Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.06.1997, Az.: III 366/96
Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung der Ertragsanteile für Leibrenten nach § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a EStG (Einkommensteuergesetz); Fiktive Annahme einer auf die Dauer der mittleren Lebenserwartung für männliche Personen laufenden Zeitrente; Verpflichtung zur Gleichbehandlung aller Rentenempfänger
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.06.1997
- Aktenzeichen
- III 366/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 15995
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0625.III366.96.0A
Rechtsgrundlage
- § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a EStG
Fundstellen
- DStRE 1997, 806 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB DokSt 1998, 677
Amtlicher Leitsatz
Die ab 1. Januar 1994 eingetretene Erhöhung der Ertragsanteile für Leibrenten nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchstabe a EStG ist verfassungsgemäß
Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
...
in der Sitzung vom 25. Juni 1997,
an der mitgewirkt haben:
...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der ab 1. Januar 1994 eingetretenen Erhöhung er Ertragsanteile für Leibrenten nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG.
Die Kl. sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kl. bezog Versorgungsbezüge seines ehemaligen Arbeitgebers; ferner beziehen beide Kl Altersruhegeld seit ihrem 63. bzw. 65. Lebensjahr. Durch Bescheid vom ... setzte das beklagte Finanzamt - FA - gegen die Kl. Einkommensteuer ... sowie die ab ... zu entrichtenden Einkommensteuervorauszahlungen fest. Hierbei erfaßte es - entsprechend der Neufassung des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - vom 23. Juni 1993 (BGBl I S. 944) - die Ertragsanteile der von den Kl. bezogenen Renten mit 27 v.H. bzw. 29 v.H. Diese Ertragsanteile waren bei den Kl. bis ... mit 24 v.H. bzw. 26 v.H. erfaßt worden. Mit ihrem hiergegen erhobenen Einspruch machten die Kl geltend, das FKPG sei wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Besitzstandswahrung verfassungswidrig. Das FA wies den Einspruch durch Bescheid vom ... als unbegründet zurück. Es führte zur Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung aus, daß alle Rentenempfänger von dieser Neuregelung betroffen seien und deshalb kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vorliege. Da der Rechtsanspruch auf Zahlung der Leibrenten unangetastet bleibe, sei auch der Grundsatz der Besitzstandswahrung gewahrt.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kl. vortragen: Die Erhöhung der Ertragsanteile sei willkürlich und stelle einen enteignungsgleichen Eingriff dar. Das Gleichbehandlungsgebot und der Grundsatz der Bestandswahrung seien verletzt, weil eine Bevölkerungsgruppe - nämlich die Rentner - einseitig benachteiligt würden.
Die Kl. beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid ... unter Aufhebung des Einspruchsbescheids ... dahingehend zu ändern, daß ihre Altersruhegelder wie bisher mit 24 v.H. bzw. 26 v.H. als Einnahmen bei den sonstigen Einkünften erfaßt werden und die Einkommensteuer dementsprechend herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es tritt dem Vorbringen der Kl. entgegen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und auf die beim FA geführte Einkommensteuerakte ... Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig. Der angegriffene Einkommensteuerbescheid entspricht bezüglich der zugrunde gelegten Ertragsanteile der durch das Gesetz vom 23. Juni 1993 (a.a.O.) vorgenommenen Neuregelung der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Diese Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die gesetzliche Regelung basiert auf der fiktiven Annahme einer auf die Dauer der mittleren Lebenserwartung für männliche Personen laufenden Zeitrente mit einer Verzinsung von 5,5 v.H. bei vorschüssiger Zahlungsweise. Anlaß für die durch das Gesetz vom 23. Juni 1993 (a.a.O.) vorgenommene Neufassung der Tabelle des§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG war der Umstand, daß sich die Laufzeit der Renten aufgrund der sich aus der Allgemeinen Deutschen Sterbetafel 1986/88 ermittelten Daten erhöht hatte, weil die mittlere Lebenserwartung gestiegen war. Daraus folgt, daß sich der Kapitalwert der Renten auf längere Laufzeiten verteilt und infolgedessen der in den Rentenbezügen enthaltenen Kapitalanteil abnimmt, während der Ertragsanteil zunimmt (vgl. Bundestags-Drucksache 12/4401 S. 99). Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen des Gesetzgebers erweist sich die vorgenommene Erhöhung der Ertragsanteile als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG-Beschluß vom 23. Oktober 1987 1 BvR 573/86, DStZ/E 1987 S. 378 zur früheren Neuregelung ab 1. Januar 1982; Schmidt/Heinicke, Kommentar zum EStG, 15. Aufl., 1996, § 22 Rz. 101). Aufgrund der vorstehenden Erwägungen des Gesetzgebers zur Erhöhung der Ertragsanteile handelt es sich insoweit um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Wegen dieser sachlichen Gründe und der Gleichbehandlung aller Rentenempfänger liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Substanz der Rentenansprüche der Kl bleibt aufgrund der hier fraglichen Erhöhung der Ertragsanteile um jeweils 3. v.H. unangetastet. Schließlich liegt in der Erhöhung der Ertragsanteile durch das Gesetz vom 23. Juni 1993 (a.a.O.) auch keine unzulässige Rückwirkung, weil das FKPG bezüglich der angeordneten Erhöhung der Ertragsanteile bereits vor Beginn des Kalenderjahres 1994 verkündet worden ist.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus §. 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.