteil vom 30. Juni 1987 - 12 C 243/87, juris). Teilweise wird auch berücksichtigt, was der Eigentümer im Sinne eines verständigen Tierhalters in der konkreten Lage ohne die Fremdschädigung für sein Tier aufgewendet hätte (siehe Staudinger/Höpfner, BGB (2021), § 251 Rn. 28; AG Idar-Oberstein, Urteil vom 20. April 1999 - 3 C 618/98, juris), obwohl der Gesetzgeber ausdrücklich davon abgesehen hat, eine allgemeine Haftungsgrenze, etwa wie sie das österreichische Recht in § 1332a ABGB (der auf die Kosten abstellt, die auch ein "verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten" aufgewendet hätte) vorsieht, aufzunehmen (BT-Drs. 11/7369 S. 7).
Keine Berücksichtigung sollen demgegenüber die Vermögensverhältnisse des Tierhalters finden (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., § 251 Rn. 65; BeckOGK/Brand, BGB, Stand: 1.3.2022, § 251 Rn. 63) und ob der Schädiger haftpflichtversichert ist (Oetker a.a.O.; Brand a.a.O.). Ob das Maß des Verschuldens des Schädigers zu berücksichtigen ist, ist streitig (dagegen: Oetker a.a.O.; Brand, a.a.O.; dafür: BT-Drs. 11/5463, S. 7; BGH, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 2. November 2016 - I-21 U 14/16, juris Rn. 14; LG Traunstein, Urteil vom 10. August 1983 - 5 S 1658/83, juris; AG Idar-Oberstein a. a. O.).
b. Vorstehenden Maßstab, den das Landgericht dem Grunde nach erkannt hat, angewandt, sind die dem Kläger entstandenen Tierarztbehandlungskosten in vollem Umfang zu ersetzen.
(1) Dabei hat der Senat - ebenso wie das Landgericht - nicht verkannt, dass das Tier zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits 24 Jahre alt war und wirtschaftlich nur einen geringen Wert, insbesondere im Verhältnis zu einem Reit-, Turnier- oder Zuchtpferd, hatte. Unstreitig lag der wirtschaftliche Wert von "W." bei 300,00 €.
(2) Allerdings war das besondere Affektionsinteresse des Klägers an dem in seinem Eigentum stehenden Pferd "W." zu berücksichtigen. Nach dem Vortrag des Klägers und dem Ergebnis der Beweisaufnahme handelt es sich bei dem Pferd "W." um das erste vom Kläger erworbene Pferd, zu welchem er von Anfang an und immer noch eine besonders enge Bindung hat. Der Kläger hat das Pferd kurz nach dessen Geburt von dem Zeugen B. käuflich erworben und unmittelbar nach dem Absetzen von der Mutterstute, d. h. ca. 6 Monate nach der Geburt übernommen. Zwar hat der Kläger das Pferd "W." nicht selbst angeritten bzw. ausgebildet, sondern dies dem Zeugen C. bzw. dessen Söhnen und Mitarbeitern überlassen. Allerdings hat er auf dem Pferd "W." das Reiten erlernt und ist auf diesem auch mehrere Jahre in seiner Freizeit geritten. Auch als das Pferd vor ca. 20 Jahren einen Unfall hatte, hat der Kläger die erforderliche Heilbehandlung veranlasst. Auch nach seiner aktiven Reiterzeit hat der Kläger das Pferd weiter behalten und als Beistellpferd genutzt. Schließlich ist das Pferd trotz seines zum Schadenszeitpunkt hohen Alters von 24 Jahren und auch noch zum Zeitpunkt der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch in seinem Eigentum und Besitz gewesen und von dem Kläger regelmäßig - quasi als Familienangehöriger - versorgt worden. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus den Angaben des informatorisch angehörten Klägers, die von den Zeugen B. und C. zum Anschaffungszeitpunkt und zur Ausbildung des Pferdes sowie von der Zeugin F. zum Verhältnis des Klägers zum Pferd "W." bestätigt worden sind. So hat die Zeugin F. u. a. angegeben, dass der Kläger das Pferd "W." bereits als Fohlen bekommen habe und sich immer sehr um das Tier gekümmert habe und dieses auch im Reitunterricht oder in der Freizeit geritten habe. Der Kläger habe sich anlässlich einer vor ca. 20 Jahren erlittenen Verletzung des Pferdes "W." sehr um dieses gekümmert. Nach ihrem Eindruck hatte der Kläger zwar generell ein gutes Verhältnis zu allen seinen Tieren aber ein besonders enges Verhältnis zu dem Pferd "W.", da er mit diesem besonders viel Zeit verbracht habe und auch nur auf diesem geritten sei.
