Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 17.04.2002, Az.: 5 A 18/01

Dringlichkeit; Lebensmittel; LKW; Sonn- u. Feiertagsfahrverbot

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
17.04.2002
Aktenzeichen
5 A 18/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot für LKW kommt nur in besonders dringenden Fällen in Betracht. An den Nachweis der Dringlichkeit sind strenge Anforderungen zu stellen.

Tatbestand:

1

Der Kläger betreibt den Güternah- und -fernverkehr. Mit Schreiben vom 26. September 2000 beantragte er bei dem Beklagten die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verbot des § 30 Abs. 3 StVO (Sonntagsfahrverbot für Lkw) für sein Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen E. und den Anhänger mit dem Kennzeichen F. zum Zwecke der Beförderung von Kartoffeln, Zwiebeln, Gemüse und Getreide zu verschiedenen Abpackbetrieben, Großhandelszentren und zur gemüseverarbeitenden Industrie in ganz Deutschland. Die Ausnahmegenehmigung sollte ganzjährig erteilt werden.

2

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. September 2000 ab und führte zur Begründung aus, dass der Landkreis G. dem Kläger in der Vergangenheit irrtümlich entsprechende Ausnahmegenehmigungen erteilt habe. Es sei übersehen worden, dass der Landkreis G. für das in Rede stehende Fahrzeug örtlich unzuständig gewesen sei. Der Landkreis G. habe inzwischen bestätigt, dass auch dort keine Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot für den Transport von Kartoffeln ausgestellt würden. Die Landkreise seien von der Aufsichtsbehörde angewiesen worden, die Bestimmungen restriktiv auszulegen. Mit Ausnahme von Frühkartoffeln gehörten die Kartoffeln, die jetzt zur Beförderung anstünden, nicht zu den leicht verderblichen Lebensmitteln. Die beantragte Ausnahmegenehmigung könne auch aus Gründen der Gleichbehandlung nicht erteilt werden.

3

Der Kläger legte am 8. Oktober 2000 Widerspruch ein, den die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2001 mit der Begründung zurückwies, dass die begehrte Ausnahmegenehmigung nur in besonders dringenden Fällen erteilt werden könne. Hierzu gehöre u. a. der Transport von leicht verderblichen Lebensmitteln zur Versorgung der Bevölkerung. Zu diesen gehörten lediglich Frühkartoffeln, die unmittelbar nach ihrer Ernte vom 1. Januar bis zum 31. August verladen würden, nicht aber andere Kartoffeln sowie Zwiebeln, Gemüse und Getreide.

4

Der Kläger hat am 6. März 2001 Klage erhoben. Er trägt vor, dass er seit 1995 Transporte für ein Unternehmen im Landkreis G. durchführe. Die begehrte Ausnahmegenehmigung habe er bisher beim Landkreis G. beantragt und auch erhalten. Er halte die Ungleichbehandlung in der Rechtsanwendung für fehlerhaft und wettbewerbsfeindlich. Sein Auftraggeber setze nur solche Spediteure ein, die auch an Sonn- und Feiertagen Lebensmitteltransporte durchführen könnten. Durch die Entscheidung des Beklagten sei seine wirtschaftliche Existenz gefährdet.

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Der Kläger beantragt,

6

den Bescheid des Beklagten vom 28. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 9. Januar 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm die beantragte Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot zu erteilen.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er hält die Ablehnung des klägerischen Begehrens für rechtmäßig.

10

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Lüneburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

12

Der Bescheid des Beklagten vom 28. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 9. Januar 2001 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Ausnahmegenehmigung.

