Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.03.2009, Az.: 16 K 450/07
Maschinenleistungen für andere Landwirte und Forstwirte als landwirtschaftliche Dienstleistungen i.S.d. Anhangs B der 6. EG-Richtlinie unabhängig von einer ertragsteuerlichen Qualifizierung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.03.2009
- Aktenzeichen
- 16 K 450/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 12446
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2009:0312.16K450.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 24.09.2009 - AZ: XI B 30/09
Rechtsgrundlagen
- § 24 UStG
- Abschnitt 264 Abs. 1 S. 2 UStR 2005
- Art. 25 der 6. EG-Richtlinie
Fundstellen
- EFG 2009, 1071-1072
- Jurion-Abstract 2009, 228864 (Zusammenfassung)
Amtlicher Leitsatz
Maschinenleistungen für andere Land- und Forstwirte sind unabhängig von einer ertragsteuerlichen Qualifizierung als "landwirtschaftliche Dienstleistungen" im Sinne des Anhangs B der 6. EG-Richtlinie ohne betragsmäßige Beschränkung Umsätze, die in den Anwendungsbereich des § 24 UStG fallen.
Tatbestand
Der Kläger war als Landwirt unternehmerisch tätig. Er betrieb intensiven Kartoffelanbau. Seine Umsätze versteuerte er im Rahmen der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG. Mit den in seinem landwirtschaftlichen Betrieb für die Erzeugung der betrieblichen Eigenprodukte verwendeten Maschinen führte er auch Maschinenleistungen als Dienstleistungen für andere Land- und Forstwirte sowie für einen Gewerbebetrieb aus. Der Kläger hatte die Maschinenleistungen für andere Land- und Forstwirte der Durchschnittssatzbesteuerung zugeordnet.
Nach einer Außenprüfung stellte der Beklagte fest, dass die Lohnarbeiten an Nichtlandwirte unter Einbeziehung von Frachtvergütungen für Vorleistungen die 100.000 DM Umsatzgrenze nach Abschnitt 135 Abs. 9 der Einkommensteuerrichtlinien nachhaltig überschritten hatten. Ferner konnte keine organisatorische und tatsächliche Trennung der verschiedenen Dienstleistungen und Betätigungsbereiche festgestellt werden. Der Beklagte qualifizierte deshalb sämtliche Maschinenleistungen ertragsteuerlich als einheitlichen Gewerbebetrieb. Umsatzsteuerrechtlich ging er davon aus, dass die vom Kläger auch gegenüber Land- und Forstwirten erbrachten Maschinenleistungen nicht aus seinem landwirtschaftlichen Betrieb heraus, sondern nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten aus einem von ihm betriebenen Gewerbebetrieb heraus erbracht wurden und unterwarf u.a auch die vom Kläger bisher der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG zugeordneten Umsätze aus Lohnleistungen gegenüber Landwirten der Regelbesteuerung. Unter Berücksichtigung daraus folgender Vorsteuerkorrekturen gem. § 15 a UStG ergab sich im Ergebnis eine Umsatzsteuererhöhung in 1997 in Höhe von 337,52 DM, in 1999 in Höhe von 4.092 DM und in 2000 in Höhe von 2.760,24 DM. Der Beklagte setzte die Umsatzsteuer mit Änderungsbescheiden entsprechend höher fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, seine Umsätze aus Lohnarbeiten bzw. Maschinenleistungen gegenüber anderen Land- und Forstwirten fielen als landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne des Anhangs B der 6. EG-Richtlinie ohne betragsmäßige Beschränkung in den Anwendungsbereich des § 24 UStG. Insofern seien die Grundsätze der BFH-Urteile vom 14. Juni 2007 (V R 56/059) und 31. Mai 2007 (V R 5/05) auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, wonach ertragsteuerliche Kriterien für die Beurteilung, ob es sich um landwirtschaftliche oder nichtlandwirtschaftliche Umsätze handele, keine Bedeutung mehr hätten. Dies habe die Finanzverwaltung für Vermietungs- und Verpachtungsleistungen mit BMF-Schreiben vom 28. November 2005 (V A 5-S 7410-57/05) ähnlich beurteilt. Unerheblich sei, ob die Umsätze nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder in einem Gewerbebetrieb ausgeführt würden.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer 1997 um 337,52 DM, die Umsatzsteuer 1999 um 4.092 DM herabzusetzen und die Umsatzsteuer 2000 auf 0 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, es sei zwar zutreffend, dass die Erbringung von Maschinenleistungen durch einen Land- und Forstwirt an andere Land- und Forstwirte für deren Unternehmen grundsätzlich ohne betragsmäßige Beschränkung der Durchschnittssatzbesteuerung unterfielen. Nach dem BMF-Schreiben vom 15. Oktober 2004 (IV A 5-S 7410-10/04 i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 28. November 2005 an den deutschen Bauernverband (Az. IV A 5-S 7410-58/05) seien diese Grundsätze zur Besteuerung von Maschinenleistungen aus Vertrauensschutzgründen jedoch erst auf nach dem 31. Dezember 2004 erbrachte Umsätze anzuwenden. Ferner unterlägen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG nur Umsätze, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführt worden seien. Eine entsprechende Beurteilung, ob eine Tätigkeit ihrem Wesen nach eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit sei, habe unter Heranziehung der ertragsteuerlichen Grundsätze zu erfolgen. Hierfür reiche nicht aus, dass der Leistungsempfänger ein Land- und Forstwirt sei. Vielmehr könnten Maschinenleistungen, die als gewerblich einzustufen seien, z.B. weil sie die Umsätze der ertragsteuerlichen Betragsgrenzen überschritten, nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterworfen werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Maschinenleistungen des Klägers gegenüber anderen Land- und Forstwirten unterliegen der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG.
