Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.06.1997, Az.: II 334/96
Einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen; Gemeinsame Errichtung einer Wohnanlage und Aufteilung in Wohnungseigentum ; Verlust aus Vermietung und Verpachtung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.06.1997
- Aktenzeichen
- II 334/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 17857
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0611.II334.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 180 Abs. 2 AO 1977
- § 165 Abs. 1 AO 1977
- § 173 Abs. 1 AO 1977
Fundstelle
- NWB DokSt 1998, 1363-1364
Verfahrensgegenstand
Ges. und einh. Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1984
Der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 11. Juni 1997,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Die Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin (Klin.), die an einer Bauherrengemeinschaft (BHG) beteiligt war, in die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der BHG (Feststellung nach der Rechtsverordnung - VO - zu § 182 Abs. 2 Abgabenordnung (AO)) einbezogen werden durfte.
Die Klin. war an der BHG ... beteiligt, in der sich 10 Bauherren zur gemeinsamen Errichtung einer Wohnanlage und Aufteilung in Wohnungseigentum zusammengeschlossen hatten.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1984 hatte sie aus ihrer Eigentumswohnung einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung (VuV) von 61.504 DM erklärt. Die Herstellungskosten und Werbungskosten waren im einzelnen aufgeschlüsselt. Der Einkommensteuerbescheid, in dem die Einkünfte erklärungsgemäß angesetzt wurden, erging im Dezember 1985; er stand gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Nach einer Außenprüfung bei der Steuerberatersozietät ..., an der der Ehemann beteiligt ist, erließ der Beklagte (das beklagte Finanzamt - FA -) einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem die Einkünfte der Klin. aus VuV der Eigentumswohnung weiterhin in der bisherigen Höhe angesetzt waren. Nach den Erläuterungen zu diesem Änderungsbescheid beruhte die Änderung auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, wurde der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 AO aufgehoben und war der Bescheid nunmehr gem. § 165 Abs. 1 AO vorläufig, wobei Grund und Umfang der Vorläufigkeit allerdings nicht angegeben waren. In einer Anlage zum Bescheid waren die darin erfaßten Einkünfte aus Beteiligungen, die Einkünfte aus VuV, u.a. auch der Verlust aus der Eigentumswohnung i.H.v. weiterhin 61.504 DM, sowie die Einkünfte aus Kapitalvermögen im einzelnen aufgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage verwiesen (Bl. 484 Einkommensteuerakte, Bl. 37 Gerichtsakte). Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Die BHG wurde erstmals 1985 zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert. Nach mehrfachen Mahnungen, z.T. unter Androhung von Zwangsgeld, schließlich unter Hinweis darauf, daß bei Nichtabgabe die Einkünfte der BHG auf 0 DM geschätzt würden, erließ das FA im Januar 1988 einen der Ankündigung entsprechenden Schätzungsbescheid (Einkünfte 0 DM).
Die gesonderte und einheitliche Feststellung stützte sich auf § 180 Abs. 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der hierzu ergangenen VO.
Hiergegen legte der Prozeßbevollmächtigte der Klin. Einspruch ein. Schließlich gab er für die BHG zwar eine Feststellungserklärung für 1984 ab, erklärte aber lediglich eine Ausgabe von 134 DM (Zinsen Treuhandkonto); im übrigen vermerkte er auf der Erklärung, daß die abziehbaren Werbungskosten von den einzelnen Wohnsitzfinanzämtern zu ermitteln seien.
Während des Einspruchsverfahrens führte das FA bei der BHG eine Außenprüfung durch. Der Außenprüfer teilte die Aufwendungen der BHG nach dem sog. Bauherrenerlaß in abziehbare Werbungskosten und Herstellungskosten auf mit der Folge, daß sich für die Klin. aus der BHG abziehbare Werbungskosten von 33.654 DM ergaben, die einheitlich und gesondert festgestellt wurden, sowie Herstellungskosten von 160.996 DM.
Der entsprechend dem Ergebnis der Außenprüfung geänderte Feststellungsbescheid wurde Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Der Prozeßbevollmächtigte machte aber nur noch geltend, daß die Klin. in die gesonderte und einheitliche Feststellung nicht hätte einbezogen werden dürfen.
Entsprechend dem ergangenen Feststellungsbescheid änderte das FA den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid der Klin. selbst gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO und verminderte den Verlust von bisher 61.504 DM auf 49.845 DM. Das Einspruchsverfahren gegen diesen Änderungsbescheid ist noch nicht abgeschlossen.
Der Einspruch der Klin. gegen den Feststellungsbescheid hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage begehrt die Klin. weiterhin, sie aus der gesonderten und einheitlichen Feststellung auszunehmen.
Zwar hätten die übrigen Beteiligten der BHG sich nicht gegen die Feststellung gewehrt, weil es für das steuerliche Ergebnis bei ihnen unerheblich gewesen wäre, ob die Einkünfte zunächst gesondert und einheitlich festgestellt würden oder ob die Ermittlung im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagungen erfolgte; bei diesen seien die Veranlagungen nämlich noch offen gewesen.
Anders sei dies aber bei der Klin. Diese hätte deshalb nicht in die Feststellung einbezogen werden dürfen, weil die Einkommensteuerfestsetzung bereits bestandskräftig gewesen sei und die Einkünfte aus der Eigentumswohnung ... als Einkünfte aus VuV nach § 21 Einkommensteuergesetz (EStG) darin festgestellt seien; außerdem sei die Feststellung im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung erfolgt und genieße deshalb eine erhöhte Bestandskraft. Zwar sei der Einkommensteuerbescheid vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO ergangen, doch betreffe die Vorläufigkeit nicht die Einkünfte aus VuV .... Wegen der eingetretenen (erhöhten) Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids hätte die Klin. nicht in die gesonderte und einheitliche Feststellung einbezogen werden dürfen.
Da die Einkünfte der Klin. aus VuV schon zuvor durch die Außenprüfung abschließend geprüft worden seien, sei kein Raum mehr für eine abweichende Feststellung im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 182 Abs. 2 AO i.V.m. der hierzu ergangenen VO. Nach § 1 Abs. 3 dieser VO könnten einzelne Beteiligte von der Feststellung ausgenommen werden. Das FA habe sein Ermessen insoweit unzutreffend ausgeübt.
Die Klin. beantragt,
sie von der einheitlichen und gesonderten Feststellung für das Streitjahr auszunehmen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sei nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der VO zulässig, wenn die der Einkunftserzielung dienenden Wirtschaftsgüter - hier Eigentumswohnungen - mehreren Personen getrennt zuzurechnen seien, die bei der Planung, Herstellung, Erhaltung oder dem Erwerb dieser Wirtschaftsgüter, Anlagen oder Einrichtungen gleichartige Rechtsbeziehungen zu Dritten hergestellt oder unterhalten hätten (Gesamtobjekt). Dies treffe auf die BHG zu.
Zwar könne die Feststellung auf einzelne Beteiligte beschränkt werden, § 1 Abs. 3 der VO, doch sei es Sinn dieser Vorschrift, solche Beteiligte auszunehmen, für die eine solche Feststellung ohne Bedeutung sei, weil die Wirtschaftsgüter nicht zur Einkunftserzielung eingesetz würden.
Die Entscheidung, ein Feststellungsverfahren durchzuführen und auch die Klin. in dieses einzubeziehen, entspreche pflichtgemäßem Ermessen, § 4 der VO. Soweit sich die Finanzverwaltung in der Ermessensausübung generell gebunden habe, sei dies beachtet; danach müsse die Feststellung mindestens drei Personen betreffen und müsse es bei jeder zu beteiligenden Person um Werbungskosten, Betriebsausgaben oder wie Sonderausgaben abziehbare Beträge von mehr als 5.000 DM gehen.
Bei der Ermessensausübung sei unbeachtlich, ob ohne Feststellung u.U. eine Korrektur bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht mehr möglich sei.
Soweit die Einkünfte aus VuV im Einkommensteuerbescheid erfaßt seien, seien sie entgegen der Behauptung der Klin. nicht etwa Gegenstand einer Außenprüfung gewesen; die angeführte Außenprüfung habe die Gewinnfeststellung bei der Sozietät betroffen, an der der Ehemann der Klin. beteiligt sei. Der fraglich Einkommensteueränderungsbescheid, in dem der nach der Außenprüfung geänderte Gewinnanteil des Ehemanns nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO erfaßt worden sei, sei bei gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung aber ausdrücklich nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig ergangen, und zwar wegen der Einkünfte aus VuV Steinbühlstraße, auch wenn dies und der Umfang der Vorläufigkeit nicht im Bescheid selbst angegeben seien. Im übrigen gehe aus dem Einkommensteueränderungsbescheid hervor, daß die Einkünfte aus VuV Steinbühlstraße als Beteiligungseinkünfte erfaßt seien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Antrag der Klin., sie von der gesonderten und einheitlichen Feststellung auszunehmen, ist weder deshalb begründet, weil etwa schon die Feststellung als solche nicht zulässig wäre noch deshalb, weil eine dem Grunde nach zulässige Feststellung auch auf nur einen Teil der Beteiligten der BHG beschränkt werden kann und hätte im Streitfall beschränkt werden müssen.
1.
Das FA hat zu Recht für die Beteiligten der BHG eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 i.V.m. der hierzu ergangenen VO durchgeführt.
Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der VO können Besteuerungsgrundlagen ganz oder teilweise gesondert festgestellt werden, wenn der Einkunftserzielung dienende Wirtschaftsgüter, Anlagen oder Einrichtungen mehreren Personen getrennt zuzurechnen sind, die bei deren Planung, Herstellung, Erhaltung oder Erwerb gleichartige Rechtsbeziehungen zu Dritten hergestellt oder unterhalten haben (Gesamtobjekt).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, da den Beteiligten das Wohnungseigentum zwar getrennt zuzurechnen ist, sie als Bauherrengemeinschaft aber durch gleichlautende Verträge mit einem Treuhänder einheitliche Verträge mit den Bauhandwerkern abgeschlossen haben.
2.
Ob in einem solchen Fall ein Feststellungsverfahren durchzuführen ist, ist allerdings gem. § 1 Abs. 4 der VO nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Nach dem Gesetzeszweck soll die VO zu § 180 Abs. 2 AO eine einheitliche Rechtsanwendung bei gleichen Sachverhalten sicherstellen und das Besteuerungsverfahren erleichtern (amtliche Begr. BR-Drucks. 493/86, 1). Diese Zielrichtung hat auch im Verordnungstext insoweit ihren Miederschlag gefunden, als in § 4 Satz 2 der VO geregelt ist, daß die Finanzbehörde durch Bescheid feststellen kann, daß sie eine gesonderte Feststellung nicht für erforderlich hält, insbesondere, weil das Feststellungsverfahren nicht der einheitlichen Rechtsanwendung und auch nicht der Erleichterung des Besteuerungsverfahrens dient.
Das Feststellungsverfahren dient im Streitfall ersichtlich diesem Zweck. Gerade bei der Vielzahl der Beteiligten ist es sinnvoll, die Frage der Abgrenzung zwischen sofort abziehbaren Werbungskosten oder Betriebsausgaben gegenüber Herstellungskosten unter gleichzeitiger Überprüfung der Kostenbelege in einem Feststellungsverfahren durchzuführen und nicht bei den Veranlagungen der einzelnen Beteiligten mit der möglichen Folge unterschiedlicher Behandlung.
Soweit sich die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 05.12.1990 (BStBl I 1990, 764) in ihrem Ermessen gebunden hat, hat dies das FA beachtet. Nach Ziff. 4.2. des BMF-Schreibens kann ein Feststellungsbedarf erst angenommen werden, wenn für einen Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen für mindestens drei Beteiligte festzustellen sind und jeder Beteiligte abziehbare Beträge von mehr als 5.000 DM geltend macht. Diese Selbstbindungsgrenze ist bei 10 Beteiligten und festgestellten Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zwischen rd. 16 und 37 TDM (lediglich bei einem Beteiligten von rd. 3 TDM) erheblich überschritten.
3.
Allerdings kann nach § 1 Abs. 3 Satz 2 der VO die gesonderte und einheitliche Feststellung auf einzelne Personen beschränkt werden. Auch hierüber ist gem. § 4 Abs. 1 der VO nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, da es insoweit um den Umfang des Feststellungsverfahrens geht. Daß es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, folgt außerdem auch schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 2 der VO, wonach nicht geregelt ist, wann die Feststellung auf einzelne Personen beschränkt werden muß, sondern lediglich, daß sie insoweit beschränkt werden kann.
Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der VO zu § 180 Abs. 2 AO, nämlich das Besteuerungsverfahren zu erleichtern und bei gleichen Sachverhalten eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird von dieser Möglichkeit der Beschränkung des Feststellungsverfahrens auf bestimmte Personen jedenfalls dann sachgerecht Gebrauch gemacht sein, wenn bestimmte Personen die Wirtschaftsgüter nicht zur Einkunftserzielung eingesetzt haben, diese nicht einkünfterelevant sind (Tipke-Kruse, § 180 AO, Rdn. 44 a.E.; Frotscher in Schwarz, § 180 AO Rdn. 53).
Nicht entscheidend kann es allerdings entgegen der Auffassung der Klin. sein, ob die Einkommensteuerfestsetzungen bei den einzelnen Steuerpflichtigen, die mit den Wirtschaftsgütern, Anlagen oder Einrichtungen Einkünfte erzielen, bereits formell und materiell bestandskräftig sind, unter Vorbehalt der Nachprüfung stehen, hinsichtlich der hiermit erzielten Einkünfte vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO ergangen sind oder das Feststellungsverfahren dazu führt, daß auch bei formell und materiell bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen eine Änderung wegen nachträglich - im Feststellungsverfahren - bekanntgewordener Tatsachen nach § 173 Abs. 1 AO möglich wäre.
Derartige Erwägungen würden einerseits den Zweck der Erleichterung der Steuerfestsetzung und andererseits die verfahrensrechtliche Gesetzessystematik außer Acht lassen.
Auch die gesonderte und einheitlich Feststellung nach § 182 Abs. 2 AO ist nämlich ein Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO, da er gem. § 182 Abs. 1 AO für andere Feststellungsbescheide, Steuermeßbescheide und Steuerbescheide (Folgebescheide) bindend ist, soweit die getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind.
Feststellungsbescheide sollen nach der verfahrensrechtlichen Grundordnung aber unabhängig von einer etwaigen Bestandskraft der Folgebescheide zu deren Änderung führen können; denn nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), dem Bindungwirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Dann aber macht es keinen Sinn, die Feststellung als solche von einer anderweitigen Änderungsmöglichkeit des Folgebescheids abhängig zu machen. Dieses wäre eine sachfremde Ermessenserwägung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.