Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.03.2009, Az.: 11 K 83/07

Vorliegen eines der Lohnsteuer unterliegenden Sachbezuges bei einer privaten Nutzung eines Betriebs-PKWs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer trotz ausdrücklichem Verbot; Anforderungen an das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. Körperschaftssteuergesetzes (KStG); Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei vertraglich nicht geregelter Privatnutzung eines PKWs durch den Geschäftsführer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.03.2009
Aktenzeichen
11 K 83/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 23628
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2009:0319.11K83.07.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 11.02.2010 - AZ: VI R 43/09

Fundstellen

  • DStRE 2010, 269-271
  • StX 2010, 122-123

Haftung für Lohnsteuer Januar 2003 - Juli 2005 PKW-Privatnutzung des Gesellschafter-Geschäftsführers bei Nutzungsverbot

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht aufgrund einer trotz Verbots erfolgten Privatnutzung ihres Gesellschafter-Geschäftsführers in Haftung genommen wurde.

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An der Klägerin waren zunächst ___ (R) mit 45%, seine Lebensgefährtin ___ (G) mit 50% sowie ein ___ (S) mit 5% beteiligt. Am 8. Juli 2004 erwarb R den Geschäftsanteil des S. Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin sind R und G.

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Die Klägerin stellte R während des Streitzeitraumes jeweils folgende PKW zur Verfügung:

TypBMW 740DBMW 750ILBMW 745IBMW 760Li
Bruttolistenpreis66.500 EUR105.000 EUR85.000 EUR150.800 EUR
Kennzeichen
Zeitraumbis 10/2001bis 09/2003bis 06/2005Juli 2005
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In dem Anstellungsvertrag mit R ist vereinbart, dass dieser den PKW ausschließlich für geschäftliche Zwecke nutzen dürfe.

5

Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung gelangte der Prüfer zu der Ansicht, eine Privatnutzung durch R sei nicht auszuschließen, da weder ein Fahrtenbuch geführt worden sei, noch sonst eine Überwachung der Einhaltung des Nutzungsverbots stattgefunden habe. Zudem verfüge R privat nur über ein Saab Cabrio mit Erstzulassung vom 30. April 1991 und Saisonkennzeichen für April bis Oktober seit dem 21. Februar 2001.

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Der Beklagte (das Finanzamt - FA) folgte der Ansicht des Lohnsteueraußenprüfers, dass die Privatnutzung ab 2001 im Rahmen der 1%-Regelung als lohnsteuerpflichtiger Sachbezug zu versteuern sei und erließ - nachdem sich die Klägerin mit der Übernahme der Lohnsteuer einverstanden erklärt hatte - einen entsprechenden Haftungsbescheid über Lohnsteuer 32.631,88 EUR, Kirchensteuer 2.936,91 EUR und Solidaritätszuschlag 1.794,79 EUR.

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Hiergegen richtet sich nach Erfolglosigkeit des Einspruchs die Klage.

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Die Klägerin ist der Ansicht, da ein Nutzungsverbot vertraglich vereinbart sei und tatsächlich keine Privatnutzung stattgefunden habe, bleibe kein Raum für die Anwendung der 1%-Regel. Ein Fahrtenbuch liege zwar nicht vor, die betrieblich gefahrenen Kilometer könnten jedoch ab dem 1. Januar 2004 aufgrund der seitens R geführten Kalenderaufzeichnungen nachvollzogen werden. Einen Großteil der Fahrten habe R sich von Mitarbeitern fahren lassen, die somit die Einhaltung des Nutzungsverbots insoweit bestätigen könnten. Die Überwachung des Nutzungsverbots sei darüber hinaus durch die Mitgesellschafterin erfolgt. Da der Firmensitz mit dem Wohnsitz von R identisch sei, seien Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht angefallen. R sei zudem überwiegend im Außendienst für die Klägerin tätig. Für die wenigen privaten Fahrten stünden ihm sowohl das Fahrzeug seiner Lebensgefährtin, sein eigenes Cabrio sowie ein Motorrad zur Verfügung.

