Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.04.2024, Az.: 13 U 34/23

Anspruch des in einem Verfahren zur Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG unterlegenen Bieters auf gerichtliche Untersagung des Abschlusses eines Wegenutzungsvertrags allein wegen einer unterbliebenen oder unzureichend gewährten Akteneinsicht (verneint); Untersagung des Abschlusses eines Stromkonzessionsvertrags bis zur Gewährung ausreichender Akteneinsicht; Beginn des Rügeverfahrens aufgrund einer gewährten (weitergehenden) Akteneinsicht von Neuem

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.04.2024
Aktenzeichen
13 U 34/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 15353
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0430.13U34.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 13.07.2023 - AZ: 74 O 93/2274 O 93/22

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Dem in einem Verfahren zur Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG unterlegenen Bieter steht gemäß § 33 Abs. 1, 2, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB kein Anspruch auf gerichtliche Untersagung des Abschlusses eines Wegenutzungsvertrags allein wegen einer unterbliebenen oder unzureichend gewährten Akteneinsicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG zu. Die unterbliebene oder unzureichend gewährte Akteneinsicht kann im Verfahren gemäß § 47 Abs. 5 EnWG nicht im Wege einer eigenständigen Rüge, sondern lediglich als Transparenzmangel der Auswahlentscheidung geltend gemacht werden (Abgrenzung von KG, Urteil vom 24. September 2020 - 2 U 93/19, juris Rn. 94).

  2. 2.

    Bei der Untersagung des Abschlusses eines Stromkonzessionsvertrags bis zur Gewährung ausreichender Akteneinsicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG handelt es sich um einen anderen Streitgegenstand als bei einer Untersagungsverfügung, die auf eine fehlerhafte Auswahlentscheidung der Gemeinde gestützt wird.

  3. 3.

    Hat das erstinstanzliche Gericht ausdrücklich keine der gegen die Auswahlentscheidung erhobenen materiellen Rügen geprüft, sondern eine Untersagung der Konzessionsvergabe schon und allein wegen der nach seiner Auffassung unzureichenden Akteneinsicht für gerechtfertigt gehalten, kann in dem von der Gemeinde angestrengten Berufungsverfahren die Auswahlentscheidung nicht erstmals auf die von dem unterlegenen Bieter gerügten Fehler geprüft werden, wenn dieser keine (Anschluss-)Berufung erhoben hat.

  4. 4.

    Wird durch die Gemeinde gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG (weitergehend) Akteneinsicht erteilt, beginnt nach der gesetzlichen Konzeption auch das Rügeverfahren erneut und kann dann in eine weitere Beantragung einer einstweiligen Verfügung auf der Grundlage des durch die Akteneinsicht vorgegebenen Sachverhalts münden, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Rügen aufgrund der neuen Akteneinsicht erstmals erkennbar waren (Abgrenzung von OLG Stuttgart, Urteil vom 25. Mai 2023 - 2 U 201/22, juris Rn. 118). 5. Beginnt das Rügeverfahren aufgrund einer gewährten (weitergehenden) Akteneinsicht von Neuem, darf ein Wegenutzungsvertrag bis zum Ablauf der Fristen gemäß § 47 Abs. 2 Sätze 3, 4 EnWG und § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG nicht abgeschlossen werden.

  5. 5.

    Beginnt das Rügeverfahren aufgrund einer gewährten (weitergehenden) Akteneinsicht von Neuem, darf ein Wegenutzungsvertrag bis zum Ablauf der Fristen gemäß § 47 Abs. 2 Sätze 3, 4 EnWG und § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG nicht abgeschlossen werden.

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
pp.
hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K., den Richter am Oberlandesgericht S. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. B. für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 13. Juli 2023 verkündete Urteil der 74. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.

Gründe

I.

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung des Neuabschlusses eines Konzessionsvertrages (Wegenutzungsvertrages) mit der Stromnetzgesellschaft S. GmbH & Co KG (fortan SNGS) über den Betrieb des Stromverteilnetzes der allgemeinen Versorgung für das Konzessionsgebiet "L." (Los 1) in Anspruch.

Mit Bekanntmachung im Bundesanzeiger vom 30. März 2020 leitete die Verfügungsbeklagte ein Konzessionsvergabeverfahren zum Abschluss eines Wegenutzungsvertrags für das Stromnetz in diesem Konzessionsgebiet ein. Die Verfügungsklägerin und die SNGS bekundeten fristgerecht ihr Interesse und gaben nach Aufforderung durch die Verfügungsbeklagte verbindliche Angebote ab.

Der Rat der Verfügungsbeklagten beschloss am 19. Mai 2022, den Zuschlag auf das Angebot der SNGS zu erteilen. Die Verfügungsklägerin beantragte anschließend Akteneinsicht in die Vergabeakte. Die Verfügungsbeklagte gewährte nur eingeschränkte Akteneinsicht mittels eines elektronischen Datenraums, in welchem über ein Passwort eine Zip-Datei mit Teilen der Vergabeakte heruntergeladen werden konnte. Die Vergabeakte enthielt den Auswertungsvermerk der Verfügungsbeklagten und eine tabellarische Übersicht der Punktevergabe sowie weitere Inhalte.