(3) Darüber hinaus war das Pferd am 4. August 20XX - die streitbefangenen Verletzungen außer Acht gelassen - in einem sehr guten, auch gesundheitlichen Zustand. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. J., der das Pferd selbst operiert hat und in diesem Zusammenhang den allgemeinen Zustand, insbesondere den Gesundheitszustand des Pferdes im Hinblick auf die notwendige tierärztliche Behandlung der erlittenen Verletzungen, insbesondere auch im Hinblick auf die anstehende Operation in Narkose, geprüft hat. Danach war trotz des verletzungsbedingten Schocks der Herz-Kreislauf in Ordnung und das Pferd konnte trotz der Verletzung alle vier Beine belasten. Auf Basis der Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. J., den Behandlungsunterlagen und aufgrund eines Lichtbildes vom streitbefangenen Pferd vom 16. August 20XX bestätigt der Sachverständige Prof. Dr. G. den positiven Gesamtzustand von "W.". Das Pferd präsentierte sich danach am 16. August 20XX in einem gut bis sehr guten Gesundheitszustand. Dessen Gebiss war nach den vom Sachverständigen ausgewerteten Röntgenbildern in einem altersgerechten Zustand. Das Pferd hat die am 5. August 20XX im Rahmen der verletzungsbedingt erforderlichen Operation erfolgte Allgemeinanästhesie ohne Komplikationen überstanden und ist nach den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. J. unproblematisch nach dem Erwachen aus der Narkose aufgestanden. Auch ist der Gesundheitszustand nach dem Klinikaufenthalt mit "gut" wiedergegeben worden.
(4) Die jeweils den mit der Klage geltend gemachten Tierarztbehandlungskosten zugrundeliegenden Heilbehandlungsmaßnahmen waren tiermedizinisch vertretbar.
Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des tiermedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. G. in seinem schriftlichen Gutachten vom 31. Oktober 2022. Hier hat der Sachverständige im Einzelnen, insbesondere unter Berücksichtigung des Alters des Gesundheitszustandes, der Lebenserwartung ohne und mit anlässlich des Vorfalls vom 4. August 20XX erlittenen Verletzungen sowie der Erfolgsaussichten und Überprüfung der Rechtfertigung der Heilbehandlungsmaßnahmen aus der ex ante-Sicht die jeweiligen Heilbehandlungsmaßnahmen überprüft und ist - insoweit hier zusammenfassend - zu dem Ergebnis gekommen, dass die veranlassten Heilbehandlungsmaßnahmen aus tiermedizinischer Sicht vertretbar waren. Weder das fortgeschrittene Lebensalter noch der von ihm angenommene Gesundheitszustand des Pferdes vor dem Vorfall vom 4. August 20XX haben einen Hinderungsgrund für die eingeleiteten Therapiemaßnahmen dargestellt. Auch die Lebenserwartung des Pferdes bot keine Veranlassung, von etwaigen Therapiemaßnahmen abzusehen und das Pferd zu euthanasieren. Vielmehr war auch aus ex ante-Sicht davon auszugehen, dass das Pferd ohne die erlittenen Verletzungen unter guten Voraussetzungen noch mehrere Jahre zu leben hat. Diese war infolge der streitbefangenen Verletzungen nicht reduziert. Die Erfolgsaussichten der Heilbehandlungsmaßnahmen hat der Sachverständige aus ex ante-Sicht auch unter Berücksichtigung der Lebenserwartung des Pferdes und die Wiederherstellung der Funktion der betroffenen Körperregionen als mäßig bis gut eingeordnet.
Die Ausführungen des dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren als besonders sachkundig bekannten Sachverständigen sind nachvollziehbar und werden von diesem im Einzelnen verständlich begründet. Keine der Parteien hat Einwände oder ergänzende Fragen an den Sachverständigen gehabt, so dass der Senat dessen Ausführungen nach eigener kritischer Würdigung der Entscheidung zugrunde legt.
Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. G. zur Lebenserwartung und auch zur Erfolgsaussicht der Heilbehandlungsmaßnahmen haben sich insofern bestätigt, als dass das streitbefangene Pferd zum Zeitpunkt der Anhörung des Klägers sich - nach dessen unwidersprochenen Angaben - (wieder) bester Gesundheit erfreute.