13

Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot gem. § 30 Abs. 3 StVO genehmigen. Nach dieser Vorschrift dürfen an Sonntagen und Feiertagen in der Zeit von 0.00 Uhr bis 22.00 Uhr Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t sowie Anhänger hinter Lastkraftwagen nicht verkehren. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 a - d StVO gilt das Verbot u. a. nicht für die Beförderung von frischer Milch und frischen Milcherzeugnissen, frischem Fleisch und frischen Fleischerzeugnissen, frischen Fischen, lebenden Fischen und frischen Fischereierzeugnissen sowie leicht verderblichem Obst und Gemüse. Die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 StVO steht im Ermessen der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, das nach § 114 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle dahin unterliegt, ob der Behörde Ermessensfehler unterlaufen sind. Sie kommt nur in besonders dringenden Fällen in Betracht, wobei an den Nachweis solcher Dringlichkeit strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 46 StVO, abgedruckt in Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 46 Rdnr. 4 ff.; Jagusch/Hentschel, a.a.O., Rdnr. 23 m. w. N.).

14

Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger die begehrte Ausnahmegenehmigung nicht zu erteilen, ist nach diesen Maßstäben rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die erforderliche besondere Dringlichkeit für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht dargetan. Sein Antrag ist auf die Genehmigung des Transports von Kartoffeln, Zwiebeln, Gemüse und Getreide mit seinem Lkw E. mit Anhänger an Sonntagen und Feiertagen gerichtet, ohne dass er hinreichend begründet hätte, warum der Transport dieser Güter gerade an Sonn- und Feiertagen erforderlich und der Beförderung von Frischprodukten und leicht verderblichem Obst und Gemüse im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 a - d StVO gleichgestellt sein soll. Die Feststellung des Beklagten und der Widerspruchsbehörde, lediglich Frühkartoffeln, nicht aber "normale" Kartoffeln gehörten zu den leicht verderblichen Lebensmitteln, hat der Kläger nicht weiter in Zweifel gezogen. Sein Antrag, ihm eine Ausnahmegenehmigung für entsprechende Transporte zu verschiedenen Abpackbetrieben, Großhandelszentren und zur gemüseverarbeitenden Industrie in ganz Deutschland ganzjährig zu erteilen, ist in seiner Reichweite auf einen vollständigen Dispens vom Sonntagsfahrverbot gerichtet, durch den das öffentliche Interesse an einer Einhaltung des Verbots erheblich beeinträchtigt würde. Besonders dringende Gründe, die für eine derart umfassende Ausnahmegenehmigung sprechen könnten, sind aber nicht zu erkennen. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angeführten wirtschaftlichen Erwägungen oder auch wettbewerbsrechtliche Gründe vermögen die Ausnahmegenehmigung nicht zu rechtfertigen, weil der Kläger sich insoweit nicht oder jedenfalls nicht wesentlich von anderen Spediteuren unterscheidet (vgl. auch OVG Münster, NZV 1995, 43 [OVG Nordrhein-Westfalen 23.08.1994 - 13 A 3456/92]; Jagusch/Hentschel, a.a.O., Rdnr. 23). Das vom Kläger vorgelegte Schreiben der Firma Groka in Uetze-Dollbergen vom 1. Dezember 1995 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Darin wurde zwar erklärt, dass die Kunden der Firma auch an Sonn- und Feiertagen mit Speisekartoffeln, Speisezwiebeln und Gemüse beliefert werden und deshalb nur solche Spediteure eingesetzt werden, die auch eine "Sonntagsfahrgenehmigung" haben. Verkehrliche Erfordernisse oder lebensmittelrechtliche Belange, die den Transport der Lebensmittel an Sonn- und Feiertagen notwendig machen, ergeben sich aus der Erklärung jedoch nicht. Auch sie spricht eher für wirtschaftliche oder wettbewerbsrechtliche Überlegungen im Rahmen der Kundenbelieferung, mit denen (allein) die Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot nicht begründet werden kann. Erst recht ist sie ungeeignet, die vom Kläger begehrte Ausnahmegenehmigung für Transporte im ganzen Bundesgebiet zu rechtfertigen.

15

Der Kläger kann auch nichts daraus herleiten, dass der Landkreis H. ihm in der Vergangenheit großzügiger Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot erteilt haben soll. In welchem Umfang das der Fall gewesen ist, kann hier dahinstehen, weil der Beklagte die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 StVO in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat und an eine wie auch immer geartete Verwaltungspraxis anderer Straßenverkehrsbehörden nicht gebunden ist.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

17

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.