Die Verfügungsklägerin rügte, dass die Akteneinsicht unvollständig gewährt worden sei, weil im Datenraum das Angebot der obsiegenden Bieterin, der SNGS, fehle. Die Verfügungsbeklagte half dieser Rüge nicht ab. Einen Antrag der Verfügungsklägerin, den Abschluss des Wegenutzungsvertrags mit der SNGS bis zur vollständigen Akteneinsichtsgewährung zu untersagen, wies das Landgericht Hannover zurück (Urteil vom 5. August 2022 - 74 O 54/22).

Daneben erhob die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 8. Juli 2022 Rügen gegen die Auswahlentscheidung und beantragte erneut Akteneinsicht. Die Verfügungsbeklagte half den Rügen mit Schreiben vom 15. November 2022 nur teilweise ab und gewährte keine Einsicht in das Angebot der SNGS.

Mit dem am 29. November 2022 eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung macht die Verfügungsklägerin u.a. geltend, die Verfügungsbeklagte habe verfahrensfehlerhaft den Sachverhalt unzureichend ermittelt, inkonsistente Abweichungen bei Bewertungsabschlägen vorgenommen und die eigenen Wettbewerbsunterlagen fehlerhaft angewendet. Zudem sei die Auswahlentscheidung auf Grundlage des dargelegten Bewertungsmaßstabs intransparent. Eine vergleichende Auswertung, die aufgrund der von der Verfügungsbeklagten angewandten relativen Bewertungsmethode zur Nachvollziehbarkeit der Wertungsentscheidungen erforderlich gewesen wäre, sei wegen der fehlende Akteneinsicht in das Angebot der SNGS nicht möglich.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

  1. 1.

    die Auswahlentscheidung über einen Wegenutzungsvertrag über den Betrieb des Stromverteilnetzes der allgemeinen Versorgung für das Konzessionsgebiet "L." im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ("Stromkonzessionsvertrag", Los 1) aufzuheben und das Stromkonzessionsverfahren in den Stand vor Wertung der letzten verbindlichen Schlussangebote zu versetzen,

  2. 2.

    der Antragsgegnerin zu untersagen, aufgrund des Stadtratsbeschlusses vom 19. Mai 2022 den Stromkonzessionsvertrag mit der Stromnetzgesellschaft S. GmbH und Co. KG (SNGS), ..., abzuschließen, bis in einer neuen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durchzuführenden Auswahlentscheidung diskriminierungsfrei und transparent über die Vergabe der Stromkonzession für das Konzessionsgebiet "L." (Los 1) entschieden ist und den Rügen vollumfänglich abgeholfen wurde,

  3. 3.

    für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nach Ziffer 1 und/oder 2 ein vom Gericht festzusetzendes Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft am gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin zu vollziehen ist, anzudrohen.

Hilfsweise zum Antrag zu 2 hat die Verfügungsklägerin beantragt,

der Verfügungsbeklagten zu untersagen, aufgrund des Stadtratsbeschlusses vom 19. Mai 2022 den Stromkonzessionsvertrag "Stromnetz L. Los 1" mit der SNGS abzuschließen, bevor sie die Angebotswertung in dem mit Bekanntmachung vom 30. März 2020 eingeleiteten Verfahren zum Abschluss eines Stromkonzessionsvertrages in dem nach Rechtsauffassung des Gerichts gebotenen Umfang wiederholt hat und die Verfügungsklägerin über die entsprechenden Wertungsergebnisse und ihre Begründung, wozu auch die Begründung der Bewertung des Angebots des Zuschlagsprätendenten zählt, falls dies nicht die Verfügungsklägerin sein sollte, in Kenntnis gesetzt und sodann mindestens die Wartefrist nach § 47 EnWG bis zur Erteilung des Zuschlags eingehalten hat.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Landgericht hat der Verfügungsbeklagten mit Urteil vom 13. Juli 2023, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, unter Androhung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung vorläufig untersagt, auf der Grundlage des Beschlusses des Rates der Verfügungsbeklagten vom 19. Mai 2022 über den Betrieb des Stromverteilnetzes der allgemeinen Versorgung für das Konzessionsgebiet "L." im Stadtgebiet der Verfügungsbeklagten (Los 1) einen Stromkonzessionsvertrag mit der SNGS abzuschließen, bis sie der Verfügungsklägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nach § 47 Abs. 3 EnWG Akteneinsicht gewährt hat, über eine Abhilfe betreffend die anschließend gegebenenfalls von der Verfügungsklägerin nach § 47 Abs. 2 Satz 4 EnWG erhobenen Rügen entschieden hat und die Vollzugsverbotsfristen des § 47 Abs. 6 EnWG abgelaufen sind.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Anträge der Verfügungsklägerin seien interessensgerecht dahin auszulegen, dass sie zunächst weitere Akteneinsicht begehre, um anschließend neue Rügen erheben oder bereits erhobene Rügen vertiefend begründen zu können. Bis dahin begehre sie, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, den Vertrag mit der SNGS abzuschließen.

