Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.06.1997, Az.: I 274/93

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
10.06.1997
Aktenzeichen
I 274/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 27899
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0610.I274.93.0A

In dem Rechtsstreit

wegen Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1992

hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 10. Juni 1997, an der mitgewirkt haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

ehrenamtlicher Richter .

ehrenamtliche Richterin .

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Unter Änderung des Einheitswertbescheides vom 23.07.1996 wird der Einheitswert auf den 01.01.1992 auf 83. 800 DM festgesetzt.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten tragen die Beteiligten zu je 1/2.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Kläger wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, es sei denn, die Kläger erbringen vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Streitig ist der Einheitswert des von den Klägern (Kl.) mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in H.

2

Der Beklagte (Bekl.) hat mit dem im Klagverfahren geänderten Einheitswertbescheid vom 23.07.1996 den Einheitswert für das o.g. Grundstück des Kl. auf 96. 200 DM festgesetzt. Bei dieser Festsetzung ist der Bekl. davon ausgegangen, daß die Quadratmetermiete für das sehr gut ausgestattete, frei finanzierte Einfamilienhaus der Kl. entsprechend der Mietspiegelgruppe V g 4,67 DM/qm betrage. Gegen die Höhe dieser Quadratmetermiete wenden sich die Kl. mit der Klage.

3

Das Gericht hat das Haus der Kl. in Augenschein genommen. Dabei wurde Einigkeit erzielt, daß das Haus in die Ausstattungsgruppe V -; sehr gute Ausstattung -; des vom Bekl. aufgestellten Mietspiegels gehört.

4

Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kl. vor, der vom Bekl. gewählte Mietansatz von 4,67 DM/qm sei völlig unrealistisch. Sowohl bei einer Berechnung der Miete auf den 01.01.1964 nach Kostengesichtspunkten als auch unter Anwendung des bundesweit gültigen Mietpreisindex ergebe sich eine Miete von unter 3,00 DM/qm.

5

Auch ein Vergleich zu den Mieten mit der 15 km vom Bekl. entfernt liegenden Großstadt B. zeige, wie unrealistisch der Mietansatz des Bekl. sei. Die Mieten in B. seien von 3,00 DM für Wohnungen mit schlechter Wohnlage bis zu 4,50 DM für Wohnungen in der besten Wohnlage gestaffelt.

6

Schließlich weiche der Mietansatz des Bekl. von dem anderer Finanzämter, die ebenfalls wie der Bekl. im Einzugsbereich von B. liegen, erheblich ab. In die Zuständigkeit des Finanzamts (FR) S. z. B., gehöre der Ort K., der von Größe und lage mit dem Ort H., in dem ihr Wohnhaus gelegen sei, vergleichbar sei. Die von jenem FA angesetzte Miete in der Ausstattungsgruppe V g betrage jedoch lediglich 3,20 DM/qm.

7

Die Kl. beantragen,

unter Änderung des Einheitswertbescheides vom 23. Juli 1996 den Einheitswert nach einer Jahresrohmiete von 3,50 DM/qm monatlich inklusive Zuschlag für Schönheitsreparaturen festzusetzen.

8

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

9

hilfsweise die Revision zuzulassen.

10

Der Bekl. meint, der von ihm angewendete Mietwert von 4,67 DM/qm sei realistisch. Zwar habe es auf den Stichtag 01.01.1994 in seinem Bezirk keine freifinanzierten und vermieteten Einfamilienhäuser der Baujahre 1963 und früher gegeben. Den von ihm angesetzten wert habe er wie folgt ermittelt:

11

Aus dem Mietspiegel ergebe sich für sehr gut ausgestattete Häuser, die grundsteuerbegünstigt seien, eine durchschnittliche Quadratmetermiete von 3,62 DM. Hierzu sei ein Betrag von 0,21 DM/qm hinzuzurechnen, was 6 % der in Gruppe V e enthaltenen Miete entspreche. Denn bei dem Haus der Kl. handele es sich um ein Einfamilienhaus.

12

Darüber hinaus sei ein weiterer Betrag von 0,84 DM der Mietspiegelmiete der Gruppe V e hinzuzurechnen, was 22 % entspreche. Nach Untersuchungen der Oberfinanzdirektion (OFD) übersteige die Marktmiete für freifinanzierte Wohnungen die Kostenmiete für grundsteuerbegünstigte Wohnungen um 25 v.H., so daß ein Zuschlag von 22 v.H. auf jeden Fall angemessen sei. Diese Positionen zusammengerechnet ergeben für das Haus der Kl. eine Miete von 4,67 DM/qm ohne Schönheitsreparaturen.

