Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 04.12.2007, Az.: 1 A 4326/06
Anspruch; Aushub; Baggergut; Behörde; Einbringung; Erdmasse; Erlaubnis; Ermessen; Ermessenentscheidung; Ermessensfehler; Ermessensnichtgebrauch; Genehmigung; Gewässer; HABAB; Handlungsanweisung; Oberflächengewässer; Regelwerk; Stoff; TBT; Verbringung; Verbringung; Verklappung; wasserrechtliche Genehmigung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 04.12.2007
- Aktenzeichen
- 1 A 4326/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71863
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 WasG ND
- § 8 Abs 1 WasG ND
- § 64b Abs 3 WasG ND
- § 2 WHG
- § 6 WHG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die unteren Wasserbehörden haben die HABAB-WSV als Regelwerk bei ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit von Umlagerung von Baggergut zu berücksichtigen.
Auch wenn die Schadstoffgrenzen der HABAB-WSV eingehalten werden, besteht kein Rechtsanspruch auf Genehmigung für das Einbringen von Baggergut in öffentliche Gewässer.
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 27. April 2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 21. August 2006 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verbringung von Baggergut aus einem Sportboothafen in die Unterweser.
Der Kläger betreibt seit einigen Jahren den Sportboothafen U. in der Stadt A.. Da der Hafen seit längerer Zeit nicht mehr ausgebaggert wurde, haben sich dicke Sedimentschichten abgelagert, so dass einige Liegeplätze nicht mehr benutzbar sind.
Der Kläger beantragte im November 2004 beim Beklagten eine wasserrechtliche Genehmigung für die Einbringung von Baggergut in die Weser bei Kilometer 33,095 bis 33,161 südlich des Harriersandes. Für diesen Bereich hatte das Wasser- und Schifffahrtsamt Bremen eine Unterbringungsmöglichkeit von etwa 10.000 m³ Baggergut bestätigt. Dem Antrag war ein Gutachten über die Untersuchungen an Sedimenten aus dem Bereich des Sportboothafens A./U. des limnologischen Instituts Dr. N. vom 23. März 2004 beigefügt. Weiter wurde eine Stellungnahme der Bundesanstalt für Gewässerkunde vom 5. November 2004 vorgelegt. Nach den Gutachten wären bei einer Umlagerung der Sedimente aus dem U. Hafen keine nachteiligen Auswirkungen auf das Gewässer zu erwarten. Besonders wurde der Gehalt von Tributylzinn (TBT) behandelt. Nach der Stellungnahme der Bundesanstalt für Gewässerkunde vom 5. November 2004 war die TBT-Belastung des Baggerguts im Vergleich zur TBT-Belastung anderer Häfen als gering einzustufen. Sie liege im Bereich des unteren Richtwerts R 1. Deshalb sei die Umlagerung in die Weser unbedenklich. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16. Februar 2005 führte die Bundesanstalt für Gewässerkunde aus, die Verklappung werde nur geringfügige kurzzeitige Ablagerungen hervorrufen und nur zu sehr geringen Beeinträchtigungen der Fischfauna der Unterweser führen. Eine Minimierung dieser sehr geringen Beeinträchtigungen könne durch die Verbringung im Winter erreicht werden. Es sei nicht wahrscheinlich, dass sich das verbrachte Material dauerhaft im Verklappungsbereich ablagern werde. Deshalb sei eine Änderung der Sohlstruktur, die Grund für die Empfehlung „gleiches Korn zu gleichem Korn“ sei, nicht zu befürchten. Das NLWKN meldete in dieser Hinsicht erhebliche Bedenken an. Das Baggergut sei zwar nicht belastet, aber als Füllmaterial ungeeignet, weil Material mit sehr geringer Korndichte auf eine Sohle mit größerer Korndichte abgelagert werden sollte. Das Landesamt für Ökologie erhob keine grundsätzlichen Einwendungen. Mögliche Beeinträchtigungen könnten durch Auflagen minimiert oder verhindert werden. Weil jedoch insbesondere einige Städte und auch zwei Landkreise rechts der Weser Bedenken anmeldeten, verlegte der Kläger die vorgesehen Verklappungsstellen weseraufwärts nach Flusskilometer 34,250, 35,400 und 36,800 nördlich der Abzweigung des rechten Weserarms. Dem Antrag war ein umfangreiches Gutachten auch zur Abschätzung der Wirkungen auf die Umwelt beigefügt. Danach waren in den angrenzenden FFH und Vogelschutzgebieten keine Beeinträchtigungen und an den Verklappungsstellen keine erheblichen Beeinträchtigungen zu erwarten. Der Beklagte erörterte den Antrag mit Wasser- und Bodenverbänden, Städten und Landkreisen, die sich überwiegend sehr ablehnend äußerten. Die Fachverwaltung des Beklagten hielt die Einwendungen für unbegründet, weil nach den vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen Versagungsgründe nicht gegeben seien. Insbesondere durch eine Verklappung im Winter könnten die Beeinträchtigungen soweit minimiert werden, dass der Zulässigkeit des Vorhabens nichts entgegen stehe. Die vergleichsweise sehr geringe Einbringungsmenge sei nach den technischen Regelwerten ohne Einfluss auf die Gewässergüte. Eine Beeinträchtigung der Vogelschutz-, Naturschutzgebiete und FFH-Gebiete sei nicht zu befürchten.
