Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.04.2024, Az.: 13 U 7/24

Wettbewerbsrechtliche Klage auf Unterlassung des Anbietens von Gitarren zum Verkauf auf einer Internetplattform ohne Existenz einer Kündigungsschaltfläche

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.04.2024
Aktenzeichen
13 U 7/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 18186
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0418.13U7.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim- 09.01.2024 - AZ: 3 O 109/23

Fundstellen

  • GRUR-Prax 2024, 587
  • K&R 2024, 596-597
  • MDR 2024, 1239-1240

Amtlicher Leitsatz

Zu der Frage, auf welcher während des Verkaufsvorgangs angezeigten Webseite die Kündigungsschaltfläche gemäß § 312k Abs. 2 BGB vorhanden sein muss.

Beim Abschluss eines auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichteten Vertrags im elektronischen Geschäftsverkehr ist die Kündigungsschaltfläche gemäß § 312k Abs. 2 BGB zumindest auch auf derjenigen Webseite vorzuhalten, auf der aus der Sicht der Verbraucher der Bestellprozess beginnt. Hieran ändert es nichts, wenn diese Verkaufsseite von einem Dritten - als Beauftragtem des Verkäufers im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG, § 2 Abs. 1 Satz 2 UKlaG - betrieben wird und der Verbraucher während des Bestellvorgangs auf eine eigene Webseite des Verkäufers weitergeleitet wird.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss vom 11. Juni 2024 zurückgewiesen worden.

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht .... am 18. April 2024 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 9. Januar 2024 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

    Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

  2. 2.

    Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 2.500 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt, weil auf der Webseite www....de, auf der die von der Beklagten verkauften Gitarrenkurse angeboten werden, keine Kündigungsschaltfläche gemäß § 312k Abs. 2 BGB vorhanden ist.

Die beiden von der Beklagten hiergegen in ihrer Berufungsbegründung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte sich die Zuwiderhandlung zurechnen lassen muss, die von der ... als Betreiberin der Webseite www.....de beim Angebot des Gitarrenkurses begangen wurde.

Die ... ist insoweit Beauftragte der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 UKlaG.

a) Diese Vorschrift zur Haftungszurechnung entspricht der Regelung in § 8 Abs. 2 UWG und ist wie diese auszulegen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Alexander, 42. Aufl. 2024, UKlaG § 2 Rn. 93).

Dem Inhaber eines Unternehmens werden hiernach Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit nicht beseitigen soll (BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 27/22 - Haftung für Affiliates, Rn. 23). Der Unternehmensinhaber, dem die Geschäftstätigkeit seiner Beauftragten zugutekommt, soll sich bei seiner Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können. Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Deshalb ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben. Beauftragter kann auch ein selbständiges Unternehmen sein, etwa eine Werbeagentur. Entscheidend ist, dass der Werbepartner in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zugutekommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des beauftragten Unternehmens hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Der Unternehmensinhaber haftet daher gegebenenfalls auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße

(aaO).

b) Danach ist die ...in Bezug auf den von ihr auf www.....de angebotenen Gitarrenkurs Beauftragte der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 UKlaG. Die Beklagte fungiert nach ihrem Geschäftsmodell bei Abschluss der Gitarrenkurse als Vertragspartnerin der Verbraucher. Die G., deren Gitarrenkurse die Beklagte im eigenen Namen verkauft, ist in den Verkaufsprozess der Beklagten vollständig eingebunden. Die Beklagte unterhält gar keine eigene Verkaufsplattform für den Gitarrenkurs, sondern lässt diesen von der G. anbieten. Die G. tritt aus Sicht der Verbraucher zunächst selbst (irreführend) wie ein Anbieter des Gitarrenkurses auf ("Bereits hunderte Schüler haben erfolgreich unsere Online-Kurse absolviert", "Bei uns findest du keinen Quatsch! Es gibt keine versteckten Kosten! Wir wollen, dass unsere Mitglieder bei uns bleiben, weil wir gut sind und nicht wegen intransparenter Verträge!"). Sodann werden die Verbraucher, die den Bestellprozess auf ihrer Webseite durch Auswahl eines Tarifes beginnen, auf eine Produktseite der Beklagten zum verbindlichen Vertragsabschluss weitergeleitet. Die Verkaufstätigkeiten der Beklagten und der ... sind auf diese Weise untrennbar verbunden. Weil sich die Beklagte, die nach eigenem Vorbringen gar keine eigene "klassische Verkaufsplattform" unterhält, auf diese Weise zum Angebot der von ihr abzuschließenden Verträge der ... bedient, haftet sie für deren Angebotswebseite gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UKlaG und § 8 Abs. 2 UWG.

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung für Affiliates (aaO) kann die Beklagte nichts für sie Günstiges herleiten. Die Entscheidung betrifft einen gänzlich anderen Sachverhalt. Während Affiliates Internetseiten als eigene Produkte oder Dienstleistungen entwickeln, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen (BGH, aaO, Rn. 28), betreibt die ... eine Verkaufsseite, die ausschließlich dazu dient, der Beklagten Käufer für die Gitarrenkurse zuzuführen.