13

Daß der von ihm angesetzte Wert realistisch ist, rechtfertigt sich auch aus folgender Berechnung: Er habe anhand von sieben dem Haus der Kl. vergleichbaren Objekten die durchschnittliche Miete für grundsteuerbegünstigte Wohnungen des Baujahres 1963 mit 4,46 DM/qm ermittelt. Rechne man zu diesem Wert noch den Einfamilienhauszuschlag und berücksichtige den Umstand, daß freifinanzierter Wohnraum keinen Mietpreisbindungen unterliege, so sei die Spiegelmiete nicht zu beanstanden.

14

Wegen des weitergehenden Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die beigezogenen Einheitswertakten des Bekl. unter der Steuernummer . Bezug genommen.

Gründe

15

Die Klage ist zum Teil begründet. Der Einheitswert für das Einfamilienhaus der Kl. in H., war von 96. 200 DM um 12. 400 DM auf 83. 800 DM zu reduzieren.

16

Der festgesetzte Einheitswert ergibt sich aus § 76 Abs. 1 Nr. 4 Bewertungsgesetz (BewG) in Verbindung mit §§ 78 Satz 2, 79 Abs. 2, 80 BewG.

17

Nach diesen Vorschriften ist der Einheitswert von Einfamilienhäusern grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu ermitteln. Grundlage dieser Wertermittlung ist die Jahresrohmiete, vervielfacht mit dem sich aus § 80 BewG ergebenden Vervielfältiger, der hier 12,4 beträgt.

18

Die Jahresrohmiete ist bei Gebäuden, die nach dem 01.01.1964 errichtet sind, grundsätzlich nach § 79 Abs. 2 BewG zu ermitteln, wonach die übliche Miete die Jahresrohmiete darstellt.

19

Kann, wie im vorliegenden Fall, die übliche Miete nicht durch unmittelbaren Vergleich mit geeigneten vermieteten Objekten ermittelt werden, so muß sie auf andere Weise geschätzt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -; BFH -; vom 19.12.1975 III R 6/75, BStBl 1976 II, S. 283), von der Rechtsprechung werden dabei die örtlichen Mietspiegel der Finanzämter als geeignete Grundlage für die Schätzung der üblichen Miete anerkannt (Rössler/Troll Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 79 Bewertungsgesetz, And.-Ziff. 58 m.w.N.). Dabei geht jedoch die Rechtsprechung davon aus, daß die Mietspiegel aus einer Zusammenstellung von Rahmenmieten entstanden sind, die aus den regelmäßig gezahlten Mieten einer repräsentativen Zahl von vermieteten Wohngrundstücken unter Berücksichtigung der örtlichen Marktlage abgeleitet und mit Mieter-, Vermieter- und anderen verbänden sowie Organen des Wohnungsbaues abgestimmt sind. Diese Mietspiegel sollen nach Grundstücksarten, Baujahrgruppen, Ausstattungsgruppen, Lage der Grundstücke sowie nach solchen Wohnraumgruppen gegliedert sein, für die am Hauptfeststellungszeitpunkt unterschiedliche Mietpreisregelungen bestanden haben. Der Mietspiegel des Bekl. weist die geforderte Unterscheidung nach Baujahrgruppen und Ausstattungsgruppen aus und nimmt auch unterschiedliche Mietpreisregelungen in sich auf. Für die im Mietspiegel ausgewiesene Miete für freifinanzierten, nicht preisgebundenen Wohnraum mit sehr guter Ausstattung (V g) ist jedoch die Mietspiegelmiete, wie der Bekl. selbst einräumt, nicht aus regelmäßig gezahlten Mieten einer repräsentativen Zahl von vermieteten Grundstücken abgeleitet worden. Insoweit scheidet die Mietspiegelgruppe V g als Schätzungshilfsmittel für nicht preisgebundene Marktmiete aus; Urteil des Senats vom 27. August 1996 I 119/90, EFG 1997, S. 8.

20

In Ermangelung eines für die freifinanzierte Marktmiete aussagekräftigen Mietspiegels hatte der Senat die übliche Miete anderweitig zu schätzen. Er hat sich dabei an die Grundsätze angelehnt, die der BFH in seinem Urteil vom 15. Oktober 1986 (II R 230/81, BStBl II 1987, 201) für die Ermittlung der Marktmiete nach Auslauf der Grundsteuervergünstigung entwickelt hat. Dort ist die Schätzung der üblichen Marktmiete durch Ansatz der üblichen Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum zuzüglich eines Zuschlags als zulässig anerkannt worden. Der Zuschlag hat dabei der Tatsache Rechnung zu tragen, daß nach Beendigung der Grundsteuervergünstigung die nunmehr einsetzende Grundsteuerbelastung des Grundstücks regelmäßig zu einer Erhöhung der Rohmiete führt.

