Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.12.2007, Az.: 13 A 4625/06

Aktualisierung; Aktualisierungsantrag; Anrechnung; Ausbildungsförderung; BaföG; Bewilligungszeitraum; Bindung; Einkommen; Einkommensteuerbescheid; Elterneinkommen; Rückforderung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
14.12.2007
Aktenzeichen
13 A 4625/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 71872
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Ämter für Ausbildungsförderung sind an bestandskräftige Einkommenssteuerbescheide, auch wenn sie auf Schätzungen beruhen, gebunden.
2. Nach Ende des Bewilligungszeitraums gestellte Aktualisierungsanträge sind nach § 24 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz BAföG nicht zu berücksichtigen; dies gilt auch, wenn der Auszubildende keine Kenntnis vom Ergehen eines Einkommenssteuerbescheides hatte.

Tenor:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen. Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

2

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor, weil eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung fehlt. Die angegriffenen Bescheide des Studentenwerkes ... vom 19. Januar 2004 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. September 2006 sind voraussichtlich rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hatte im hier streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum von Oktober 1999 bis September 2000 voraussichtlich keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und ist daher zur Erstattung der geleisteten Ausbildungsförderung verpflichtet.

3

Die Bescheide vom 19. Januar 2004 finden ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG. Nach dieser Vorschrift ist, wenn die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist, der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Rückforderungsbetrag zu erstatten, als Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist.

4

Das im Auftrag der Beklagten handelnde Studentenwerk Oldenburg bewilligte der Klägerin mit Bescheiden vom 8. Februar 2000 und vom 16. Oktober 2000 Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 905,00 DM bzw. 935,00 DM unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG sind voraussichtlich erfüllt, da die Klägerin im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung erfüllte.

5

Voraussichtlich zutreffend legte die Beklagte ihrer abschließenden Berechnung der Ausbildungsförderung mit Bescheiden vom 19. Januar 2004 das Einkommen der Eltern der Klägerin aus dem Jahr 1997 zugrunde. Dies beruht auf § 24 Abs. 1 BAföG. Nach dieser Regelung sind für die Anrechnung des Einkommens der Eltern und des Ehegatten des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend. Die Einkommensverhältnisse des Vaters der Klägerin - die Mutter der Klägerin verfügte unbestritten über kein Einkommen im Kalenderjahr 1997 - ergeben sich aus dem Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes ... vom 6. Dezember 1999. Das Finanzamt ... teilte dem Studentenwerk ... mit Schreiben vom 10. Oktober 2003 mit, dass der Vater der Klägerin im Jahr 1997 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 350.000,00 DM gehabt habe. Da er darüber hinaus noch weitere Einnahmen, insbesondere aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung gehabt habe, gab das Finanzamt ... die Einkünfte mit insgesamt 363.900,00 DM an. Darauf seien vom Vater der Klägerin 151.762,00 DM Steuern zu zahlen gewesen. Das somit verbleibende Einkommen des Vaters der Klägerin in Höhe von 212.138,00 DM reichte auch unter Berücksichtigung der Absetzungsbeträge nach § 21 BAföG und der Freibeträge nach § 25 BAföG bei weitem aus, um den Bedarf der Klägerin im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum zu decken. Nach Mitteilung des Finanzamtes, die die Klägerin nicht in Zweifel zieht, ist der Einkommenssteuerbescheid vom 6. Dezember 1999 bestandskräftig geworden.

6

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, ihr Vater habe im Kalenderjahr 1997 über kein Einkommen verfügt, so kann sie damit nicht gehört werden. Die Ämter der Ausbildungsförderung sind an einen bestandskräftigen Steuerbescheid, auch wenn er auf Schätzungen - wie hier - beruht, gebunden. Der tragende Grund für diese besondere Bindungswirkung der Ämter für Ausbildungsförderung an den Inhalt von Einkommenssteuerbescheiden ist vor allem § 21 Abs. 1 BAföG, mit dem der Gesetzgeber auf die Entwicklung eines eigenständigen förderungsrechtlichen Einkommensbegriffs verzichtet hat. Über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 Satz 3 BAföG hinaus wird der Regelung des § 21 BAföG allgemein entnommen, dass die Förderungsämter überhaupt bei der Frage der Anrechnung von Einkommen im Sinne von § 21 BAföG an einen endgültigen, bestandskräftigen Steuerbescheid gebunden sind (BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1993 - 11 C 9.92 -, BVerwGE 92, 272 sowie Ramsauer/Stallbaum/Sternal, Kommentar zum BAföG, 4. Auflage, § 24 Rn. 4).

