Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.02.2023, Az.: 10 WF 32/23
Festsetzung von Ordnungsgeld bei wirksamer erstinstanzlicher Entscheidung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.02.2023
- Aktenzeichen
- 10 WF 32/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 29467
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2023:0220.10WF32.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Burgwedel - 14.12.2022 - AZ: 41 F 59/22
Rechtsgrundlage
- § 89 Abs. 1 FamFG
Amtlicher Leitsatz
Zur Festsetzung von Ordnungsgeld bei wirksamer erstinstanzlicher Entscheidung.
Im Verfahren nach § 89 FamFG gilt der allgemeine vollstreckungsrechtliche Grundsatz, dass das Bestehen des vollstreckbaren Anspruchs grundsätzlich nicht mehr zu prüfen ist und dass nur eine Entscheidung über die Einstellung die Vollstreckung hindert. Erstinstanzliche Beschlüsse in Kindschaftssachen sind - sofern nicht gerichtlich die Außervollzugsetzung angeordnet worden ist - für die Beteiligten verbindlich und von den Beteiligten einzuhalten, auch wenn sie noch nicht rechtskräftig und mit der Beschwerde angefochten sind. Der zur Gewährung des Umgangs verpflichtete Elternteil kann daher gegenüber der erstinstanzlichen Festsetzung eines Ordnungsgeldes nicht einwenden, eine Umgangsregelung sei nicht rechtens bzw. widerspreche dem Kindeswohl und müsse deshalb nicht beachtet werden.
In der Familiensache
pp.
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... am 20. Februar 2023 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Burgwedel vom 14. Dezember 2022 sowie ihr Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Zu entscheiden ist über die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen eine gerichtliche Umgangsregelung.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 13. September 2022, auf den Bezug genommen wird, den Umgang des Antragstellers (Kindesvaters) mit seiner am ... 2021 geborenen Tochter G. M. geregelt und u. a. angeordnet, dass er das Recht und die Pflicht hat, mit G. wie folgt Umgang wahrzunehmen:
- Jeweils in der Form von drei begleiteten Umgängen durch das Jugendamt für jeweils eine Stunde
a) am 04.10.2022 von 12 Uhr bis 13 Uhr in den Räumlichkeiten des Jugendamtes am Rathaus in A.,
b) am 17.10.2022 in der Jugendhilfestation B. von 10 Uhr bis 11 Uhr
c) am 25.10.2022 von 14 Uhr bis 15 Uhr in der Jugendhilfestation B.
- Die Mutter bringt das Kind zu den genannten Zeiten zu den genannten Räumlichkeiten des Jugendamtes. Der Vater wird im Anschluss Umgang in Begleitung der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes erhalten.
- Sollte einer dieser Termine krankheitsbedingt ausfallen, wird in Absprache mit dem Jugendamt ein Ausweichtermin vereinbart.
Die Antragsgegnerin (Kindesmutter) hat G. nicht zu diesen Umgangsterminen gebracht. Sie hat Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs ihres älteren, aus einer anderen Beziehung stammenden Sohnes A. gegen den Antragsteller erhoben und hält daher auch den Umgang mit G. für kindeswohlgefährdend. Sie hat gegen die Entscheidung vom 13. September 2022 mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2022 Beschwerde beim insoweit zuständigen 17. Zivilsenat des hiesigen Oberlandesgerichts eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Der Aussetzungsantrag ist durch Beschluss des 17. Senats vom 22. November 2022 (Az.: 17 UF 220/22), auf den Bezug genommen wird, zurückgewiesen worden.
Das Amtsgericht hat auf entsprechenden Antrag des Kindesvaters durch Beschluss vom 14. Dezember 2022 gegen die Kindesmutter wegen Verstoßes gegen die vorgenannte Umgangsregelung ein Ordnungsgeld i. H. v. 120 € festgesetzt und ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 60 € einen Tag Ordnungshaft angeordnet.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es handele sich um eine wirksame und vollstreckbare Umgangsregelung, die auch sofort vollziehbar gewesen sei. Die Antragsgegnerin sei im Beschluss über die Folgen des Verstoßes gegen die Umgangsverpflichtung belehrt worden. Da bislang weder über die Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses noch über die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache eine Entscheidung vorliege, sei die Anordnung aus dem erstinstanzlichen Beschluss vollstreckbar. Im Rahmen des Ordnungsmittelverfahrens werde die zugrundeliegende Entscheidung nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Die Antragsgegnerin habe keine hinreichenden Gründe dargelegt dafür, dass sie die Zuwiderhandlung gegen die auferlegte Verpflichtung nicht zu vertreten habe, so dass von einem Verschulden ihrerseits auszugehen sei. Die Darlegungslast obliege insoweit ihr. Der Beschluss sei in Kenntnis des strafrechtlichen Vorwurfs gegenüber dem Antragsteller betreffend ihren Sohn A. erlassen worden, nicht zuletzt deshalb sei ein unbegleiteter Umgang nicht angeordnet worden, so dass auszuschließen gewesen sei, dass sich Kindesvater und Kind allein in einem Raum aufhalten können. Die vorgebrachten Gründe, es bestehe eine Gefährdung des Kindes G. wegen der im Raum stehenden Vorwürfe, seien daher bereits im Beschluss berücksichtigt worden. Weitergehende bzw. neu entstandene Gründe seien nicht vorgetragen worden. Die Überzeugung, der angefochtenen Beschluss sei zu Unrecht ergangen, genüge ferner nicht als Entschuldigungsgrund, auch wenn die Aussetzung der Vollziehung zeitnah beantragt und die Entscheidung insgesamt angefochten worden sei, da Umgangsbeschlüsse grundsätzlich sofort wirksam seien. Ein etwaiger Irrtum hinsichtlich der Vollziehbarkeit sei für die anwaltlich vertretene Antragsgegnerin vermeidbar gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gründe des amtsgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen.