Der Kläger ist Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes im Sinne von § 24 Abs. 2 UStG und landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne der 6. EG-Richtlinie. Danach unterliegen nicht nur seine Umsätze aus der Veräußerung selbsterzeugter landwirtschaftlicher Produkte, sondern auch die aus landwirtschaftlichen Dienstleitungen im Sinne des Art. 25 der 6. EG-Richtlinie der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG.
§ 24 UStG ist richtlinienkonform auszulegen. Die Vorschrift "beruht" nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 8/1779, S. 49) auf Art. 25 der 6. Richtlinie. Nach Art. 25 Abs. 1 der 6. Richtlinie können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder ggf. der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der 6. Richtlinie auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Artikel anwenden. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt u.a. voraus, dass der Landwirt eine "landwirtschaftliche Dienstleistung" erbracht hat (vgl. BFH-Beschluss vom 04.07.2002 V R 8/01, BFHE 199, 59, BFH/NV 2002, 1540).
Als "landwirtschaftliche Dienstleistungen" i.S. des Art. 25 der der 6. Richtlinie gelten die in Anhang B bezeichneten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen Betriebes vorgenommen werden (Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der der 6. EG-Richtlinie). Um eine einheitliche Anwendung dieser Regelung in der gesamten Gemeinschaft sicherzustellen, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber hinsichtlich der Bestimmung der erfassten Betriebe für eine Definition u.a. der Begriffe "landwirtschaftlicher Erzeuger", "landwirtschaftliche Erzeugnisse" und "landwirtschaftliche Dienstleistungen" Sorge getragen und im Anhang B der 6. Richtlinie Dienstleistungen bezeichnet, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Hierzu gehören insbesondere Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens.
Die vom Kläger mit seinen zum eigenen landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Maschinen erbrachten Maschinenleistung für andere Land- und Forstwirt sind als "landwirtschaftliche Dienstleistungen" im Sinne des Anhangs B der 6. EG-Richtlinie ohne betragsmäßige Beschränkung Umsätze, die in den Anwendungsbereich des § 24 UStG fallen. Die ertragsteuerliche Qualifizierung ist insofern unerheblich. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 14.06.2007 V R 56/05, BFHE 217, 298, BStBl II 2008, 158 und 31.05.2007 V R 5/05, BFHE 217, 290, BFH/NV 2007, 2202 [BFH 31.05.2007 - V R 5/05]) ist mittlerweile geklärt, dass wegen der Notwendigkeit § 24 UStG richtlinienkonform auszulegen, ertragsteuerrechtlich entwickelte Kriterien und Umsatzgrenzen für die umsatzsteuersteuerrechtliche Beurteilung, wann ein Umsatz im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt wird, keine Bedeutung haben. Dies hat der BFH mit Urteil vom 14. Juni 2007 (V R 56/05 a.a.O.) zwar ausdrücklich nur im Hinblick auf "die im Ertragsteuerrecht entwickelten Zukaufsgrenzen" entschieden. Für die streitigen Lohnleistungen bzw. Maschinenleistungen gilt wegen der Definition landwirtschaftlicher Umsätze in Anhang B der 6. EG-Richtlinie jedoch nichts anderes.
