Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.04.2024, Az.: 2 U 34/23

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.04.2024
Aktenzeichen
2 U 34/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 21898
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 23.02.2023 - AZ: 13 O 40/22

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ... auf die mündliche Verhandlung am 15. März 2024 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. Februar 2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben und der Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 15. März 2024 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiese, das auch über die Kosten des Berufungsverfahren zu entscheiden hat.

  2. 2.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  3. 3.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

  4. 4.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 22.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Zahlung aufgrund eines Internet-System-Vertrags, die Beklagte widerklagend Rückzahlung bereits geleisteter Vergütung sowie Feststellung, dass der Klägerin keine Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Vertrag zustehen.

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 23. Februar 2023, insbesondere die Wiedergabe des Parteivortrages und die gestellten Anträge Bezug genommen (Bl. 586-591 d. A.).

Die Beklagte hat die Klägerin nach mehrfacher Korrespondenz per E-Mail aufgrund behaupteter Mängel der erstellten Webseite, insbesondere deren Nichterreichbarkeit seit dem 15. Oktober 2020, mit E-Mail vom 27. Oktober 2020 eine Frist zur Behebung der Mängel bis zum 30. Oktober 2020 gesetzt. Mit weiteren E-Mails unter anderem vom 11. November 2020 hat die Beklagte die Klägerin zur Erstellung datenschutzkonformer Cookie-Hinweise aufgefordert und hierzu eine Frist bis zum 30. November 2020 gesetzt. Die Klägerin teilte mit E-Mail vom 20. November 2020 mit, sie habe den Cookie-Banner wie gewünscht angepasst. Mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Juli 2021 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung, die außerordentliche Kündigung und den Rücktritt vom Vertrag sowie hilfsweise die Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen, wobei sie sich den Ausspruch einer Kündigung nach § 648 BGB ausdrücklich vorbehalten hat. Die Beklagte hat die Anfechtungs- und Rücktrittserklärungen mit der Klagerwiderung vom 10. Dezember 2021 wiederholt und zudem die Kündigung des Vertragsverhältnisses erklärt.

Mit Urteil vom 23. Februar 2023 hat der Einzelrichter der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage zu Zahlung an die Beklagte in Höhe von 1.619,36 EUR nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis keine Zahlungsansprüche zustehen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Internet-System-Vertrag sei als Werkvertrag zu qualifizieren, es fehle jedoch an einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung. Die Vertragsurkunde vom 7. August 2020 enthalte keine Einigung über alle wesentlichen Vertragsbestandteile. Die Angaben zu der klägerseitig zu erbringenden Werkleistung ("Internetauftritt", "Suchmaschinenoptimierung") seien ohne das ergänzende Leistungsverzeichnis, dessen Übergabe und Einbeziehung die Klägerin nicht habe beweisen können, nicht hinreichend konkret, der geschuldete Erfolg sei nicht bestimmbar. Die in dem Vertrag enthaltene formularmäßige Bestätigung der Überhabe der Leistungsbeschreibung begründe eine nach §§ 307 Abs. 1, 310 Abs. 1 BGB unzulässige Beweislastverschiebung und sei daher unbeachtlich.

Der Anspruch auf Rückzahlung der mangels wirksamen Werkvertrags zu Unrecht vom Konto der Beklagten eingezogenen Beträge folge aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB. Aus der Feststellungsantrag hinsichtlich der nicht vom klägerischen Zahlungsantrag umfassten Monatsraten sei demzufolge begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 591 - 597 d. A.).

Gegen dieses ihr am 2. März 2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. März 2023, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 2. Juni 2023 verlängerten Frist mit Schriftsatz vom 2. Juni 2023, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, begründet.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Berufung eine Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und die Widerklage abgewiesen wird. Sie rügt eine rechtsfehlerhafte Entscheidung. Unzutreffend habe das Erstgericht die Auffassung vertreten, ein wirksamer Vertrag hätte lediglich bei nachgewiesener Übergabe der Leistungsbeschreibung zustande kommen können, hiermit habe das Gericht rechtsfehlerhaft individuelle Vertragsdetails auf die Ebene der essentialia negotii gehoben. Die Hauptleistungspflichten seien bereits aus der Vertragsurkunde heraus hinreichend bestimmbar. Selbst wenn die Leistungsbeschreibung der Beklagten bei Vertragsschluss nicht übergeben worden wäre, hätte es in ihrem Verantwortungsbereich gelegen, auf deren Vorlage zu bestehen. § 633 Abs. 2 BGB gehe zudem davon aus, dass zur Ausfüllung des Leistungsinhalts gegebenenfalls auf eine Leistung mittlerer Art und Güte abzustellen sei. Eine Beweislastumkehr im Wege einer Allgemeinen Geschäftsbedingung sei im unternehmerischen Verkehr nicht zu beanstanden.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.198,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

    462,84 EUR seit dem 30. November 2020,

    420,84 EUR seit dem 30. Dezember 2020,

    380,80 EUR seit dem 30. Januar 2021,

    380,80 EUR seit dem 30. Februar 2021,

    380,80 EUR seit dem 30. März 2021,

    380,80 EUR seit dem 30. April 2021,

    380,80 EUR seit dem 30. Mai 2021,

    380,80 EUR seit dem 30. Juni 2021,

    380,80 EUR seit dem 30. Juli 2021,

    380,80 EUR seit dem 30. August 2021,

    380,80 EUR seit dem 30. September 2021,

    zu zahlen,

  2. 2.

    die beklagte Partei zu verurteilen, an die Klägerin 381,40 EUR Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 24. Juni 2021 zu zahlen,

  3. 3.

    die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das ihr günstige erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, grundsätzlich seien sämtliche Leistungen bei einem Internet-System-Vertrag ohne Einschränkungen vereinbart. Erst durch Hinzuziehung der Leistungsbeschreibung ergebe sich eine teilweise erhebliche Einschränkung der Leistungspflicht der Klägerin. Deren konkreter Umfang bleibe vorliegend unklar. Selbst bei unterstellter Einbeziehung der Leistungsbeschreibung habe die Klägerin kein nutzungsfähiges Werk angeboten, weil sie weder eine Datenschutzerklärung noch Cookie-Hinweise schulde. Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe sie über den Umfang der geschuldeten Leistung getäuscht, insbesondere das fortwährende Erscheinen der Homepage der Beklagten auf den ersten drei Plätzen bei einer Google-Suche unter Eingabe relevanter Suchbegriffe im räumlichen Bereich von 100 km um W., eine ständige anstelle einer einmaligen Suchmaschinenoptimierung, die Textgestaltung durch M., den Eigentumserwerb an der Webseite statt zeitlich beschränkter Nutzungsrechte, die Einsparung von Kosten für Google-Ads-Werbung durch die Suchmaschinenoptimierung und eine vorgebliche Kostenersparnis in Höhe von 10.000,- bis 12.000,- EUR zugesichert. Die Klägerin programmiere bereits keine Website, sondern gestalte diese mittels des Baukastensystems HTML 5 (Gestaltungssprache). Sie sei zudem nicht zur Nutzung/Verwendung des Namens M. bzw. M. Online-Service berechtigt gewesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache vorläufigen Erfolg.

Das angefochtene Urteil war einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben und die Sache auf den Hilfsantrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2024 an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

1. Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an wesentlichen Mängeln und kann keinen Bestand haben. Das Landgericht hat durch unterbliebene umfassende Kenntnisnahme von den vertraglichen Regelungen und darauf beruhender fehlerhafter und verkürzter rechtlicher Würdigung den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, es überdies versäumt, den Parteien rechtzeitig Hinweise zu erteilen und Gelegenheit zur ergänzenden Stellungname zu geben sowie umfassend Beweis zu erheben. Dies wird nachzuholen sein.

Das entscheidende Gericht ist aufgrund des Gebots rechtlichen Gehörs verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Beschluss vom 25. September 2020 - 2 BvR 854/20 -, juris, Rn. 26). In den Entscheidungsgründen müssen die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden, wobei für das Gericht eine Pflicht besteht, die vorgebrachten Argumente zu würdigen und in den Entscheidungsgründen hierzu Stellung zu nehmen, wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern ihres Vorbringens darstellt und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 6. September 2022, Az.: VIII ZR 352/21 -, juris, Rn. 11). Wird in den Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingegangen, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern dieser nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2021, Az.: VIII ZB 83/20 -, juris, Rn. 35). Ein Schweigen lässt den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2024 - 2 BvR 1756/23 -, Rn. 14). Ein Verfahrensfehler kann dadurch begründet sein, dass das Gericht vertragliche Regelungen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder sprachlich falsch verstanden hat [BGH, Urteil vom 31. 10. 2001 - VIII ZR 60/01, NJW 2002, 370 (371)].

Dies zugrunde gelegt ist die Entscheidung des Landgerichts verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Der Einzelrichter hat den wesentlichen Vertragstext nur unvollständig zur Kenntnis genommen und deswegen unter Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) gebotene Hinweise an die Parteien zur weiteren Konkretisierung des Vortrags nicht erteilt und zu wesentlichen aufklärungsbedürftigen Tatsachen die gebotene Beweisaufnahme unterlassen. Im Einzelnen:

a. Zu Unrecht hat das Landgericht einen wirksamen Vertragsschluss verneint.

aa. Die Klägerin begehrt mit dem Klagantrag zu Ziff. 1 in der Hauptsache die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung ausstehender Vergütung auf Grundlage von § 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Internet-System-Vertrag vom 29. Mai 2020.