Die Kindesmutter hat gegen den Ordnungsmittelbeschluss form- und fristgerecht (sofortige) Beschwerde eingelegt und für das Beschwerdeverfahren um Verfahrenskostenhilfe nachgesucht.
Sie ist nach wie vor der Auffassung, ein Umgang des Kindesvaters mit G. gefährde akut und massiv das Kindeswohl. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Kindesvater ihren Sohn A. aus einer früheren Beziehung sexuell missbraucht habe. Sie müsse daher die Kinder vor dem Antragsteller schützen. Zudem habe das Amtsgericht außer Betracht gelassen, dass sie Beschwerde gegen den tenorierten Umgang eingelegt habe; das Verfahren werde am 23. Januar 2023 verhandelt. Das Amtsgericht hätte den Ausgang des Beschwerdeverfahrens beim OLG abwarten müssen, bevor es einen Ordnungsgeldbeschluss für die Nichtgewährung von Umgangsterminen in der Vergangenheit erlasse.
Ihre Beschwerde gegen den Umgangsbeschluss vom 13. September 2022 hat die Kindesmutter zwischenzeitlich im Anhörungstermin zur Hauptsache vor dem 17. Senat zurückgenommen.
Der hiesigen sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 6. Februar 2023, auf den Bezug genommen wird, nicht abgeholfen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Kindesmutter hat keinen Erfolg.
Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die vollumfänglich zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und weist lediglich ergänzend noch einmal nachdrücklich auf Folgendes hin:
Soweit die Kindesmutter meint, der Umgang des Vaters mit G. sei kindeswohlgefährdend, ist dieser Einwand im vorliegenden Vollstreckungsverfahren unbeachtlich. Im - hier einschlägigen - Verfahren nach § 89 FamFG gilt der allgemeine vollstreckungsrechtliche Grundsatz, dass das Bestehen des vollstreckbaren Anspruchs grundsätzlich nicht mehr zu prüfen ist und dass nur eine Entscheidung über die Einstellung die Vollstreckung hindert. Der zur Gewährung des Umgangs verpflichtete Elternteil kann daher nicht einwenden, die Umgangsregelung sei nicht rechtens bzw. widerspreche dem Kindeswohl und müsse deshalb nicht beachtet werden (vgl. BGH FamRZ 2012, 533 ff; 2014, 732 ff; Sternal/Giers, 21. Aufl. 2023, FamFG § 89 Rn 8 m. w. N.).
Entgegen der Auffassung der Kindesmutter hätte das Amtsgericht auch nicht den Ausgang des in der Hauptsache laufenden Beschwerdeverfahrens abwarten müssen. Denn ein Umgangsbeschluss ist ungeachtet seiner Rechtskraft gem. § 40 f i. V. m. § 15 FamFG mit Bekanntgabe, d. h. mit Zustellung, an die/den Beteiligte/n wirksam und damit gem. § 86 Abs. 2 FamFG auch ohne weiteres und ohne Rücksicht auf eine etwaige Beschwerde vollstreckbar. Die Beschwerde hat insoweit keine aufschiebende Wirkung; lediglich eine gerichtliche angeordnete Außervollzugsetzung steht einer Vollstreckung entgegen. Selbst wenn aber die Vollstreckung später eingestellt oder die zu vollstreckende Entscheidung (ab)geändert wird, können Verstöße, die vor Wirksamwerden der Einstellung der Zwangsvollstreckung oder der (Ab)änderung begangen worden sind, nach § 89 FamFG noch geahndet werden (vgl. Sternal/Giers, a. a. O.). Erstinstanzliche Beschlüsse in Kindschaftssachen sind - sofern nicht gerichtlich die Außervollzugsetzung angeordnet worden ist - für die Beteiligten verbindlich und von den Beteiligten einzuhalten, auch wenn sie noch nicht rechtskräftig und mit der Beschwerde angefochten sind.
Mangels Erfolgs ihrer Beschwerde war der Kindesmutter auch die insoweit begehrte Verfahrenskostenhilfe zu versagen; §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 87 Abs. 5 i. V. m. § 84 FamFG.
Eine amtswegige Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren war nicht veranlasst, da die gerichtliche Festgebühr gem. Ziff. 1912 KV FamGKG angefallen ist (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 87 FamFG Rn 11).
Der Wert für die Bemessung der Anwaltsvergütung im Beschwerdeverfahren dürfte mit bis zu 500 € zu bemessen sein.