Wegen der Bedeutung der Angelegenheit wurde der Antrag dem Kreisausschuss des Beklagten zur Entscheidung vorgelegt, der die Erlaubnis für das Einbringen des Baggergutes in seiner Sitzung vom 18. Januar 2006 ablehnte. Auch das Niedersächsische Umweltministerium empfahl, die Genehmigung nicht zu erteilen, weil das Hafensediment stark mit TBT verunreinigt und nicht auszuschließen sei, dass es zu Beeinträchtigungen am H. komme. Der Beklagte wies darauf hin, dass die TBT-Belastung innerhalb des Rahmens der HABAB liege. Der Landrat des Beklagten hielt den Beschluss des Kreisausschusses zwar für rechtswidrig, erließ aber unter dem 27. April 2006 den ablehnenden Bescheid an den Kläger. Die Erlaubnis sei nach § 8 NWG zu versagen, weil Beeinträchtigungen durch TBT-Belastung nicht ausgeschlossen werden könnten. Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein. Die TBT-Belastung sei verkannt worden und die ausführlichen Gutachten seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Verklappungsmenge sei unbedeutend im Verhältnis zu der Menge, die jeden Tag von der Weser durch Gezeitenströmung transportiert werde. Der Landrat schlug dem Kreisausschuss vor, dem Widerspruch stattzugeben. Auf seiner Sitzung am 10. Juli 2007 lehnte der Kreisausschuss diesen Vorschlag jedoch ab und wies den Widerspruch zurück. Unter dem 21. August 2006 erließ der Landrat den Widerspruchsbescheid. Die Belastungen und Beeinträchtigungen seien zwar geringfügig, führten aber zu einer zusätzlichen und vermeidbaren Zufuhr von Schadstoffen in ein sensibles Ökosystem, das vor dem Hintergrund allgemeiner Bestrebungen, die Belastung der Gewässer weiter zu reduzieren, vor solchen schädlichen Einbringungen geschützt werden müsse. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis bestehe nicht.
Am 20. September 2006 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Genehmigung der Einbringung von Baggergut in die Weser weiter verfolgt. Schon formell sei der Widerspruchsbescheid rechtswidrig, weil er nicht erkennen lasse, ob Ermessen ausgeübt worden sei. Der Beklagte habe im Verwaltungsverfahren zu erkennen gegeben, dass Versagungsgründe nicht vorlägen, behaupte jedoch in den Bescheiden, dass Gefährdungen durch die Ablagerung eintreten würden. Dem Kläger müsse die beantragte Erlaubnis erteilt werden. Versagungsgründe lägen nicht vor. Sachgerechte Ermessensgründe zur Ablehnung der Erlaubnis seien nicht erkennbar. Aus allen Gutachten, deren Richtigkeit auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen werde, ergebe sich, dass insbesondere die TBT-Belastung einer Umlagerung des Baggergutes nicht entgegen stehe und unter den künftigen niedrigsten Grenzwerten liege. Eine Verklappung im Winter und bei Hochwasser bringe keine Beeinträchtigung der Gewässergüte oder der Flora und der Fauna mit sich. Die Befürchtungen hinsichtlich der Benutzung der Badestellen oder des Wassers als Viehtränke oder Auswirkungen auf die Landschafts- und Naturschutzgebiete seien schon wegen der geringen Menge des Baggerguts nicht zu begründen. Allein ein 170 m langes Schiff setze bei seiner Durchfahrt durch die Weser mehr TBT frei als durch das Baggergut des Klägers eingebracht werden. Im Übrigen sei die Annahme des Beklagten von der Addierung der Schadstoffbelastung unzutreffend. Die sachkundige Stellungnahme der Bundesanstalt für Gewässerkunde lasse keinerlei Zweifel an der Zulässigkeit der Umlagerung des Baggergutes. Der Beklagte habe die Situation des Klägers überhaupt nicht berücksichtigt. Die Verbringung des Baggergutes in die Unterweser sei die einzig wirtschaftlich vertretbare Möglichkeit, den Hafen betriebsfähig zu halten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 27. April 2006 und seines Widerspruchsbescheides vom 21. August 2006 zu verpflichten, dem Kläger die wasserrechtliche Erlaubnis zum Einbringen von Baggergut in die Weser bei Stromkilometer 34,26 bis 36,80 zu erteilen sowie