Zwar hat der Einzelrichter den streitgegenständlichen Vertrag unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs [BGH, Urteil vom 04.03.2010 - III ZR 79/09, NJW 2010, 1449 (1450), Rn. 16] zutreffend als Werkvertrag im Sinne von § 631 BGB qualifiziert, weil die Klägerin ausweislich der Vereinbarung (Bl. 563 d. A.) insbesondere die Erstellung einer Webseite, deren Hosting und die Suchmaschinenoptimierung als entgeltliche, erfolgsbezogene Bestandteile der Leistung schuldet.

bb. Gleichwohl hat das Landgericht fehlerhaft unter Außerachtlassung einer wesentlichen vertraglichen Regelung und durch eine Überspannung der Anforderungen an die hinreichende Bestimmbarkeit der wesentlichen Vertragsbestandteile bereits einen wirksamen Vertragsschluss mangels Einigung über die essentialia negotii verneint, indem es die - nach Durchführung der Beweisaufnahme verneinte - Einbeziehung der Leistungsbeschreibung in den Vertrag zur Voraussetzung für eine hinreichend bestimmte Festlegung der Hauptleistungspflicht der Klägerin erhoben und nicht berücksichtigt hat, dass die Leistungsbeschreibung bereits als Allgemeine Geschäftsbedingung auf Grundlage der eindeutigen vertraglichen Regelung einbezogen wurde.

(1). Noch fehlerfrei hat das Landgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Beweis der Übergabe der Leistungsbeschreibung an den Geschäftsführer der Beklagten als nicht geführt angesehen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Einzelrichter zutreffend die in dem Vertrag enthaltene vorformulierte Bestätigung, dass dem Partnerunternehmen eine genaue Leistungsbeschreibung übergeben wurde, als unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB angesehen und daher die Beweislast für die erfolgte Übergabe nach allgemeinen Grundsätzen der Klägerin zugewiesen. Klauseln, die dem Gegner des Verwenders die Beweislast für Umstände auferlegen, die dem Verantwortungsbereich des Verwenders zuzurechnen sind, führen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gegners des Klauselverwenders und sind daher unwirksam [BGH, Urteil vom 05.10.2005 - VIII ZR 16/05, NJW 2006, 47 (49)]. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klausel bürdet der Beklagten als Vertragspartnerin der Verwenderin durch die in ihr enthaltene Bestätigung der Übergabe der Leistungsbeschreibung die eigentlich der Klägerin obliegende Beweislast hinsichtlich dieser Übergabe auf. Der zuvor dargestellte Grundsatz gilt nicht nur für die Verwendung gegenüber Verbrauchern, für die das ausdrückliche Klauselverbot des § 309 Nr. 12 lit. a BGB eingreift, sondern nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für den kaufmännischen Verkehr [BGH, Urteil vom 05.10.2005 a.a.O., Staudinger/Coester-Waltjen (2022) BGB § 309 Nr. 12 Rn. 16].

Ohne Erfolg greift die Klägerin die Beweiswürdigung des Landgerichts mit der Begründung an, das Landgericht habe fehlerhaft die Angaben des Geschäftsführers der Beklagten wie eine Beweisaufnahme gewürdigt, obwohl es sich hierbei lediglich um Parteivortrag handele.

Der Senat hat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich die verfahrensfehlerfrei durch das Landgericht festgestellten Tatsachen seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts legt die Klägerin insoweit zur Überzeugung des Senats nicht dar. Sie verkennt die Grundsätze der Beweiswürdigung. Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden. Zu den Erkenntnisquellen der Beweiswürdigung gehören auch die Äußerung einer Partei während ihrer Anhörung, zudem die Aussage eines Zeugen sowie der gesamte Sachvortrag der Parteien und deren Prozessverhalten [BGH, Beschluss vom 24.06.2003 - VI ZR 327/02, NJW 2003, 2527 (2528)]. Die Beweiswürdigung des Tatrichters kann nur darauf nachgeprüft werden, ob sie in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt lässt (BGH, Urteil vom 12.12.2019 - III ZR 198/18, NJW 2020, 776, Rn. 12).

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht unter Berücksichtigung aller Umstände im Hinblick auf die klägerseitig behauptete Übergabe und Erörterung der Leistungsbeschreibung im Rahmen der Vertragsgespräche die für die Erbringung eines Vollbeweises notwendige Gewissheit, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen [BGH, Urteil vom 17.02.1970 - III ZR 139/67, NJW 1970, 946 (948)], nicht zu erlangen vermochte. Die erstinstanzliche Beweiswürdigung lässt weder die hinreichende Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen noch eine Würdigung seiner Aussage und der Angaben des Geschäftsführers der Beklagten im Rahmen der Anhörung vermissen. Es ist insbesondere entgegen der Ausführungen der Klägerin nicht zu beanstanden, dass der Einzelrichter auch die Angaben des Geschäftsführers der Beklagten als eine von mehreren Erkenntnisquellen in seine Würdigung einbezogen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24.06.2003, a.a.O.). Zutreffend hat der Einzelrichter unter konkreter Bezugnahme auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung festgestellt, dass die Aussage des Zeugen H. (Bl. 560R - 561R d. A.), der sich an den Inhalt des Gesprächs kaum noch zu erinnern vermochte, zur Frage der Vorlage und Erörterung der Leistungsbeschreibung unergiebig war und die Klägerin demzufolge beweisfällig geblieben ist.