Aufgrund dieses nach dem Geschäftsmodell der Beklagten notwendigen Zusammenspiels mit den Seiten ihrer Partner, der sog. Vendors, hätte sich die Beklagte jedenfalls einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auf die Gestaltung von deren Seiten sichern müssen.

2. Die Kündigungsschaltfläche nach § 312k Abs. 2 BGB ist im Streitfall - zumindest auch - auf der Webseite www.....de vorzuhalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügte es nicht, wenn - wie von der Beklagten behauptet - sich auf ihrer Webseite www....com (der "Startseite", Bl. 88 d. LG-A) eine Kündigungsschaltfläche befunden haben sollte.

a) Nach der Regelung des § 312k Abs. 2 BGB soll der Unternehmer bei im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Verträgen über Dauerschuldverhältnisse sicherstellen, "dass der Verbraucher auf der Webseite eine Erklärung zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung eines auf der Webseite abschließbaren Vertrags (...) über eine Kündigungsschaltfläche abgeben kann."

Dem liegen ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 19/30840 vom 18.06.2021, Seite 15) folgende Erwägungen des Gesetzgebers zu Grunde:

"Die Kündigung von im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Verträgen stellt Verbraucher oft vor besondere Herausforderungen. Im Vergleich zum einfachen Abschluss eines solchen Vertrags ist dessen Kündigung direkt über eine Webseite teilweise gar nicht möglich oder wird häufig durch die Webseitengestaltung erschwert.

Die mit § 312k BGB in der Entwurfsfassung vorgeschlagenen Verpflichtungen des Unternehmers sollen Verbraucher in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse in die Lage versetzen, Kündigungserklärungen im elektronischen Geschäftsverkehr künftig - unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Kündigungserklärungen - in vergleichbar einfacher Weise abzugeben wie Erklärungen zum Abschluss entsprechender Verträge."

Nach diesem verbraucherschützenden Zweck der Vorschrift soll es dem Verbraucher möglichst erleichtert werden, die Kündigungsmöglichkeit für den von ihm im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Vertrag zu finden. Zu diesem Zweck muss der Verbraucher die Kündigungsmöglichkeit in Form der Kündigungsschaltfläche dort vorfinden, wo ihm der Vertragsschluss angeboten wurde und er den Bestellprozess begonnen hat. Denn dort wird ein Verbraucher, der die Kündigung des Vertrags beabsichtigt, zuvörderst nachsehen, um nach einer Kündigungsmöglichkeit zu suchen. Danach ist im Zweifel nicht maßgeblich, ob der Verbraucher nach dem Beginn des Bestellprozesses bis zu dessen verbindlichem Abschluss noch auf eine weitere Seite geleitet wird. Der Verbraucher wird sich in der Regel den Link für eine solche spezifische Produkt-Webseite, die für den Abschluss des Bestellprozesses noch durchlaufen werden muss, nicht merken oder abspeichern. Es würde daher dem verbraucherschützenden Zweck der Regelung nicht gerecht, wenn sich die Kündigungsschaltfläche nur dort befände. Danach ist der angebotene Vertrag grundsätzlich auf derjenigen Webseite im Sinne von § 312k Abs. 2 BGB abschließbar, auf der der Verbraucher aus seiner Sicht mit dem Bestellprozess beginnen kann.

b) Im Streitfall wird vom Verbraucher die Bestellung des angebotenen Gitarrenkurses damit begonnen, dass er auf der Webseite www.....de einen der angebotenen Tarife durch Anklicken der jeweiligen Schaltfläche "14 Tage gratis testen" auswählt. Deshalb erwartet der Verbraucher auch dort die Informationen über die Kündigungsmöglichkeiten. Zumindest auch auf dieser Webseite hätte somit die Kündigungsschaltfläche gemäß § 312k Abs. 2 BGB vorgehalten werden müssen.

c) Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das von der Beklagten vorgetragene Vorhalten der Kündigungsschaltfläche auf der Webseite www.....com (d.h. der Startseite) nach dem Gesetzeswortlaut keinesfalls ausreichen könnte, um die Verpflichtung aus § 312k Abs. 2 BGB zu erfüllen. Denn diese Webseite wird vom Verbraucher bei dem Bestellvorgang gar nicht aufgerufen. Würde die Argumentation der Beklagten zutreffen und auf die konkrete Webseite der Beklagten abgestellt, auf der der Verbraucher die Bestellung des streitgegenständlichen Produkts durch Betätigen der Schaltfläche "Jetzt kaufen" abschließt (www...., Anlage K 3), müsste sich die Kündigungsschaltfläche dort befinden. Ausweislich des Bildschirmausdrucks (Anlage K 3) wurde dort aber keine solche Schaltfläche vorgehalten.

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Auch ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten.