Abschnitt 27 VV-BauGB - 27. Beteiligung der Bürger (§ 3)
Bibliographie
- Titel
- Verwaltungsvorschriften zum Baugesetzbuch (VV-BauGB)
- Amtliche Abkürzung
- VV-BauGB
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 21074000000002
27.1
Allgemeines
27.1.1
Formen der Bürgerbeteiligung
Das Verfahren zur Beteiligung der Bürger an der Bauleitplanung ist zweistufig. Es umfaßt
- a)die frühzeitige Bürgerbeteiligung und
- b)das förmliche Auslegungsverfahren.
27.1.2
Beteiligte Bürger
Die Beteiligung an der Bauleitplanung nach § 3 Abs. 1 ist jedermann, d.h. jeder natürlichen oder juristischen Person ohne Rücksicht auf ihren Sitz oder Wohnsitz zu ermöglichen. Ein rechtliches oder sonstiges Interesse an der Bauleitplanung braucht nicht vorzuliegen bzw. nicht nachgewiesen zu werden.
Im Rahmen der Bürgerbeteiligung kann auch Verbänden Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gegeben werden. So ist es bei der Ausweisung von Sondergebieten nach § 11 Abs. 3 BauNVO in der Regel zweckdienlich und erforderlich, den Interessenverbänden des Einzelhandels und der Verbraucher (Einzelhandelsverband und Verbraucherverband) Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
27.2
Frühzeitige Bürgerbeteiligung (§ 3 Abs. 1)
27.2.1
Zeitpunkt
Mit der frühzeitigen Bürgerbeteiligung soll begonnen werden, wenn Ziele, Zwecke und Auswirkungen der Planung ausreichend konkret sind. Dies kann zweckmäßigerweise eine Grobabstimmung mit Trägern öffentlicher Belange erfordern.
27.2.2
Inhalt
Nach § 3 Abs. 1 hat die Gemeinde die Bürger über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebietes in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten. Die Unterrichtung kann mit Hilfe informeller Pläne (z.B. städtebauliche Rahmenpläne, vgl. Nr. 213.3) erfolgen.
27.2.3
Art
Die öffentliche Unterrichtung muß in geeigneter Weise erfolgen; dies bedeutet, daß die Planungsabsichten für den Bürger verständlich gemacht werden müssen. Sie sollte so erfolgen, daß möglichst viele Bürger informiert werden.
Der Begriff "Unterrichten" umfaßt sowohl die mündliche als auch die schriftliche oder anderweitige Information.
Die "öffentliche" Unterrichtung kann z.B. in öffentlicher Versammlung erfolgen. Sie kann auch durch Bekanntmachung in der Tagespresse oder durch Aushang geschehen, ohne daß in diesen Fällen die Anforderungen einer förmlichen öffentlichen Bekanntmachung erfüllt sein müssen. Für die öffentliche Unterrichtung genügt es, daß in ortsüblicher oder anderer geeigneter Weise bekanntgemacht wird, daß für einen bestimmten Zeitraum an einer bestimmten Stelle, z.B. in der Gemeindeverwaltung, über Inhalt, Zweck und Auswirkungen der Planung, ggf. auch über Alternativen, Informationen gegeben werden.
Zur "Erörterung" gehört, daß nicht nur Äußerungen der Bürger entgegengenommen werden, sondern auch Gelegenheit zu einer Besprechung mit einem sachkundigen Vertreter der Gemeindeverwaltung oder einem Beauftragten bestehen muß.
27.2.4
Verfahren
Das BauGB enthält keine Vorschriften über die nähere Ausgestaltung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung. Es überläßt dies der Gemeinde.
Zuständig für eine gemeindliche Regelung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung ist, soweit der Rat sie sich nicht vorbehält (§ 40 Abs. 2 NGO), der Verwaltungsausschuß; der Verwaltungsausschuß kann sie auch dem Gemeindedirektor übertragen (§ 57 Abs. 4 NGO).
Sind nach § 55 oder 55a NGO Stadtbezirke gebildet worden, so kann der Rat allgemein oder im Einzelfall bestimmen, daß bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bebauungsplänen von räumlich an den Stadtbezirk begrenzter Bedeutung die frühzeitige Beteiligung der Bürger an der Bauleitplanung den Stadtbezirksräten übertragen wird (§ 55c Abs. 4 Satz 2 NGO).
27.2.5
Absehen von der frühzeitigen Bürgerbeteiligung
Bei der Änderung oder Ergänzung des Flächennutzungsplans kann die Gemeinde nach § 3 Abs. 1 Satz 2 von der frühzeitigen Bürgerbeteiligung absehen, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden.
Bei der Aufstellung oder Aufhebung des Flächennutzungsplans ist dagegen stets eine frühzeitige Bürgerbeteiligung erforderlich.
Bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans kann von der frühzeitigen Bürgerbeteiligung abgesehen werden, wenn nur unwesentliche Auswirkungen auf das Plangebiet einschließlich der Nachbargebiete zu erwarten sind.
Im übrigen kann von der frühzeitigen Bürgerbeteiligung abgesehen werden, wenn die Unterrichtung und Erörterung bereits zuvor auf anderer planerischer Grundlage erfolgt sind. Die andere planerische Grundlage muß in ihrem wesentlichen Inhalt dem vorgesehenen Bauleitplan entsprechen. Das kann ein Rahmenplan oder ein sonstiger Plan mit städtebaulichen Konzeptionen sein. Ein informeller Plan für ausschließlich sachliche Teilbereiche (z.B. Nutzungs- oder Versorgungs- oder Grünflächen- oder Gestaltungsplan) reicht nur aus, wenn auch der Bauleitplan nur entsprechende Teilkomplexe regeln soll. Die vorangegangene Unterrichtung muß verfahrensmäßig und inhaltlich den Anforderungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 genügen. Außerdem muß die vorangegangene Unterrichtung und Erörterung in einem angemessenen Zusammenhang mit der beabsichtigten Bauleitplanung stehen. Der erörterte informelle Plan muß inhaltlich noch aktuell sein.
Zuständig für die Entscheidung, von der frühzeitigen Bürgerbeteiligung abzusehen, ist, wenn der Rat sie sich nicht vorbehält (§ 40 Abs. 2 NGO), der Verwaltungsausschuß; der Verwaltungsausschuß kann sie auch dem Gemeindedirektor übertragen (§ 57 Abs. 4 NGO).
Nr. 27.2.4 Abs. 3 bleibt unberührt.
27.3
Förmliches Auslegungsverfahren (§ 3 Abs. 2)
27.3.1
Entscheidung über die Auslegung
Die Auslegung nach § 3 Abs. 2 setzt grundsätzlich einen Auslegungsbeschluß voraus.
Der Auslegungsbeschluß muß sich sowohl auf den Planentwurf als auch auf die Entwurfserläuterung bzw. Entwurfsbegründung beziehen.
Zuständig für den Auslegungsbeschluß ist der Verwaltungsausschuß (§ 57 Abs. 2 NGO), sofern der Rat sich die Beschlußfassung nicht vorbehalten hat (§ 40 Abs. 2 NGO). Der Verwaltungsausschuß kann seine Zuständigkeit auf den Gemeindedirektor übertragen (§ 57 Abs. 4 NGO).
Nr. 32.4 gilt entsprechend.
27.3.2
Gegenstand der Auslegung
Ausgelegt wird der ggf. durch Auslegungsbeschluß gebilligte Entwurf des Flächennutzungsplans oder des Bebauungsplans.
Mit dem Entwurf des Flächennutzungsplans bzw. des Bebauungsplans sind die Entwurfserläuterung bzw. die Entwurfsbegründung öffentlich auszulegen (§ 3 Abs. 2 Satz 1).
Die auszulegenden Unterlagen müssen vollständig sichtbar, griffbereit und als zusammengehörig erkennbar ausgelegt werden.
27.3.3
Ort der Auslegung
Die Auslegung hat innerhalb der betreffenden Gemeinde an einem der Öffentlichkeit zugänglichen Ort zu erfolgen.
Bei Samtgemeinden muß der Entwurf des Flächennutzungsplans am Sitz der Samtgemeinde ausgelegt werden. Eine Auslegung in den Mitgliedsgemeinden ist erforderlich, wenn die Hauptsatzung der Samtgemeinde dies vorsieht.
Bei Samtgemeinden muß der Entwurf eines Bebauungsplans grundsätzlich in der betreffenden Mitgliedsgemeinde ausgelegt werden. Die Auslegung am Sitz der Samtgemeinde kommt abweichend davon nur in Betracht, wenn alle Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde dieser
- a)die Befugnis zur Aufstellung von Bebauungsplänen gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 NGO und § 205 Abs. 1 BauGB oder
- b)die Führung der Verwaltungsgeschäfte gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 NGO
übertragen haben.
27.3.4
Auslegungszeit
Der Planentwurf braucht nicht während aller Dienststunden auszuliegen. Eine Beschränkung auf die Besuchszeit reicht aus, wenn hierdurch die Möglichkeit zur Einsichtnahme nicht unzumutbar eingeschränkt wird.
27.3.5
Dauer der Auslegung
Die Dauer der Auslegung beträgt einen Monat. Bei der Berechnung der Monatsfrist ist entsprechend § 187 Abs. 2 BGB der erste Tag der Auslegung mitzuzählen.
