Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.04.2024, Az.: 20 W 23/24

Rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums durch eine (noch) nicht im Gesellschaftsregister eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Eintragung des Eigentumswechsels nach dem 31. Dezember 2023 gemäß Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.04.2024
Aktenzeichen
20 W 23/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 15332
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0416.20W23.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 05.02.2024

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ist eine (noch) nicht im Gesellschaftsregister eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen und überträgt sie ihr Eigentum rechtsgeschäftlich, kann die Eintragung des Eigentumswechsels nach dem 31. Dezember 2023 gemäß Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich nicht erfolgen, solange die Gesellschaft nicht im Gesellschaftsregister eingetragen und daraufhin nach den durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz geänderten Vorschriften ihre Eintragung im Grundbuch angepasst worden ist.

  2. 2.

    Die Vorschrift des § 40 Abs. 1 GBO findet keine analoge Anwendung.

In der Grundbuch-Beschwerdesache
betreffend das Grundbuch von B. Bl. ... und das Grundbuch von A. Bl. ...
Beteiligte:
... - pp. - ...
Verfahrensbevollmächtigter zu 1.-4.:
Rechtsanwalt und Notar ...,
hat das Oberlandesgericht Celle - 20. Zivilsenat - durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. ..., die Richterin am Oberlandesgericht Dr. .. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. ... am 16. April 2024 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 - 4 vom 28. Februar 2024 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamts - Hannover vom 5. Februar 2024 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 1.000,- festgesetzt.

  3. 3.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind Gesellschaften bürgerlichen Rechts, deren alleinige Gesellschafter jeweils gemeinsam die Beteiligten zu 3 und 4 sind. Privatschriftliche oder beurkundete Gesellschaftsverträge existieren nicht. Die Beteiligte zu 1 ist als alleinige Eigentümerin der im Grundbuch von B. Bl. ..., die Beteiligte zu 2 ist als alleinige Eigentümerin der im Grundbuch von A. Bl. ... verzeichneten Liegenschaften im jeweiligen Grundbuch eingetragen.

In notarieller Urkunde vom 21. Dezember 2023 (UR.-Nr. ../2023 des Notars T. in H., Bl. 120/3 ff. d.A.) erklärten die Beteiligten zu 3 und 4 u.a. Folgendes:

§ 1

Wir lösen die beiden vorbezeichneten Gesellschaften bürgerlichen Rechts [das sind die Beteiligten zu 1 und 2] (...) mit sofortiger Wirkung auf.

In Vollzug der Auflösung übertragen wir als alleinige und jeweils hälftige Gesellschafter der bisherigen GbRs den beim Amtsgericht Hannover im Grundbuch von B. Bl. ...sowie den (...) beim Amtsgericht Hannover im Grundbuch von A. Bl. ... eingetragenen Grundbesitz auf die beiden Erschienenen [das sind die Beteiligten zu 3 und 4] zu je 1/2 Miteigentumsanteil nach Bruchteilen.

In dem Vertrag wurden des Weiteren unter § 2 die entsprechenden Auflassungen erklärt und die Eintragung der Eigentumsänderungen im Grundbuch bewilligt und beantragt.

Auf den am 1. Februar 2024 gemäß § 15 GBO gestellten Antrag des Urkundsnotars, die Eigentumsumschreibung in den betroffenen Grundbüchern vorzunehmen (Bl. 120/1 d.A.), hat das Grundbuchamt mit einer Zwischenverfügung vom 5. Februar 2024 (Bl. 120/10 d.A.) reagiert, mit der es, soweit im Beschwerdeverfahren von Interesse, auf zum 1. Januar 2024 erfolgte Änderungen infolge des Personengesellschaftsmodernisierungsgesetzes (MoPeG) hingewiesen hat. Diese hätten zur Folge, dass die Beteiligten zu 1 und 2 zunächst im Gesellschaftsregister und sodann als eGbR als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden müssten.

Dem ist der Urkundsnotar mit Schriftsatz vom 7. Februar 2024 (Bl. 120/12 ff. d.A.) entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, eine Eintragung der Beteiligten zu 1 und 2 in das Gesellschaftsregister könne schon deshalb nicht mehr erfolgen, weil diese mit Wirkung vom 21. Dezember 2023 aufgelöst und mithin liquidationslos erloschen seien. Unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 7. Februar 2024 hat der Urkundsnotar sodann mit weiterem Schriftsatz vom 28. Februar 2024 (Bl. 120/22 d.A.) namens der Urkundsbeteiligten Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 5. Februar 2024 eingelegt, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 7. März 2024 nicht abgeholfen hat. In seinem Nichtabhilfebeschluss, auf den wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Grundbuchamt unter Bezugnahme auf entsprechende Stimmen in der Literatur namentlich eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 40 Abs. 1 GBO erwogen, im Ergebnis jedoch verneint.

Die Beschwerdeführer haben mit Schriftsatz vom 11. April 2024 (Bl. 23 ff. d.A. des Beschwerdeverfahrens), auf den verwiesen wird, zu dem Nichtabhilfebeschluss Stellung genommen und dabei insbesondere die Auffassung vertreten, die Bestimmung des § 40 Abs. 1 GBO sei entgegen der Auffassung des Grundbuchamts analog anzuwenden.

II.

Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere nach § 73 GBO formgerecht erhobene Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Grundbuchamt hat zu Recht eine Eintragung der Beteiligten zu 1 und 2 im Gesellschaftsregister für erforderlich erachtet, bevor der Eigentumswechsel im Grundbuch wie begehrt eingetragen werden kann.

1.) Nach § 47 Abs. 2 GBO n.F. soll ein Recht für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur eingetragen werden, wenn diese im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Für die Beteiligten zu 1 und 2 galt dies zum Zeitpunkt ihrer Eintragung, der vor dem 1. Januar 2024 lag, noch nicht, so dass ihre Eintragung als solche frei von Bedenken ist und für sich genommen auch nicht geändert werden müsste.

Doch bestimmt Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB, dass Eintragungen in das Grundbuch, die ein Recht einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreffen, nicht erfolgen sollen, solange die Gesellschaft nicht im Gesellschaftsregister eingetragen und daraufhin nach den durch das MoPeG geänderten Vorschriften im Grundbuch eingetragen ist. Daraus hat das Grundbuchamt im Streitfall zu Recht abgeleitet, dass der zur Eintragung angemeldete Eigentümerwechsel nicht eingetragen werden kann, bevor nicht die Beteiligten zu 1 und 2 im Gesellschaftsregister und nachfolgend als eingetragene Gesellschaften bürgerlichen Rechts auch als jeweilige Eigentümer in den betroffenen Grundbüchern eingetragen sind.

a) Dabei spricht insbesondere die Formulierung der Norm als Soll-Vorschrift nicht gegen deren zwingenden Charakter, weil dadurch lediglich zum Ausdruck gebracht werden soll, dass eine Eintragung unter Verstoß gegen diese Vorschrift die Wirksamkeit der Eintragung unberührt lässt (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 216; BR-Drs. 59/21, S. 248).

b) Die in Art. 229 § 21 Abs. 3 EGBGB vorgesehene Ausnahmeregel greift - wie das Grundbuchamt richtig angenommen hat - vorliegend nicht ein, weil der Eintragungsantrag nicht vor dem 1. Januar 2024 bei dem Grundbuchamt eingegangen ist. Das nimmt auch die Beschwerde nicht in Abrede.

2.) Nichts den Beschwerdeführern Günstiges folgt aus der Bestimmung des § 40 Abs. 1 GBO, wonach es der gemäß § 39 Abs. 1 GBO an sich erforderlichen Voreintragung derjenigen Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, nicht bedarf, wenn diese Person Erbe des eingetragenen Berechtigten ist und die Übertragung oder die Aufhebung des Rechts eingetragen werden soll.

Bezüglich dieser - hier nicht unmittelbar anwendbaren - Bestimmung wird in der Literatur eine analoge Anwendung auf den Fall der (noch) nicht im Gesellschaftsregister, aber als Eigentümerin im Grundbuch eingetragenen GbR erwogen, wenn diese durch Übertragung des Eigentums aus dem Grundbuch ausscheidet (vgl. Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht-Kommentar, 9. Aufl. 2024, GBO § 47 Rn. 53; Bolkart, MittBayNot 2021, 319 [329]; Servatius, GbR, 1. Aufl. 2023, § 713 Rn. 14, der für eine teleologische Reduktion der Bestimmung des Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB plädiert). Der Senat vermag sich dieser Auffassung indes nicht anzuschließen (verneinend auch BeckOK/Reetz, GBO, 52. Edition, Stand: 1. März 2024, § 47 Rn. 95).

a) Zwar lässt sich eine im Ansatz vergleichbare Interessenlage nicht gänzlich verneinen: Auch bei dem infolge eines zur Eintragung angemeldeten Eigentümerwechsels sofort erfolgenden Ausscheiden einer GbR aus dem Grundbuch könnte es - wie bei dem Verlangen nach der Voreintragung eines infolge der durch Eintragung umzusetzenden Verfügung sogleich wieder aus dem Grundbuch ausscheidenden Erben des eingetragenen Eigentümers - als unnötige Förmelei erscheinen, zuvor noch die Eintragung der im Grundbuch als Eigentümerin eingetragenen GbR im Gesellschaftsregister und nachfolgend die Anpassung der Eigentümereintragung zu verlangen.

Doch muss Berücksichtigung finden, dass Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB keine Fälle der Rechtsnachfolge, sondern eine Neubezeichnung der als Eigentümerin eingetragenen GbR zum Gegenstand hat und einen anderen Zweck als die Bestimmung des § 39 Abs. 1 GBO verfolgt, der nach dem Wegfall des § 899a BGB a.F. vor allem auch in der Eröffnung einer Möglichkeit zur Überprüfung der relevanten Vertretungsverhältnisse liegt; insgesamt soll die Vorschrift das Interesse des Rechtsverkehrs an Publizität hinsichtlich Existenz, Identität und ordnungsgemäßer Vertretung der Gesellschaft wahren (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 216; BR-Drs. 59/21, S. 248; Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl. 2024, EGBGB Art. 229 § 21 Rn. 3; Wilsch, MittBayNot 2023, 457). In Ansehung dieses weiten Normzwecks fehlt es nach Auffassung des Senats im Ergebnis an einer Interessenlage, die derjenigen in den von der Bestimmung des § 40 Abs. 1 GBO erfassten Konstellationen vergleichbar wäre und die Möglichkeit einer analogen Anwendung eröffnen würde (vgl. Kratzlmeier, ZfIR 2023, 197 [203]; Meier, NJW 2024, 465 [466]).

b) Vor allem aber fehlt es am Vorliegen einer im Wege der Analogie zu schließenden planwidrigen Regelungslücke. Denn der Gesetzgeber hat - trotz entsprechender Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren (vgl. dazu näher Kratzlmeier, ZfIR 2023, 197 [204 mit Fn. 71]) - davon abgesehen, eine entsprechende Ausnahmevorschrift zu schaffen, und überdies mehrfach gerade die - das Ausscheiden der GbR aus dem Grundbuch zur Folge habende - Veräußerung von Grundbesitz als Anwendungsfall der Bestimmung des Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB genannt (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 206 und S. 216), so dass davon ausgegangen werden muss, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Norm auch und gerade auf Übertragungsvorgänge anzuwenden ist, durch die die GbR aus dem Grundbuch ausscheidet (vgl. Kratzlmeier, ZfIR 2023, 197 [204]; Meier, NJW 2024, 465 [466]).

3.) Nicht durchzudringen vermögen die Beschwerdeführer schließlich mit ihrer Auffassung, eine Eintragung der Beteiligten zu 1 und 2 in das Gesellschaftsregister könne nicht mehr erfolgen, weil diese "liquidationslos" erloschen seien.

Zwar dürften in der unter § 1 des notariellen Vertrages vom 21. Dezember 2023 getroffenen Regelung jeweils die Beteiligten zu 1 und 2 betreffende Auflösungsbeschlüsse zu erblicken sein. Die Auflösung führt jedoch - jedenfalls dann, wenn Gesellschaftsvermögen vorhanden ist - gerade nicht zur sofortigen Vollbeendigung der GbR; diese wird vielmehr als Liquidationsgesellschaft mit dem Zweck der Auseinandersetzung fortgeführt (vgl. § 730 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 735 Abs. 1 BGB n.F.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. November 2015 - V ZB 201/14 -, juris Tz. 12; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, vor § 723 Rn. 2; Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl. 2024, § 735 Rn. 1). Im Streitfall ist in Gestalt der verfahrensgegenständlichen Grundstücke, die übereignet werden sollen, gerade Gesellschaftsvermögen, das verteilt werden soll, vorhanden; mithin bestehen die Beteiligten zu 1 und 2 fort und können in das Gesellschaftsregister eingetragen werden.

III.

1.) Einer Kostenentscheidung bedurfte es mit Blick auf §§ 22 Abs. 1, 32 Abs. 1 GNotKG nicht, weil im Beschwerdeverfahren außer den Beschwerdeführern keine weiteren Personen im entgegengesetzten Sinne beteiligt waren (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 510).

2.) Die Festsetzung des Beschwerdewerts hat ihre Grundlage in §§ 79 Abs. 1 Satz 1, 61, 36 Abs. 1 GNotKG. Der Geschäftswert einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung richtet sich nach dem Aufwand, der mit der Behebung des Eintragungshindernisses verbunden ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 17. Oktober 2001 - 2Z BR 90/01 -, juris Rn. 12). Abzustellen war insoweit auf die voraussichtlichen Kosten, die für die Beseitigung des in der Zwischenverfügung aufgezeigten Hindernisses mit den dort bezeichneten Mitteln voraussichtlich anfallen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. März 2022 - 20 W 17/22 -, juris Rn. 50), im Streitfall also auf den mit der Eintragung der Beteiligten zu 1 und 2 im Gesellschaftsregister und die nachfolgende Änderung im Grundbuch verbundenen Aufwand; diesen hat der Senat pro Gesellschaft mit € 500,- bemessen.

3.) Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Frage der analogen Anwendung der Bestimmung des § 40 Abs. 1 GBO auf Fälle der (noch) nicht im Gesellschaftsregister, aber im Grundbuch als Eigentümerin eingetragenen GbR, die durch die zur Eintragung angemeldete Übertragung des Eigentums aus dem Grundbuch ausscheidet, in einer Vielzahl von Fällen auftreten kann und zudem höchstrichterlich bislang unbeantwortet ist, so dass sowohl grundsätzliche Bedeutung gegeben als auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. § 78 Abs. 2 GBO).