7

Entgegen der Auffassung der Klägerin war vorliegend nicht das Einkommen ihrer Eltern im Bewilligungszeitraum zugrunde zu legen. Eine solche Möglichkeit eröffnet nur § 24 Abs. 3 BAföG. Nach dieser Regelung ist auf besonderen Antrag des Auszubildenden bei der Anrechnung des Einkommens der Eltern und des Ehegatten des Auszubildenden von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen, wenn das Einkommen in diesem Zeitraum voraussichtlich wesentlich niedriger ist als in dem nach § 24 Abs. 1 BAföG grundsätzlich maßgeblichen Zeitraum des vorletzten Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums (sog. Aktualisierungsantrag). Nach § 24 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz BAföG werden nach Ende des Bewilligungszeitraums gestellte Aktualisierungsanträge nicht berücksichtigt. Einen Aktualisierungsantrag hat die Klägerin nicht bzw. nicht rechtzeitig gestellt.

8

Das Schreiben ihrer Eltern vom 20. Oktober 1999 stellt nach Auffassung des Einzelrichters einen berücksichtigungsfähigen Aktualisierungsantrag nicht dar. Entgegen dem unmissverständlichen Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG handelt es sich schon nicht um eine Erklärung der Klägerin, sondern um eine solche ihrer Eltern bzw. ihres Vaters. Bereits unter diesem Gesichtspunkt kann es sich nicht um einen berücksichtigungsfähigen Aktualisierungsantrag gehandelt haben. Aber auch der Sache nach handelte es sich voraussichtlich nicht um einen Antrag nach § 24 Abs. 3 BAföG. Für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als Antragstellung zu werten ist, gelten die allgemeinen Rechtsgrundsätze für Willenserklärungen. Es ist, auch unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Klägerin und der näheren Umstände, zu würdigen, ob die Beklagte die Handlungsweise der Klägerin bei verständiger Würdigung als Antragstellung ansehen musste. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Schreiben vom 20. Oktober 1999 war eine Anlage zur Erklärung des Vaters der Klägerin zu seinem Einkommen. In dieser Erklärung führte der Vater der Klägerin aus, dass er Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Firma ... GmbH gewesen sei. Als solchem habe ihm ein monatliches Gehalt zugestanden, welches ihm die Firma ... GmbH aber nicht habe zahlen können, da sie in akute finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Mit diesen Ausführungen machte der Vater der Klägerin nicht hinreichend deutlich, dass sie sich auf das Jahr 1999 beziehen sollen; zumal sich die von der Beklagten abgefragten Einkommensverhältnisse ausdrücklich auf das Kalenderjahr 1997 bezogen. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass sich seine Einkommensverhältnisse des Jahres 1999 in wesentlicher Hinsicht von denen im Kalenderjahr 1997 unterscheiden sollen. Da der Vater der Klägerin im weiteren erklärt, dass die Firma ... GmbH später in Konkurs gegangen sei und sich dadurch seine finanzielle Situation noch weiter verschlechtert habe, musste das Studentenwerk ... bei verständiger Würdigung davon ausgehen, dass sich diese Ausführungen auf das Kalenderjahr 1997 bezogen.

9

Auch indem die Klägerin die Steuererklärung ihrer Eltern aus dem Jahr 1997 beim Studentenwerk ... vorlegte, stellte sie keinen Aktualisierungsantrag. In dieser Steuererklärung gab der Vater der Klägerin an, dass er als Geschäftsführer der ... GmbH keinen Arbeitslohn erhalten habe (dortige Anlage N). Bei dieser Sachlage bestand für das Studentenwerk ... kein Anlass, die Klägerin nach §§ 14 Satz 1, 16 Abs. 3 SGB I auf die Möglichkeit der Stellung eines Aktualisierungsantrages hinzuweisen, da sich eine Besserstellung der Klägerin durch die Zugrundelegung des Einkommens ihrer Eltern im Jahr 1999 dadurch offensichtlich nicht erreichen ließ. Vielmehr bestand die Gefahr, dass das Einkommen der Eltern im Jahr 1999 höher war und sich die Klägerin dann unabänderlich schlechter gestellt hätte.

10

Die später von der Klägerin mit Schreiben vom 22. Januar 2004 und vom 11. Februar 2004 gestellten Aktualisierungsanträge waren nicht mehr fristgemäß und daher von der Beklagten nicht mehr zu berücksichtigen. Dies beruht auf § 24 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz BAföG, wonach nach Ende des Bewilligungszeitraums gestellte Aktualisierungsanträge nicht zu berücksichtigen sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Klägerin Kenntnis vom Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes ... an ihre Eltern vom 6. Dezember 1999 hatte. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2004 - 5 C 31.03 -, BVerwGE 121, 245).

11

Bei dieser Sach- und Rechtslage waren hinreichende Erfolgsaussichten für die Rechtsverfolgung nicht zu erkennen und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe daher abzulehnen.