Die Arbeiten wurden vom Kläger auch im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs und nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeführt. Zwar gelten im Sinne des Artikels 25 der 6. EG-Richtlinie als "landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder Fischereibetrieb" die Betriebe, die in dem einzelnen Mitgliedstaat im Rahmen der in Anhang A genannten Erzeugertätigkeiten als solche gelten (Artikel 25 Abs. 2 zweiter Unterabsatz der 6. EG-Richtlinie). Damit überlässt die Richtlinie die Abgrenzung im Einzelnen dem jeweiligen nationalen Recht des Mitgliedstaates (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2004 - Harbs - C-321/02, Slg.2004 I-7101, BFH/NV 2004, Beilage 4, 371 [BFH 16.07.2003 - I B 163/02]). Daraus folgt aber nicht, dass sich entsprechend der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nach ertragsteuerlichen Grundsätzen entscheidet, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des § 24 UStG vorliegt. Denn zum einen darf ein Mitgliedstaat nur innerhalb des ihm von Artikel 25 i.V.m. Anhang A und B der 6. EG-Richtlinie vorgegebenen Rahmens einen landwirtschaftlichen Betrieb definieren. Zum anderen gibt es keine nationale gesetzliche Definition, wonach für die Beurteilung, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, bestimmte Umsätze bzw. Zukaufsgrenzen maßgeblich sind. Zur Überzeugung des Gerichts kann deshalb nicht einem Mitgliedstaat überlassen bleiben, durch eigene Definition einen nach der 6. EG-Richtlinie zu definierenden landwirtschaftlichen Betrieb unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten als solchen von der 6. EG-Richtlinie definierten Betrieb als landwirtschaftlichen Betrieb auszuschließen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BFH, der in seinem Urteil vom 31. Mai 2007 (V R 5/05, BFHE 217, 290, BFH/NV 2007, 2202 [BFH 31.05.2007 - V R 5/05]) entschieden hat, dass § 24 UStG seinem Wortlaut nach für "die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze" gilt, dies in richtlinienkonformer Auslegung dahin zu verstehen sei, dass damit die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlicher Dienstleistung gemeint seien, auf die die Pauschalregelung des Artikel 25 der 6. EG-Richtlinie Anwendung finde und es deshalb ohne Bedeutung sei, wie nach dem nationalen einkommensteuerrechtlichen Regelungen die betreffenden Leistungen bzw. die Einkünfte hieraus beurteilt werden.
Bestätigt wird dieses Verständnis durch den Sinn des Art. 25, der darin besteht, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischerei-Betriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen (vgl. EuGH-Urteil Harbs in Slg. 2004, I-07101, HFR 2004, 935, BFH/NV Beilage 2004, 371).
Soweit dieser Rechtsauffassung die Anweisungen in Abschnitt 264 Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuerrichtlinien 2005 - UStR entgegenstehen, wonach die Abgrenzung nach den Grundsätzen des Einkommen- und Gewerbesteuerrechts zu entscheiden sei, ist das Gericht hieran nicht gebunden. Abweichend hiervon übernahm jedoch der Bundesminister der Finanzen - BMF - in seinem Schreiben vom 15. Oktober 2004 (IV A 5-S 7410-10/04) die Rechtsaufassung insbesondere des EuGH und rechnete Umsätze aus Maschinenleistungen an andere Landwirte der Durchschnittsbesteuerung auch dann zu, wenn die Umsätze die Grenzbeträge zur ertragsteuerlichen Gewerblichkeit überschreiten.
Auf Intervention des Hauptverbandes der landwirtschaftlichen Buchstellen - HLBS - mit Schreiben vom 11. Januar 2005 schuf das BMF mit Schreiben vom 28. November 2005 (IV A 5-S 7410-57/05, BStBl I 2005, 1065) eine Übergangsregelung dahingehend, dass die mit BMF-Schreiben vom 15. Oktober 2004 mitgeteilten Grundsätze zur Besteuerung von Maschinenleistungen erst auf nach dem 31. Dezember 2004 erbrachte Umsätze anzuwenden sei. Damit erklärte der BMF faktisch eine für die Steuerpflichtigen günstige Rechtsanwendung bis zum 31. Dezember 2004 für nicht anwendbar. Da hierfür keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist, insbesondere auch nicht in § 176 Abgabenordnung - AO - finden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Die Umsätze des Klägers unterliegen vielmehr als landwirtschaftliche Umsätze der Durchschnittsbesteuerung, weil der Kläger die Maschinenleistungen mit Maschinen erbrachte, die er selbst in seinem eigenen Betrieb zur Kartoffelproduktion einsetzte und er mit dem Einsatz dieser Maschinen für andere Landwirte in gleicher Weise tätig wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 710, 711 Nr. 10 Zivilprozessordnung - ZPO -.