Dieser Anspruch stehe der Verfügungsklägerin gemäß § 33 Abs. 1, 2, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB i.V.m. § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG zu. Sie habe glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte als marktbeherrschendes Unternehmen in Bezug auf die streitgegenständlichen Wegenutzungsrechte ihr im Rahmen des Stromkonzessionsvergabeverfahrens "L. " (Los 1) nach Art und Umfang nur unzureichend Akteneinsicht gewährt und sie damit in kartellrechtswidriger Weise unbillig behindert habe. Eine unbillige Behinderung von Bewerbern um eine Konzession liege nach der Rechtsprechung vor, wenn deren Chancen auf den Abschluss des Konzessionsvertrags dadurch beeinträchtigt würden, dass die Auswahlentscheidung die an sie zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen nicht erfülle. Zu diesen verfahrensbezogenen Anforderungen gehöre auch das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG. Dieses beziehe sich grundsätzlich auf alle Akten und Akteninhalte des Vergabeverfahrens und damit auch auf die Angebote der anderen Bieter. Nach diesen Maßstäben habe die Verfügungsbeklagte durch die vollständige Herausnahme der Angebote der SNGS aus der Vergabeakte den Akteneinsichtsanspruch der Verfügungsklägerin nur unzureichend erfüllt.

Wegen der bislang unzureichend gewährten Akteneinsicht sei über die von der Verfügungsklägerin gerügten Bewertungsfehler nicht zu entscheiden. Die Akteneinsicht diene der Vorbereitung einer Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG. Sie sei der Überprüfung der Auswahlentscheidung prozessual vorgelagert. Erst auf der Grundlage einer nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen erteilten umfassenden Akteneinsicht könne die Verfügungsklägerin die Bewertung der Angebote prüfen und gegebenenfalls bestehende Fehler hinreichend substantiiert rügen.

Es könne auch keine teilweise Überprüfung derjenigen Rügen erfolgen, die unabhängig von der Frage der Akteneinsicht erhoben worden seien. Denn eine teilweise Entscheidung über die Frage, ob die Verfügungsbeklagte den Vertragsabschluss mit der SNGS zu unterlassen habe, sei nicht möglich. Die Verfügungsklägerin werde vielmehr solche Rügen, die sie auch nach weitergehender Akteneinsicht unverändert aufrechterhalten möchte, ggf. zu wiederholen haben. Insofern seien Rügen, die bislang nicht präkludiert seien und nach neu gewährter Akteneinsicht erweitert begründet oder erstmals neu vorgebracht werden, nicht präkludiert. Wenn eine Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 EnWG erfolge, beginne die Frist zur Rüge von Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung erneut. In der Folge habe die Verfügungsbeklagte erneut die Abhilfe bezüglich der neuen bzw. ergänzend begründeten Rügen zu prüfen. Die Verfügungsklägerin könne anschließend ein neues einstweiliges Verfügungsverfahren anstrengen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, das Landgericht habe die Grenzen einer interessengerechten Auslegung der Anträge zugunsten der Verfügungsklägerin überdehnt. Außerdem habe sie der Verfügungsklägerin umfassend und entsprechend der obergerichtlichen Rechtsprechung Akteneinsicht gewährt. Nach der Rechtsprechung des Senats sei grundsätzlich keine umfassende Einsicht in die Angebote von Mitbewerbern zu gewähren, die regelmäßig auch schutzwürdige Geschäftsgeheimnisse enthielten. Ausreichend sei regelmäßig vielmehr, die für die Wertung maßgeblichen Umstände im Einzelnen darzulegen - gegebenenfalls auch durch Offenlegung eines Auswertungsvermerks, in dem die maßgeblichen, die Überprüfung der Nachvollziehbarkeit und Plausibilität ermöglichenden Umstände allerdings nicht geschwärzt sein dürften. Nur sofern diese Ausführungen im Einzelfall nicht ausreichend seien, oder soweit im Einzelfall Zweifel an der Richtigkeit der inhaltlichen Wiedergabe des Angebotes weiterer Bieter bestünden, seien die entsprechenden Angebotsinhalte offenzulegen. Nach diesen Maßstäben habe keine Veranlassung bestanden, der Verfügungsklägerin Einsicht in die Angebote der SNGS zu gewähren. Das Landgericht hätte die erhobenen Rügen der Verfügungsklägerin anhand des vollständig offengelegten Auswertungsvermerks überprüfen können.