(2). Verfahrensfehlerhaft hat das Landgericht jedoch die Regelung zu Ziff. I.) des Vertrages vom 29. Mai 2020 (Bl. 563 d. A.), wonach sich die genauen Leistungsspezifikationen des Systemumfanges aus den Leistungsbeschreibungen ergeben, nicht zur Kenntnis genommen und demzufolge nicht in die Würdigung einbezogen. Die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils enthalten keine Ausführungen zu der Frage, ob die im Vertrag in Bezug genommene Leistungsbeschreibung als Allgemeine Geschäftsbedingung jedenfalls stillschweigend in den Vertrag einbezogen worden ist.

Die Leistungsbeschreibung (Bl. 526, 526R d. A.) stellt eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung dar, die von der Klägerin als Verwender gegenüber der Beklagten bei Abschluss des Vertrages gestellt wurde und dem Anwendungsbereich des AGB-Rechts unterfällt (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Zu den Vertragsbedingungen gehören auch Regelungen, die den Vertragsinhalt gestalten sollen (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 305 BGB Rn. 4), wozu auch Bestimmungen über die Hauptleistungspflicht zählen (Grüneberg/Grüneberg, aaO). Leistungsbeschreibung ist eine den Vertragsinhalt gestaltende Regelung.

Sie wurde einseitig von der Klägerin für die fortlaufende Verwendung bei vergleichbaren Rechtsgeschäften formuliert und dem Inhalt nach vorgegeben. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr bedürfen AGB vorbehaltlich des Bestehens eines in diesem Fall nicht feststellbaren Handelsbrauchs einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung in Form einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Willensübereinstimmung, um Vertragsbestandteil zu werden (BGH, Urteil vom 12.02.1992 - VIII ZR 84/91, NJW 1992, 1232). Die strengeren Voraussetzungen der Einbeziehung gem. § 305 Abs. 2 BGB finden bei Verwendung der AGB gegenüber Unternehmern gerade keine Anwendung (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB). In Bezug genommene AGB werden bereits dann Vertragsinhalt, wenn der Kunde sie nicht kennt, jedoch die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme beispielsweise durch Anforderung beim Verwender besteht [BGH, Urteil vom 31.10.2001 - VIII ZR 60/01, NJW 2002, 370 (372), BGH, Urteil vom 12.02.1992 - VIII ZR 84/91, NJW 1992, 1232 (1233)].

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Senat nach nochmaliger Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die Leistungsbeschreibung trotz nicht nachgewiesener Übergabe an die Beklagte als Allgemeine Geschäftsbedingung wirksam in den Vertag einbezogen wurde.

Die Beklagte ist eine gewerblich tätige juristische Person und folglich Unternehmerin im Sinne von § 14 Abs. 1 BGB. Die Vorderseite des Vertrages enthält unter Ziff. I.) einen ausdrücklichen Hinweis auf die Leistungsbeschreibung und führt hierzu aus, die genauen Leistungsspezifikationen ergäben sich aus den beigefügten Leistungsbeschreibungen. Der Geschäftsführer der Beklagten hat in der erstinstanzlich erfolgten persönlichen Anhörung bekundet, er habe sich die Vorderseite der Vertragsurkunde nach dem Ausfüllen durch den Zeugen H. durchgelesen und unterschrieben (Bl. 559 d. A.). Er hatte folglich die Möglichkeit, die vertraglichen Bestimmungen zu erfassen und hätte sich die Leistungsbeschreibung vorlegen lassen können. Unter Berücksichtigung dessen ist angesichts des klar formulierten Verweises auf die Leistungsbeschreibung zweifelsfrei von einer wirksamen Einbeziehung derselben auszugehen. Denn zur Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag genügt jede auch stillschweigende Willenserklärung (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 310 Rn. 5), die hier in der Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten nach Lektüre der Vertragsurkunde zu erblicken ist.

Der Inhalt der Leistungsbeschreibung unterliegt grundsätzlich keiner Inhaltskontrolle. Eine Inhaltskontrolle nach Maßgabe von § 307 BGB findet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht hinsichtlich solcher Abreden statt, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu bezahlenden Vergütung unmittelbar regeln (BGH, Urteil vom 20. April 2023, Az.: I ZR 113/22, zitiert nach juris Rn. 13 m.w.N.). Soweit nach der BGH-Rechtsprechung (Urteil vom 5. Oktober 2017 - III ZR 56/17, Rn. 15) gleichwohl in Ausnahmefällen eine Inhaltskontrolle ermöglicht ist, ist die Vereinbarung der Parteien jedenfalls wirksam. Für die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, sind allein §§ 307, 308 Nr. 1a) und 1b) BGB mit der Ergänzung in § 310 Abs. 1 S. 2 BGB maßgebend (Grüneberg/Grüneberg, § 310 Rn. 5). Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten durch die Einbeziehung der Leistungsbeschreibung in den Vertrag ist weder erkennbar noch vorgetragen. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungsbeschreibung der Beklagten bei Vertragsschluss selbst auf Anforderung hin vorenthalten worden wäre. Die Klauselverbote des § 308 Nr. 1a) oder Nr. 1b) BGB sind hier nicht einschlägig, weil es weder um die Regelung einer Zahlungsfrist noch einer Überprüfungs- oder Abnahmefrist geht. Somit ist die von der Klägerin vertraglich geschuldete Werkleistung durch die Leistungsbeschreibung (Bl. 526, 526R d. A.) in Verbindung mit den auf der Vertragsurkunde angekreuzten Bestandteilen definiert.