21

Entsprechend der Systematik des § 79 Abs. 3 BewG ist dabei nicht auf die tatsächliche Grundsteuerbelastung im Einzelfall abzustellen, vielmehr ist sie pauschal für das ganze Bewertungsgebiet einheitlich anzusetzen. Der Senat ist dabei der Auffassung, daß diese Grundsätze nicht nur nach Auslauf einer Grundsteuervergünstigung sondern auch dann anzuwenden sind, wenn überhaupt keine Grundsteuervergünstigung gewährt worden ist. Entsprechend hat der Senat auf die im Mietspiegel ausgewiesene Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum (Mietspiegelspalte V e) zurückgegriffen, da im Gegensatz zu Spalte V g die in Gruppe V e ausgewiesene Miete aus einer Vielzahl gezahlter Mieten für vergleichbare Objekte ermittelt worden ist und hierauf einen Zuschlag von 12 % hinzugerechnet.

22

Das Ausmaß dieses Zuschlags entspricht dem Anteil, den der Gesetzgeber in § 79 Abs. 3 BewG bundesweit der Grundsteuerbelastung innerhalb der Ermittlung der Jahresrohmiete zuerkannt hat.

23

Hiernach ergibt sich für das Haus der Kl. ein Mietwert von 4,05 DM. Die Spiegelmiete der Ausstattungsgruppe V e beträgt lt. Mietspiegel 3,62 DM/qm. Der 12%-ige Zuschlag hierauf ergibt weitere 0,43 DM. Diese beiden Positionen zusammengerechnet ergeben den Mietwert von 4,05 DM/qm. Bei 127,63 qm Wohnfläche errechnet sich hieraus ein Jahreswert von 6. 202 DM. Auf diesen Jahreswert sind 5 % für Schönheitsreparaturen aufzuschlagen, was weitere  310 DM ergibt. Weiterhin ist auf den so errechneten Betrag von 6. 312 DM noch der wert der Garage zuzüglich 5 % für Schönheitsreparaturen in Höhe von insgesamt  250 DM hinzuzurechnen, so daß sich eine Jahresrohmiete von 6. 760 DM ergibt.

24

Bei dieser Berechnung hat der Senat davon abgesehen, die Miete um einen Zuschlag dafür zu erhöhen, daß es sich bei dem Haus der Kl. um ein freistehendes Einfamilienhaus handelt. Dieser sog. "Einfamilienhauszuschlag" kann bei der Bestimmung der angemessenen Miete bei Einfamilienhäusern auf den Mietspiegelwert aufgeschlagen werden, um damit auszugleichen, daß die dem Mietspiegel zugrundeliegenden Mieten im Regelfall solche für Mehrfamilienhäuser sind und das Wohnen in Einfamilienhäusern im Verhältnis zu dem in einem Mehrfamilienhaus ein mehr an Wohnkomfort darstellt, was sich erhöhend auf die erzielbare Miete auswirkt.

25

Ein solcher Einfamilienhauszuschlag entfällt aber grundsätzlich bei der Ausstattungsgruppe V. Denn die Merkmale dieser sehr guten Ausstattungsgruppe sind in der Regel nur bei Einfamilienhäusern, möglicherweise auch bei Zweifamilienhäusern, aber nur in seltenen Ausnahmefällen bei Mehrfamilienhäusern erfüllbar. Beruhen jedoch die ermittelten Mietwerte der Spiegelgruppe V im wesentlichen auf Mieten von Ein- oder Zweifamilienhäusern, besteht keine Berechtigung für einen besonderen Zuschlag, da in der tatsächlich gezahlten in den Mietspiegelwert eingeflossenen Miete dies bereits Berücksichtigung gefunden hat.

26

Die Jahresrohmiete beträgt hiernach 6. 760 DM. Unter Anwendung des Vervielfältigers von 12,4 ergibt dies einen Grundstückswert von 83. 824 DM, abgerundet den erkannten Einheitswert in Höhe von 83. 800 DM.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

28

Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 151 Abs. 3 in Verbindung mit § 155 FGO und den §§ 708, 710, 711 Zivilprozeßordnung.

29

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.