9

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie von der Lohnsteuer abzusetzende Beträge für die Zeit von Januar 2003 bis Juli 2005 vom 25. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2007 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Auffassung fest, nach der die Klägerin den Anscheinsbeweis der privaten Nutzung des jeweiligen Firmenfahrzeugs nicht widerlegt habe.

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Der Beklagte führt ergänzend aus, seiner Ansicht nach komme insbesondere auch die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) nicht in Betracht, da R in den Streitjahren kein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer gewesen sei. Das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 23. Januar 2008 (I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057) sei noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlich, so dass keine Verpflichtung zur Anwendung bestehe.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

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Der Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 25. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2007 ist rechtswidrig und die Klägerin hierdurch in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

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Der Beklagte ist in jedem Fall zu Unrecht von einem lohnsteuerpflichtigen Sachbezug im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 Satz 2 und § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ausgegangen.

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Bei einer, der vertraglichen Vereinbarung entsprechenden rein geschäftlichen Nutzung der Betriebs-PKWs läge - auch aus Sicht des Beklagten - kein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug vor. Aber auch die von dem Beklagten angenommene, dem ausdrücklichen Verbot widersprechende private Nutzung der Betriebs-PKWs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer würde nicht zu einem der Lohnsteuer unterliegenden Sachbezug führen, sondern vielmehr eine vGA darstellen, die auf Gesellschafterebene zu einem Bezug im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG führt.

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Unter einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht; dabei muss diese Unterschiedsbetragsminderung die objektive Eignung haben, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (z.B. BFH-Urteile vom 7. August 2002 I R 2/02, BStBl II 2004, 131; vom 6. April 2005 I R 15/04, BStBl II 2006, 196). Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nimmt die Rechtsprechung regelmäßig an, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 I R 70/04, BStBl II 2005, 882).

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In diesem Sinne hat der 1. Senat des BFH in seinem Urteil vom 23. Februar 2005 (I R 70/04, BStBl II 2005, 882) entschieden, dass die vertraglich nicht geregelte private PKW-Nutzung durch den Geschäftsführer und Ehemann der Alleingesellschafterin einer Kapitalgesellschaft in Höhe der Vorteilsgewährung eine vGA darstellt. Daran hat der Senat in seinem Urteil vom 23. Januar 2008 (I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057) angeschlossen und entschieden, dass auch eine vertragswidrige Nutzung zum Ansatz einer vGA führt. Diese Sichtweise, die der erkennende Senat teilt, hat der 1. Senat des BFH zuletzt in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 (I R 83/07, BFH/NV 2009, 417) bestätigt.

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Damit ist in allen Fällen, in denen der Gesellschafter-Geschäftsführer den Betriebs-PKW ohne entsprechende Gestattung der Gesellschaft für private Zwecke nutzt, eine vGA anzusetzen. Nur diejenige Nutzung des PKW ist betrieblich veranlasst, welche durch eine fremdübliche Überlassungs- oder Nutzungsvereinbarung abgedeckt wird. Die ohne eine solche Vereinbarung erfolgende oder darüber hinausgehende oder einem ausdrücklichen Verbot widersprechende Nutzung ist hingegen durch das Gesellschaftsverhältnis zumindest mitveranlasst.

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Bei Anwendung dieser Grundsätze würde die vertragswidrige Nutzung der Betriebs-PKWs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zur Annahme von vGAs führen.

