Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.02.2023, Az.: 7 U 520/22
Ansprüche des Käufers eines angeblich vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw mit dem Motortyp EA288; Anforderungen an die Darlegung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Hersteller
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.02.2023
- Aktenzeichen
- 7 U 520/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 21894
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 04.10.2022 - AZ: 2 O 156/22
Rechtsgrundlagen
- § 826 BGB
- § 31 BGB
Tenor:
- 1.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 10.000 € festgesetzt.
- 2.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 4. Oktober 2022 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. An der mit Hinweisbeschluss vom 6. Dezember 2022 angekündigten Aussetzungsabsicht hält der Senat nicht weiter fest.
- 3.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und zur evtl. Rücknahme der Berufung aus Kostengründen innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben, eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dürfte nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten sein. Nach vorläufiger Beurteilung hat die Berufung des Klägers darüber hinaus auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg:
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger keine Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs Skoda Fabia 1.4 TDI gegen die Beklagte zustehen.
Im Einzelnen:
1. Ein Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB besteht nicht. Zwar kommt, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19; vgl. ferner: Senatsurteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18). Dem Vorbringen des Klägers lassen sich die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs auf Schadensersatz gegen die Beklagte aber nicht schlüssig entnehmen.
a) Sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 19 mwN).
Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 20 mwN).
Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 mwN).
Nach diesen Grundsätzen reicht der Umstand, dass eine die Abgasemissionen beeinflussende Einrichtung im Emissionskontrollsystem im Fahrzeug des Erwerbers nach seinem Sachvortrag in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, NJW 2021, 1216), für die Begründung der objektiven Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB nicht aus. Der darin liegende Gesetzesverstoß ist für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Herstellerin handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. So setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit in diesen Fällen jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der die Abgasemissionen beeinflussenden Einrichtung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2021 - VII ZR 415/21, juris Rn. 27).
Der Schluss auf ein im Hause des Herstellers vorhandenes Bewusstsein der Unzulässigkeit in Bezug auf eine Abschalteinrichtung, das wiederum Voraussetzung bereits der objektiven Sittenwidrigkeit ist, ist bei evident unzulässigen Abschalteinrichtungen gerechtfertigt, wie dies für ein "System der Prüfstanderkennung" und die Applikation einer entsprechenden Steuerungssoftware gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 252/20, juris Rn. 16). Mangels Prüfstandbezogenheit kann nicht schon aus der Funktionsweise der Abschalteinrichtung auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten geschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21, juris Rn. 19; Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 18). Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).
Die Darlegungs- und Beweislast für ein derartiges Vorstellungsbild der handelnden Personen trägt dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Fahrzeugkäufer als Anspruchsteller (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 18). Reichen die von einer Partei für das Vorstellungsbild der anderen Partei behaupteten Indizien nach Auffassung des Tatgerichts für eine dahingehende Überzeugungsbildung auch dann nicht aus, wenn sie sich als zutreffend erweisen, so ist das Tatgericht nicht gehalten, Feststellungen zu den behaupteten Indizien zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 20).
b) Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht dargetan. Denn es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Ausstattung des Fahrzeugs mit einer Motorsteuerungssoftware mit - unterstellt - unzulässigen Abschalteinrichtungen seitens der Beklagten in dem Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit geschehen und damit objektiv sittenwidrig wäre.
Zwar verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine Fahrkurvenerkennung sowie ein Thermofenster. Dies allein genügt aber nicht, um das Handeln der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren.
(1) Insoweit will der Kläger zwar mit seinen Ausführungen zu der vermeintlichen Unfähigkeit des Kraftfahrtbundesamts (KBA) zur Aufdeckung von Abschalteinrichtungen offensichtlich nahelegen, dass dieses die Funktionsweise der Fahrkurvenerkennung und deren Einfluss auf das Emissionsverhalten des Wagens nicht erkannt habe und dementsprechend seitens der Beklagten hierüber im Typengenehmigungsverfahren getäuscht worden sei. Dem vermag der Senat allerdings nicht zu folgen.
(a) Für die Annahme, dass die Bewertung des KBA auf einer unzutreffenden oder lückenhaften Beurteilung der Funktionsweise der Fahrkurve basiere, findet sich im Streitfall keine Grundlage. Vielmehr ergibt sich aus den seitens der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünften des KBA vergleichbare Fahrzeuge betreffend (Anlagen B7-B10, Anlagenband Beklagte) genau das Gegenteil, heißt es in diesen Auskünften doch: "Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, (...)."
Danach hat sich das Kraftfahrtbundesamt also gerade nicht auf Angaben Dritter oder der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war. Ob das KBA dazu in der Lage war, die Motorsteuerungssoftware auszulesen, spielt keine Rolle. Denn - wie die vorgenannte Auskünfte zeigen - war es jedenfalls auch ohne diese Fähigkeit dazu in der Lage, eine Aktivierung oder Deaktivierung der Fahrkurve feststellen.
(b) Darüber hinaus war dem KBA aufgrund entsprechender Miteilungen durch die Beklagte im Zusammenhang mit der durchgeführten Felduntersuchung bereits seit Oktober 2015 und damit deutlich vor dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch den Kläger im Juli 2016 die Existenz einer Fahrkurvenerkennung in Motoren des Typs EA 288 bekannt. Vor diesem Hintergrund fehlte es jedenfalls an einer Täuschung des KBA im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, auch wenn mit der Fahrkurvenerkennung eine Prüfstanderkennung verbunden ist.
(2) Außerdem hat der Kläger auch das Vorhandensein einer den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigenden Prüfstanderkennungssoftware, die bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, nicht hinreichend dargelegt.
Insoweit findet zwar, wie vorstehend erwähnt, mit der Fahrkurvenerkennung in dem Fahrzeug eine Prüfstanderkennung Anwendung. Dies indiziert aber - anders als in den Fällen des Motortyps EA 189 - nicht die Sittenwidrigkeit.
Wie oben bereits ausgeführt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich maßgeblich darauf an, ob ein Automobilhersteller Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris-Rn. 20 mwN). Daran fehlt es hier jedoch.
Denn wie sich aus den oben erwähnten Auskünften des Kraftfahrtbundesamts ergibt, die sich die Beklagte insoweit zu Eigen gemacht hat, werden die gesetzlichen Grenzwerte nach den dortigen Untersuchungen auch bei einer Deaktivierung der Fahrkurvenerkennungsfunktion gerade nicht überschritten.
Dem ist der Kläger nicht mit Substanz entgegengetreten. Soweit er Gegenteiliges aus den Messergebnissen der DUH herleiten will, hilft ihm dieser Verweis nicht weiter. Denn dass die entsprechenden Werte im Realbetrieb diejenigen erheblich übertreffen, die im seinerzeit maßgeblichen NEFZ erzielt werden, ist schon angesichts der Unterschiede der Bedingungen und unabhängig von der Verwendung einer Umschaltlogik zu erwarten und stellt deshalb weder für sich allein noch in der Zusammenschau mit dem Vortrag des Klägers zur freiwilligen Kundendienstmaßnahme der Beklagten einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass der entsprechende Motor zur Täuschung der zuständigen Behörde auf dem Prüfstand in einem anderen Modus als außerhalb des Prüfstandes betrieben wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 15; derss., Urteil vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30).
Damit spielt der dem KBA nach Behauptung des Klägers bislang unbekannt gebliebene Umstand, dass der NSK auf dem Prüfstand ein anderes Regenerationsverhalten aufweise als im realen Fahrbetrieb, für die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte überhaupt keine Rolle. Denn da nicht einmal aus der Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb auf eine die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte nur auf dem Prüfstand gewährleistenden Prüfstanderkennung geschlossen werden kann, weil der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße keinen greifbaren Anhaltspunkt für die Verwendung einer solchen Steuerungsstrategie darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20, juris-Rn. 23), gilt dies erst recht, wenn im Straßenbetrieb die Emissionen zwar möglicherweise höher als auf dem Prüfstand sind, die Grenzwerte aber gleichwohl einhalten werden.
Dabei kommt es auf eine "Grenzwertkausalität", also die Frage, ob eine solche Steuerungsstrategie, die zwar zu gegenüber dem Prüfstandbetrieb erhöhten, gleichwohl aber noch immer innerhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegenden Emissionswerte führt, mit den maßgeblichen EU-Bestimmungen in Einklang zu bringen ist, nicht an. Rechtlicher Ausgangspunkt ist insoweit nämlich nicht die Frage, ob eine Abschalteinrichtung, die sich auf die Schadstoffemissionen auswirkt, ohne dabei jedoch die Grenzwerte zu überschreiten, zulässig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG ist. Entscheidend ist vielmehr, dass eine solche Abschaltstrategie keinen Anhaltspunkt für ein sittenwidriges Verhalten bietet. Denn der Hersteller hätte auf diese Abschalteinrichtung verzichten können und - weil die erforderlichen Grenzwerte auf dem Prüfstand auch ohne die Abschalteinrichtung eingehalten werden - die Typgenehmigung gleichwohl erteilt bekommen. Daher begründet eine unterbliebene Offenlegung abweichender Emissionswerte auf dem Prüfstand von solchen im Realbetrieb - jedenfalls, wenn letztere die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschreiten - auch kein Anknüpfungskriterium für eine sittenwidrige Täuschung.
(3) Der Kläger hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass eine (oder mehrere) im EG-Typgenehmigungsverfahren verschwiegene und auch bei der nachträglichen Prüfung unentdeckt gebliebene Abschalteinrichtung vorhanden ist, auf die sich die Beurteilung des Kraftfahrtbundesamtes folgerichtig nicht beziehen könnte.
(aa) Dass die unter Berufung auf Messungen der Deutschen Umwelthilfe behauptete Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ kein Indiz für eine Abschalteinrichtung darstellen, hat der Senat bereits oben ausgeführt.
(bb) Es hilft dem Kläger auch nicht weiter, dass für eine geringe Anzahl von Fahrzeugen der Beklagten mit einem Motor des Typs EA 288 - nämlich beispielsweise einen VW T6 EA 288 Euro 6 - ein verpflichtender Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt angeordnet wurde. Denn dieser Rückruf erfolgte, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, nicht wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, sondern wegen technischer Konformitätsabweichungen während der Regeneration des Diesel-Partikelfilters und zur Sicherstellung eines für die Ki-Familie des streitgegenständlichen Fahrzeugs repräsentativen Ki-Werts (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2021 - 7 U 851/20).
(3) Auch hinsichtlich der temperaturgesteuerten Abgasrückführung und der Implementierung des Thermofensters ist eine arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamts durch die Beklagte nicht substantiiert dargelegt.
(a) Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein entsprechendes Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben ungeachtet der Amtsermittlungspflicht des Kraftfahrtbundesamtes verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird - hat der Kläger weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen, sondern lediglich pauschal behauptet.
Aus dem Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" vom April 2016 ergibt sich, dass in dem hier fraglichen Zeitraum Thermofenster von allen Autoherstellern verwendet wurden. Begründet wurde dies mit dem Erfordernis des Motorschutzes, wobei diese Frage vor allem die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 715/2007 betraf. Dementsprechend hat das Kraftfahrtbundesamt den Einsatz eines Thermofensters, bei dem die Hersteller die Abgasreinigung temperaturabhängig zurückfahren, jedenfalls dann nicht grundsätzlich in Frage gestellt, wenn die Einrichtung notwendig sei, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich erstmals mit Urteil vom 17. Dezember 2020 (C-693/18, NJW 2021, 1216) mit der Auslegung der vorgenannten Ausnahmevorschrift befasst. Insoweit war ein Verstoß betreffend die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO (EG) Nr. 715/2007 nicht eindeutig. Allein aus dem Einsatz eines Thermofensters können daher keine Anhaltspunkte dafür hergeleitet werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen dies als illegal angesehen und gebilligt haben. Eine möglicherweise fahrlässige Verkennung der Rechtslage durch die Beklagte genügt für die Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit nicht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - III ZR 205/20, juris Rn. 24).
Zudem war dem Kraftfahrtbundesamt die Verwendung von Thermofenstern bei allen Herstellern und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz bekannt. Es war deshalb zu einer Überprüfung des Emissionsverhaltens der Fahrzeuge ohne weiteres in der Lage (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - III ZR 205/20, juris Rn. 25). Erforderlichenfalls wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, Einzelheiten zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 322/20, juris Rn. 26).
(b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Klägers zu einer vermeintlichen Manipulation des OBD-Systems; denn ein Indiz, die Beklagte habe in dem Bewusstsein eines Gesetzesverstoßes gehandelt, ergibt sich hieraus ebenfalls nicht.
Es ist nicht Aufgabe des OBD-Systems, zwischen einer rechtlich zulässigen und einer rechtlich unzulässigen Abschalteinrichtung zu unterscheiden. Arbeitet eine Abschalteinrichtung - sei sie rechtlich zulässig oder unzulässig - mithin technisch so, wie sie programmiert ist, liegt eine Fehlfunktion nicht vor, so dass die Anzeige einer Fehlfunktion nicht veranlasst ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris-Rn. 91; auch Senat, Urteil vom 4. November 2021 - 7 U 4/21, juris- Rn. 32). Denn da das Diagnosesystem mit der elektronischen Steuerung des Motor- und Abgassystems verknüpft ist und keine Betriebszustände als fehlerhaft anzeigt, die von der Motorsteuerung selbst vorgegeben werden, liegt es auf der Hand, dass ein Unterbleiben eines "Alarm-Schlagens" des OBD-Systems unter diesen Voraussetzungen kein Indiz für eine Software-Manipulation ist.
Dementsprechend deutet das Nichtaufleuchten einer Kontrolllampe weder auf eine Manipulation des OBD-Systems hin, noch lässt sich hieraus ein Rückschluss auf ein auf Täuschung der Genehmigungsbehörden abzielendes sittenwidriges Verhalten herleiten (vgl. BGH, Urteil v. 28. Oktober 2021 - III ZR 261/20, juris-Rn.27).