(3). Ungeachtet der vorstehenden Erwägungen hat das Landgericht auch im Übrigen die Anforderungen an die Bestimmtheit der vertraglichen Konkretisierung der geschuldeten Leistung überspannt und auch insoweit rechtsfehlerhaft einen wirksamen Vertragsschluss verneint.

Ein wirksamer Vertrag setzt eine Einigung über die sog. essentialia negotii (wesentliche Bestandteile des Rechtsgeschäfts) voraus, wofür es ausreicht, dass die beiderseits geschuldeten Leistungen bestimmt oder zumindest eindeutig bestimmbar sind (BGH NJW 1971, 653 [BGH 27.01.1971 - VIII ZR 151/69]; NJW 2002, 3016 [BGH 03.07.2002 - XII ZR 39/00]). Dabei verlangt die Bestimmbarkeit ein deutlich geringeres Maß an Genauigkeit (BGH NJW 2006, 139, 140 [BGH 02.11.2005 - XII ZR 212/03]). Nur in den seltensten Fällen scheitert in der Praxis die Wirksamkeit an der fehlenden Bestimmtheit eines Vertrages (Messerschmidt/Voit/Rintelen, Privates Baurecht, 4. Aufl. 2022, BGB § 631 Rn. 34 ff.).

Dies zugrunde gelegt sind im vorliegenden Fall selbst ohne Einbeziehung der Leistungsbeschreibung die Leistungsziele in Form der Erstellung eines Internetauftritts und Durchführung einer Suchmaschinenoptimierung einschließlich der im Einzelnen benannten Zusatzleistungen bei Vertragsschluss hinreichend bestimmt festgelegt, auch wenn der konkrete Leistungsumfang ohne Einbeziehung der Leistungsbeschreibung nicht im Detail niedergelegt wäre. Bereits unmittelbar aus der Vertragsurkunde ergeben sich nämlich die für einen Werkvertrag prägenden wechselseitigen Hauptleistungspflichten der Parteien, insbesondere die Höhe des monatlichen Entgelts einschließlich der Vorleistungspflicht der Beklagten sowie die Vertragslaufzeit von 48 Monaten, gleichsam die Pflichten der Klägerin in Form der Zurverfügungstellung des handschriftlich angekreuzten Systemumfangs, der Erstellung einer Webseite anhand der von der Beklagten überlassenen Unterlagen und Durchführung einer Suchmaschinenoptimierung, die jedenfalls zu einer verbesserten Auffindbarkeit der Webseite der Beklagten führen sollte. Die Leistungsbeschreibung stellt lediglich eine weitergehende Konkretisierung dieser vereinbarten Leistungspflichten dar. Diese ist für die Beurteilung der - von der Beklagten ebenfalls gerügten - Ordnungsgemäßheit der Leistungserbringung, nicht jedoch für die vorgelagerte Frage des wirksamen Vertragsschlusses von Relevanz.

b. Infolge seiner vorstehend ausgeführten Fehler in der rechtlichen Würdigung der Vertragsunterlagen hat der Einzelrichter sodann in nicht erschöpfender Beurteilung des von den Parteien unterbreiteten Streitstoffes eine rechtzeitige Erteilung von richterlichen Hinweisen gemäß § 139 ZPO und eine eingehende Prüfung der weiteren beklagtenseitig erhobenen Einwände wie nachstehend ausgeführt unterlassen:

aa. Soweit die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Juli 2021 eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt hat, bedarf es einer weitergehenden Beweisaufnahme.

Die Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, der Zeuge H. habe ihr im Umkreis von 100 km um P. W. herum eine stetige Platzierung unter den ersten drei Treffern bei einer Google-Suche mit den Keywords "Reinigungsanlage, Waschanlage, Ultraschallanlage, Anlagenreiniger und Anwendungsreiniger" versprochen. Zudem habe er eine fortlaufende Suchmaschinenoptimierung und einen Übergang der Homepage an die Beklagte anstelle eines ausschließlich während der Vertragslaufzeit bestehenden Nutzungsrechts zugesichert sowie bewusst wahrheitswidrig den Eindruck erweckt, bei der Klägerin handele es sich um ein von der Verlagsgruppe M. zertifiziertes Partnerunternehmen.

