Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.06.1997, Az.: I 478/91

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.06.1997
Aktenzeichen
I 478/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 27908
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0624.I478.91.0A

In dem Rechtsstreit

wegen Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 01.01.1989

hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 24. Juni 1997, an der mitgewirkt haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

ehrenamtliche Richterin .

ehrenamtliche Richterin .

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Tatbestand:

1

Umstritten ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Jan. 1989, ob nachgemeldete Sonderbetriebsschulden zu berücksichtigen sind.

2

Die Klägerin (Kl.) ist eine Kommanditgesellschaft und betreibt ein Motorschiff. Der Beklagte (Finanzamt, FA) hatte den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1989 zunächst durch Bescheid vom 06.11.1989 auf minus 272. 000 DM festgestellt; der Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). In der Zeit vom 11. Dez. 1989 bis 28. Mai 1990 fand bei der Kl. eine Außenprüfung statt, die u. a. die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 01.01.1989 betraf. Aufgrund dieser Außenprüfung und des Prüfungsberichts vom 05.07.1990 änderte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1989 durch Bescheid vom 24.10.1990 auf 4.050. 000 DM; zugleich hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

3

Gegen den Änderungsbescheid legten die Prozeßbevollmächtigten der Kl. am 02.11.1990 Einspruch ein. Als Begründung führten sie an, bei der Ermittlung des Teilwertes des MS "H." sei ein Abschlag von 20 v.H., den die Seeschiffs-BewR 1980 vorgesehen hatten, nicht berücksichtigt worden. Zwar hätten zum Zeitpunkt des Änderungsbescheides die Seeschiffs-BewR 1989 noch nicht vorgelegen und das FA hätte im Vorgriff auf die zu erwartende Formulierung dieser Richtlinie den Abschlag nicht gewährt; dennoch sei nicht auszuschließen, daß die Seeschiffs-BewR 1989 einen solchen Abschlag zulassen würden. Mit Schreiben vom 10. Dez. 1990 beantragten die Prozeßbevollmächtigten beim FA, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Kl. auf den 01.01.1989 Sonderbetriebsschulden, die bisher nicht berücksichtigt worden waren, in Höhe von 5.669. 250 DM abzuziehen. Am 14.02.1991 schrieben die Prozeßbevollmächtigten dem FA:

4

"Einheitswert auf den 01.01.1989 . Einspruch vom 02.11.1990 Hiermit nehmen wir unseren im Betreff angeführten Einspruch vom 02.11.1990 zurück.

5

Der Einspruch hat sich durch die nunmehr bekanntgemachten Seeschiffs-Bewertungsrichtlinien 1989 erledigt."

6

Am 24.05.1991 teilte das FA dem Prozeßbevollmächtigten mit, eine Berücksichtigung der nachträglich geltend gemachten Sonderbetriebsschulden sei aus formellen Gründen nicht mehr möglich, da der Einheitswertbescheid vom 24.10.1990 bestandskräftig sei. Auf die Gegenvorstellung der Kl. hin, mit der sie vortrug, die Einspruchsrücknahme vom 14.02.1992 sei nicht wirksam, lehnte das FA die Berücksichtigung der Sonderbetriebsschulden mit Bescheid vom 28.08.1991 ab. Hiergegen legte die Kl. am 03.09.1991 Einspruch ein. Mit Einspruchsbescheid vom 16.09.1991 verwarf das FA den Einspruch vom 02.11.1990 als unzulässig und wies den Einspruch vom 03.09.1991 als unbegründet zurück.

7

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der geltend gemacht wird, die Rücknahme des Einspruchs vom 15.02.1991 stünde der Anerkennung der geltend gemachten Sonderbetriebsschulden nicht entgegen. U.a. sei diese Rücknahme unwirksam.