Um gleichwohl eine isolierte Entscheidung über das Akteneinsichtsrecht zu vermeiden, lege sie das Angebot der SNGS mit den darin enthaltenen Schwärzungen vor. Schließlich ist die Verfügungsbeklagte der Auffassung, es könne über sämtliche von der Verfügungsklägerin gegen die Auswahlentscheidung erhobenen Rügen einheitlich im vorliegenden Verfahren entschieden werden. Einer erneuten Abhilfeentscheidung über die mit Schreiben vom 14. November 2023 erhobenen Rügen bedürfe es nicht.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

das am 13. Juli 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover, Aktenzeichen 74 O 93/22, aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Ein Verstoß gegen § 938 i.V.m. § 308 Abs. 1 ZPO liege nicht vor. Das Rechtsschutzziel der Verfügungsklägerin sei auf die vorläufige Untersagung des beabsichtigten Vertragsschlusses gerichtet, um ihren Anspruch auf Durchführung eines diskriminierungsfreien und transparenten Auswahlverfahrens zu sichern. Jedenfalls sei ein etwaiger Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO durch ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung geheilt.

Weiter ist die Verfügungsklägerin der Auffassung, ihr sei trotz der erfolgten Offenlegung des teilweise geschwärzten Angebots der SNGS bislang nicht ordnungsgemäß Akteneinsicht gewährt worden. Die verbleibenden Schwärzungen seien nicht zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gerechtfertigt. Zudem habe die Verfügungsbeklagte zu Unrecht die Einsicht in die Verfahrensakte zu Los 3 abgelehnt, obwohl die Lose 1, 2 und 3 nach dem Willen der Verfügungsbeklagten in einem einheitlichen Verfahren vergeben werden sollen. Eine vollständige Überprüfung der Auswahlentscheidung und die Feststellung der Gesamtkausalität von Verfahrensfehlern sei erst nach vollständiger Akteneinsicht möglich. Unabhängig von der unzureichenden Akteneinsicht verstoße zudem die auf die Teilabhilfe der Verfügungsbeklagten zu den Rügen vom 8. Juli 2022 erfolgte nachträgliche Korrektur des Auswertungsvermerks gegen das Diskriminierungsverbot. Denn der Stadtrat habe keine erneute Auswahlentscheidung getroffen.

Darüber hinaus sei die Auswahlentscheidung auch in der Sache in mehrfacher Weise beurteilungsfehlerhaft. Über die bereits am 8. Juli 2022 gerügten Fehler hinaus habe die Beklagte nach der teilweisen Offenlegung des Angebots der SNGS mit Schreiben vom 14. November 2023 weitere Rügen gegen die Auswahlentscheidung erhoben, über deren Abhilfe die Verfügungsbeklagte bislang nicht entschieden habe. Zunächst war die Verfügungsklägerin daher der Auffassung, es bestehe keine Möglichkeit, die mit diesem zweiten Rügeschreiben geltend gemachten Rechtsverletzungen in dieses Verfahren einzubeziehen. Nach Hinweisen des Senats mit Beschlüssen vom 1. Februar 2024 und 5. März 2024 meint sie nunmehr, die Rügen vom 8. Juli 2022 und 14. November 2023 stellten Hilfsvorbringen dar, welches im Berufungsverfahren zu prüfen sei, wenn die Zuschlagserteilung nicht bereits wegen der nach wie vor unzureichend gewährten Akteneinsicht zu untersagen sei. Insoweit handle es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand, sodass sämtliche gegen die Auswahlentscheidung erhobenen Rügen auch in der Berufungsinstanz angefallen seien. Selbst wenn hiervon abweichend von verschiedenen Streitgegenständen auszugehen sein sollte, müsste das Hilfsvorbringen der Verfügungsklägerin als Anschlussberufung ausgelegt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Der Verfügungsklägerin steht gemäß § 33 Abs. 1, 2, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB kein Anspruch auf Untersagung des Abschlusses eines Wegenutzungsvertrags allein wegen einer - unterstellt - unzureichenden Akteneinsicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG zu. Eine unterbliebene oder unzureichende Akteneinsicht im Verfahren gemäß § 47 Abs. 5 EnWG kann nicht im Wege einer eigenständigen Rüge, sondern lediglich als Transparenzmangel der Auswahlentscheidung geltend gemacht werden. Denn der Anspruch auf Akteneinsicht hat im Rügeverfahren lediglich eine vorbereitende Funktion, sodass allein aufgrund einer unzureichenden Erfüllung dieses Anspruchs der Abschluss des Wegenutzungsvertrags nicht untersagt werden darf (a.A. KG, Urteil vom 24. September 2020 - 2 U 93/19, juris Rn. 94).

a) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift in § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG. Danach hat die Gemeinde zur Vorbereitung einer Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG Einsicht in die Akten zu gewähren.