Der Vortrag der Beklagten, sie sei über den Vertragspartner getäuscht worden und habe angenommen, mit der Verlagsgruppe M. zu kontrahieren, überzeugt nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht, weil der Geschäftsführer der Beklagten nach eigenen Angaben "M." gar nicht gekannt hat. Dann kann der Verbindung der Klägerin zu dieser Verlagsgruppe auch nicht die Bedeutung beigemessen werden, die die Beklagte nunmehr vorbringt. Falls zur Überzeugung des Tatrichters hierin gleichwohl ein möglicher Anfechtungsgrund gesehen werden sollte, wäre die Klägerin darauf hinzuweisen, dass dem weitgehend geschwärzten Letter of Intent (Bl. 161 d. A.) keine relevanten Informationen zu entnehmen sind und dieser als Beleg für eine zum damaligen Zeitpunkt bestehende geschäftliche Kooperation zwischen der Klägerin und der Verlagsgruppe M. nicht ausreichend ist.

Hinsichtlich der weiteren behaupteten Täuschungen ist angesichts des Bestreitens der Klägerin eine weitere Beweisaufnahme erforderlich, in deren Rahmen der Zeuge H. sowie die Zeugin K. zu vernehmen und der Geschäftsführer der Beklagten zur weitergehenden Aufklärung des genauen Inhalts der Vertragsgespräche anzuhören sind. Der Zeuge H. ist trotz seiner bislang bekundeten Erinnerungslücken bereits deshalb erneut zu vernehmen, weil nicht auszuschließen ist, dass seine Erinnerung an konkrete Gesprächsinhalte durch Vorhalte aus den Aussagen der Zeugin K. oder des Geschäftsführers der Beklagten widerlegt werden könnten.

bb. Ohne eine weitergehende Beweisaufnahme kann auch nicht beurteilt werden, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB einen auf Naturalrestitution in Form der Vertragsaufhebung gerichteten Schadensersatzanspruch wegen (ggf. lediglich fahrlässiger) Informationspflichtverletzung durch Irrtumserregung hat. Insoweit kommt es ebenfalls darauf an, welche Angaben der Zeuge H. in dem Vertragsanbahnungsgespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten (gegebenenfalls in Anwesenheit der Zeugin K.) gemacht hat und welche Erwartungen an die klägerisch geschuldeten Leistungen dies bei dem Geschäftsführer der Beklagten aus objektiver Sicht erwecken durfte. Ungeachtet der Frage der schuldhaften Irrtumserregung setzt dies aber auch einen durch die Sorgfaltspflichtverletzung entstandenen Schaden voraus (OLG Celle, Urteil vom 06.04.2006 - 11 U 191/05 -, juris, Rn. 17), der nicht automatisch mit der Eingehung des Vertrags eintritt, sondern vielmehr erfordert, dass sich der Vertragsabschluss für den Betroffenen wirtschaftlich nachteilig darstellt [OLG Celle, Urteil vom 06.04.2006 - 11 U 191/05, NJW-RR 2006, 1283 (1284)]. Hätte der Vertragspartner den Vertrag ohne das schuldhafte Verhalten der Gegenseite nicht geschlossen, kann ein Vermögensschaden auch darin bestehen, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist, wobei dies voraussetzt, dass die Leistung nicht nur aus rein subjektiver willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern der Vertragsschluss auch von der Verkehrsanschauung als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und somit als nachteilig angesehen wird [BGH, Urteil vom 26.09.1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302 (304)]. Hierzu bedarf es ergänzenden Vorbringens der Beklagten. Auch dieser Aspekt ist mangels umfassend erfolgter Beweisaufnahme derzeit nicht entscheidungsreif, weil es an tragfähigen Feststellungen zur Irrtumserregung und der Frage der wirtschaftlichen Komponente der Schadensermittlung fehlt.

cc. Das Landgericht wird auch zu prüfen haben, ob der geschlossene Vertrag als wucherähnliches Geschäft im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB mit Wirkung ex tunc nichtig ist.

Die Beklagte hat hierzu unter Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe und die Klägerin die Beklagte zudem in unredlicher Weise über den Umfang der angebotenen Leistung getäuscht habe. Es bedarf insoweit zunächst der Aufklärung des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs - insbesondere zu der behaupteten Suchmaschinenoptimierung im Hinblick auf eine etwaige Platzierung der Beklagten - durch Vernehmung der Zeugen K. und H., um sodann durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu prüfen, ob Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen. Insoweit wird die von der Klägerin tatsächlich erbrachte Leistung mit dem vertraglich vereinbarten Leistungssoll abzugleichen sein.

dd. Soweit die Beklagte eine mangelhafte Leistungserbringung rügt und hieraus ein Recht zum Rücktritt auf der Grundlage der §§ 634 Nr. 3, 633 Abs. 1, Abs. 2, 636, 323 BGB gemäß anwaltlichem Schreiben vom 8. Juli 2021 ableitet, wird das Landgericht nach Aufklärung des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs und der ggf. erforderlichen Vernehmung der klägerseitig benannten Zeugin B. zum Umfang der erbrachten Leistungen ein Sachverständigengutachten zur Prüfung einzuholen haben, ob die erbrachten Leistungen der Vereinbarung entsprechen oder eine mangelhafte Werkleistung darstellen. Das Landgericht wird insoweit die behaupteten Individualabreden zu einem über die Leistungsbeschreibung deutlich hinausgehenden, im Rahmen der Vertragsgespräche zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Zeugen H. am 29. Mai 2020 vereinbarten Leistungsumfang aufzuklären und ggf. zu berücksichtigen haben.