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seiner Ansicht nach ist die Erlaubnis zu versagen, weil das Wohl der Allgemeinheit durch die beabsichtigte Einbringung des Baggergutes beeinträchtigt wird, auch wenn die Schadstoffbelastung, insbesondere mit TBT, unterhalb der Grenzwerte der HABAB lägen und damit als geringfügig einzuschätzen seien. Die auch geringfügige Belastung sei zu den bereits vorhandenen Belastungen der Weser aufzuaddieren. TBT sei ein hochgiftiger und sehr langlebiger Schadstoff, der sich im Nahrungskreislauf anreichere und auch dem Menschen gefährlich werden könne. Im Übrigen seien die in den HABAB angenommenen Grenzwerte viel zu hoch. Maßgebliche Stimmen träten für eine erhebliche Reduzierung der Schadstoffbelastung durch TBT ein. Die zu befürchtenden Beeinträchtigungen könnten auch durch Auflagen nicht vermindert oder vermieden werden. Die Wasserbehörden seien gehalten, die Wassergüte zu verbessern und auch die Belange des Tourismus und dabei insbesondere den Badebetrieb auf dem H. zu beachten und zu fördern. Besonders der Tourismus werde in Mitleidenschaft gezogen. Die Bevölkerung sei beunruhigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verfahrensakte und auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat mit dem Hilfsantrag Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Deshalb sind der Bescheid des Beklagten vom 27 April 2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 21. August 2006 aufzuheben.
Rechtsgrundlage für die Entscheidung sind §§ 2 und 6 Wasserhaushaltsgesetz in der Fassung vom 19. August 2002 mit der letzten Änderung vom 10. Mai 2007 (BGBl. S. 666) - WHG -, und §§ 3 und 8 Niedersächsische Wassergesetz in der Fassung der letzten Änderung vom 26. April 2007 (Nds. GVBl. S. 144) - NWG -. Der Kläger benötigt für die Verbringung von Baggergut aus dem Hafen in A. /U. in die Unterweser zwischen Stromkilometer 34 und 37 eine wasserrechtliche Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 4 NWG (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs.1 Nr. 4 WHG). Er will ein oberirdisches Gewässer außerhalb der Küstengewässer nutzen, in das er Stoffe einbringt. Für das Einbringen von festen Stoffen in ein oberirdisches Gewässer kann eine Erlaubnis nach § 8 NWG (6 Abs. 1 WHG) erteilt werden. Eine Bewilligung als Verleihung eines Rechts nach § 13 Abs. 1 NWG scheidet für die Einbringung von festen Stoffen in ein Gewässer aus.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Der Kreisausschuss war gemäß § 51 Abs. 2 NLO für die Entscheidung über die Erlaubnis funktionell zuständig. Die Zuständigkeit des Kreisausschusses ist nicht auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises beschränkt. Auch für die Widerspruchsentscheidung ist der Kreisausschuss - und nicht der Kreistag - zuständig (vgl. Thiele, Nds. Gemeindeordnung, 7. Aufl., § 57 Anm. 5). Die angefochtenen Bescheide entsprechen auch den Anforderungen von § 39 VwVfG. Sie enthalten die wesentlichen Gründe für die Ablehnung der Erlaubnis.
Die Bescheide sind aber materiell rechtswidrig, weil zwingende Versagungsgründe nicht gegeben sind und über den Antrag des Klägers nach Ermessen hätte entschieden werden müssen.