b) Weiter spricht auch die Systematik von § 47 EnWG gegen die Möglichkeit einer isolierten Rüge der unzureichenden Akteneinsicht. Danach bezieht sich die in Abs. 5 vorgesehene Möglichkeit, gerügte Rechtsverletzungen im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend zu machen, nur auf Rechtsverletzungen im Sinne von Abs. 1 dieser Vorschrift, d.h. auf Rechtsverletzungen, die sich aus dem Verfahren nach § 46 Abs. 1 bis 4 EnWG ergeben (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. September 2019 - U 678/19 Kart, juris Rn. 26). Dem entspricht es, dass § 47 Abs. 6 EnWG den Abschluss eines Wegenutzungsvertrags bis zum Ablauf der Fristen aus Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 Satz 1 untersagt. Ein bislang nicht oder nur unzureichend erfüllter Antrag auf Akteneinsicht nach Abs. 3 Satz 1 hindert hingegen den Ablauf dieser Fristen nicht und steht daher dem Vertragsschluss nicht entgegen.

Für diese Bewertung streitet zudem ein Vergleich mit dem Kartellvergaberecht, in dem eine unterstellt unzureichende Akteneinsicht auch nicht isoliert geltend gemacht werden kann (vgl. § 165 Abs. 4 GWB).

c) Darüber hinaus widerspricht es dem Sinn und Zweck des Akteneinsichtsrechts, dieses zum Gegenstand einer eigenständigen Rüge erheben zu können. Die Akteneinsicht soll dem unterlegenen Bieter ermöglichen, etwaige Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Auswahlentscheidung zu erkennen und geltend zu machen. Sie dient damit der Vorbereitung einer (materiellen) Rüge gegen die Auswahlentscheidung und ist dem Rügeverfahren vorgelagert (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 2022 - 13 U 67/21, juris Rn. 31; Beschlüsse vom 5. August 2022 -13 U 81/21, juris Rn. 10 f.; vom 16. April - 13 U 50/22, 51/22 [zur Veröffentlichung vorgesehen]).

d) Dieses Verständnis der Funktion und Bedeutung des Akteneinsichtsrechts steht schließlich im Einklang mit der Vorstellung des Gesetzgebers, wonach eine Rügeobliegenheit in Bezug auf die von der Gemeinde getroffene Auswahlentscheidung voraussetzt, dass dem unterlegenen Bewerber zügig Informationen über sämtliche Tatsachen zugänglich gemacht werden, die eine Verletzung in seinen Rechten begründen könnten (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 21. April 2016, BT-Drs. 18/8184, S. 17). Demnach sollte die Gewährung von Akteneinsicht dem eigentlichen Rügeverfahren mit seinen Präklusionsfristen vorgeschaltet sein. Dem entspricht es, dass die 30tägige Rügefrist des § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG im Fall der Akteneinsicht gemäß § 47 Abs. 2 Satz 4 EnWG mit dem Tag neu beginnt, an dem die Gemeinde die Akten zur Einsichtnahme bereitgestellt hat.

2. Im vorliegenden Verfahrensstand kann die Zuschlagserteilung auch nicht aufgrund der von der Verfügungsklägerin behaupteten Fehler der Auswahlentscheidung untersagt werden.

a) Zwar liegt eine rügefähige Rechtsverletzung vor und kann die Untersagung des Abschlusses eines Wegenutzungsvertrags verlangt werden, wenn die Wertungsentscheidung zu einem Auswahlkriterium aufgrund einer unzureichend gewährten Akteneinsicht intransparent ist, weil dem unterlegenen Bewerber eine Überprüfung der Wertungsentscheidung unmöglich gemacht oder jedenfalls unzulässig erschwert wird. In diesem Fall muss er nicht zusätzlich vortragen, dass insoweit auch Anhaltspunkte für einen Wertungsfehler vorliegen. Es genügt, dass die Wertungsentscheidung für ihn - und das Gericht - durch die vorgenommenen Schwärzungen nicht mehr hinreichend nachvollziehbar ist. Eine solche Intransparenz kann sich nicht nur durch eine Schwärzung des Auswertungsvermerks ergeben. Auch dann, wenn nur das Angebot des obsiegenden Bewerbers nicht oder nur mit Schwärzungen zugänglich gemacht wird, kann dies im Einzelfall zur Intransparenz der Wertung führen. Der Einwand unzureichender Akteneinsicht ist dann grundsätzlich im Zusammenhang mit den Rügen betreffend die jeweiligen Wertungsentscheidungen zu behandeln (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 2022 - 13 U 67/21, juris Rn. 31; Beschluss vom 5. August 2022 -13 U 81/21, juris Rn. 10 f.; vgl. ferner OLG Koblenz, Urteil vom 12. September 2019 - U 678/19 Kart, juris Rn. 26; a.A. KG, Urteil vom 24. September 2020 - 2 U 93/19, juris Rn. 94; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. August 2022 - 2 U 4/21 Kart, juris Rn. 29; ferner BeckOK EnWG/Peiffer, § 47 Rn. 17.2 [Stand: 1. März 2024]; Kment/Huber, 3. Aufl., § 47 EnWG Rn. 26). Auf diese Weise ist gewährleistet, dass ein unterlegener Bieter im Fall einer nicht oder nicht ausreichend gewährten Akteneinsicht nicht in seinem Rechtsschutz gegen die beabsichtigte Auswahlentscheidung eingeschränkt ist.