(5) Soweit der Sachverständige Dr. G. ausgeführt hat, dass für die Verdoppelung der Tagesdosis der am 5. August 20XX verabreichten Medikamente keine medizinische Begründung erkennbar sei und hinsichtlich der verabreichten Homöopathika keine und für die erfolgte Reizstrom-Therapie eine nur geringe wissenschaftliche Evidenz bestehe, führt dies nicht zu einer Kürzung der von der Pferdeklinik H. mit Rechnung vom 2. September 20XX (Anlage K 5, Bl. 23 d. A.) abgerechneten tierärztlichen Behandlungskosten. Auch wenn die vorbenannten tierärztlichen Maßnahmen bzw. verabreichten Medikamente nicht zwingend für die Behandlung der am 4. August 20XX durch den streitgegenständlichen Vorfall verursachten Verletzungen des Pferdes "W." erforderlich waren und damit unnötige Mehrkosten darstellen, sind diese dennoch durch die Beklagte zu ersetzen, da diese ohne Schuld des Klägers im Rahmen einer umfangreichen tiermedizinischen Behandlung entstanden sind. Insoweit hat sich das sogenannte Prognoserisiko verwirklicht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 314/90, juris Rn. 15 m.w.N. zum Werkstatt- und Prognoserisiko bei Schädigung durch Kfz-Unfall; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - VI ZR 23/15, juris Rn. 22). Heilbehandlungen sind hinsichtlich Dauer, Umfang und damit auch Kosten oft unübersehbar und deshalb mit Reparaturen nicht vergleichbar, insbesondere wenn Verletzungen ein unverzügliches ärztliches Handeln fordern. Demnach sind auch unnötige oder überteuerte Maßnahmen erstattungsfähig, da der Geschädigte insoweit aufgrund seiner begrenzten Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeit auf deren Entstehung kaum Einfluss hat. Da der Schädiger gemäß § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich zur Naturalrestitution verpflichtet ist und § 249 Abs. 2 S. 1 BGB dem Geschädigten für den Fall u. a. der Sachbeschädigung lediglich eine Ersetzungsbefugnis zuerkennt, vollzieht sich die Reparatur der Sache, bzw. hier die Behandlung des Tieres, in der Verantwortungssphäre des Schädigers. Würde der Schädiger die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst vornehmen, so träfe ihn gleichfalls das Prognoserisiko. Allein die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Geschädigten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann daher nicht zu einer anderen Risikoverteilung führen (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. November 2019 - 3 U 7/18, juris Rn. 6). Die Ersatzfähigkeit von unnötigen Mehraufwendungen ist nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn dem Dritten ein äußerst grobes (Auswahl-)Verschulden zur Last fällt, so dass die Mehraufwendungen dem Schädiger nicht mehr zuzurechnen sind (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 6). Hierfür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
(6) Demnach erweist sich die Entscheidung des Landgerichts, die gesamten Behandlungskosten in Anwendung des § 251 Abs. 2 BGB als vollumfänglich erstattungsfähig anzusehen, ohne Rechtsfehler.
Bei der Abwägung des aus der Verantwortung für das Tier folgenden immateriellen Interesses des Klägers vor dem Hintergrund seiner engen emotionalen Bindung an das Pferd und des affektiven Interesses an der Wiederherstellung der Gesundheit und der körperlichen Integrität des seit 24 Jahren in seinem Besitz befindlichen Pferdes gegen das wirtschaftliche Interesse der Beklagten, hatte das wirtschaftliche Interesse der Beklagten zurückzustehen.
Neben den o. g. Kriterien hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Beklagte lediglich aus dem Gefährdungshaftungstatbestand des § 833 S. 1 BGB haftet und kein Verschulden feststeht. Dabei war jedoch zu berücksichtigen, dass die von dem Hund der Beklagten ausgehende Tiergefahr im Verhältnis zu der von dem Pferd "W." ausgehenden Tiergefahr deutlich überwiegt.
Eine Begrenzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 251 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB kommt hier - auch im Hinblick auf die ebenfalls zu beachtenden Grundsätze des Tierschutzes (Art. 20a GG, § 1 TierSchG) - trotz der erheblichen Diskrepanz zwischen dem wirtschaftlichen Wert des Pferdes "W." von 300,00 € und den notwendig gewordenen Heilbehandlungskosten von 14.801,56 € nicht in Betracht. Dabei war neben tierschutzrechtlichen Aspekten und dem besonderen Affektionsinteresse des Klägers an dem Pferd insbesondere der - wie oben dargelegt - gute Gesundheitszustand des Pferdes vor dem hier streitbefangenen Schadensereignis sowie die noch für mehrere Jahre bestehende Lebenserwartung des Pferdes sowie die Aussichten auf eine erfolgreiche Heilbehandlung zu berücksichtigen, denen allein wirtschaftliche Interessen der Beklagten gegenüber stehen.
4. Die vom Landgericht als Schaden anerkannten Fahrtkosten in Höhe von 21,00 € stehen in der Berufungsinstanz nicht im Streit.
5. Der Zinsanspruch folgt hinsichtlich der Tierbehandlungskosten der Pferdeklinik H. in Höhe von 14.379,15 € und der Fahrtkosten in Höhe von 21,00 € aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB, da der Kläger die Beklagte insoweit mit anwaltlichem Schreiben vom 23. September 2019 erfolglos zur Zahlung mit einer Frist bis zum 2. Oktober 2019 aufforderte. Hinsichtlich der weiteren Tierarztkosten für die tierärztliche Notversorgung durch den Tierarzt Dr. K. in Höhe von 422,41 € folgt der Zinsanspruch aus §§ 291, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 BGB, wobei die Klageschrift der Beklagten am 17. April 2022 zugestellt worden ist.
6. Der Anspruch hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten beruht ebenfalls auf §§ 833 S. 1, 249 BGB; die insoweit ausgeurteilten Zinsen sind gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB ersatzfähig.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
III.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.