Der Geschäftsführer der Beklagten hat hierzu in der erstinstanzlichen Anhörung bekundet, der Zeuge H. habe die Erstellung einer neuen Webseite mit Programmierung und Texten von M. zugesagt. Es sollten Keywords eingebracht und durch Fachleute ständig optimiert werden. Nach der vereinbarten Vertragslaufzeit solle die Webseite an die Beklagte übergehen.

Derartigen Abreden - sofern sie nach dem Ergebnis der erforderlichen Beweisaufnahme feststehen sollten - stünde auch nicht die Regelung unter Ziff. II des Vertrages entgegen, wonach "mündliche Nebenabreden oder Ergänzungen" nicht getroffen wurden, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der schriftlichen Vertragsurkunde wiedergibt, ohne dem Vertragspartner die Führung des Gegenbeweises zu nehmen (BGH, Urteil vom 3. März 2021 - XII ZR 92/19 -, juris, Rn. 13).

Das Landgericht wird seiner Entscheidung dabei zugrunde zu leben haben, dass die Leistungsbeschreibung wirksam einbezogen worden ist (s.o.).

ee. Die vorstehenden Erwägungen gelten gleichermaßen für die von der Beklagten erklärte Kündigung aus wichtigem Grund wegen erheblicher Störung der Vertrauensgrundlage nach § 648a BGB. Hiernach können beide Vertragsparteien den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wobei ein wichtiger Grund vorliegt, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann. Auch hierzu bedarf es weiterer Sachverhaltsaufklärung zur Frage der Irrtumserregung und Vertragsgemäßheit der Leistungserbringung, um die gebotene einzelfallbezogene Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen zu ermöglichen.

ff. Entgegen der Ansicht der Beklagten begegnet die formularmäßige Vereinbarung der Vorleistungspflicht im Rahmen einer monatlichen Zahlweise hingegen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, die eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet, richtet sich nach § 307 BGB. Danach ist eine Klausel, die den Kunden abweichend von der gesetzlichen Regelung zur Vorleistung verpflichtet, nur dann zulässig, wenn für sie ein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rechnung getragen wird, insbesondere keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen [BGH, Urteil vom 12.03.1987 - VII ZR 37/86, NJW 1987, 1931 (1932)]. Diese Maßstäbe gelten auch, wenn die Klausel gegenüber einem Unternehmer verwendet wird (§ 310 Abs. 1 BGB), wobei den Besonderheiten des unternehmerischen Verkehrs im Rahmen der nötigen Interessenabwägung Rechnung zu tragen ist [BGH, Urteil vom 04.03.2010 - III ZR 79/09, NJW 2010, 1449 (1450)].

Der Grundsatz der Leistung Zug um Zug (§§ 320, 322 BGB) gehört zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), weil er eine gleichmäßige Sicherheit für beide Vertragsparteien gewährleistet. Durch die Vorleistungspflicht wird dem Kunden das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung genommen und das Risiko der Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners aufgebürdet. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung (zu Vorstehendem insgesamt: BGH, Urteil vom 04.03.2010, a.a.O.).

Die Vorleistungspflicht ist im vorliegenden Fall jedoch durch den Umstand sachlich begründet, dass der Anbieter des Internet-System-Vertrags bereits zu Beginn der Vertragslaufzeit einen großen Anteil der während der Vertragsdauer insgesamt geschuldeten Leistung zu erbringen, insbesondere die Webseite zu erstellen und einzurichten sowie die Abrufbarkeit zu gewährleisten hat (vgl. BGH, Urteil vom 04.03.2010, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als die Parteien eine monatliche Zahlweise vereinbart haben, so dass die Klägerin angesichts des gleichmäßigen Zahlbetrages in Höhe von 399,- EUR netto/Monat im Verhältnis zur Beklagten in Anbetracht der recht umfangreichen zu erbringenden Anfangsleistung eine die Vorleistungspflicht der Beklagten auch der Höhe nach nicht unangemessen erscheinen lassende Gegenleistung erbringt.

gg. Nicht nachvollziehbar ist der von der Beklagten erklärte Widerruf. Es ist bereits nicht ersichtlich, aus welcher Norm die Beklagte als Unternehmerin im Sinne von § 14 BGB ein Widerrufsrecht herzuleiten gedenkt.

2. Infolge der verfahrensfehlerhaften Behandlung des Einzelrichters ist eine aufwändige, mehrstufige Beweisaufnahme erforderlich. Der Geschäftsführer der Beklagten wird erneut anzuhören und die Zeugen H., K. und B. zu vernehmen sein. Sodann wird ein Sachverständigengutachten einzuholen sein. Die Sache ist nicht ohne Beweisaufnahme entscheidungsreif.