Die Erlaubnis ist nach § 8 Abs. 1 NWG (6 Abs. 1 WHG) zwingend zu versagen, wenn eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist, die nicht durch Auflagen oder hoheitliche Maßnahmen verhütet oder ausgeglichen werden kann. Der Begriff des Wohls der Allgemeinheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff mit uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Ob eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist, muss aufgrund einer konkreten Einzelfallbetrachtung unter Beachtung der in § 2 NWG (§ 1a WHG) enthaltenen Grundsätze entschieden werden. Danach sind unter anderem die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Der Gesetzgeber stellt dabei bewusst die Sicherung der ökologischen Gewässerfunktion in den Vordergrund und nicht die Ausnutzung natürlicher Ressourcen zugunsten der Menschen. Nachteilige Veränderungen der Tier- und Pflanzenwelt beeinträchtigen damit das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 8 Abs. 1 NWG (§ 6 WHG). Damit wird auch im Wasserrecht die Natur in erster Linie um ihrer selbst willen geschützt und nicht als Erwerbsgrundlage von Naturnutzern (BVerwG, Beschluss vom 6. September 2004 - 7 B 62/04 - juris). Von Bedeutung bei der Begriffsbestimmung kann auch das Verschlechterungsverbot in § 64 b Abs. 3 NWG sein, das schon bei Erlass der angefochtenen Bescheide galt. Trotz des weiten Definitionsbereichs des Begriffs des Wohls der Allgemeinheit, dessen Grenzen hier nicht im Einzelnen zu bestimmen sind, gehören wirtschaftliche Belange des Tourismus und die Akzeptanz der Maßnahme durch die Bevölkerung nicht dazu.
Die Einbringung von Stoffen kann zu einer Beeinträchtigung des Gewässers und seiner Funktion sowie der in § 1 a WHG aufgeführten Belange führen, wobei nicht nur auf die Schadstoffbelastung abzustellen ist. Ob im Einzelfall eine Benutzung des Gewässers für die Umlagerung von Baggergut zulässig ist, kann auf Grund der Handlungsanweisungen für den Umgang mit Baggergut im Binnenland (HABAB-WSV) entscheiden werden, die von der Bundesanstalt für Gewässerkunde entwickelt und in der 2. überarbeiteten Fassung vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit Erlass vom 8. August 2000 in Kraft gesetzt worden sind. Die HABAB-WSV berücksichtigen die Auswirkungen auf den Gewässerboden, auf Flora und Fauna und auf die Gewässergüte und schreiben ein sehr detailliertes Prüfungsprogramm vor. Für die Zulässigkeit der zu erwartenden Schadstoffbelastung kommt es entscheidend darauf an, inwieweit die mittlere Konzentration eines einzelnen Schadstoffes im Baggergut die mittlere Schadstoffkonzentration des Sediments im Bereich der Ablagerungsstelle überschreitet. Das Baggergut kann danach umgelagert werden, wenn die Konzentration eines Schadstoffes nicht den 1,5-fachen Wert der mittleren Schadstoffkonzentration des Sediments im Bereich der Ablagerungsstelle überschreitet (Fall 1). Wenn die mittlere Konzentration unterhalb des 3-fachen Werts der Schadstoffkonzentration im Sediment im Bereich der Ablagerungsstelle bleibt, ist über die Umlagerung im Einzelfall zu entscheiden und möglich, wenn keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen zu erwarten sind (Fall 2). Bei einer Überschreitung des 3-fachen Werts der Schadstoffkonzentration im Ablagerungsbereich darf das Baggergut grundsätzlich nicht umgelagert werden (Fall 3). Wesentliche Grundlage für die Annahmen der HABAB zum Schadstoffeintrag ist das Verschlechterungsverbot (Bundesanstalt für Gewässerkunde, Kommentar zur HABAB-WSV 5.4.4.2). Das in die fließende Welle umgelagerte Baggergut soll nicht höher mit Schadstoffen belastet sein als die Schadstoffkonzentration in dem entsprechenden Gewässerabschnitt.
Die HABAB sind für den Beklagten als Behörde der mittelbaren Landesverwaltung allerdings nicht verbindlich. Sie sind vom zuständigen Bundesministerium erlassen und den Wasser- und Schifffahrtsbehörden des Bundes zur Befolgung übersandt worden. Die Landesbehörden haben die Handlungsanweisungen lediglich zur Kenntnisnahme erhalten. Als Verwaltungsvorschrift binden sie im Rahmen der Fachaufsicht die Bundesbehörden, nicht aber die Landesbehörden. Sie sind ein Planungs- und Entscheidungsinstrument der (Bundes)behörden bei der Durchführen der ihnen obliegenden Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen an Bundeswasserstraßen außerhalb des Küstenbereichs. Dennoch sind die in der HABAB enthaltenen Grenzwerte inhaltlich auch von den Landesbehörden als Regelwerk zu berücksichtigen. Sie enthalten fachlich begründete materielle Bestimmungen über die Zulässigkeit von Gewässerbelastungen als Folge von Baggerarbeiten im Allgemeininteresse.