b) Die Untersagung der beabsichtigten Konzessionsvergabe wegen einer etwaigen intransparenten und damit fehlerhaften Auswahlentscheidung stellt jedoch einen Streitgegenstand dar, der von dem Streitgegenstand der Untersagung allein wegen Verletzung des (isolierten) Akteneinsichtsanspruchs zu unterscheiden ist. Ersterer ist vorliegend nicht in der Berufungsinstanz angefallen, sodass der Senat hierüber trotz einer hierauf gerichteten Rüge der Verfügungsklägerin nicht entscheiden kann.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, juris Rn. 19 m.w.N.). Danach handelt es sich bei der Untersagung des Abschlusses eines Stromkonzessionsvertrags bis zur Gewährung ausreichender Akteneinsicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG um einen anderen Streitgegenstand als bei einer Untersagungsverfügung, die auf eine fehlerhafte Auswahlentscheidung der Gemeinde gestützt wird. Die Akteneinsicht dient - wie oben ausgeführt - der Vorbereitung einer (materiellen) Rüge gegen die Auswahlentscheidung und ist dem eigentlichen Rügeverfahren vorgelagert. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Senats entgegen, wonach im Fall der Untersagung einer beabsichtigten Konzessionsvergabe wegen einer fehlerhaften Auswahlentscheidung nicht jeder einzelne gerügte Rechtsfehler einen selbstständigen Streitgegenstand bildet (vgl. Senat, Beschlüsse vom 5. August 2022 -13 U 81/21, juris Rn. 5; vom 15. Februar 2024 - 13 U 43/22, juris Rn. 4 f.; vom 16. April 2024 - 13 U 50/22, 13 U 51/22 [zur Veröffentlichung vorgesehen]; a.A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. August 2019 - 6 U 109/18, juris Rn. 92). Denn das Landgericht hat hier ausdrücklich keine der gegen die Auswahlentscheidung erhobenen Rügen geprüft und seiner Entscheidung zugrunde gelegt (vgl. LGU 22 f.), sondern eine Untersagung der Konzessionsvergabe schon und allein wegen der nach seiner Auffassung unzureichenden Akteneinsicht für gerechtfertigt gehalten. Es hat sich danach vollständig einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung enthalten.

bb) Diese Sachverhaltskonstellation unterscheidet sich damit von denjenigen Fällen, in denen das Erstgericht einen Teil der erhobenen materiellen Rügen geprüft hat und danach etwa zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Auswahlentscheidung schon aufgrund dieser Rügen fehlerhaft und daher zu wiederholen ist. In solchen Fällen sind auch die übrigen vom Erstgericht außer Betracht gelassenen Rügen in der Berufungsinstanz zu prüfen, sofern es auf diese entscheidungserheblich ankommt. Denn sämtliche materielle Rügen gegen die Auswahlentscheidung bilden nach der vorgenannten Rechtsprechung des Senats einen einheitlichen Streitgegenstand.

cc) Die danach einem anderen Streitgegenstand zuzuordnende Wertungsentscheidung kann der Senat nicht schon aufgrund der Berufung der Verfügungsbeklagten überprüfen, auch wenn diese eine Entscheidung über die gegen diese Wertung gerichteten Rügen begehrt. Die Verfügungsbeklagte ist durch die angefochtene Entscheidung des Landgerichts insoweit, als diese sich ausdrücklich einer Entscheidung über die gegen die Auswahlentscheidung erhobenen Rügen enthalten hat, nicht beschwert.

dd) Keine abweichende Bewertung folgt aus dem Einwand der Verfügungsklägerin, sie habe schon erstinstanzlich die Untersagung des Abschlusses des Wegenutzungsvertrags neben der unzureichenden Akteneinsicht auch auf eine fehlerhafte Auswahlentscheidung und damit auf zwei verschiedene Streitgegenstände gestützt (vgl. Schriftsatz vom 29. Februar 2024, Rn. 20). Die Verfügungsklägerin hat kein eigenständiges Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts erhoben, obgleich der vom Landgericht zugesprochene Unterlassungsanspruch in sachlicher Hinsicht hinter dem gestellten Unterlassungsantrag zurückbleibt.

ee) Auch eine Anschlussberufung hat die Verfügungsklägerin innerhalb der gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgeblichen Frist nicht eingelegt.

(1) Für die Erhebung einer Anschlussberufung ist keine ausdrückliche Erklärung erforderlich. Vielmehr genügt jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als Begehren auf Abänderung des Urteils erster Instanz darstellt. Der Anschluss an das Rechtsmittel der Gegenseite kann daher auch konkludent in der Weise erfolgen, dass der Kläger sein im Übrigen unverändertes Klagebegehren auf einen weiteren Klagegrund stützt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, juris Rn. 26 m.w.N.; BeckOK ZPO/Wulf, § 524 Rn. 13 [Stand: 1. März 2024]).

(2) Nach diesen Maßstäben enthält die Berufungserwiderung der Verfügungsklägerin weder die ausdrückliche noch die konkludente Erklärung einer Anschlussberufung. Der Berufungserwiderung lässt sich nicht entnehmen, die Verfügungsklägerin begehre (zumindest hilfsweise) auch die Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel, die Konzessionsvergabe - wie erstinstanzlich noch beantragt - aufgrund der als fehlerhaft angesehenen Angebotsauswertung und damit bis zu deren ordnungsgemäßer Wiederholung zu untersagen. Ein solches über die Zurückweisung der Berufung der Verfügungsbeklagten hinausgehendes Begehren lässt sich entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin insbesondere Rn. 115 und 116 der Berufungserwiderung nicht entnehmen. Vielmehr folgt aus diesen Ausführungen lediglich, dass die Verfügungsklägerin die landgerichtliche Entscheidung auch deshalb für gerechtfertigt hält, weil die unzureichende Akteneinsicht nach der Rechtsprechung des Senats als Transparenzmangel der Auswahlentscheidung zu werten sei. Diese Wertungsfehler sollten nach den Ausführungen unter Rn. 115 nur dann relevant werden, wenn der Senat "die Angriffe auf die Angebotsauswertung" prüfen sollte; die Verfügungsklägerin hat damit gerade nicht begehrt, die Angebotswertung auf jeden Fall zu prüfen, obwohl nur dies den Ausspruch eines weitergehenden Unterlassungsgebots tragen könnte, wie es die Verfügungsklägerin erstinstanzlich beantragt hatte. Dem entspricht es, dass die Verfügungsklägerin in Rn. 117 der Berufungserwiderung ausdrücklich ausführt, es gebe mangels Abhilfeentscheidung der Beklagten derzeit keine Möglichkeit, die mit Schreiben vom 14. November 2023 geltend gemachten Fehler der Auswahlentscheidung in dieses Berufungsverfahren einzubeziehen. Diese Ausführungen lassen sich bei interessensgerechter Auslegung nicht mit der Annahme eines zusätzlichen Prozessrisiken unterliegenden Begehrens vereinbaren, die Untersagungsverfügung über die landgerichtliche Entscheidung hinaus auf die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung stützen zu wollen.

ff) Ohne die wirksame Erhebung einer Anschlussberufung ist der Senat schließlich trotz des in § 938 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens gehindert, erstmalig über die von der Verfügungsklägerin gegen die Auswahlentscheidung erhobenen Rügen zu entscheiden und bei einem Obsiegen der Verfügungsklägerin den Unterlassungsanspruch abweichend vom Landgericht auf eine fehlerhafte Auswahlentscheidung zu stützen. Es kann dahinstehen, ob und im welchem Umfang das Gericht gemäß § 938 Abs. 1 ZPO berechtigt ist, in einem einstweiligen Verfügungsverfahren von dem gestellten Antrag abzuweichen (vgl. zum Streitstand: BeckOK ZPO/Mayer, § 938 Rn. 3 [Stand: 1. März 2024]; MüKo ZPO/Drescher, 6. Aufl., § 938 Rn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., § 938 Rn. 1). Begrenzt wird das dem Gericht nach dieser Vorschrift zustehende Entscheidungsermessen jedenfalls durch den jeweiligen Streitgegenstand.

3. Das angefochtene Urteil war nach alledem daher abzuändern und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in Bezug auf den vom Landgericht angenommenen und in der Berufungsinstanz angefallenen Streitgegenstand zurückzuweisen.

III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Ein Anspruch auf Einsicht in die Akten der hier nicht streitgegenständlichen Vergabe zu Los 3 besteht nicht. § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG berechtigt vorbehaltlich schützenswerter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nur zur Einsicht in die Akten des jeweiligen Verfahrens. Die Vergabe der drei Lose erfolgt jeweils in einem eigenständigen Konzessionsvergabeverfahren, auch wenn unter Ziff. 1.2 der Wettbewerbsunterlagen ausgeführt wird, dass das Verfahren in drei Lose aufgeteilt ist. Für diese Wertung spricht, dass für die einzelnen Lose jeweils getrennte Angebote abgegeben werden können und diese jeweils einzeln gewertet werden. Dem entspricht es, dass die Verfügungsklägerin für Los 3 kein eigenes Angebot abgegeben hat. Außerdem erfolgt auch die Zuschlagserteilung nach Angebotsauswertung für die einzelnen Lose getrennt.

2. Weiter geht das Landgericht zutreffend davon aus (LGU 23), dass die Verfügungsklägerin ein neues einstweiliges Verfügungsverfahren anstrengen kann, in dem die von der Verfügungsklägerin gegen die Auswahlentscheidung erhobenen Rügen zu prüfen sind.

a) Mit diesen Rügen ist die Verfügungsklägerin auch in einem neuen Verfahren nicht gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG präkludiert.

aa) Für die nach erfolgter Offenlegung des Angebots der SNGS mit Schreiben vom 14. November 2024 erhobenen Rügen folgt dies bereits daraus, dass die Verfügungsbeklagte noch nicht über deren Abhilfe entschieden hat, sodass die Frist gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG noch nicht zu laufen begonnen hat. Die Verfügungsbeklagte ist auch zu einer Abhilfeentscheidung gemäß § 47 Abs. 4 EnWG verpflichtet. Sie kann nicht mit ihrem Einwand durchdringen, sie sei mit der Offenlegung des teilgeschwärzten Angebots der SNGS lediglich ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen. Denn die Vorlage erfolgte nach dem Vortrag in der Berufungsbegründung ausdrücklich, um eine isolierte gerichtliche Entscheidung um den Nebenaspekt der Akteneinsicht zu vermeiden. Diese Erklärung kann nur so verstanden werden, dass die Verfügungsbeklagte mit der Offenlegung des Angebots der SNGS auf die Annahme des Landgerichts, sie habe bislang keine ausreichende Akteneinsicht i.S.v. § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG gewährt, reagieren wollte. Gegen eine rein prozessuale Erklärung spricht im Übrigen, dass die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten die Angebotsunterlagen mit E-Mail vom 16. Oktober 2023 außerhalb des hiesigen Verfahrens übersandt hat. Der Senat kann daher offen lassen, ob es mit der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift in § 47 EnWG grundsätzlich vereinbar ist, einer im gerichtlichen Verfahren erfolgten (weitergehenden) Offenlegung eines konkurrierenden Angebots ausschließlich prozessuale Bedeutung beizumessen.

bb) Auch mit den bereits mit Schreiben vom 8. Juli 2022 erhobenen Rügen ist die Verfügungsklägerin in einem neuen Verfahren nicht präkludiert, auch wenn die Verfügungsbeklagte eine Abhilfe überwiegend mit Schreiben vom 15. November 2022 abgelehnt hat, sodass die Frist gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG an sich bereits verstrichen ist. Wird durch die Gemeinde erneut (weitergehend) Akteneinsicht erteilt, beginnt nach der gesetzlichen Konzeption auch das Rügeverfahren erneut und kann dann in eine weitere Beantragung einer einstweiligen Verfügung auf der Grundlage des dann durch die Akteneinsicht vorgegebenen Sachverhalts münden, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Rügen aufgrund der neuen Akteneinsicht erstmals erkennbar waren (a.A. OLG Stuttgart, Urteil vom 25. Mai 2023 - 2 U 201/22, juris Rn. 118). Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des Akteneinsichtsrechts und dient im Übrigen der Gewährleistung einer einheitlichen Entscheidungsgrundlage. Wäre eine sukzessive Aufdeckung des Akteninhalts in einem laufenden Verfahren noch beachtlich, führte dies vor dem Hintergrund des strengen gesetzlichen Rügeregimes zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung der Gemeinde, die ohne Prozessrisiko zunächst die zur Überprüfung der Wertungsentscheidung erforderlichen Informationen zurückhalten und dem Bieter dadurch die Überprüfung der Wertungsentscheidung - gerade unter dem gegebenen Zeitdruck - erheblich erschweren könnte. Gleichzeitig würde die Berücksichtigung des aufgedeckten Akteninhalts in einem laufenden Verfahren zahlreiche Fragen in Bezug auf das Rügeregime aufwerfen, die sich auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen kaum konsistent lösen lassen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. April 2024 - 13 U 50/22, 51/22 [zur Veröffentlichung vorgesehen]).

b) Schließlich steht einer Berücksichtigung der mit Schreiben vom 8. Juli 2022 erhobenen Rügen in einem neuen einstweiligen Verfügungsverfahren die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Denn das Landgericht hat sich ausdrücklich einer Entscheidung über die Auswahlentscheidung enthalten und diese ist auch in der Berufungsinstanz nicht angefallen (s.o.).

3. Beginnt das Rügeverfahren - wie hier - aufgrund einer gewährten (weitergehenden) Akteneinsicht von Neuem, darf ein Wegenutzungsvertrag bis zum Ablauf der Fristen gemäß § 47 Abs. 2 Sätze 3, 4 EnWG und § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG nicht abgeschlossen werden.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.