3. Die Zurückverweisung ist sachdienlich, weil das Interesse an einer schnelleren Erledigung gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz nicht überwiegt. Der Senat hat in Erwägung gezogen, dass eine Zurückverweisung der Sache zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits oder Nachteilen führen und dies den Interessen der Parteien entgegenstehen kann (BGH, Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2004, Az.: VII ZR 270/03 -, juris Rn. 23). Den Parteien würde jedoch, wenn der Senat in der Sache entscheiden würde, eine volle Instanz genommen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. Juli 1969, Az.: V ZR 199/68 -, juris Rn. 12). Es erscheint hiernach zweckmäßig, die derzeit noch nicht entscheidungsreife Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen. Unter Berücksichtigung der fehlenden Entscheidungsreife wirkt sich der Verlust einer Tatsacheninstanz für beide Parteien nachteiliger aus als der mit der Zurückverweisung verbundene Zeit- und Kostenaufwand.

Im Übrigen stellt bereits die Notwendigkeit einer umfangreichen Beweisaufnahme für sich genommen einen sachgerechten, die Zurückverweisung rechtfertigenden Ermessensgesichtspunkt dar (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 538 ZPO 7).

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Landgericht wird gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte jedenfalls in der Klagerwiderung vom 10. Dezember 2021 auch eine Kündigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 648 BGB ausgesprochen hat (Bl. 83 d. A.). Aus den in diesem Schriftsatz ersichtlichen umfangreichen Ausführungen zur Unzumutbarkeit einer weiteren vertraglichen Verbundenheit der Parteien wird der unbedingte Wunsch der Beklagten nach einer Beendigung des Vertragsverhältnisses deutlich, sodass jedenfalls die freie Kündigung nach § 648 BGB gewollt ist [vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 24.07.2003 - VII ZR 218/02, NJW 2003, 3474 (3475)]. Das Kündigungsrecht ist auch nicht durch § 3 Abs. 1 Satz 2 der AGB ausgeschlossen, wonach die Vertragslaufzeit 48 Monate beträgt und die Vereinbarung "während dieser Laufzeit [...] aus wichtigem Grund bei Vorliegen gesetzlicher Voraussetzungen kündbar" ist. Die Klausel ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgend dahin auszulegen, dass sie einer etwaigen ordentlichen Kündigung, nicht hingegen der freien Kündigung entgegensteht, weil letztere das Interesse des Werkunternehmers an der Durchführung des Vertrages durch die ihm zugesprochene Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs hinreichend wahrt [BGH, Urt. v. 27.01.2011 - VII ZR 133/10, NJW 2011, 915 (917), Rn. 16]. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien der Klausel im vorliegenden Fall eine abweichende Bedeutung beigemessen haben könnten, ergeben sich aus dem Parteivortrag nicht.

Der Klägerin wird daher aufzugeben sein, ihren Vergütungsanspruch gemäß § 648 BGB zu berechnen.

5. Rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfolgte Zurückverweisung in entsprechender Anwendung von § 563 Abs. 2 ZPO zur Folge haben, dass das erstinstanzliche Gericht an die für die Aufhebung des Urteils erster Instanz unmittelbar ursächlichen rechtlichen Beurteilungen durch das Berufungsgericht, gebunden ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 13. Oktober 2016, Az.: 12 U 71/15 -, juris, Rn. 29). Dies gilt ungeachtet der Frage, ob das erstinstanzliche Gericht die Rechtsansichten des Berufungsgerichts teilt, diese zutreffen oder nicht oder das erstinstanzliche Gericht verfassungsrechtliche Bedenken haben sollte (BGH, Urteil vom 21. November 2006 - XI ZR 347/05 -, juris Rn. 20 f.).

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Obwohl das Berufungsurteil über keinen vollstreckungsfähigen Inhalt im eigentlichen Sinne verfügt und die vorläufige Vollstreckbarkeit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 717 Abs. 1 ZPO mit Verkündung des aufhebenden Urteils außer Kraft tritt, ist ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erforderlich, da nach herrschender Auffassung das jeweilige Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil gemäß § 775 Nr. 1 und 776 Satz 1 ZPO erst einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln aufheben darf, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird (so etwa OLG München, Urteil vom 18. September 2002 - 27 U 1011/01 -, juris, Rn, 75, Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 538 ZPO, Rn. 59). Für Schutzanordnungen nach § 711 ZPO bleibt kein Raum, weil es an einem vollstreckbaren Leistungsausspruch im Berufungsurteil fehlt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG und berücksichtigt den mit der Klage verfolgten Anspruch in Höhe von 5.198,97 EUR sowie die widerklagend geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 1.619,36 EUR sowie 14.719,11 EUR. Der Streitwert der negativen Feststellungklage war hierbei in voller Höhe des Anspruchs anzusetzen, dessen sich die Klägerin berühmt (vgl. BGH Beschl. v. 18.8.2011 - III ZR 32/11, BeckRS 2011, 21919).

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 543 Abs. 2 ZPO. Gegenteiliges wurde von den Parteien nicht aufgezeigt.