Unter Anwendung der in der HABAB 5.4.4.2 enthaltenen chemischen Kriterien ist die Ablagerung wegen der TBT-Belastung zulässig. Danach kann Baggergut umgelagert werden, wenn die mittlere Konzentration jedes einzelnen Schadstoffes im Baggergut nicht den 1,5-fachen Wert der mittleren Schadstoffkonzentration im Bereich der Ablagerungsstelle überschreitet. Die TBT-Belastungen sind im Gutachten des Limnologischen Instituts Dr. Nowack vom 23. März 2004, das damals noch im Auftrag des Eigenbetriebs der Stadt Achim erstellt wurde, nachgewiesen. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 5. November 2004 ausgeführt, dass hinsichtlich der TBT-Belastung eine Umlagerung nach HABAB als Fall 1 einzustufen ist und deshalb im Ablagerungsbereich unbedenklich ist. Auch der Beklagte geht davon aus, dass die vorgesehen Grenzwerte eingehalten werden. Nach Auswertung der Messergebnisse und Gutachten legt das Bundesamt für Gewässerkunde einen Wert von weniger als 20 µg Kg/TS im Hafensediment zu Grunde. Da im Verbringungsbereich eine mittlere Konzentration von über 100 µg Kg/TS gemessen wird, führt die Einbringung des Baggergutes nicht zu einer nach HABAB-WSV bedenklichen Veränderung der chemischen Gewässergüte bezüglich der TBT-Belastung. Nicht nur die Relation des einzubringenden Schadstoffes zu dem bereits vorhandenen ist nach der HABAB-WSV unbedenklich. Auch nach den TBT-Richtwerten für Umlagerung von Baggergut im Küstenbereich können Konzentrationen von 20 µg TBT/Kg TS auch nach langfristiger Konzeption zur Schadstoffverminderung umgelagert werden. Dieser Wert ist nach 3.4 des Schadkatasters für Sediment und Baggergut (Bundesanstalt für Gewässerkunde März 2003) nach ökotoxikologischen Kriterien festgelegt, während der höhere Wert R2, der auch noch eine Umlagerung von TBT-haltigem Material zulässt, die derzeitigen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigt und erst im Laufe der Zeit auf 60 µg TBT/Kg abgesenkt werden soll. Die im Hafensediment vom Bundesamt für Gewässerkunde berechneten TBT-Konzentrationen können somit nach den von sachkundigen Stellen aufgestellten Regelwerken eine Versagung der Genehmigung aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit nicht rechtfertigen.
Die Einwendung des NLWKN, das schlammige Baggergut vertrage sich nicht mit der Bodenbeschaffenheit an der Ablagerungsstelle, weil grundsätzlich Korngröße zu Korngröße passen müsse, führt ebenfalls nicht zur zwingenden Versagung. Dazu hat die Bundesanstalt für Gewässerkunde ausgeführt, die Verklappung von 10.000 m³ Baggergut rufe nur geringfügige kurzzeitige Ablagerungen hervor, weil das Material entweder sofort entlang der Stromwege verdriftet oder kurzzeitig an der Sohle abgelagert und innerhalb weniger Tiden resuspendiert werde. Die befürchtete Trübung des Wasser hält die Bundesanstalt für Gewässerkunde für unmaßgeblich. Die von den Anliegergemeinden behaupteten Beeinträchtigungen der Badestellen und Auswirkungen auf die Fischpopulation könnten durch Festlegung einer Ausschlusszeit für die Verbringung von Anfang Mai bis Ende Juni gemindert oder vermieden werden.
Auch aus § 8 Abs. 2 NWG lässt sich ein zwingender Versagungsgrund nicht herleiten. Danach ist die Erlaubnis zu versagen, wenn von der beabsichtigten Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung eines FFH-Gebietes, eines Vogelschutzgebietes oder eines Konzertierungsgebietes im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes zu erwarten ist. Dazu ist ein umfangreiches Gutachten der Küfog-GmbH, Bio-Consult und Dr. N. vom Oktober 2005 vorgelegt worden, das vom Beklagten fachkundig geprüft und bestätigt worden ist. Danach sind erhebliche Beeinträchtigungen für die in § 8 Abs. 2 NWG aufgeführten Gebiete nicht zu erwarten. Soweit das NLWKN in seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 2004 Bedenken äußerte, sind diese durch die ergänzende Stellungnahme des Bundesamtes für Gewässerkunde vom 16. Februar 2005 behandelt und ausgeräumt. Insbesondere die verhältnismäßig geringe Menge des Baggergutes und der vorgesehene Verbringungszeitpunkt im Winter lassen die nach § 8 Abs. 2 NWG abzuwendende Beeinträchtigung nicht erwarten.