8

Die Kl. beantragt,

den ablehnenden Bescheid des Finanzamts vom 28. August 1991 und den Einspruchsbescheid vom 16. September 1991 aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, den Einheitswertbescheid auf den 01.01.1989 vom 24.10.1990 zu berichtigen und Sonderbetriebsschulden der Kommanditist in Hanseatische Industriebeteiligungen GmbH in Höhe von 5.669. 250 DM zu berücksichtigen.

9

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Es meint, die Sonderbetriebsschulden könnten aus formellen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden.

11

Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Gründe

12

Die Klage ist nicht begründet.

13

Die von der Kl. begehrten Sonderbetriebsschulden können bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 01.01.1989 nicht mehr berücksichtigt werden. Das ergibt sich aus folgendem:

14

Der Änderungsbescheid vom 24. Okt. 1990, durch den das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens der Kl. auf 4.050. 000 DM festgesetzt hat, ist bestandskräftig. Zwar hatte die Kl. hiergegen zunächst Einspruch eingelegt. Mit Schreiben vom 14. Februar 1991, beim FA eingegangen am 15. Febr. 1991, wurde dieser Einspruch jedoch wirksam zurückgenommen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Rücknahme ganz oder teilweise unwirksam sein sollte. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens vom 14.02.1991 haben die Prozeßbevollmächtigten den Einspruch vom 02.11.1990 zurückgenommen. Diese Rücknahme betrifft den gesamten Einspruch und ist nicht anderweitig auslegungsfähig. Der Zusatz, daß sich der Einspruch durch die inzwischen herausgegebenen Seeschiffs-BewR 1989 erledigt habe, ist lediglich eine Begründung der Rücknahme, aber keine Einschränkung. Insbesondere kann dieser Formulierung nicht entnommen werden, daß nur eine -; unwirksame -; Teilrücknahme vorläge. Soweit sich die Prozeßbevollmächtigten etwas anderes vorgestellt haben sollten, wäre dies ein unbeachtlicher Motivirrtum.

15

Der bestandskräftige Änderungsbescheid vom 24.10.1990 kann nicht abermals geändert werden. Die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides ist nur unter engen, gesetzlich ausdrücklich festgelegten Voraussetzungen zulässig. Im Streitfall ist allenfalls eine Änderung wegen neuer Tatsachen gem. § 173 AO zu prüfen. Nach § 173 Abs. 1 Ziff. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, sobald Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach Erlaß des Bescheides vom 24.10.1990 sind dem FA Tatsachen bekannt geworden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, nämlich die mit Schreiben vom 01.12.1990 erstmals erwähnten Sonderbetriebsschulden in Höhe von 5.669. 250 DM. Das Gericht geht auch davon aus, daß die Kl. oder ihre Prozeßbevollmächtigten kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Sonderbetriebsschulden trifft. Die Rücknahme des Einspruchs ist in diesem Zusammenhang, d. h. bezüglich der Frage, ob eine Tatsache neu i.S.d. § 173 Abs. 1 AO ist oder nicht, ohne Bedeutung.

16

Dennoch ist die begehrte Änderung der Einheitswertfestsetzung unzulässig. Das ergibt sich aus § 173 Abs. 2 AO. Dort ist festgelegt, daß abweichend von § 173 Abs. 1 AO Steuerbescheide, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden können, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Der Sinn dieser Regelung besteht darin, daß nach Abschluß einer Außenprüfung grundsätzlich Rechtsfriede eintreten soll und bestandskräftige Steuerbescheide nicht mehr geändert werden können. Im Streitfall ist der Änderungsbescheid vom 24.10.1990 nach der Außenprüfung ergangen, die vom 11.12.1989 bis 25.08.1990 durchgeführt wurde. Damit ist eine Änderung der Einheitswertfestsetzung auf den 01.01.1989 nach § 173 AO nicht möglich.

17

Andere Änderungsvorschriften, die im Streitfall relevant sein könnten, liegen offensichtlich nicht vor. Die Klage mußte somit abgewiesen werden.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.