21

Vorliegend ist R gemäß dem Anstellungsvertrag vom 31. August 2000 nur die Nutzung zu geschäftlichen Zwecken gestattet, die Privatnutzung mithin untersagt (Nutzungsverbot). Mit dem Beklagten ist entgegen der vertraglichen Vereinbarung möglicherweise jedoch von einer Privatnutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer auszugehen. Hierfür spricht bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer bereits ein Anscheinsbeweis (Niedersächsisches Finanzgericht , Urteil vom 25. November 2004 11 K 459/03, EFG 2005, 428 [FG Niedersachsen 25.11.2004 - 11 K 459/03]), der vorliegend durch die Klägerin nicht erschüttert wurde (keine Führung eines Fahrtenbuchs; keine organisatorischen Maßnahmen, um eine Privatnutzung auszuschließen; unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit des Geschäftsführers auf den PKW; s. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330; vom 13. April 2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300; vom 27. Oktober 2005 VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292; BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, BStBl II 2007, 116; BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2006 VI B 20/06, BFH/NV 2007, 716).

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Ein Fahrtenbuch wurde von R nicht geführt. Die erst ab dem 1. Januar 2004 geführten Aufzeichnungen sind ebenfalls nicht ausreichend. Zwar lassen diese den Schluss zu, dass R die Fahrzeuge überwiegend betrieblich genutzt haben mag, allerdings sind die Aufzeichnungen nicht lückenlos und können so die Vermutung einer Privatnutzung nicht gänzlich entkräften. Entsprechendes gilt für das von der Klägerin angeführte Argument, R habe sich öfters von Mitarbeitern fahren lassen, die die betriebliche Nutzung somit bezeugen könnten. Der nicht weiter substantiierte Vortrag, die Lebensgefährtin des R habe als Mitgesellschafterin die Einhaltung des Nutzungsverbots überwacht, lässt sich als bloße Schutzbehauptung werten. Jedenfalls ist nicht erkennbar, wie die Überwachung stattgefunden haben soll, wenn zunächst gar keine und später nur lückenhafte Aufzeichnungen geführt wurden.

23

Privat verfügte R nur über ein 10 bis 15 Jahre altes Saab Cabrio mit Saisonkennzeichen sowie ein Motorrad. Dass er gleichwohl keine einzige Privatfahrt mit den verschiedenen 7er BMWs unternommen haben will, könnte nach Ansicht des Senats eher zur Erhärtung des Anscheinsbeweises als zu dessen Entkräftung beitragen.

24

Der Senat teilt im Übrigen nicht die Ansicht des Beklagten, eine vGA liege bereits deshalb nicht vor, weil R mit 45% bzw. 50% kein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer gewesen sei.

25

Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (z.B. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2004 I R 4/04, BFH/NV 2005, 723).

26

Vorliegend geht es jedoch bereits um die, einem ausdrücklichen Verbot widersprechende, mithin vertragswidrige private Nutzung. Warum es bei einem nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer in diesem Fall an einer gesellschaftsrechtlichen Mitveranlassung fehlen soll, erschließt sich dem Senat nicht, zumal der Beklagte inhaltlich die Annahme der privaten Nutzung mit den Gesellschafterinteressen von G und R begründet und so selber zu der Schlussfolgerung gelangt, das Nutzungsverbot halte einem Fremdvergleich nicht stand. Die Ansicht des Beklagten, die Annahme einer vGA setze eine beherrschende Stellung des Gesellschafter-Geschäftsführers voraus, wird auch ansonsten nicht durch die Rechtsprechung gedeckt (s BFH-Urteil vom 23. Januar 2008 I R 8/06 a.a.O.; FG München, Urteil vom 4. August 2008 7 K 3056/06, [...]).

27

Da bei Vorliegen einer Privatnutzung - wie vom Beklagten angenommen - somit eine vGA, nicht aber ein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug gegeben und bei Einhaltung des Nutzungsverbots - wie vom Kläger vorgetragen - ebenfalls kein Raum für lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn wäre, ist der streitgegenständliche Haftungsbescheid unter jedem denkbaren Gesichtspunkt rechtswidrig und damit aufzuheben. Die Frage, ob R die Betriebs-PKWs tatsächlich entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht ausschließlich geschäftlich genutzt hat, braucht der Senat folglich nicht zu entscheiden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).