Aber auch wenn zwingende Versagungsgründe nach § 8 NWG nicht gegeben sind, besteht für den Kläger kein Anspruch auf die beantragte Erlaubnis. Die Erteilung einer nach § 3 Abs. 1 i.v.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 NWG erforderlichen Erlaubnis steht im Ermessen des Beklagten. Ein Rechtsanspruch auf Erlaubnis besteht nach dem NWG nicht (Haupt/Reffken/Rhode, NWG, Kommentar § 8 Anm. 2). Eine „Ermessensreduzierung auf Null“ ist nicht gegeben. Die Bewirtschaftung der Gewässer hat im Allgemeininteresse zu erfolgen. Private Rechtsansprüche bestehen deshalb außer in den gesetzlich bestimmten Fällen nicht. Dass die zuständige Wasserstraßenverwaltung dem Kläger Stellen für die Verklappung zugewiesen hat, gibt ihm keinen Anspruch auf Genehmigung durch den Beklagten. Die WSD bzw. das WSA entscheidet nur nach strompolizeilichen Erwägungen.
Mangels eines Rechtsanspruchs kann die Klage auf Erteilung der Erlaubnis keinen Erfolg haben. Da der Beklagte das ihm zustehende Ermessen aber noch nicht ausgeübt hat, muss er unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag entscheiden.
Der Beklagte hat sich gehindert gesehen, in eine Ermessensbetätigung einzusteigen, weil er zwingende Versagungsgründe annahm, die eine Erteilung ausschließen. Zwar ist der Widerspruchsbescheid in seiner Begründung nicht eindeutig. Er enthält auch Elemente, die einer Abwägung bei Ermessensausübung zuzuordnen sein könnten. Im Schriftsatz vom 15. Dezember 2006 ist jedoch ausdrücklich vorgetragen, dass kein Ermessen ausgeübt worden sei, weil das per Gesetz nicht zugelassen sei. In der mündlichen Verhandlung ist dieser Standpunkt vom Beklagten bestätigt worden. Man sei aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit zwingend zur Ablehnung verpflichtet. Dieser Ermessensausfall führt zum Anspruch auf Neubescheidung. Dabei wird der Beklagte unter sachgerechter Beurteilung der vorliegenden Messdaten und Gutachten das Interesse des Klägers am Betrieb seines Sportbootshafens mit dem Allgemeininteresse an der Verfügbarkeit von öffentlichen Gewässern für die Einbringung von Baggergut abzuwägen haben. Dabei mag es rechtlich nicht ausgeschlossen sein, an eine Verbringung von Baggergut aus Sportboothäfen strengere Anforderung an die Gewässerbenutzung zu stellen als an Ausbaggerungen, die im öffentlichen Interesse an der Schiffbarkeit von Bundeswasserstraßen erforderlich sind. Aus den Regelwerken zur Zulässigkeit von Ausbaggerungen an Bundeswasserstraßen kann nicht zwingend ein Anspruch abgeleitet werden, unter gleichen Bedingungen auch Baggergut aus privatwirtschaftlich genutzten Gewässern, die nicht Bestandteil der Bundeswasserstraße sind, ablagern bzw. entsorgen zu dürfen.
Bei der Ermessensentscheidung sind die Anforderungen des § 40 VwVfG zu beachten. Da die wasserrechtliche Erlaubnis nicht als Planfeststellung ausgestaltet ist, gelten nicht die Anforderungen und Voraussetzungen, die für das Planfeststellungsverfahren und das Planungsermessen entwickelt worden sind. Der Beklagte hat zwar ein recht aufwendiges Verfahren durchgeführt und auch Trägern öffentlicher Belange die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Diskussion gegeben, wie sie auch im Planfeststellungsverfahren vorgesehen sind. Dennoch war hier kein Planfeststellungsverfahren durchzuführen und es ist auch keines durchgeführt worden. Vielmehr diente das Verfahren der Ermittlung von Erkenntnissen über die Auswirkungen des Eingriffs in den Wasserhaushalt und sollte auch Akzeptanz bei den Gebietskörperschaften und Verbänden schaffen.