(c) Schließlich stellt auch der Umstand, dass für das Fahrzeug ein freiwilliges Software-Update angeboten wird, kein ausreichendes Indiz für ein verwerfliches Verhalten oder einen Unwertgehalt der der Motorsteuerung bislang zugrundeliegenden Softwarekonzeption dar.
Aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates lassen sich nämlich keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass der Motorhersteller unter bewusster Hinwegsetzung über Gesetzesbestimmungen das Fahrzeug mit einer normwidrigen Steuerungssoftware für die Abgasrückführung ausgestattet hätte.
Anknüpfungspunkt für ein Software-Update ist insoweit lediglich die Erforderlichkeit eines Eingriffs in die bisherigen Standards unter technischen Gesichtspunkten; ob diese Standards auf einem Verhalten beruhen, das in seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, lässt sich dagegen aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates nicht herleiten.
(4) Nach alledem reichen die vom Kläger vorgetragenen Umstände - auch in ihrer Gesamtschau - nicht aus, um auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der für die Beklagten verantwortlichen Personen schließen zu lassen oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen.
Dabei hilft in diesem Zusammenhang dem Kläger auch die Entscheidung des III. Zivilsenats des BGH vom 25. November 2021 (Az. III ZR 202/20) nicht weiter.
Danach kann zwar für die Annahme greifbarer Anhaltspunkte für das Vorliegen einer den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigenden Prüfstanderkennung ausreichend sein, wenn die Motorsteuerungssoftware Prüfstandsituationen erkennt und sich die Klagepartei auf Messwerte der DUH beruft, ausweislich der der Grenzwert für den NOx-Ausstoß beim getesteten Fahrzeug im Realbetrieb um ein Mehrfaches überstiegen wird.
Entscheidend ist allerdings, ob in der Gesamtbetrachtung des Einzelfalls die von der Klagepartei vorgetragenen Umstände für eine solche Annahme zureichend sind (vgl. BGH, Beschluss v. 25. November 2021 - III ZR 202/20, juris-Rn. 17), und damit den Schluss darauf zulassen, die Beklagte habe im Bewusstsein der Sittenwidrigkeit gehandelt. Dies ist nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen vorliegend jedenfalls nicht der Fall.
2. Schadensersatzsprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb auf anderer Grundlage als § 826 BGB kommen nicht in Betracht.
a) Es besteht kein Anspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte, weil zwischen den Parteien kein (vor-)vertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen ist. Es ist nichts dafür dargetan oder anderweitig ersichtlich, dass die Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hätte (OLG München, Urteil vom 10. August 2020 - 21 U 2719/19, BeckRS 2020, 18878 Rn. 31). Dies wäre jedoch für eine Haftung aus den vorgenannten Normen erforderlich.
b) Insbesondere haftet die Beklagte wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH, Urteil v. 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris-Rn. 24).
c) Auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 scheidet aus.
Dabei kann offenbleiben, ob der hier gegen die Beklagte erhobene Anspruch auf wirtschaftliche "Rückabwicklung" in den Schutzbereich der genannten Vorschriften in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG fällt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 11; Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 345/21, juris Rn. 3). Denn ein Anspruch besteht deswegen nicht, weil die Beklagte nicht "Herstellerin" im Sinne der - unterstellten - Schutzgesetze ist.
Nach Auffassung von Generalanwalt R. ist die Richtlinie 2007/46/EG dahin auszulegen, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichtet vorzusehen, dass ein Erwerber eines Fahrzeugs einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller hat, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist (Schlussanträge des Generalanwalts vom 2. Juni 2022 in der Rechtssache C-100/21, Rn. 65). "Hersteller" in diesem Sinne ist nach Art. 3 Nr. 27 Richtlinie 2007/46/EG die Person oder Stelle, die gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Typgenehmigungs- oder Autorisierungsverfahrens sowie für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist. Danach kommt es - anders als für einen Anspruch aus § 826 BGB - nicht darauf an, wer den Motor hergestellt hat, sondern wer der verantwortliche Fahrzeughersteller ist. Dies ist - da es sich vorliegend um ein Fahrzeug der Marke Skoda handelt - jedenfalls nicht die Beklagte.
3. Mangels Anspruchsgrundlage steht dem Kläger somit weder der von ihm geltend gemachte Zahlungsanspruch zu, noch kann er mit seinen Ansprüchen auf Feststellung des Bestehens von Annahmeverzug oder auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten durchdringen.
Vor diesem Hintergrund sollte der Kläger erwägen, ob eine Rücknahme der Berufung in Betracht kommt.