Für das Ende der Monatsfrist gilt § 193 BGB entsprechend (vgl. § 31 VwVfG). Fällt das Ende der Monatstrist auf einen Sonnabend oder Sonntag oder auf einen gesetzlichen Feiertag, so verlängert sich die Frist bis zum Ablauf des darauffolgenden Werktages.
27.3.6
Bekanntmachung
Ort und Dauer der Auslegung sind ortsüblich bekanntzumachen.
Die Art der ortsüblichen Bekanntmachung bestimmt sich nach der Hauptsatzung der Gemeinde. Die Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinden und Landkreise in amtlichen Verkündungsblättern ist auf die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 nicht anwendbar. Wird für die ortsübliche Bekanntmachung eine Übersichtskarte benötigt, so eignet sich hierfür im Regelfall eine Vergrößerung der Topographischen Karte 1:25.000 (TK 25).
Die Bekanntmachung muß enthalten:
- a)den Hinweis, daß der Planentwurf mit der Entwurfserläuterung bzw. mit der Entwurfsbegründung öffentlich ausgelegt wird;
- b)bei Bebauungsplänen sowie räumlich begrenzten Änderungen oder Ergänzungen des Flächennutzungsplans:
hinreichend genaue Bezeichnung des Gebietes, für das der Entwurf aufgestellt wurde, so daß der Bürger ohne weiteres erkennen kann, auf welchen Bereich sich die Planung bezieht und ob er davon betroffen wird; die mit der Auslegung bezweckte "Anstoßwirkung" muß erreicht werden; - c)genaue Angaben über Ort und Dauer der Auslegung; Beginn und Ende der Auslegung sind datumsmäßig zu bezeichnen; Angaben über den Beginn und das Ende der Besuchszeiten (vgl. Nr. 27.3.4);
- d)den Hinweis, daß während der Auslegungsfrist Bedenken und Anregungen vorgebracht werden können. Dieser Hinweis darf nicht mit einschränkenden Zusätzen versehen werden; so ist z.B. der Hinweis, daß Bedenken und Anregungen nur schriftlich erhoben werden können, unzulässig. Eine Ausnahme gestattet § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 in den Fällen einer wiederholten Auslegung.
Die Bekanntmachung hat mindestens eine Woche vor der Auslegung zu erfolgen, sofern nicht die Hauptsatzung eine längere Frist vorschreibt.
Die Wochenfrist des § 3 Abs. 2 Satz 2 ist entsprechend § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB zu berechnen; der Tag der Bekanntmachung zählt also nicht mit. Für das Ende der Frist gilt § 193 BGB entsprechend (§ 31 VwVfG; Nr. 27.3.5 Abs. 2).
27.3.7
Benachrichtigung der Träger öffentlicher Belange
Die nach § 4 Abs. 1 beteiligten Behörden und Stellen sollen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 von der Auslegung benachrichtigt werden.
Die Benachrichtigung ersetzt nicht das Verfahren nach § 4.
27.3.8
Beteiligung des Stadtbezirksrates
Die Vorschrift des § 55c Abs. 4 Satz 2 NGO bezieht sich nur auf die frühzeitige Bürgerbeteiligung (Nr. 27.2); sie ist auf das förmliche Auslegungsverfahren (Nr. 27.3) nicht anwendbar.
27.4
Abweichende Regelungen nach dem BauGB-MaßnahmenG
27.4.1
Abweichung von Nr. 27.2.5
Nach § 2 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG kann von der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB abgesehen werden. Wird von dieser Regelung Gebrauch gemacht, ist nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB im Rahmen des Auslegungsverfahrens (vgl. Nr. 27.3) den Bürgern auch Gelegenheit zur Erörterung zu geben. Hierauf ist in der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB hinzuweisen. Fehlt ein solcher Hinweis oder ist die Gelegenheit zur Erörterung nicht gegeben worden, berührt dies die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht (§ 9 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BauGB-MaßnahmenG).
Gelegenheit zur Erörterung im Rahmen des Auslegungsverfahrens bedeutet, daß während des Auslegungsverfahrens selbst und bis zur abschließenden Behandlung der Bedenken und Anregungen Gelegenheit zur Erörterung gegeben werden kann.
Die Möglichkeit, aus den in § 3 Abs. 1 Satz 2 BauGB genannten Gründen von der frühzeitigen Bürgerbeteiligung abzusehen, bleibt durch § 2 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG unberührt.
27.4.2
Abweichung von Nr. 27.3.5
Die Dauer der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs (§ 3 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB) kann unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 BauGB-MaßnahmenG von einem Monat auf bis zu zwei Wochen verkürzt werden. In die Bekanntmachung über die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist die verkürzte Frist aufzunehmen.